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Eisenhuth, Ringo und die »Zeitkugel« - Horst Hübner zum 75.

Teestunde mit Rolf...Moin Rolf, am 12. August, also morgen, wäre Horst Hübner 75 Jahre alt geworden. Das ist doch ein Grund, die Reise ins Morgenland und die Geschichte des Islam mal wieder zu unterbrechen. Erzähl doch noch mal was über Ringo Clark und P. Eisenhuth. Der Tee ist serviert ...

Eisenhuth, Ringo und die »Zeitkugel«
Horst Hübner zum 75.

Das Schöne an einer Kolumne wie der Teestunde ist, dass mir die Zauberspiegel-Redaktion nicht vorschreibt, über was ich zu reden habe. Ich kann also ganz locker erzählen, was mir gerade einfällt und was ich für wichtig halte. Es ist mit der Teestunde tatsächlich so, als wenn ihr, meine Leser, hier bei mir – von schmusebedürftigen Katzen umzingelt – bei einer guten Tasse Tee zu Gast wärt und ich frisch drauflos plaudern würde. Einige von den Alt-Fans aus den Zamorra-Zeiten, die mich damals in Helleböhn oder in Ahnatal aufgesucht haben, kennen das ja noch.

 

Und auch wenn einige unter euch jetzt gern wissen möchten, wie das mit der Schlacht am Brunnen von Badr war und warum die Moslems hier gegen eine Übermacht der Kämpfer von Mekka gewannen – sie müssen sich noch eine Woche gedulden – oder sich ein Sachbuch zum Thema beschaffen. Natürlich, die Wikipedia oder zu googeln ... das geht auch ...

Heute, an dem Tag, an dem ihr diesen Text lest, hätte nämlich ein Mann Geburtstag gehabt, den ich mit viel Stolz zu meinen Freunden rechnen darf. Wir waren so auf einer Wellenlänge, dass ich ihn gerne mit an der Tafelrunde von Helleb gehabt hätte. Nur mussten dazu ja nicht nur alle von der Runde zustimmen – sie mussten auch anwesend sein, um das gemeinsame Freundschaftsband zu knüpfen. Und diese Gelegenheit hat sich leider nie ergeben.

Obwohl es weder bei Hans Klipp in seiner Eigenschaft als Herrscher von Helleb noch bei den Baronen eine Ablehnung gegeben hätte – seit dem 50sten Geburtstag von Sir Jay von Marlos (Jürgen „Dan Shocker“ Grasmück) ist die Tafelrunde von Helleb niemals wieder in dieser Welt vereint gewesen. Damals wurde „Hermann von Kehdingen“ als Deichgraf und Küstenbaron das sechste und letzte Mitglied der Tafelrunde. Ich denke, den vorgenannten Herrn brauche ich nicht unbedingt vorzustellen.

Und so ist Horst Hübner eben nicht über den „Rang“ eines Recken von Helleb hinausgekommen. Was aber nach den Regeln der Tafelrunde bedeutet, dass mindestens einer der Runde diesen Menschen als „Freund“ ansieht, der die gleichen Prinzipien und Ideale hochhält, auf denen diese Tafelrunde aufgebaut wurde. Wie hier schon erzählt, war der Beginn der Tafelrunde der Tag, an dem Hans Klipp und ich (Herrscher und Statthalter des Reiches Helleb) einen gewissen „Baron Gregor tor Lippia“ in den Kreis unserer engsten Freunde zogen. Freunde, die Ehre und Ideale hatten – und die wie Hans und ich der Überzeugung waren (und sind), dass wir im unendlichen Universum nicht das einzige Leben und die einzigen Intelligenzen sind.

Ganz klar, wer jener Baron Gregor war. Natürlich Werner Kurt Giesa – auch bekannt als „Gregor Stephanowitsch Illjuschyn“ - daher kam der Name. Für neue Teestundenfreunde sei noch schnell „Curtius von Caldaro – der Sternenbaron“ genannt – unser Freund Kurt Brand, der ja in Kaltern (Caldaro im Italienischen) wohnte. Und wie schon erwähnt „Sir Jay von Marlos“, besser bekannt als Dan Shocker.

