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Professor Zamorra: Welt ohne Männer

StoryWelt ohne Männer
Ein Professor Zamorra-Roman

Prolog
Castle Dunwick.

Ein grauenhafter Ort, der nicht allzu weit von Schottland entfernt ist. Hier wohnte die zierliche Sheila Whittier, eine unheimliche Frau, welche schon oft die Hölle gesehen hat und das im wahrsten Sinne des Wortes.


Sie saß vor dem offenen Kamin und schaute in die lodernden Flammen. Vor einiger Zeit hatte sie bei einer Auktion einen alten Rundspiegel ersteigert. Sie hatte lange nach diesem Ding gesucht und endlich war sie fündig geworden.

Sheila blickte sich um und starrte den Gegenstand, welche sie erworben hatte, an. Dieser sah aus wie einer jener alten Rundspiegel, jedoch mit einem kleinen Unterschied, die reflektierende Glasscheibe war so dunkel, wie eine sternenlose Nacht. Langsam ging sie auf den Spiegel zu und ihre Augen begannen zu funkeln, wie zwei klare Kristalle. Endlich befand sie sich am Ziel.

Ihr pechschwarzes Haar fiel in weichen Wellen auf ihr dunkelblaues Kleid herab. Langsam öffnete sie ihre dunkelroten Lippen und murmelte einen Zauberspruch. Sogleich näherte sie sich dem dunklen Glas und streckte die Arme aus, um die finstere Oberfläche mit ihren Fingerspitzen zu berühren. Dazu kam es jedoch nicht, da sie mit ihren Armen in den Spiegel eintauchte. Durch den Zauberspruch wurde er durchlässig und man konnte ihn als Pforte benutzen. Nicht lange und der ganze Körper von Sheila versank in der tiefschwarzen Hülle des Spiegels, bis sie ganz darin verschwunden war - als hätte es sie nie gegeben.

1.
Über Europa lastete seit Monaten eine anhaltende Winterkälte. Die Loire war zugefroren und man konnte darauf getrost Schlittschuhlaufen.

In dem kleinen Dorf gab es seit einiger Zeit ein geflügeltes Wort das in aller Munde war. Diese Wort hieß ZUM TEUFEL gehen. Das hieß natürlich nicht, dass man wirklich zum Teufel soll, sondern, dass man zu dem einzigen Gasthaus, das es im Dorf gab, ging.

Mostache, der Besitzer, hatte seit einiger Zeit sein Gasthaus komplett renoviert und ihm einen neuen Namen verpaßt: ZUM TEUFEL. Über der Eingangstür hing ein holzgeschnitzer Teufelskopf mit gewaltigen Hörnern. Darunter glomm eine blutrote Leuchtschrift: ZUM TEUFEL.

Mostache hatte sein Gasthaus so genannt, weil eben jener, der sich mittlerweile Sid Amos nannte, öfters hier verkehrte.

Zamorra befand sich mit seiner Gefährtin Nicole Duval im Schankraum von Mostache und wärmte seine halberfrorenen Glieder mit ein paar Gläsern Rotwein.

Mostache saß neben ihnen und ließ es sich nicht nehmen mit ihnen zu trinken. Die Kneipe war nicht allzu belebt. Außer Zamorra und seiner Gefährtin saßen André und Jean an einem Tisch gegenüber und spielten Rommé. Dabei tranken sie vom natürlich vom besten Wein des Hauses.

Der Wirt hatte Zamorra und dessen Gefährtin etwas Wichtiges mitzuteilen, deshalb hatte er die beste Flasche des Hauses aufgemacht, um den Meister des Übersinnlichen damit zu ködern. Er wusste sehr genau, dass der Professor zu einem guten Tropfen niemals nein sagen würde, vor allem dann, wenn er von Mostache stammte.

„Castle Dunwick soll in ein paar Tagen abgerissen werden”, meinte er und nahm einen Schluck aus seinem Glas.

Nicole zuckte mit den Schultern.

„Na und? Was hat das mit uns zu tun?”

Mostache nahm unaufgefordert eine weitere Weinflasche und begann in drei Gläser nachzuschenken.

„Eigentlich gar nichts wenn da nicht...”

Er ließ die Worte unausgesprochen und blickte gelangweilt zu dem anderen Tisch, wo die beiden andren Männer noch immer damit beschäftigt waren, Rommé zu spielen.

Nun wurde Zamorra hellhörig.

„Wenn da nicht was?” fragte er gezielt und trank sein Glas in einem Zuge leer.

Mostache hatte mit dieser Reaktion gerechnet. Er kannte seinen Freund lange genug um zu wissen, dass er sich des Falles annehmen würde, sobald er mehr wusste. Deshalb wollte der Wirt ihn nicht lange auf die Folter spannen und begann damit ihm zu erzählen, was er wusste.

„Nun ja, man hat in dem Castle einen alten Rundspiegel gefunden. Seltsamerweise unterscheidet sich dieser sehr von den anderen, da seine Oberfläche schwarz wie die Nacht sein soll.”

Nicole zog ihre Augenbrauen hoch und starrte Mostache aus ihren großen Augen an.

„Ein Spiegel mit einer schwarzen Oberfläche? So etwas habe ich noch nie gesehen”, sagte sie mit ruhiger Stimme.

„Vielleicht ein Scherzbold, der sich da einen gehörigen Spaß erlaubt hat”, unkte der Professor.

Doch Mostache schüttelte energisch den Kopf.

„Nein, nein; du verstehst nicht. Das hier ist kein Spaß sondern Realität. In dem Castle soll außerdem eine Frau gewohnt haben, die jedoch seit ein paar Jahren nicht mehr aufgetaucht ist. Sie ist einfach verschwunden. Wenn du meine Meinung hören willst, Professor, dann hat das Verschwinden etwas mit dem Rundspiegel zu tun.”

So ging das noch eine ganze Weile. Mostache hatte die Geschichte von einem sehr guten Freund erfahren und da er glaubte hier hätten die Mächte der Finsternis ihre Hände im Spiel, hatte er sofort seinen alten Freund Zamorra eingeschaltet.

Zunächst war dieser jedoch skeptisch, doch auf das Drängen hin von Nicole gab er schließlich nach und versprach Mostache sich um die Sache zu kümmern.

