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WKG, KKW und SF

Teestunde mit Rolf...Moin Rolf, Du hast doch bestimmt was zum Thema WK und Atomkraft zu sagen. Da hatte er ja ein paar fast schon ideologisch zu nennende Einstellungen. Und ich weiß, Du willst es erzählen. Der Tee ist serviert...

WKG, KKW und SF

Manche Kommentare im Zauberspiegel geben dazu Anlass, innerhalb einer Teestunde eine etwas umfangreichere Antwort zu geben. Was ich hiermit in Sachen W.K.Giesa und KKW schnell tun will. Und natürlich ist auch der aktuelle Artikel über Werner als Science-Fiction-Autor Grund für einige Bemerkungen.

Beginnen wir aber erst mal mit dem Kommentar, in dem es zu Werners und auch meiner Einstellung zu Dingen geht, für oder gegen die damals wie heute demonstriert wird. Überwiegend friedlich – aber bedauerlicherweise nicht immer.

 

Ich wüsste nicht, dass Werner mal an einer Demo teilgenommen hat. Ich nur mal an einer einzigen – von der Gewerkschaft ÖTV. Ich war ja schon seit meiner Lehrlingszeit im Kaufhof gewerkschaftlich organisiert. Zu dieser Demo kam ich, weil der Kollege am Schreibtisch mir gegenüber im Ordnungsamt als Vertrauensmann etwas stärker in der ÖTV (heute VERDI) engagiert war und er ein gewisses Kontingent Ordner stellen musste. So bin ich nicht nur als Demonstrant, sondern gleich als „Aktivist“ mitgelaufen – kann also als ›Mitläufer‹ eingestuft werden. Genau so, wie ich meine Zeit in der SPD eher ›Kartei-Leiche‹ war.

Werner hat zwar seine politische Meinung gehabt – war aber nie und nirgendwo engagiert. Als echter Demokrat ließ er jedem seine freie Meinung, wenn er dann in Diskussionen den betreffenden vom Gegenteil überzeugen wollten. Wo das aber nicht ging, da blieb man eben bei den verbindenden Themen wie Science-Fiction und Fantasy. Leser der Teestunde wissen, was ich damit sagen will, ohne hier noch mal einen Namen zu nennen, der bei einem Leser immer wieder Empörung auslöst.

Jeder, der sich etwas mit Zeitgeschichte auskennt weiß, aus welcher Richtung in den 70er und 80er Jahren bei Demonstrationen die Gewalt kam. Auf der Parteiversammlung einer damals recht neuen, hier nicht genannten politischen Gruppierung, die ich Anfang der 80er besuchte, wurde statt über die von mir erwarteten Umwelt-Ziele darüber geredet, mit welchen Mitteln man an der Startbahn West die Polizeikette durchbrechen könne.

Als ich diese abenteuerlichen Planungen hörte, wurde ich so ein wenig an meine Jungenzeit in den Trümmern der zweiten Weltkrieges erinnert, als wir mit Holzschwertern aufeinander eingedroschen und uns fast die Schädel eingeschlagen haben. So ähnlich liefen dort die Planungen auch und damit war für mich der Gedanke, von der SPD in diese mir von den Grundsätzen im Prinzip sehr verbundene Partei zu wechseln, vom Tisch.

Wie schon gesagt war Werner Kurt Giesa seinerzeit (und sicher später auch) politisch völlig ungebunden. Allerdings hatte er seine Meinung und vertrat sie auch in öffentlichen Gesprächen. Das diese Meinung nicht mit dem ›Credo eines SF-Autoren‹ übereinstimmte, das man nach Meinung eines gewissen Kreises vertreten sollte, dazu kommen wir noch.

Erst mal zu einer Episode, wie Werner und ich bei einer Demonstration dabei waren – wenn auch nicht auf den beiden sich gegenüberstehenden politischen Kräften.

In dem Artikel, der für den Kommentar »WKG und das Kernkraftwerk« der Auslöser war, schrieb ich, das Werner in der Fandom-Zeit seine Gegner schriftlich und verbal mit messerscharfer Logik attackierte. In den 70ern gab es in den Fanzines nur den Spiritus-Umdruck – wenn es hoch kam, Fotokopien oder einfacher Offset-Druck. Das uns heute geläufige und für viele Leute nicht wegzudenkende Internet war etwas, was ›Perry-Rhodan-Leute‹ als Kommunikation in ferner Zukunft sahen. Und seine Vorausschau, vor dem ›Orwell-Leser‹ warnten, weil dich »der große Bruder dann beobachtet«.