Das war die inzwischen legendäre Tafelrunde von Helleb. Heute ist schon die Hälfte der Runde auf der anderen Seite. Mal sehen, ob mich Kurt Brand dort jenseits des dunklen Vorhangs wieder mit so einem Donnerwetter empfängt, wie damals an seiner Geburtstagsfeier, der Tag, an dem Hermann seine ›Engelserscheinung‹ hatte.

Wer hier jetzt Fragen zur Thematik hat – dem muss ich, wie W. K. Giesa früher mit Hinweise auf die weitere Entwicklung beim Zamorra sagen: »Teestunde lesen« ... Denn diese Sachen wurden alle schon ausführlich erzählt. Und sie sind in diesem Zusammenhang eigentlich auch gar nicht wichtig. Denn bis hierher war alles Ouvertüre. Der Vorhang hebt sich erst jetzt richtig ... und den Namen des ›Helden‹ habe ich schon genannt.

Horst Hübner wäre - wenn ihn am 6. Februar des Jahres 2009 nicht das unabänderliche Schicksal aus dem Kreis seiner Familie – dem großen Kreis seiner Freunde – und dem noch größeren Kreis seiner Leser, seiner Fans und seiner Bewunderer – gerissen hätte - Horst Hübner wäre morgen 75 Jahre geworden.

Ich denke, das ist ein Grund, hier einmal anzuhalten und sich etwas an diesen wirklich außergewöhnlichen Menschen zu erinnern, der wenig Aufhebens um sich selbst machte und von dem ich erst aus seinen Artikeln im Zauberspiegel erfuhr, was für ein ›toller Hecht‹ er in seiner Jugend war.

Ich habe die Bücher von Felix, Graf von Luckner gelesen, den die Welt als den »See-Teufel« kennt, und der in diesen Büchern seine Erlebnisse auf See vor und hinter dem Mast so beschrieb, dass es sich liest wie ein spannender Heft-Roman. Und man sagt sich dann, dass es solche Dinge eben nur damals zu einer Zeit gab, als noch Windjammer durch die Wogen kreuzten und die christliche Seefahrt noch nicht so durchorganisiert war wie heute, wo ein Containerschiff morgens einläuft und am Abend voll beladen wieder in See stechen kann. Wo es für Matrosen noch die Liebe im Hafen gab und man auch eben mal die fehlenden Männer für eine Schiffs-Crew in den Hafenkneipen ›shanghaite‹ - damals die übliche Art, auf die Schnelle an Bord Arbeitsplätze zu besetzen – heute würde man so was ›Kidnapping‹ nennen.

Doch – Abenteuer auf See gab es auch in den 50er-Jahren noch genug – und Horst Hübner hat genug davon erlebt. Nur – darüber hat er mir nie etwas erzählt. Nicht, weil er da was zu verbergen hatte – hier im Zauberspiegel hat er ja alles in seiner eigenen Artikel-Serie so berichtet, dass man daraus fast eine Abenteuer-Serie machen könnte.

In den 50ern gab es ja mal so eine Abenteuer-Serie. Kurt Brand erzählte, er habe daran mitgeschrieben. Ich weiß nicht mehr von welchem Verlag – aber es waren damals in einem Heft zwei Storys, eine Abenteuer-Sache und ein Western - jeweils mit einem dreißigseitigen Roman. Das war damals üblich, weil auch z. B. die damals legendären Western-Serien »Billy Jenkins«, »Tom Prox« oder »Pete« keine längeren Romane hatten. Ich kannte diese Doppelbände noch aus meiner Kinderzeit und bekam einen echten Nostalgie-Kick, als Kurt uns damals die Hefte zeigte, die seine Storys enthielten.

»Selbst erlebt und aufgeschrieben« stand auf dem Abenteuer-Roman – und sie waren genau so, wie sie Horst Hübner bei seinen Fahrten auf den Tramp-Schiffen erlebt hat. Und als er zum Schreiben kam, gab es diese Serie schon lange nicht mehr. Aber wenn – dann hätte wenigstens in seinem Fall die reißerische Werbung »Selbst erlebt und aufgeschrieben« gestimmt.