2.
Zwei Tage später.
Zamorra hatte mit seiner Gefährtin, Nicole Duval, Wales erreicht. Auch hier hatte der Winter Einzug gehalten. Es schneite ununterbrochen, als sie den Zoll am Flughafen passierten. Sie waren nicht sofort nach Mostaches Bericht aufgebrochen, da sie zuvor noch versucht hatten, Gryf oder Terry zu erreichen. Doch umsonst. Der Teufel mochte wissen wo sich die beiden wieder herumtrieben. Robert Tendyke war auch nicht erreichbar, ebenso war es Ted Ewigk. So blieb ihnen nichts anderes übrig, als alleine zu reisen und sich in neues gefährliches Abenteuer zu stürzen. Am Flughafen mieteten sie sich ein Fahrzeug und fuhren dann ins schottische Hochmoor hinauf, zu der Stelle an der sich das Castle befand. Der Weg dorthin, war schon halb zugeschneit und der Meister des Übersinnlichen hatte gewaltige Schwierigkeiten, das Fahrzeug auf der holprigen Straße zu halten. Mehr als einmal entglitt der Wagen ihm auf dem schmierigen Untergrund und es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätten einen Unfall gebaut. Gleichzeitig verspürte Nicole ein unheimliches Gefühl, je näher sie dem Ziel kamen. Ihre schwachen Parasinne ertasteten etwas, was sie selbst nicht erklären konnte. Sie verspürte eine starke dunkle Ausstrahlung. Ihr Magen verkrampfte sich, je näher sie dem Castle kamen. Doch sie ließ sich nichts anmerken, da ihr Gefährte anscheinend nichts verspürte. Vielleicht war es auch nur Einbildung. Gäbe es nämlich tatsächlich eine starke schwarzmagische Macht, die verhindern wollte, dass sie ihr Ziel erreichten, so hätte Merlins Stern schon längst reagiert.

Nicole blickte mehrmals zum Himmel empor und sie sah, dass dieser eine Decke aus grau- schwarzen, übereinandergeschichteten Wolken zeigte. Nach gut drei Stunden Fahrt erreichten sie schließlich ihr Ziel. Das kleine Schloss sah gewaltig und unheimlich zugleich aus. Es war im alten gotischen Stil, so um 1790 erbaut worden. Spitze Türme ragten in den bedeckten Himmel, der sich in kürzester Zeit mit noch dickeren Wolken bezogen hatte, als er es jetzt schon getan hatte. Das Castle besaß außerdem eine Menge hohe Fenster, welche die Beiden mit misstrauischen Augen zu beobachten schienen. Das Gebäude hatte ein schwermütiges und trübes Aussehen. Ringsherum war es mit einer alten Säulenveranda umgeben und der Eingang wurde durch ein schmiedeeisernes Tor versperrt.

Sie hatten Glück. Zamorras Beziehungen zu Carsten Moebius hatten es geschafft die Abbrucharbeiten vorerst zu stoppen, so dass sich die beiden in aller Ruhe im Innern umsehen konnten. Ein leichter Schneesturm kam auf, als sie vor dem Tor standen. Es war offen und so traten sie in einen riesigen Hof ein. Ein seltsames Gefühl überkam Nicole, das sie sich auch diesmal nicht erklären konnte. Der Schneesturm nahm an Stärke zu und die Französin sah es als schlechtes Omen an. Der Burghof sah aus wie ein weißer Leichenteppich. Der Sturm verwischte sofort die tiefen Spuren, welche der Professor und seine Gefährtin im Schnee hinterließen. Es herrschte eine unnatürliche Stille im Burghof, nur das Heulen des Windes verursachte ab und zu einige Geräusche. Ansonsten ließ sich keine Menschenseele blicken.

„Etwas stimmt hier nicht Chérie”, meinte Nicole.

„Da hast du nicht Unrecht, es ist mir zu still hier”, sagte der Professor leise.

Sie gingen weiter, jedoch immer bereit, auf einen Angriff von Dämonen gefasst zu sein. Doch nichts dergleichen geschah. Sie erreichten unbeschadet das Innere des Castle. Hier schien die Zeit stehen geblieben zu sein. Vorsichtig öffneten sie die Tür und warteten mit Herzklopfen ab, was passieren würde. Doch zu Zamorras Verwunderung blieb alles ruhig.

Der Raum, den sie betraten, war dunkel. Es dauerte zunächst einmal eine Weile, bis sich ihre Augen daran gewöhnt hatten. Nicole tastete nach einem Lichtschalter, den sie schließlich auch fand. Plötzlich flammte ein grelles Licht auf. Sie schlossen ihre Augen für einen Moment, da die Helligkeit in ihren Augen schmerzte. Nicole schaute sich um. An der Decke hing ein alter stumpfgewordener Kronleuchter. Alles war in dem Raum mit Staub und Spinnweben überzogen, so dass sie ständig die dünnen Fäden von ihren Gesichtern entfernen mussten. Rechts von ihnen befand sich ein alter runder Holztisch, auf dem eine Reihe vom seltsam geformten Gefäße und Kerzen standen. An den Wänden waren eine Menge Regale angebracht, auf denen zum Teil sehr alte Bücher standen. Nicole näherte sich einem Regal und zog ein dickes und zum Teil sehr verstaubtes Buch heraus. Sie blies den Staub von dem blutroten Ledereinband, damit sie den Titel besser erkennen konnte.

Dieser hieß sehr vielversprechend: “Mysterien der Vergangenheit.”

Langsam, um die Seiten nicht zu zerstören, öffnete Nicole den Band. Die Seiten waren vergilbt und sehr brüchig. Der Text war in altem Englisch abgefasst, so dass es eine Weile dauerte, ehe sie den Text lesen konnte.

„Chérie!” rief sie. „Ich glaube ich habe hier gefunden, wonach wir gesucht haben!”

Zamorra war gerade damit beschäftigt den alten Rundspiegel zu untersuchen, als er Nicoles Stimme vernahm.

„Nichtsdestotrotz habe ich auch etwas sehr Interessantes gefunden”, meinte er nachdenklich und schaute sich immer wieder das dunkle Glas an.

Er konnte jedoch nichts Außergewöhnliches feststellen. Da das Amulett keine Gefahr anzeigte gab er schließlich dem Drängen seiner Gefährtin nach und blätterte auch in dem Buch.

„Du hast recht gehabt, es scheint sich um ein sehr besonderes Exemplar zu handeln. Hier steht nämlich die Geschichte des Rundspiegels geschrieben.”

Und dann begann Zamorra laut vorzulesen und die Geschichte, welche sie dann erfuhren, zog sie immer mehr in ihren Bann.

Eine Hexe des 15. Jahrhunderts schloss mit finsteren Dämonen einen Handel. Sie erhielt dafür den Spiegel, geformt aus mystischem und höllischem Material. Dieser war ein Geschenk für jemanden den sie liebte. Doch im Laufe der Jahrhunderte wechselte der Spiegel sehr oft den Besitzer. Der Spiegel war sehr wertvoll für diejenigen die um sein Geheimnis wussten. Denn beim richtigen Zauberspruch wurde das dunkle Glas zu einer Art Pforte, welcher ein Mensch oder Dämon durchschreiten konnte, um so die Zeit, den Raum und die Dimensionen zu überwinden.