Zwischen den Zeiten, von denen ich berichte und Werners Web-Seite, auf der seine positive Meinung zu KKW stehen soll, liegen mindestens dreißig Jahre. In dieser Zeit kann man schon mal seine Meinung ändern.

Wenn Werner denn da tatsächlich eine andere Meinung zu den KKW gehabt hätte. So weit ich mich erinnere, war er immer für Kernkraft, wenn sich das Entsorgungsproblem lösen ließ. Vergessen wir nicht – auch wenn Werner ein paar Jahre jünger war als ich hatte er doch noch Erinnerungen an die 50er Jahre der Kindheit – und auch die 60er, in denen man in der »friedlichen Nutzung der Atomkraft« den absoluten Fortschritt sah. Die Gefahren, vor denen schon gewarnt wurde, waren noch nicht so ins allgemeine Bewusstsein gedrungen wie heute.

Ich erinnere mich an ein Buch aus der Reihe »Göttinger Jugend-Bände«, mit denen ich meine ersten Kontakte zur Geschichte und zu den alten Sagen hatte. Dort gab es auch Bücher, die sich mit ›moderner Technik‹ beschäftigten. Einer dieser Bände hieß beispielsweise »König Erdöl«. Ein anderer, um den es hier geht, hatte den Titel »Unser Freund, das Atom«. Was damals in diesem Buch noch halbe Science Fiction war, ist für die heutigen Generationen längst ›Steinzeit‹. Wie gesagt, diese Bücher waren in den 50ern für Junge so ab 10 bis 12 Jahre geschrieben – und haben sicher das Denken meiner Generation etwas beeinflusst. Auch wenn ich, wie ich gestehen muss, dieses Buch nicht gelesen habe. Technik hat mich damals genau so brennend interessiert wie heute – nämlich gar nicht.

Natürlich kannten wir auch die Kehrseite von ›unserem Freund, dem Atom‹. Selbst wir Kinder wussten von der verheerenden Wirkung der beiden ersten Atombombenabwürfe. Und wie ein Damoklesschwert lag über uns immer die Angst vor einem neuen Krieg – und die Furcht, dass man auch über Deutschland Atombomben abwerfen würde. Die Amerikaner, unsere Freunde, würden uns helfen, wenn ›der Russe kam‹. Das klingt heute alles völlig absurd, aber es war damals so.

Für die alten Science-Fiction-Romane war es klar, dass die ›Energie‹, die Raumschiffe und sonstige Maschinen antrieb, irgendwie mit Atomkraft zusammen hing.

Eine völlig absurde Idee, die Energie für Raumschiffe aus den Ästen der altnordischen Weltesche Yggdrassil zu machen, wie das dann bei den »Terranauten« der Fall war, das hätte die damaliger Leserschaft nicht akzeptiert. Aus diesem Grund habe ich, damals mit einer neu angelaufenen Perry-Rhodan-Auflage und dem neu erscheinenden Rhen-Dark eigentlich auf dem SF-Trip, das erste Heft dieser Serie mit einem Wutschrei in die Ecke geworfen – und damit war die Serie für mich erledigt.

Nordische Mythologie gehört im weitesten Sinne zur Fantasy – aber mit den Zweigen eines imaginären Weltenbaums, ein Raumschiff ›anzutreiben‹, das war (und ist) für mich so absurd wie der Weihnachtsmann, der mit seinem von Rentieren gezogenen Schlitten durch die Luft fliegt.

Aber bitte – der Weihnachtsmann, das ist Fantasy – da fragt man nicht nach, warum wieso und weshalb etwas so ist und nicht anders. Weil es eben alles eine Art unerklärliche Magie und Zauberei ist. Aber die SF sollte doch eine ›wissenschaftliche Vorausschau‹ sein.

Und als das konnte ich den ersten Band der »Terranauten»« nicht sehen. Eher alle eine SF-Räuberpistole, die ich mir weiter nicht antun musste – und auch nicht angetan habe.

Werner sah das mit den »Terranauten« alles etwas anders. Er war auch stark engagiert und, wie von ihm zu hören war, bei der Planung mit dabei. Dass er selbst dann kaum zum Zuge kam, darüber kann ich nur Dinge vermuten, weil Werner in diesem Zusammenhang immer mal den »AST« erwähnte, dessen Mitglieder ja in dieser Kolumne im Zauberspiegel schon besprochen wurden. Und ich habe mir hier in der Teestunde auch die Freiheit genommen, über die politische Richtung dieser Leute einige Aussagen zu machen.