Doch wo es keine Romane waren, Berichte von seinen Reisen hat Horst Hübner an Zeitungen und Zeitschriften verkauft. Immerhin hatte er einige Semester Journalistik studiert und war dann für eine Heilbronner Zeitung tätig, bei der er die Theorie in die Praxis umsetzte. Während andere Leute ihre Interview-Partner sicher als Aushängeschild benutzen würden, weil man an die als Vertreter der »Heilbronner Stimme« eben gar nicht so einfach rankam, hat Horst niemals mir gegenüber erwähnt, dass er einigen echt prominenten Leuten in die Augen gesehen und Worte mit ihnen gewechselt hatte.

Der grandiose Yehudi Menhuin, Yul Brynner, ein Superstar aus Hollywood, Audie Murphy (der höchst dekorierte US-Soldat im 2. Weltkrieg und Darsteller unzähliger Filme, von denen seine Western am bekanntesten sind), Nikita Chruschtschow, einst mit dem Präsidenten der USA der mächtigste Mann der Welt und mit Walter Häussermann, dem bekannten Raketeningenieur und Mitarbeiter Wernher von Brauns.

All diese Sachen kann man im Zauberspiegel nachlesen. Horst selbst hat die Artikel über sein Leben und die Arbeit bei Verlagen geschrieben – und leider hat ihn der gnadenlose Schnitter daran gehindert, seine Erzählungen zu beenden. Doch auf diese Art wissen wir, seine Freunde, mehr von seinem Leben, als eben mal so bei den Plauderstündchen zu erfahren war.

Andere – und da nehme ich mich ausdrücklich nicht aus – hätten mit den Dingen, die sie so gemacht und erlebt haben, sich im Kreis von Freunden oder vor der Welt so richtig in Szene gesetzt. Horst hat das nicht getan. Bescheidenheit – oder weil man vielleicht immer noch etwas zum Sagen zurückhalten muss.

Immer hielt er sich im Hintergrund, und es gab nur sein Lächeln, das Lächeln eines Wissenden – eines Weisen. Eines Menschen, der erkannt hat, dass Reden eben nur Silber ist ... meist Quecksilber, das schnell wegfließt ... So war es auch, als ich Horst Hübner richtig kennen lernte. Ich habe das zwar schon mal erwähnt, will es aber hier noch mal erzählen. Und ich bin sicher, aus seiner Dimension wird Horst wieder darüber schmunzeln ...

Wie ich schon mehrfach in der Teestunde erwähnte, lese ich seit meiner Kindheit Heft-Romane, ohne viel auf die Autoren zu achten. Von den G. F. Unger-Western einmal abgesehen. Aber ich habe ja auch andere Romane dieses Genres gelesen, und es musste nicht immer Bastei sein.

Natürlich auch Romane von Ringo Clark. Allerdings hauptsächlich wegen des Namens ... Immerhin bin ich ja Beatles-Fan und deshalb Schlagzeuger geworden. By the way, mein erster Schlagzeug-Lehrer war Ringo Starr höchstselbst. Im Film »A hard days night« liegt die Kamera beim Stück »If I fell« sehr lange auf dem Schlagzeug, so dass zu sehen ist, was der Drummer da macht und wie er das macht. Im Bahnhofskino wurde der Film dann dreimal angeguckt, weil er nonstop lief. Danach meinte ich, Schlagzeug spielen zu können ... und trommelte so lange auf irgendwelchen Sachen rum, bis mich einer, der ein paar Gitarrengriffe konnte, in seine Band mitnahm ... so entstanden die »Cadillacs« ... na ja, das gehört nicht hierher.

Aber Ringo Clark … nun, als Drummer ließ ich mich von den Jungs der Band selbstverständlich »Ringo« nennen – wie übrigens viele andere Drummer auch ... hießen die »Charly«, waren es Stones-Fans, die sich nach Charly Watts nannten ... nun, es dürfte jedem klar sein, warum ich damals eben die Western von Ringo Clark las. Allerdings ist mir kein Titel in Erinnerung geblieben – und gesammelt habe ich Hefte auch nicht. Nur eben – Ringo Clark – ja, da habe ich Romane gelesen. Und ich hätte sie nicht gelesen, wenn sie nicht spannend gewesen wären. Ob Horst das Pseudonym wegen Ringo Starr genommen hat ... wegen John Wayne als »Ringo« im Film Stage-Coach ... oder wegen Johnny Ringo, der zu den Feinden Wyatt Earps gehörte, aber im OK-Corral nicht dabei war – das habe ich vergessen, Horst zu fragen.