Jedoch hatte der Spiegel einen Nachteil. Wenn man die Pforte durchschreiten wollte, musste man achtgeben, dass man nicht in eine Welt der Dämonen geriet, von wo es keine Rückkehr gab. Deshalb besaß die Hexe ein Buch, indem der Standort des Spiegels für eine jeweilige Reise angegeben war.

Doch im Laufe der Jahrhunderte verschwand das Buch genauso wie der Spiegel.

Es gab jedoch nicht nur diesen einen Spiegel, sondern es gab deren eine ganze Menge auf der Erde. Allerdings muss man sich hüten um in den Besitz eines solchen Spiegels zu kommen, denn es könnte passieren, dass die “Pforte” der Glasscheibe offen sein könnte. Somit würde man eine tödliche Überraschung erleben wenn Wesen aus einer anderen Dimension auf die Erde kämen. Gleichzeitig konnte es aber auch passieren, dass Menschen an einen solchen grauenhaften Ort entführt würden, von wo es dann keine Rückkehr mehr gab.

*

Es war eine faszinierende Geschichte, die Zamorra und seine Gefährtin da zu lesen bekamen.

„Also müsste es doch möglich sein, den Spiegel zu durchschreiten um zu sehen, was sich auf der anderen Seite befindet”, schlussfolgerte Nicole.

Unwillkürlich fuhr Zamorras Hand zu seiner Brust, wo Merlins Stern hing. Doch das Amulett zeigte leider keinerlei Wirkung.

„Dann eben nicht”, brummte Zamorra und näherte sich der nachtschwarzen Spiegelfläche.

Seine Finger glitten sehr sanft über das dunkle Glas, als wollten sie etwas ertasten, was nicht vorhanden war. Doch die dunkle Fläche bewahrte ihr Geheimnis noch. Zamorras Finger konnten die Spiegelfläche nicht durchstoßen.

„Verdammt!” entfuhr es dem Professor.

„Das war wohl nichts Liebling”, schmunzelte Nicole. „Der Spiegel gibt sein Geheimnis so leicht nicht preis.”

„Aber es muss doch eine Möglichkeit geben, die Pforte zu öffnen” knurrte Zamorra ärgerlich.

Nicole schüttelte ihre schwarze Mähne. Das Haar war selbstverständlich nicht echt, sondern nur eine Perücke. Sie hatte einen sogenannten Perückentick. Sie wechselte ihre Perücken, wie andere ihre Kleider. Nur Zamorra wusste, welche Farbe ihr echtes Haar hatte. Im Moment stand sie eben auf schwarz.

„Wieso setzt du Merlins Stern nicht ein? Vielleicht gelingt es der Silberscheibe das Tor zu öffnen.”

Zamorra nahm das Amulett samt Kette ab und hielt es dicht vor die schwarze Spiegelfläche. Doch wiederum geschah nichts.

„Narr, so erreichst du gar nichts.”

Da war es wieder, das Amulett, was sich von Zeit zu Zeit zu Wort meldete. Seit einiger Zeit begann Merlins Stern ein Eigenbewusstsein zu entwickeln. Ohne dazu aufgefordert zu werden, meldete es sich manchmal mit Ratschlägen oder zynischen Kritiken, wie in diesem Fall. Doch ein Gespräch kam nicht zustande. Das Amulett reagierte nicht auf Zamorras Fragen. Zamorra hatte schon oft mit dem Gedanken gespielt, dem Amulett sein Geheimnis zu entlocken, doch bisher hatte es ihm immer wieder an Zeit gefehlt. Er nahm sich jedoch fest vor, sich näher mit der kleinen Blechscheibe zu beschäftigen, sobald sich eine günstige Gelegenheit ergab. Denn Aufgeschoben ist nicht Aufgehoben.

„Na dann eben nicht”, meinte der Professor. „Dann versuchen wir es eben auf die andere Art.”

„Anal'h natrac'h; ut vas bethat; doc'h nyell yen vvé.”

Zamorra schrie Merlins Worte der Macht förmlich in den Raum hinein.

Das Amulett begann zu glühen und grüne Strahlen schossen mit erstaunlicher Geschwindigkeit auf die schwarze Glasfläche des Spiegels zu. Dann ging alles sehr schnell. Die Strahlen trafen auf den Spiegel und riefen eine Veränderung hervor. Ein schriller Ton entstand im Raum der immer lauter anschwoll. Zamorra und Nicole hielten sich die Ohren zu doch es half nichts. Der Ton wurde immer lauter und gleichzeitig entstand ein gewaltiger Sog im Raum, der beide auf den Spiegel zutrieb. Jeder für sich versuchte sich irgendwo festzuhalten, doch umsonst; der Sog war stärker. Langsam aber sicher trieben sie auf den Spiegel zu, bis sie mit einem lauten Schmatzen darin verschwanden. Danach wurde es ruhiger im Raum. Kein Laut war mehr zu hören. Nur der Spiegel stand an seinem alten Platz, aber von Zamorra und seiner Gefährtin war nichts mehr zu sehen. Es sah aus, als hätte es die beiden Gestalten nie in diesem Raum gegeben.

3.
Jassam erstarrte jäh. Sein Körper verhärtete sich förmlich und eine steile Falte erschien auf der Stirn des Mannes.

Stimmen?

Und ob. Es war das Bellen von Spürhunden, das er aus weiter Entfernung zu hören vermochte. Ohne sich nochmals umzuschauen rannte er so schnell er konnte weiter. Er wollte weg, nur weg von diesem verfluchten Ort.

Die giftgrünen Doppelmonde standen hoch am Himmel und Jassam rannte weiter durch die dunkle Nacht. Manchmal stolperte er über Baumwurzeln, doch immer wieder raffte er sich auf und lief weiter. Das Bellen der Bluthunde kam immer näher. Bald würden sie ihn erreicht haben. Sein Atem ging schneller und er bekam fast keine Luft mehr. Die langen schwarzen Haare waren nass und klebten nur so an seinem Gesicht, ebenso die paar Fetzen Kleider, welche er noch am Leib trug.

Einfach stehen bleiben und sich ergeben?

Oh nein! Soweit war es noch nicht! Und trotzdem wusste er, dass es nur eine Frage von Zeit war, bis sie ihn erreicht hatten. Der Sumpf war gefährlich und ein falscher Schritt konnte sehr rasch seinen Tod bedeuten. Unermüdlich kämpfte er sich seinen Weg durch das Dickicht und fast wäre er über eine Baumwurzel gestolpert, die er übersehen hatte. Kein Wunder, da hier fast ewige Nacht herrschte. Das Licht der beiden Monde fand keinen Weg durch die dichten Bäume, die überall rings um den Sumpf standen.