W.K. Giesa war überhaupt nicht der Ansicht, dass ein SF-Autor von heute die Pflicht habe, die Zukunft der Menschheit als eine ›Kommunistische‹ zu schildern. Ganz im Gegenteil hat er neben anderen Dingen in Fanzines auch mit den Vertretern dieser Ideologie die literarische Klinge gekreuzt.

Was bedeutet, dass er sich in diesen Kreisen nicht gerade Freunde geschaffen hat. Denen war es schon gelungen, die Serie »Gemini« des Kelter-Verlages zu ›besetzen‹. Ich bin sicher, dass Werner damals schon  so weit war, hier gleichwertige Romane abzuliefern, die denen der vertretenen Autoren nicht nachstanden.

Aber dieser ›Freundeskreis‹ - wer hat hier was von ›Seilschaft‹ geredet – hatte eben die Sache im Griff und achtete darauf, wer da was veröffentlichen konnte. Zumal ja jeder selbst Geld verdiente. In Fanzines wurde gegen den Heftroman im Stil der 50er als eine Art ›Schund und Schmutz-Literatur‹ gewettert – unter Pseudonym schrieb man dann selbst so was.

Und wenn man so die Autoren der Terranauten liest, dann wird man feststellen, dass sich auch hier in der Serie alte Freunde wieder gefunden hatten. Werner hat mir nie direkt was darüber erzählt und mich hätte das auch nicht sonderlich interessiert.

Vielleicht, nein vielleicht ganz sicher sogar, hätte Werner zum Zuge kommen können – wenn er das geworden wäre, was man vor zwanzig Jahren in der Deutschland-Politik einen ›Wendehals‹ nannte. Aber ich sagte ja schon – Werner war, was seine Meinung anging, sturer Westfale, und von den Eltern her noch sturerer Ostpreuße.

Ob er später mit diesen Leuten in Kontakt gekommen ist, weiß ich nicht. Zu meiner (unserer) Zeit waren das jedenfalls seine Gegner, mit denen es von der Grundeinstellung her keine Gemeinsamkeiten gab.

Aber eins ist klar. Für die Freunde actionreicher Science-Fiction ist es sehr schade, das man W.K. Giesa gerade in der Zeit, als er vor neuen Ideen nur so sprudelte, keine Chance gab, hier seine Ideen zu verwirklichen. Wer weiß, wo die »Terranauten« hingegangen wären – oder Perry Rhodan. Denn immer war es Werners sehnlichster Wunsch gewesen »in den Rhodan reinzukommen«.

Welche Kräfte hier dagegen gestanden habe, darüber kann ich nicht mal spekulieren. Werner hat diese Serie regelmäßig gelesen. Er hätte sofort auf einen Schlag mit dem kompletten ›Rhodan-Wissen‹ einsteigen können.

Aber wir sind ja bei der Kernkraft, die am Anfang auch bei Perry-Rhodan und Ren Dhark als ›Energie‹ stand.

Mehr dazu in der kommenden Woche, wenn ich wieder zum Tee bitte...

Kommentare  

#1 Larandil 2010-12-16 09:41
In meiner Jugend - die in den 70ern stattfand - fand ich die Kernenergie eine tolle Sache. Allerdings: KernSPALTUNG war da ja auch schon quasi "das Auslaufmodell der Zukunft" und würde alsbald durch die großartige, sauberere, sicherere KernFUSION ersetzt werden, die ja schon mehr oder weniger am Horizont auf uns wartete. Dachten wir ..
Tja, aber dann passierten Pannen. Spektakuläre Pannen. Im Kraftwerk Three Mile Island in den USA, als erstmals der Begriff "Kernschmelze" die Runde machte. Danach waren viele von uns sich dann nicht mehr ganz so sicher, ob KernSPALTUNGSkraftwerke so eine tolle Zukunftsinvestition waren - jedenfalls auf der Oberfläche eines Planeten, den man noch eine Weile bewohnen wollte. Tschernobyl trieb dann nur noch endgültig den Nagel in den Sarg.
Und Atommüll vergraben oder versenken, weil es so schön billig ist - da sträubten sich dem SciFi-Fan die Haare. Atommüll ist sicher zu entsorgen, indem man ihn in die Sonne schießt. Da gibt's gar nichts zu diskutieren wegen dem Preisschild! Wo gibt's denn sowas - Zukunft ist "zu teuer"?
#2 Hermes 2010-12-16 19:01
In den fünfziger Jahren haben fast alle SF-Leser an eine Zukunft mit Nutzung der Atomkraft geglaubt. Auch in den siebzigern gab es noch genügend Befürworter. Aber nach Tchernobyl waren es doch wirklich nur noch die ganz hart gesottenen. Selbst Isaac Asimov hat damals angefangen, in seinen neuen Romanen auf Sonnenenergie zu setzen.