Der erste richtige Kontakt mit Horst Hübner war auf einem Con, den ich vergessen habe, und es war auch die Zeit nach dem ›Katastrophenjahr 1986‹. Ich hatte mich voll in meinen ›bürgerlichen Beruf‹ geworfen und die Schreiberei war zweitrangig geworden. Ich hatte diesen Con zusammen mit Hermann besucht, der kannte alle Leute, die ich eben nicht kannte und stellte mir eben jenen Herrn vor, der seinerzeit beim Marken-Verlag der Redakteur der »Zeit-Kugel«-Serie gewesen war.

Damit war dieser mittelgroße, schlanke Herr mit den schneeweißen Haaren und der legeren, aber doch gepflegt wirkenden Kleidung für mich interessant geworden. Denn die »Zeit-Kugel«, die hatte ich seinerzeit gelesen – genauso wie die Serie »Inferno« - und auch gegen meine sonstigen Gewohnheiten gesammelt. Und ich hätte die Zeit-Kugel heute noch komplett, wenn ich seinerzeit nicht einige Romane verborgt hätte. Sie liegen übrigens fast in Griffnähe meines Arbeitsplatzes am Computer ... wenn ich mal zu nichts Lust habe – dann muss es ein alter »Zeit-Kugel«-Roman sein. Egal welcher – sie haben mir alle gefallen.

Als die Zeit-Kugel rauskam, gab es abwechslungsweise immer eine Reise in die Zukunft und eine in die Vergangenheit. Sosehr ich die alte Geschichte und damit Zeit-Abenteuer liebe – Reisen in die Zukunft, die hatten was. Nur hat seinerzeit niemand daran gedacht, über einen Zeitraum von vielleicht fünftausend Jahren die kommende Geschichte der Menschheit einschließlich Kontakte mit extra-terrestischen Völkern in einem Exposé festzulegen. Das hätte dann mit Sprüngen in die Zeitentwicklungen eine zweite Schiene bedeutet – und damit die ganzen ›Geheimnisse‹ der Menschheitsgeschichte nicht so verpulvert, wie bei einer arabischen Fantasie, wo Reiter im vollen Galopp immer wieder ihre Gewehre in die Luft abfeuern. Als man dann mit »Erde 2000« nur noch Reisen in die Zukunft machte, war auch kein klares Konzept einer Menschheitsentwicklung zu erkennen. Jedenfalls in den ersten Bänden. Weil mich diese Art SF dann nicht interessierte, gestehe ich, nicht allzu viel davon gelesen zu haben.

Natürlich habe ich dann angefangen, die Vergangenheits-Reisen der »Zeit-Kugel« auf ihre historischen Hintergründe zu prüfen. Und es hat mich umgehauen, dass selbst kleine Details, wenn sie überliefert waren, stimmten. Oder es aber genau so gewesen sein konnte – wenn man in den historischen Dokumenten und Schriften zwischen den Zeilen zu lesen versteht.

Gut, es gab einen Ausrutscher, den ich nicht vergessen habe, weil er gravierend war. Als Redakteur hätte Horst Hübner die Sache ändern müssen – aber wer von uns ist schon fehlerfrei und man kann einen oder zwei Sätze auch mal überlesen (unser damaliger Zamorra-Redakteur hat sicher manchmal ganze Romane überlesen). Das ›Ärgernis‹ waren eigentlich nur zwei oder drei Sätze in dem Roman über die Varus-Schlacht, als der Autor des Romans die Zeit-Kugel-Helden in weiter Entfernung den Anführer der Germanen namens ›Hermann‹, erkennen lässt. Mit freiem Oberkörper und einer Keule prügelt dieser Hermann auf die Römer ein wie weiland Steve Reeves in seinen Herkules-Filmen auf seine Gegner. Ich unterlasse es hier, weiter darauf einzugehen, weil ich in der Teestunde Arminius und die Varus-Schlacht schon ausgiebig behandelt habe.

Aber ansonsten stimmte der Inhalt der Zeitabenteuer mit der bekannten Historie, wenn es sich um gut bekannte Geschichte handelte – sogar bei der Suche nach Wilhelm Tell hat es echte Quellen-Forschung gegeben – wo Bücher zu diesem Thema nicht einfach zu finden sind. Und wo es sich um Sagenstoff, Texte aus dem Alten Testament oder sonstige Überlieferungen handelte, da hätte es eben so gewesen sein können.