Er wirkte besorgt und mehrmals sah er sich um, doch er konnte noch keine Verfolger erkennen. Doch das hatte nichts zu bedeuten, denn sie konnte überall laueren. Diese Gedanken spornten ihn nur zu höherer Leistung an und er beschleunigte seine Geschwindigkeit. Er glitt mit akrobatischer Sicherheit unter einigen Sträuchern hindurch und wich riesigen Pfützen aus, die seinen Weg versperrten.

Plötzlich ging der Weg nicht mehr weiter, denn er war an einem Fluss angekommen. Er blickte sich ängstlich um, doch wiederum konnte er niemanden entdecken. Nur das Bellen von den Hunden in der Ferne verrieten ihm, dass seine Verfolger nicht aufgaben. Sie hetzten ihn solange, bis sie ihn gefunden hatten. Was ihn dann erwartete, war schlimmer als der Tod.

Deshalb gab er sich eine Ruck und warf sich in das trübe Sumpfwasser. Mit eleganten Bewegungen bahnte er sich seinen Weg durch die Fluten, bis er am anderen Ende des Flusses ankam. Er war so erschöpft, dass er sich fast nicht mehr auf den Beinen halten konnte, doch trotzdem gab er nicht auf. Er biss seine Zähne zusammen und rannte weiter, mehr stolpernd als laufen. Mehr als einmal drohten ihn seine Kräfte zu verlassen, doch dann raffte er sich wieder zusammen und floh weiter.

Ein eisiger Wind kam auf und raubte ihm fast den Atem. Eine bleierne Müdigkeit machte sich in seinen Beinen bemerkbar, doch er nahm alle Energie zusammen und lief weiter. Doch er kam nicht weit, denn er stolperte über einen morschen Ast und blieb einige Minuten besinnungslos am Boden liegen. Als er wieder erwachte sah er sich von Bluthunden und den Frauen umzingelt.

„Entweder du kommst freiwillig mit, oder du wirst hier auf der Stelle getötet”, sagte eine harte Frauenstimme.

Jassam sah zu der Frauenstimme auf. Es handelte sich um Dana, welche ein Gewehr in der Hand hielt und es auf ihn richtete.

„Wieso tut ihr das?” fragte Jassam die Frau.

„Unsere GROSSE SCHWESTER MONA hat es uns befohlen”, gab sie zurück.

Die Hunde waren unruhig und zerrten wie wild an der Leine. Geifer tropfte aus ihren Mäulern und das Bellen wollte nicht aufhören. Noch schafften es die Frauen sie festzuhalten, doch das Blatt konnte sich schon sehr bald wenden. Dann würden die großen Tiere sich auf den Mann stürzen und ihn zerfleischen.

Die Frauen versuchten deshalb die Hunde, so gut es ging, zu beruhigen. Sie hielten sie fest an der Leine und redeten mit ruhiger Stimme auf sie ein, bis sie sich einigermaßen beruhigt hatten.

„Steh auf und komm mit!“ befahl Sara.

Sie hielt das Gewehr fest in den Händen und gab Jassam zu verstehen, dass er mitkommen sollte. Ihm blieb nichts anderes übrig als sich seinem Schicksal zu ergeben und den Frauen zu folgen.

*

Nicole glaubte ihr Kopf würde explodieren als sie wieder erwachte. Sie lag allein in feuchtem Gras und hatte einige Mühe sich zu Recht zu finden. Was war passiert?

Langsam kamen ihr die Erinnerungen wieder. Da war dieser Spiegel gewesen, der anscheinend eine Pforte in eine andere Welt war. Zamorra hatte versucht ihn zu durchschreiten, doch es gelang ihm nicht. Erst als er Merlins Stern mit den Worten der Macht aktivierte geschah das Unfassbare. Ein gewaltiger Sog hatte sie in den Spiegel gezogen und von da an setzte ihre Erinnerung aus.

Ein schrecklicher Gedanke überkam sie. Wo war Zamorra?

Sie schaute sich um. Ringsum sie herum befand sich eine Sumpflandschaft und wenige Meter von ihr entfernt lag ihr Gefährte im Gras. Sie atmete beruhigend aus. Zamorra kam nun auch langsam zu sich. Auch er schien einige Schwierigkeiten zu haben sich zu Recht zu finden.

„Wo sind wir hier?” fragte er Nicole.

Sie zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß es nicht.”

Beide sahen sich um. Es war Nacht. Am Himmel standen zwei giftgrüne Bälle, die wie Monde aussahen. Das gespenstische Licht, das sie abgaben, beleuchtete die Landschaft nur spärlich. Sie konnten erkennen, dass sie sich in einer Sumpflandschaft aufhielten. Die Luft war klar und frisch und roch ein wenig würzig. Winzige Insekten umschwirrten sie, ohne uns jedoch zu stechen. An anderen Stellen ließen sich Kletterpflanzen von Bäumen mit hoch tragen, dem Licht entgegen. Hier schien sich das pflanzliche Leben völlig planlos abzuspielen. Die vielen Bäume kämpften um ihren Anteil am Licht. Manche waren unglaublich hoch und breiteten ihr Laub oben wie einen Schirm aus. Die meisten Stämme waren völlig kahl und nur von unzähligen Schlingpflanzen bedeckt. Auf dem Boden lag eine dichte Schicht Laub, in dem allerlei kleines Getier hauste. Kleine Bäche strömten durch die Landschaft und allerlei Kleingetier kletterte an den Bäumen empor, ohne die Fremden jedoch anzugreifen. Es kam ihnen so vor, als würden sie jeden ihrer Schritte genauestens beobachten.

Nicht weit von ihnen entfernt befand sich ein etwas größerer Fluss. Mit unsicheren Schritten gingen sie auf ihn zu. Am Ufer lag eine alte Fähre vor Anker. Zamorra näherte sich dem Boot und bemerkte, dass sich ein Lebewesen auf ihr befand. Es sah menschenähnlich aus.

„Hallo!”

Es war ein alter Mann, der zu ihnen aufschaute. Er musste so um die sechzig Jahre sein, hatte fettiges eisgraues Haar, das kurzgeschnitten war. Er trug einen grauen Vollbart und sein Gesicht war über und über mit kleinen Narben bedeckt.

„Hallo!” erwiderte er den Gruß.

Er hatte eine tiefe, fast sanfte Stimme. Glücklicherweise gab es keine Verständigungsschwierigkeiten.

„Wir haben uns verlaufen und wollten wissen wo wir uns hier befinden”, wollte Nicole von dem Fährmann wissen.

„Nichts leichter als das”, erwiderte dieser freundlich. „Sie befinden sich hier im Süden von Cornton und wenn sie wollen, bringe ich sie über den Fluss.”

Beide waren natürlich einverstanden und bestiegen zusammen die Fähre.