Leute die an eine sozialistische Zukunft geglaubt haben, hat es Ende der siebziger/Anfang der achtziger übrigens noch zuhauf gegeben, nicht nur im Bereich der SF-Autoren. Sie waren auf dem Holzweg, das heisst aber doch nicht, dass ihre Romane deshalb automatisch schlecht waren.
#3 c.r.hays 2010-12-17 03:23
Ihr werdet Euch noch wundern, wohin Ihr mit Eurem Öko-Fanatismus kommt!
Ich persönlich habe es halt' im Winter gerne warm (Zentralheizung) und gegebenenfalls im Sommer kühl (Klimaanlage). Außerdem fahre ich mit einem meiner Autos durchaus gerne über 200 kmh.
Das alles geht nicht mit Ypsilanti-Windrädern, Solar-Anlagen in Mittelhessen und anderem Umwelt-Gedöns!
Fortschritt fordert auch Opfer. Alles andere führt direkt zurück in die Steinzeit!
#4 Larandil 2010-12-17 06:04
zitiere c.r.hays:
Ihr werdet Euch noch wundern, wohin Ihr mit Eurem Öko-Fanatismus kommt!
Ich persönlich habe es halt' im Winter gerne warm (Zentralheizung) und gegebenenfalls im Sommer kühl (Klimaanlage). Außerdem fahre ich mit einem meiner Autos durchaus gerne über 200 kmh.
Das alles geht nicht mit Ypsilanti-Windrädern, Solar-Anlagen in Mittelhessen und anderem Umwelt-Gedöns!
Fortschritt fordert auch Opfer. Alles andere führt direkt zurück in die Steinzeit!


"Fortschritt fordert auch Opfer"?
Das ist möglicherweise nicht der dümmste bullshit, den ich dieses Jahr vernehmen musste. Aber es fehlt jedenfalls nicht viel bis zu dieser Marke. Ist es "Fortschritt", wenn ich mit Vollgas in die Sackgasse brettere, weil mein Navi mir das so sagt? Ist das erste und wichtigste Opfer des "Fortschritts" die eigene Kritikfähigkeit?
Die allermeisten Visionen über die Zukunft, an die ich mich aus den 60ern und 70ern erinnere, sind nicht an irgendwelchen romantischen Bedenkenträgern zerschellt, sondern am nüchternen Kalkül der Ökonomen. "Zu teuer. Bringt keinen vernünftigen Gewinn bis zum nächsten Jahresabschluß." Siedlungen auf dem Meeresboden? "Zu teuer." Menschen auf dem Mars? "'rausgeschmissenes Geld. Sonden sind viel preiswerter." DAS waren Fortschritte, die ich gerne erlebt hätte. Und genau der Menschenschlag, der jetzt Erdölverbrennung und Kernspaltung mit Zähnen und Klauen als "Fortschritt!" verteidigt, hat alles andere vorher als "Spinnereien und Luftschlösser" am ausgestreckten Arm verhungern lassen?

Fortschritt findet entlang mehr als nur einer einzigen Strasse statt. Fliegen war auch mal nur eine Spielerei, mit der ernsthafte Menschen ihre Zeit nicht verschwenden sollten. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges hieß Fortschritt in der Elektronik kompliziertere Röhren, und in manchen Kreisen wird die Qualität der Architektur bis heute daran bemessen, wer die höchsten Wolkenkratzer bauen kann. Selbstverordnete Sackgassen des Denkens haben nichts mehr mit Fortschritt zu tun.

P.S.: Es überrascht mich zu lesen, daß Ihr Wagen mit Nuklearantrieb fährt, mein Herr, und daß Ihre Zentralheizung vermittels einer Kernspaltung betrieben werden soll. Hängen Sie zufällig am Kühlkreislauf eines Kernkraftwerks? Und wenn dem so ist - leuchtet Ihr Heizkörper nachts auch schon so praktisch?

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