Wie ich schon eben sagte, interessierten mich seinerzeit die Autoren der Romane herzlich wenig. Es war auch die Zeit, bevor wir mit W. K. Giesa und dem Lippstädter Kreis richtig zusammenkamen und unser Fanzine »ANTARES« herausgaben.

Aber ein Name fiel mir doch auf, weil er neben den am besten recherchierten Geschichten aus der Geschichte auch die tollsten Storys brachte. Einen Roman von P. Eisenhuth konnte ich einfach nicht weglegen, bis ich ihn gelesen hatte. Und – nach zwei oder drei Tagen noch mal lesen ... wie einen Film, den ich erst richtig genießen kann, wenn ich ihn zwei- oder dreimal gesehen habe und mich nicht nur von der Spannung vorantreiben lasse, sondern dann das Ganze mit allen kleinen Details genieße. Kleinigkeiten, die auf den ersten Blick belanglos erscheinen – und dann aber gerade den Reiz des Filmes ausmachen.

Bei Büchern ist das – jedenfalls für mich – genau so. Den ersten Rang des meistgelesensten Buches hält bei mir Felix Dahns »Kampf um Rom«, dicht gefolgt vom »Herrn der Ringe« - und den »Conan«-Storys, die R. E. Howard geschrieben hat. Ja, und einige Zeit-Kugel-Romane gibt es auch, die ich sehr oft gelesen habe.

Also, dieser P. Eisenhuth war für mich das, was im Western G. F. Unger oder in der Science Fiction Clark Darlton (verzeih's mir, Kurt) war. Einige Male war ich drauf und dran, mich an die Maschine zu setzen, um einen Leserbrief zu schreiben. Oder direkt einen Brief an jenen P. Eisenhuth mit der Bitte an die Redaktion, diesen weiterzuleiten. Nie hätte ich mir vorgestellt, dass sie ›Weiterleitung‹ vom Redaktions-Schreibtisch an Herrn Eisenhuth so unproblematisch gewesen wäre.

Nun ja, der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert – und bei diesen guten Vorsätzen ist es dann auch geblieben. Trotz Leserkontaktseite, die dann meine erste ›Veröffentlichung‹ gewesen wäre. By the way, meine erste ›Veröffentlichung‹ außerhalb von Fanzines war tatsächlich auf einer LKS, und zwar in der zweiten Auflage von »Ren Dhark« die SF-Satire-Story »Nur bis zu zwei Stunden« ...

Ja, ich hatte damals eben keine Ahnung von Verlagen und wie da alles abläuft. Als ich Horst Hübner das erzählte, meinte er, es wäre schade, dass ich diesen Brief nicht geschrieben hätte. Die Vergangenheitsreisen wurden nämlich deshalb eingestellt, weil keine Themen mehr bekannt waren. Und bei unserem ersten Gespräch nannte ich ihm schon aus dem Handgelenk heraus ein halbes Dutzend Sachen für Vergangenheitsabenteuer, die noch fehlten. Angeblich hatten sie damals auch keine geeigneten Autoren, die gewillt waren, sich so tief in eine Materie einzulesen. Denn in den letzten Zeit-Kugel-Romanen wurden auch die Quellen genannt, also die Sachbücher, die eine Grundlage für den jeweiligen Roman bildeten.

»Dich hätten wir bei der Zeit-Kugel gebrauchen können!« waren Horst Hübners Worte, die mich einerseits stolz machten und mich andererseits mit mir selbst hadern ließen, dass ich mir vielleicht durch meine Faulheit die Chance genommen hatte, schon viel früher schriftstellerisch tätig zu werden. Denn die »Zeit-Kugel« – das hätte mich damals mehr als alles andere gereizt – vielleicht hätte ich sogar damals schon dafür die Musik sausen lassen. Und mein eigenes Konzept »Sandra Flynn – Gefangene der Zeit« ist von der »Zeit-Kugel« ebenso wie von der damaligen TV-Serie »Time-Tunnel« etwas beeinflusst – allerdings gibt es mehr mit Erotik und Sex, was damals im Heft kaum möglich war ...