„Wo soll es denn hingehen?” wurden sie gefragt.

„Wir wissen es noch nicht” gab Zamorra diplomatisch zurück.

Langsam setzte sich die Fähre in Bewegung und sie fuhren flussabwärts über das träge Wasser. Die ganze Welt kam ihnen irgendwie verändert und völlig fremd vor. Auf Sandbänke lagen einige exotische Tiere, die stark an Kaimane erinnerten. Seltsame Schreie drangen aus dem Innern des Dschungels hervor und über der Fähre kreisten einige seltsame Tiere. Wie eine dichte grüne Mauer stand der Dschungel hinter dem Ufer, doch es zeigten sich keine Bewohner. Nicole gab Zamorra zu verstehen, dass es sich nur um eine Parallelwelt handeln konnte. Ehe er etwas darauf antworten konnte, passierten sie am Flussufer ein Ortsschild.

Bolton 24 km stand darauf.

„He sieh mal!“ rief Nicole. „Das Ortsschild, scheint interessant zu sein. Was ist Bolton, Mister?”

Nicole war nun nicht mehr zu halten. Sie wollte unbedingt nach Bolton fahren, das sah Zamorra ihr an. Er bemerkte jedoch, wie sich der Gesichtsausdruck des Mannes jäh veränderte, als hätte Nicole etwas Falsches gesagt.

„Bolton ... Bolton ist eine Geisterstadt”, sagte er mit zittriger Stimme.

„Geht nur hin... und ihr kommt nie mehr zurück!”

Zamorra und Nicole blickten sich gleichzeitig an. Sie hatten schon eine Menge Erfahrung mit Geisterstädten und deshalb wollte sich Zamorra diese Stadt mal aus der Nähe ansehen.

„Was können Sie mir sonst noch über Bolton sagen?”

Zamorra wollte soviel wie möglich über die fremde Welt wissen, ehe er sich erneut in ein gefährliches Abenteuer stürzte. Er wollte nicht blindlings in eine Falle laufen, deshalb wollte er lieber vorher als nachher die Fronten klären.

„Bolton ist eine alte Holzstadt im Sumpf! Als die Sägemühle zumachten, starb das Kaff... was euch auch passieren wird, wenn ihr hingeht!”

Doch Zamorra wollte sich nicht beirren lassen. Er war neugierig darauf zu erfahren, was es mit dieser Geisterstadt auf sich hatte.

Die Fähre legte am Ufer an und Nicole und Zamorra stiegen aus. Der Fährmann versuchte sie noch einmal zu warnen, doch sie wollten nicht auf ihn hören.

„Keine Angst Opa”, sagte Nicole mit zuversichtlicher Stimme. „Mit Geisterstädten haben wir so unsere Erfahrung. Wir brauchen dringend eine Abwechslung.”

Die Fähre setzte sich erneut in Bewegung und Zamorra sah ihr noch lange nach ehe sie sich entschlossen ihren Weg fortzusetzen.

Im Gänsemarsch marschierten sie durch die grüne Hölle. Das dichte Laub erschwerte ihnen das Weiterkommen sehr. Die Luft war feuchtheiß und Nicole spürte deutlich wie ihr Herz klopfte.

Die Landschaft wurde karger und unwirtlicher. Die Wälder waren weiten, ebenen Flächen gewichen, die mit Heidekraut verkrüppelter Birken und Wacholder bewachsen waren. Das Sumpfland wirkte fast noch düsterer, als der rabenschwarze nächtliche Himmel, der sich drohend und wolkenbeladen über den Landstrich spannte. Dann und wann lugte, die beideen giftgrÜnen Zwillingsmonde, für kurze Zeit, hinter einer Wolke hervor und überschüttete das Gebiet grünem Licht. Ein fahler Schein spiegelte sich dann in den modrigen Tümpeln wider.

„Mieses Sumpfland hier”, bemerkte Nicole.

Sie war es nicht gewohnt so große Strecken zu Fuß zu gehen.

„Halt durch, noch ein paar Kilometer und wir haben Bolton erreicht. Hoffentlich gibt es dort was zu essen”, meinte Zamorra.

Nicole lachte.

„Du glaubst doch nicht, dass du in einer Geisterstadt etwas zu essen bekommst.”

„Ich hoffe aber doch” bemerkte ihr Gefährte. „Ich habe vor allem einen Heißhunger auf heiße Hot Dogs.“

Beide lachten. Sie schritten so ungefähr eine halbe Stunde durch die Sumpflandschaft, ehe sie an einem Baum vorbeikamen an dem ein Plakat hing. Auf diesem befand sich ein riesiges Auge, und Zamorra hatte das Gefühl davon angestarrt zu werden.

„Heh! Siehst du auch dieses Zeichen. Ist wohl eine Werbung für Lidschatten!” meinte Zamorra.

Nicole zuckte mit den Schultern. So gingen sie weiter. Die beiden Monde waren schon untergegangen und machten einer roten Sonne Platz. Als diese ihren höchsten Standpunkt am Himmel erreichte, kamen der Meister des Übersinnlichen und seine ehemalige Sekretärin ein halbkreisförmiges Tal.

„Still, ich glaube ich höre etwas!”

Es war Nicole, die als erstes das Geräusch gehört hatte. Ihr Gefährte wusste zunächst nicht was er antworten sollte, da er nichts hören konnte. Doch dann drangen die Laute auch zu ihm vor. Es hörte sich wie ein lautes Pochen und Dröhnen an.

Es dauerte nicht lange und sie erreichten die Quelle der Geräusche. Es handelte sich hierbei um ein altes Gebäude, das stark an eine Schmiede erinnerte, welche noch aus einer früheren Zeit zu stammen schien. Je näher sie kamen, desto lauter wurde das Hämmern. Zamorra betrat als erster den Raum und sah ein junges Mädchen mit einem Hammer in der Hand. Der Professor sah sich das Mädchen etwas genauer an. Es war groß und schlank, hatte fast knabenhafte Hüften und kleine Brüste. Im glühenden Feuerschein bekam ihre Haut einen leichten rotgelblichen Ton, was Nicole wiederum als sehr interessant empfand. Das Haar war lang und fast kastanienbraun.

Es war gerade dabei ein glühendes Stück Eisen auf dem Amboss zu bearbeiten als der Meister des Übersinnlichen mit lauter Stimme sagte:

„Äh..., Miss..., guten Abend...!”

Wie von einer Tarantel gestochen fuhr das Mädchen herum und hielt Zamorra das glühende Stück Eisen unter die Nase. Er konnte sehr deutlich die Hitze des Metalls spüren. Deshalb ging er einen Schritt nach hinten

„Zurück!” schrie das Mädchen. „Kein Mann darf mich anrühren!”

