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Brauchts das? - Nutzloses Wissen

Brauchts das?Nutzloses Wissen

Sie bekommen eine Einladung, auf die Sie eigentlich keine Lust haben, weil Sie dort niemanden kennen. Breitschlagen lassen Sie sich durch die verführerischen Worte, dass die anderen Gäste ebenso gerne ins Kino gehen und über Filme reden.

Die Gäste teilen Ihre Leidenschaft, herrlich, nichts wie hin. Und Sie stellen fest, dass diese unbekannten Leute kurz zuvor in einer Wiederaufführung von John Waters PINK FLAMINGO waren.

Als Freund gehobenen Horrors, gnadenloser Action und überfrachteter Fantasy haben Sie sicher immer so Ihre Schwierigkeiten, in einem Kreis aus Freunden von Claude-Chabrol-Filmen oder Verehrern des skandinavischen Kinos mitzureden oder wenigstens wach zu bleiben. Es geziemt sich nicht, in dieser Runde während einer über fünf Stunden andauernden Unterhaltung über die Anfangseinstellung von CITIZEN KANE einen Dialog aus CHUCKY -- DIE MÖRDERPUPPE zu zitieren.

Sie können solchen Diskussionen ganz einfach einen vollkommen neuen Charakter verleihen, indem Sie nickend den Blick himmelwärts richten und murmeln: "Das erinnert mich..." oder "wie einst...". Was Sie anschließend sagen, muss sich absolut so anhören, als ob Sie es wirklich nur zu sich selbst sagen wollen, obwohl es die anderen gut hören können. Sie dürfen dabei nicht vergessen, dass eine eigene Meinung kaum etwas zählt, Sie mit Fakten jedoch punkten können oder sogar so manch skurrile Ansicht einfach aushebeln.

Die Fakten müssen mit Kino und mit Film zu tun haben, nicht aber das Geringste mit dem vorangegangenen Gespräch. Man wird interessiert nachfragen oder um eine Wiederholung bitten, vielleicht sogar eine ausführliche Erläuterung einfordern. Lassen Sie sich dadurch nicht beirren, winken Sie einfach ab, schütteln Sie den Kopf und murmeln Sie, dass es nichts zur Sache tut.

Natürlich wird man nochmals nachfragen. Und dann sprengen Sie den Kreis der gehobenen Kunst mit Ihrem nutzlosen Wissen. Tun Sie aber bitte so, als ob es überhaupt nichts weiter zu diskutieren gäbe. Das ist insoweit wichtig, als sich dann jeder Gesprächsteilnehmer während der eintretenden Stille gedanklich mit Ihrer Aussage umso intensiver auseinandersetzt. Ein Abwiegeln verstärkt diesen Effekt noch. Sie glänzen mit einem positiven Eindruck, obwohl Sie nur aus Langeweile die Gesprächsrunde stören wollten.
„Bei Filmproduktionen treten ja die Todesfälle meist dreifach auf. Drei Stuntmen starben 1928 bei DIE SPUR DER 98. Ebenfalls 1928 bei NOAHS ARCHE, wo bei der Sintflutszene drei Statisten ihr Leben ließen. Oder die drei Reiter bei SEIN LETZTES KOMMANDO von 1941. Sehr makaber waren auch die drei Toten bei TWILIGHT ZONE, die 1982 bei einem Hubschrauberunglück dahingingen.“
„John Henry Timmis hat ja mit 85 Stunden 1987 den längsten Film der Welt gedreht. Von HEILMITTEL GEGEN SCHLAFLOSIGKEIT gibt es aber auch eine stark gekürzte Fassung von 80 Stunden, wenn man den Film ohne Sexszenen sehen will.“

„War es nicht Errol Flynn, der sagte, „in Hollywood hat man großen Respekt vor den Toten, aber keinen Respekt vor den Lebenden“?“