Ja, der Redakteur der Zeit-Kugel wurde mir also vorgestellt. Dass er selbst auch mal »einige Romane« geschrieben habe, erwähnte dieser Herr recht beiläufig. Ich hatte zum Marken–Verlag eigentlich nie Kontakte gehabt. Ich war ja auch dann, als ich im Zamorra mit drin war, vollkommen ausgelastet, weil ich die Schreiberei neben meinem bürgerlichen Beruf als Beamter und der Tanzmusik an den Wochenenden hatte. Also wusste ich auch nicht, wer da Romane schrieb und wie viele Serien ein Redakteur so betreuen konnte.

Zur Zeit des Cons, als ich Horst Hübner vorgestellt wurde, war der Marken-Verlag schon längst Geschichte und ich hatte nur gehört, dass er Artikel für Zeitungen schrieb. Ich räume ein, hätte es den Marken-Verlag noch gegeben und wäre Horst Hübner noch Redakteur gewesen, dann hätte ich dieses Gespräch zum ›Baggern‹ ausgenutzt. Aber so war eigentlich bei dem Gespräch nur eins für mich interessant.

Eben jener P. Eisenhuth. Ja, ich outete mich da voll als Fan und wollte alles von ihm wissen. Ich redete mich in Begeisterung über seine Romane und wollte wissen, wo er denn studiert hätte und was in der Historie seine Hauptrichtung wäre .... und ... und ... und ... was man als Fan eben so fragt ...

Die Antworten des ›Redakteurs‹ waren eher ausweichend. Ja, der Herr Eisenhuth würde noch leben, aber eben sehr zurückgezogen und schreiben würde er heute nicht mehr. Ja, man hätte damals kaum Kontakt mit ihm gehabt und Bilder oder solche Dinge gäbe es nicht ...

Also die ähnlichen Geschichtchen, die der Bastei-Verlag damals unwissenden Zamorra-Lesern erzählte, die etwas über ›Robert Lamont‹ wissen wollten. Eine geheimnisvolle Gestalt irgendwo in einem alten Haus in Frankreich mit einer großen Bibliothek okkulter Werke, der nicht gestört werden will, keine Bilder von sich rausgibt und auch keine Autogramme.

Und ich Trottelchen war drauf und dran, dieses Märchen von der geheimnisvollen Gestalt P. Eisenhuth genau so zu schlucken. Denn Horst Hübner in seiner Eigenschaft als ehemaliger Redakteur beantwortete zwar gern alle Fragen - und das mit einem ganz sonderbaren Lächeln, das ich mir erst erklären konnte, als sich das Rätsel löste – aber sonst gab er in seiner Rede keine Hinweise auf P. Eisenhuth.

Dass hinter meinem Rücken Hexen-Hermann so dreckig grinste wie eine geöffnete Mülltonne, konnte ich ja nicht sehen. Denn der kannte schon lange die Identität des Herrn Eisenhuth. Um es kurz zu machen und euch nicht weiter zu langweilen – irgendwann sprach Hermann dann einige Worte, die nicht nur Schuppen von meinen Augen fallen ließen, sondern den ganzen Wald abholzten, den ich vor lauter Bäumen nicht gesehen hatte.

Es ist nicht meine Art, einen Menschen männlichen Geschlechts zu umarmen. Von der Kinderzeit abgesehen war das nur zweimal der Fall. Das eine Mal war es Hans Klipp (den ich immerhin als meinen besten Freund bezeichne), nachdem ich meinen ersten Marathon-Lauf geschafft habe und er mich hinter der Ziellinie empfing.

Ja, und das zweite Mal – das war dann Horst ›P. Eisenhuth‹ Hübner. Und – es war der Beginn einer wundervollen Freundschaft. Auch wenn diese mehr auf geistiger Ebene war, weil wir uns eigentlich gar nicht so oft über den Weg gelaufen sind. Hermann und ich waren einmal nach einem Besuch beim Bastei-Verlag am Nachmittag vor der Rückreise bei ihm zu Hause zu Gast – und wurden von der ganzen Familie wie seit Jahren bekannte Freunde zum Essen eingeladen (was übrigens vorzüglich war).