„Huh! Ist die vielleicht böse”, sagte Nicole spöttisch. „Es sieht sehr schlecht mit deinem Charme aus.”

„Komm gehen wir ins Städtchen. Vielleicht sind die Geister dort etwas liebenswürdiger.”

„Verschwinden Sie von hier. Wir dulden keine Fremden in unserer Stadt! sagte die Fremde mit barscher Stimme.

„Wir wollen Ihnen doch nichts antun”, versuchte Nicole es auf die freundliche Tour.

Doch das Mädchen schüttelte ihren Kopf. Ihre Augen funkelten sehr böse und das war nicht auf das Feuer zurückzuführen.

„Dann eben nicht”, brummte Zamorra.

Sie drehten sich daraufhin um und verließen den düsteren Raum. Das Mädchen sah ihnen noch lange nach, ehe es mit seiner Arbeit fortfuhr.

Nach einer Weile hatten sie Bolton erreicht. Es handelte sich hierbei um eine nette kleine Stadt, die aber anscheinend nur von Frauen bevölkert wurde. Wohin Zamorra und Nicole auch sahen, nirgendwo befand sich ein Mann. Eines fiel der Französin jedoch sofort auf, das riesige Auge vorhin auf dem Plakat, befand sich hier überall Jedes Haus, jeder Wagen, einfach auf allem war dieses riesige Auge gemalt.

„Von wegen Geisterstadt”, lachte Nicole. „Ganz hübsch bevölkert.“

„Hübsch ist richtig. Lauter schöne Miezen”, stellte Zamorra nüchtern fest.

Dafür erntete er einen bösen Blick von seiner Gefährtin.

„Sie wirken jedoch alle so unfreundlich, wie das Mädchen in der Schiede vorhin”, bemerkte Zamorra nachdenklich.

„Und dieses Zeichen, das Grosse Auge ist hier auch überall zu sehen. Ich möchte mal zu gerne wissen, was das zu bedeuten hat”, sagte Nicole.

„Es ist das Auge unserer GROSSEN SCHWESTER MONA, unserer geliebten Führerin” sagte eine Stimme hinter ihnen.

Sie drehten sich fast gleichzeitig um und sahen sich einer Politesse gegenüber.

„Sie täten gut daran, schnellstens von hier zu verschwinden!“ meinte die Frau in Uniform.

„Und wieso?” wollte Zamorra wissen.

„Weil Sie sonst großen Ärger bekommen”, sagte eine andere Stimme.

Sie sahen sich einer weiteren Frau entgegen, die jedoch keine Uniform trug.

„Ich bin Schwester Dana, die Bürgermeisterin von Bolton und wenn sie keinen Ärger wollen, dann verschwinden Sie so schnell wie möglich von hier.”

Aus ihren Worten war nur zu deutlich die Drohung zu hören.

„Hören Sie, wir wollen unter gar keinen Umständen Ärger haben und ...”

Der Parapsychologe zeigte dabei mit dem Finger auf Schwester Dana, doch diese fuhr ruckartig herum und entzog sich Zamorras Zugriff.

„Hände weg! Das ist MONAS oberstes Gesetz. Kein Mann darf uns anfassen!” schrie sie und trat einige Schritte zurück.

„Verschwinden Sie von hier oder sie kommen in Haft!“ wurde sie um eine Spur unfreundlicher.

Doch so leicht ließ sich Zamorra diesmal nicht abwimmeln.

„Haft? Aber das ist illegal, gegen jedes Recht”, versuchte er es auf die freundliche Tour.

Doch die Bürgermeisterin wurde dadurch umso wütender. Ihr Gesicht färbte sich rot und dann schrie sie:

„Männer haben keine Rechte hier! Die GROSSE SCHWESTER hat uns gelehrt, frei von Männerherrschaft in Würde zu leben!”

Nicole zog ihren Lebensgefährten zur Seite und flüsterte ihm zu:

„Vielleicht wäre es wirklich besser wenn wir von hier verschwinden, denn ich will unter gar keinen Umständen Ärger haben.”

Zamorra schüttelte den Kopf

„Ich bin sehr neugierig auf die GROSSE SCHWESTER.”

Daraufhin trat er wieder zu Dana und sagte:

„Tolle Emanzipation! Aber ohne Männer keine Freunde...Gatten...Kinder...”!

Dana wandte sich ab.

„Erst wenn die Männer sich gewandelt haben, dürfen sie wieder zu uns. So hat die GROSSE SCHWESTER es verfügt”, erklärte sie ihm.

„Bis dahin leben wir für uns...in schwesterlicher Gemeinschaft.”

Es waren ihre letzten Worte, ehe sie sich vollends von den Fremden abwandte und zu einem Gebäude eilte.

„Ist ja eine tolle Gesellschaft in die ich hier reingeraten bin”, grinste Zamorra.

Doch so schnell wollte er das Feld nicht räumen. Er wollte mehr über diese Welt und ihre Bewohner erfahren. Irgendeinen Zweck musste es doch geben, dass das Tor des Rundspiegels genau auf diese Dimension eingestellt war.

„Wer ist diese GROSSE SCHWESTER eigentlich?” fragte er die Polizistin, die noch immer mit Argusaugen auf die Fremden wachte.

Diese wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als sie durch einen Schrei unterbrochen wurde. Zamorra und Nicole drehten sich beide gleichzeitig um und sahen wie ein junges Mädchen am Dachrand hing. Anscheinend hatte sie das Gleichgewicht verloren und war vom Dach gefallen. Glücklicherweise konnte sie sich noch gerade an der Rinne festhalten. Doch es konnte sich nur noch um Minuten handeln, ehe sie runterfiel. Zamorra wollte helfen doch die Polizistin hielt ihre Pistole auf ihn gerichtet.

„Halt!” rief sie. „Dabei würden Sie sie nur berühren und das darf nicht sein. Unser Unfalltrupp wird sie retten.”

Einige Mädchen kamen mit einer Leiter angerannt und stellten sie gegen die Fassade des Gebäudes. Die Frau schrie noch immer um Hilfe, da sie sich nur noch mit einer Hand festhielt. Sie baumelte mit den Beinen in der Luft herum und ihre Kräfte schienen langsam aber sicher nachzulassen. Sie versuchte sich mehrmals mit ihrer ganzen Kraft hochzuziehen, doch umsonst. Sie schaffte es nicht, mit ihrer anderen Hand den Dachrand zu fassen.

Zwei junge Frauen eilten so schnell sie konnten, die Stufen der Leiter hinauf, doch sie kamen um Sekundenbruchteile zu spät. Die Kräfte des Mädchens erlahmten vollends und sie stürzte ab. Sie war auf der Stelle tot.

„Verdammt!” schrie der Professor. „Ich hätte sie retten können.”