„Na ja, immerhin ist Edgar Wallace der meistverfilmte Romanautor mit mindestens 179 Verfilmungen seiner Romane und Kurzgeschichten. Trotz der Tantiemen für 50 Filme, welche schon zu Lebzeiten des 1932 verstorbenen Autors gedreht wurden, hinterließ Wallace einen Berg Schulden.“

„In FLUCHT NACH NEVADA fällt kein einziger Schuss. Es ist meines Wissens der einzige Western, in dem kein einziger Schuss fällt. Joel McCrea spielte den Bankräuber, der von Pat Garrett gejagt wird. Aber der Film wurde 1948 zum Flop. Das Publikum will seine Schießerei.“

„Ziemlich dreist war ja der Regisseur Sergej Komarow, der sich als Nachrichtenmann ausgab und Mary Pickford und Douglas Fairbanks bei ihrem Moskau-Besuch 1926 mit der Kamera begleitete. Geschickt sammelte er so viel Material, dass er ohne Wissen der amerikanischen Stars seine eigene Komödie zusammenschneiden konnte: Ein sowjetischer Statist hat sich in den Kopf gesetzt, einen Hollywood-Star zu küssen, und ist selbstverständlich erfolgreich. Was für eine Geschichte.“

„Die meisten lebenden Tiere in einem Film kann man sicherlich in Irwin Allens SCHWARM von 1978 bewundern, bei dem 22 Millionen Bienen mitspielen. Bei IN 80 TAGEN UM DIE WELT von 1956 waren es nur 8.552, aber dafür unterschiedlicher Art, wie Büffel, Rinder, Elefanten, Pferde, Schafe, Strauße und Stinktiere. Aber Alexander Ptuschkos brauchte 1956 für seinen Film ILJA MUROMETS mit 11.000 Stück die meisten Pferde in einem Film. Das sind doch mal Rekorde.“

„Bei 20th CENTURY FOX gab es einen Film, der aufstrebenden Darstellern als klassisches Beispiel dienen sollte, wie man bei Probeaufnahmen niemals agieren sollte. Es waren die Probeaufnahmen von Rock Hudson.“

„Die gemeinsame Szene von Orson Welles und Peter Sellers am Tisch von CASINO ROYALE 1967 wurde nicht gemeinsam gedreht, weil sich die beiden Darsteller auf den Tod nicht ausstehen konnten. So musste die Szene an zwei verschiedenen Tagen jeweils mit einem Double gedreht werden.“

„Inflationsbereinigt ist ja VOM WINDE VERWEHT immer noch der finanziell erfolgreichste Film. Dafür ist CLEOPATRA von 1963 ebenso bereinigt nach wie vor der teuerste Film aller Zeiten. Noch.“

„Oh, die jüngste Darstellerin, die eine Biografie veröffentlichte, war Drew Barrymore. Mit fünfzehn Jahren brachte sie 1990 LITTLE GIRL LOST heraus. In diesem Buch schrieb sie über ihre überwundene Alkohol- und Drogensucht.“

„Ich erinnere mich, dass Frank Woods der erste bezahlte Filmkritiker war und 1909 beim NEW YORK DRAMATIC MIRROR dafür 20 Dollar die Woche bekam.“

„Tom Cruise, ach, der wäre doch niemals wirklich TOP GUN-Pilot geworden. Der mag so aussehen, ist aber drei Zentimeter kleiner als die von der Navy geforderte Mindestgröße für Offiziere.“

„Für die englische Fassung von DER BLAUE ENGEL ließ Josef von Sternberg das Lied „Falling in Love again“ 236 Mal von Marlene Dietrich wiederholen. Das muss man sich mal vorstellen, nur weil sich bei der Dietrich das „Moth“ des Nachtfalters wie „Moss“ von Moos anhörte. Aber nach zwei Tagen gab Sternberg auf.“
Sollten Ihre Ablenkungs- und Verwirrmanöver keinen Erfolg haben und die Umstehenden weniger beeindrucken als geplant, verabschieden Sie sich mit den Worten, dass sie noch das fünftausendseitige Essay von Sergei Eisenstein über die Bedeutung der Montage lesen müssten.
 
 

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