Erinnern kann ich mich, dass im Wohnzimmer zwei echte Gewehre aus dem Wilden Westen hingen – darunter eine »Harpers-Ferry-Rifle«. In den Gesprächen wurde mir klar, dass mir Horst in Bezug auf Waffen oder sonstige Ausrüstungen im »Wilden Westen« und auch sonst vielen Details weit überlegen war. Ich zweifele an, dass alle anderen Western-Autoren ebenfalls ein solches fundiertes Wissen haben. Jedenfalls so, dass sie ein Gespräch führen können wie ein aufgeschlagenes Sachbuch. Horst konnte das – und nicht nur, wenn es um den »Wilden Westen« ging.

Ein schönes Treffen war auch an Hermanns dreißigstem Geburtstag in Drochtersen, wo neben Hans und Silvia Klipp, Helmut Pesch und Maria Brand auch Horst Hübner mit seiner Frau dabei waren. Es wurde viel geredet – über tausend Dinge – natürlich auch über Western oder Zeit-Abenteuer.

Obwohl sich Horst eigentlich aus dem ›Geschäft‹ zurückgezogen hatte, wäre er bereit gewesen, bei diesen beiden Genres wieder mit einzusteigen. Und zwar hätten wir dann die Romane – Zeitreisen oder Western - oder beides – nach einem gemeinsamen Konzept geschrieben. Wir hätten wirklich sehr gern in beiden Genres zusammengearbeitet – zumal wir uns auch beide, was den ›Western‹ angeht, als ›Indianer-Freunde‹ geoutet hatten ...

Die Rohentwürfe für solche Konzepte hatte ich schon im Kopf – und ein Zeitreise-Exposé lag auch genau wie ein Rahmen-Exposé für Abenteuer-Romane beim Bastei-Verlag, die es auf längere Zeit behalten wollten, falls sich Möglichkeiten erboten.

Als dann der Milton-Verlag (der dann schon ruhte, bevor er richtig loslegen konnte) Interesse am Zeitreise-Konzept zeigte, forderte ich beide Exposés zurück – auch das Abenteuer-Konzept.

Aber das Konzept »Rick Jones – Wanderer der Zeit« (heute neu gefasst mit weiblicher Heldin Sandra Flynn) und dem Cowboy-Epos, dem ich später den Titel »Sattel-Gefährten« gegeben habe, das wäre es gewesen, was Horst und ich dann in Co-Produktion geschrieben hätten. Nun, es hat nicht sollen sein ...

Freunde kann man haben, ohne dass man sie oft und viel sieht. Es gibt einfach Menschen, die sieht man und sie sind einem sympathisch. Das war mir Horst Hübner schon, bevor die Maske fiel und P. Eisenhuth dahinter hervorgrinste. Freundschaft – da stimmt dann einfach die Chemie. Und das war bei uns so – und nicht nur, was Horst selbst anbetrifft, sondern mit seiner ganzen Familie.

Gelegentlich haben wir mal telefoniert. Meist rief Horst an – ich bin ja sehr telefon-faul. Dafür schickte ich natürlich Karten von meinen Reisen, zu Geburtstagen und zu Weihnachten. Irgendwann machte mir Hermann klar, dass es mit Horst zu Ende ging – dass die Krankheit den Willen ums Überleben besiegte.

Wie uns seine Tochter erzählte, hatte Horst immer in seinem Arbeitsraum im Keller einen gepackten Seesack stehen – wie in den „alten Zeiten“, als er auf Tramp-Schiffen um die Welt fuhr – und auch mehr als einen Schiffsuntergang erlebte. Immer sagte er, irgendwann würde er den Seesack nehmen und zu einer Insel in der Südsee fahren, deren Namen ich jetzt wieder vergessen habe. Aber er muss dort in jenen Tagen seiner Jugend sehr glücklich gewesen sein.

Die große Reise hat er angetreten – die Reise, wo er keinen Seesack brauchte. Ich wünsche ihm, dass er seine Insel gefunden hat. Als ich hörte, dass Horst in einigen Tagen oder Wochen durch das dunkle Tor gehen würde, da bin ich um das Telefon geschlichen ... sollte ich ihn noch mal anrufen und mit ihm reden ... hm ... was sagt man einem Freund in so einer Situation. Schreiben ... ja, vieles, was ich nicht sagen kann, das kann ich schriftlich besser formulieren. Aber – das ging auch nicht.