Bürgermeisterin Dana kam nun auch aus ihrem Büro gerannt und sah was passiert war. Mit eiskalter Stimme sagte sie nur:

„Es ist wirklich sehr, sehr traurig, doch Schwester Cora kannte das Risiko bei solcher Männerarbeit.”

Damit war für sie die Sache erledigt. Jedoch nicht für Nicole. Sie hatte sich bisher aus der Sache herausgehalten, doch nun platzte ihr der Kragen.

„Wieso seid ihr alle nur so stur? Wäre es denn so schlimm gewesen, wenn Zamorra sie berührt hätte? Dann wäre sie aber noch am Leben.”

„Gesetz ist Gesetz”, meinte Dana. „Und ihr Gefährte ist hiermit verhaftet. Sie jedoch können sich frei hier bewegen. Doch ich warne Sie, versuchen sie keinen Unfrieden hier zu stiften, sonst landen sie auch im Gefängnis. Auch wenn Sie eine Frau sind, Sie müssen sich an unsere Gesetze, MONAS Gesetze halten.”

Damit war für sie dieses Thema erledigt. Sie ging wieder zurück in ihr Büro.

Der Professor jedoch wurde von dem Mädchen in Uniform abgeführt und Nicole konnte dabei nur tatenlos zusehen. Sie nahm sich jedoch fest vor, ihren Gefährten nicht im Stich zu lassen und nach einer Möglichkeit zu suchen, ihn zu befreien.

Dabei wollte sie soviel wie möglich über diese ominöse GROSSE SCHWESTER herausfinden. Vor allem das Zeichen, dieses Große Auge faszinierte sie.

4.
Zamorra wurde ins Gefängnis abgeführt. Er sah keine Möglichkeit sich zu befreien oder zu fliehen, da man eine Pistole auf ihn gerichtet hatte. Der Weg zum Gefängnis ging durch düstere Gassen. Dabei sah sich Zamorra gründlich um. Der Straßenbelag bestand aus breiten Holzlatten und einzelnen Asphaltflächen. Überall wohin das Auge reichte, waren Frauen bei der Arbeit. Tatsächlich war es eine Welt ohne Männer. Was mochte bloß aus ihnen geworden sein?

Sie wichen einem Pferdekarren aus, der mit Hafer beladen war und gingen dann in Richtung einer windschiefen Hütte. Draußen war ein großes Schild angebracht auf dem stand: Bolton, Stadtgefängnis.

Die Tür öffnete sich und zwei Frauen kamen heraus.

„Ein Neuer”, sagte die Uniformierte kalt.

Die anderen nickten nur und machten ihr Platz. Zamorra wurde unsanft ins Innere gestoßen. Mit einem lauten Knarren wurde die Gefängnistür geöffnet und die Frauen schubsten ihn hinein. Gleich darauf schloss sich die Tür wieder. Es handelte sich um eine Einzelzelle, das erkannte der Professor sofort und gleich darauf machte er die Feststellung, dass sich in den anderen Zellen Männer befanden. Hier also hatte man die Männer hingebracht, nach denen er sich so gründlich in der Stadt umgesehen hatte.

„Haben die Weibsteufel Sie auch gefasst?” wurde Zamorra gefragt.

Dieser nickte nur. Langsam gewöhnten sich seine Augen an das spärliche Licht und er konnte Einzelheiten erkennen. Drei Männer befanden sich in der Nebenzelle. Sie hockten alle auf dem Boden und sahen sich den Neuankömmling genauer an.

Zamorra spürte die Aufmerksamkeit der Fremden auf sich ruhen. Ihre Blicke begegneten sich und er konnte feststellen, dass es sich um menschliche Augen handelte. Sie waren dunkel, wirkten ernst und intelligent und brachten eine seltsame Mischung aus Verwirrung und Neugierde zum Ausdruck.

„In der Tat, dieses Weibsteufel, wie Sie sie nennen haben mich auch erwischt. Ich bin als Fremder hergekommen und hatte eigentlich so eine Reaktion nicht erwartet.”

Zamorra spürte, dass er damit den Bann gebrochen hatte. Der Andere holte tief Luft und sagte:

„Sie werden es nicht glauben, aber diese Reaktion ist ganz normal. Viele von uns hocken schon seit Wochen hier, andere schon länger.”

Die anderen stimmten ihm zu.

„Wieso tun die Frauen das?” wollte Zamorra wissen.

„Sie handeln nach dem Gesetz der GROSSEN SCHWESTER”, wurde ihm gesagt.

Da war er wieder, dieser Begriff. Unwillkürlich fuhr Zamorras Hand zu seinem Amulett, doch von diesem erfolgte keine Reaktion. Es erwärmte sich nicht und es ließen sich auch keine Hieroglyphen bewegen. Also war keine schwarzmagische Kraft hier am Werk.

Zamorra untersuchte die Gitterstäbe, doch diese bestanden aus massivem Eisen.

„Das haben schon andere vor Ihnen versucht, doch es ist umsonst. Auch wenn das Gefängnis aussieht, als könne es jeden Augenblick umfallen, die Gitterstäbe sind massiv.”

„Wer ist diese GROSSE SCHWESTER überhaupt?” wollte der Parapsychologe wissen.

„Das weiß niemand von uns. Sogar ihre Anhängerinnen wissen nicht wie sie aussieht. Sie lebt weit draußen im Sumpf und jeder der nach ihr gesucht hat, ist nie wieder aufgetaucht.“ „Wahrscheinlich hat sie diese armen Teufel ermordet”, sagte ein anderer.

Zamorra konnte nicht glauben was er hier zu hören bekam. Das Ganze erinnerte ihn stark an die Parascience-Society. Diese Sekte war von Elron Havard gegründet worden. Er war SF Autor, bis er merkte, dass er auch mit anderen Mitteln Geld verdienen konnte. Zweck dieser Organisation war es, die Menschen hörig zu machen und von ihnen abhängig zu machen. Parascience stellte so etwas wie ein geld- und machtgieriges Imperium dar. Die Mitglieder dieser Sekte strebten auch die Weltherrschaft an und jeder der sich gegen sie stellte, wurde ausgeschaltet. Zamorra war schon öfters mit den Leuten dieser Organisation zusammengetroffen und bis jetzt war er jedes Mal als Sieger hervorgegangen. Deshalb erkannte er auch erste Zusammenhänge zwischen Parascience und den Bewohnern von Bolton. Diese ominöse GROSSE SCHWESTER schien die Frauen irgendeiner Gehirnwäsche unterzogen zu haben, so dass sie sich gegen die Männer stellten. Doch er grübelte noch immer über den Zweck des Ganzen nach. Welchen Plan verfolgte MONA damit, indem sie eine totale Frauengesellschaft aufbaute? Die Antwort dazu konnte er nur von der GROSSEN SCHWESTER persönlich erhalten. Aber dazu musste er zuerst einmal aus diesem Gefängnis heraus. Er setzte sich auf den Boden und dachte nach. Dabei fiel ihm etwas sehr Wichtiges im Zusammenhang mit den Frauen von Bolton ein. Es gab eine Gemeinsamkeit, das alle weiblichen Personen in dieser Stadt verband. Sie hatten alle Angst, von einem Mann berührt zu werden. Im Moment war er zum Nichtstun verdammt. Aber seine Gefährtin konnte vielleicht etwas Wichtiges in Erfahrung bringen, da sie sich noch außerhalb der Gefängnismauern aufhielt.