Es gibt Momente, wo man irgendwie apathisch auf den ›Kick‹ wartet, der uns vorwärts treibt. Aber dieser Kick kam nicht. Nennt es ruhig »Feigheit«, dass ich Horst nicht angerufen habe, um ihm »Gute Fahrt« zu wünschen. Vielleicht war es das auch. Ich weiß es selbst nicht.

Und dann kam der Anruf von Hermann, dass Horst Hübner die letzte Reise angetreten hätte. Und ganz selbstverständlich sagte ich sofort zu, unseren Freund auf seinem letzten Gang zu begleiten. Erst in der voll besetzen Kirche und der Länge der Trauergemeinde wurde uns klar, wie beliebt Horst Hübner schon alleine als Privat-Mensch war.

Ja, und morgen wäre unser Freund also 75 Jahre geworden – und ganz sicher würde ich dann heute nicht hier in Nassenerfurth sitzen, sondern mit ihm, seiner Familie und sicher jeder Menge Freunde in den Geburtstag reinfeiern.

So wird es eben keine Feier – sondern ein Gedenken. Und – weil Horst absoluter Kaffee-Trinker war, werde ich um Mitternacht auf sein Andenken kein Whisky-Glas, sondern eine Kaffeetasse erheben ... nach texanischer Art gekocht, wie ihn Horst liebte ... wenn man ein Hufeisen reinwirft, muss es schwimmen. Kaffee muss heiß wie die Liebe, stark wie Herkules und so schwarz wie meine Seele sein ...

Die alten Ägypter lehrten, dass Menschen, deren Namen aufgeschrieben sind und so nie dem Gedächtnis der Menschheit entschwinden, dass diese Menschen unsterblich sind. In diesem Sinne habe ich hier vielleicht etwas zur »Unsterblichkeit« meines Freundes beigetragen.

Nichts ist vergessen und nichts wird je vergessen werden. Irgendwo werden Romane von P. Eisenhuth, Ringo Clark, Ross Kinkaide und all die anderen Pseudos, unter denen Horst geschrieben hat, wieder mal gelesen – oder neu veröffentlicht. Und so lange lebt der Mensch in der Erinnerung weiter … sagen die alten Ägypter.

Und ich denke, Horst wird aus seiner Dimension heraus von seiner Insel herab zu dieser Formulierung lächeln ... mal sehen, was er mir zu sagen hat, wenn wir uns demnächst auf der anderen Seite wieder treffen ... und vielleicht gehen meine Gedanken ja als weiße Taube zu ihm auf seine Insel im Nirgendwo und senden ihm Grüße.

Aber ich hoffe – inch Allah – dass es bis zum Wiedersehen noch eine gute Weile hat ... womit wir wieder nächste Woche an das eigentliche Teestunden-Thema anknüpfen ...

Kommentare  

#1 Mikail_the_Bard 2011-08-11 10:15
Oh Scheiße, ich habe feuchte Augen, und dabei kannte ich Horst Hübner nicht, habe auch meines Wissens nichts von ihm gelesen. Ein sehr ergreifender Artikel.




Zitat:
und man auch eben mal die fehlenden Männer für eine Schiffs-Crew in den Hafen-Kneipen ?schanghaite? - damals die übliche Art, auch die Schnelle an Bord Arbeitsplätze zu besetzen ? heute würde man so was ?Kidnapping? nennen.
Bring doch bitte nicht das Arbeitsamt auf dumme Ideen, sonst machen die das auch und nennen es einfach "Null-Euro-Job"! :)
#2 Kerstin 2011-08-11 14:06
Hallo,

eigentlich sollte diesen Artikel ein jeder zwangsweise lesen müssen, der leichtfertig behauptet, dass er die Bedeutung des Wortes "Freundschaft" kennt.

Lieber Rolf, vielen Dank dafür. Das hat sogar meine Augen feucht gemacht, obwohl ich Horst Hübner auch nie gekannt habe. Ich habe wieder einmal eine Menge von dir gelernt.
#3 Heinz Mohlberg 2011-08-12 22:26
Die Romane, die Kurt Brand ansprach, waren die sogenannten Wendeband Romane; 1/2 Western und 1/2 Abenteuer; man musste die Bände nach dem ersten Band dann wenden.

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