*

Es regnete. In Bolton regnete es fast ständig. Dana verließ ihr Haus und machte sich auf den Weg zum Polizeirevier. Sie hatte plötzlich ein schlechtes Gewissen was die Verhaftung des Fremden betraf. Sie konnte es sich selber nicht erklären, aber sie plagten Gewissensbisse. Sie wusste, dass sie damit einen Fehler gemacht hatte, doch sie durfte nicht daran denken. Sie wollte den Zorn von MONA nicht auf sich lenken.

Sie stapfte durch den langen Pfad, der sich wie eine lange Schlange aus Lehm durch Bolton wand. Nach kurzer erreichte sie das Polizeirevier. Sie klopfte kurz an und betrat den Raum. Hier saß Sybille in ihrem spartanisch eingerichteten Büro und starrte gedankenverloren die Decke an. Erst das Räuspern von Dana riss sie aus ihren Gedanken.

„Ach Sybille, der Tod von Schwester Cora war schrecklich!” seufzte sie.

Dabei schillerten kleine Träne in ihren Augen.

Sybille richte sich in ihrem Stuhl auf und starrte die Bürgermeisterin mit großen Augen an. Dana war schlank, trug ihr kastanienbraunes Haar kurz und ansonsten trug sie am liebsten hochgeschlossene Kleidung.

„Ich weiß”, gab die Bürgermeisterin zurück. „Und was der fremde Mann sagte, war auch sehr schlimm.”

Sybilles sanfte Gesicht nahm einen traurigen Ausdruck an. Sie kämmte sich mit ihrer rechten Hand eine blonde Strähne aus den Augen und meinte dann:

„Ich weiß, mir geht es genau so. Dieser Fremde ist anders, als die anderen, welche bisher den Weg zu uns gefunden haben.”

„Wir dürfen uns keine Blöße geben, denn das hieße gegen MONAS Gesetz zu verstoßen. Und was das heißt, weiß du ja.”

Danas Stimme hatte einen festen Klang angenommen. Sie beugte sich zu Sybille vor und schaute in ihre meerblauen Augen.

„Wir müssen stark sein, denn der Weg in die Freiheit ist hart, sogar sehr hart. Du weißt was die GROSSE SCHWESTER uns gesagt hat”, gab sie zu bedenken.

Doch die Polizistin schien nicht so ganz einverstanden zu sein, mit dem was Dana hervorbrachte. Sie sprang aus ihrem Stuhl auf und schrie die Bürgermeisterin mit lauter Stimme an:

„Verdammt noch mal, haben wir denn überhaupt kein Gewissen was Coras Tod betrifft? Sie würde noch leben, wenn der Fremde eingegriffen hätte. Doch nach unserem Gesetz durfte er unsere Schwester nicht berühren. Und dann sprichst du noch von Freiheit? Es tut mir wirklich leid, aber damit bin ich nicht einverstanden.”

Sybille war erregt, und zornig, was ihre Freundin sehr schnell erkannte. Auch ihr ging der Tod von Cora sehr nahe, doch nicht so, als dass sie die Gesetze von MONA in Frage stellte. Was war plötzlich mit ihnen los? War es der Einfluss der Fremden, der dies alles bewirkte oder...

Sie war sich ihrer Sache plötzlich nicht mehr so sicher, als es den Anschein hatte. Sie hatte das Gefühl, als würde sich ein gewaltiger Nebelschleier vor lüften und sie begann die Dinge plötzlich mit anderen Augen zu sehen, was ihr überhaupt nicht gefiel, deshalb sagte sie schnell:

„Als wir die Geisterstadt unter der Führung der GROSSEN SCHWESTER übernahmen, legten wir jede weibliche Schwäche ab. Unsere Sache ist gut und wir werden siegen!”

Mit diesen Worten versuchte Schwester Dana ihre Freundin und sich selbst zu beruhigen, doch es half nichts. Sybille war zu erregt und zornig als dass sie sich beruhigen ließ.

„Wir können die Männer doch nicht ewig einsperren!” schrie sie die Bürgermeisterin an.

Diese schüttelte den Kopf.

„Ich mache dir einen Vorschlag. Wieso fragen wir nicht die GROSSE SCHWESTER was sie mit ihnen vorhat, wenn wir Schwester Coras Begräbnis in ihrer Gegenwart auf der heiligen Insel abstatten.”

Damit schien sie einverstanden zu sein. Langsam begannen sich ihre Nerven wieder zu beruhigen und sie setzte sich wieder hin. Damit schien Dana alles gesagt zu haben, denn sie erhob sich aus dem Stuhl und verließ das Gebäude. Sybille saß noch lange Zeit schweigend da und dachte über das nach, was Schwester Dana ihr gesagt hatte. So leicht war sie nicht zu überzeugen. Sie ahnte tief in ihrem Inneren, dass sie einen Fehler gemacht hatte, wenn sie solch frevlerische Gedanken hegte, doch sie wollte endlich Gewissheit haben.

5.
Nicole schlenderte durch die nassen Straßen von Bolton. Fürs erste ergab sich keine Möglichkeit Zamorra zu befreien. Sie musste zuerst versuchen näheres über diese Welt und vor allem über diese ominöse GROSSE SCHWESTER zu erfahren. Als Frau hatte sie hier in Bolton anscheinend alle Privilegien und das wollte sie ausnützen.

Sie entdeckte ein Schild auf dem stand: Taverne. Dort konnte man näheres in Erfahrung bringen wenn man sich klug anstellte. Als sie die Tür der Taverne betrat, sah die Eigentümerin überrascht auf. Doch Nicole ließ sich davon nicht abschrecken, sondern ging schnurstracks zur Theke und bestellte sich etwas zum trinken.

Draußen heulte noch immer ein kalter Wind, aber hier drinnen in der Taverne herrschte angenehme Wärme.

Nicole sah sich um. An einem Tisch saßen zwei junge Mädchen und diskutierten heftig miteinander. Die eine von ihnen war blond und hatte lange Haare. Sie trug eine blaugemusterte Bluse und eine dunkelblaue lange Hose. Die andere war auffällig groß für eine Frau. Sie trug ihr langes rostrotes Haar offen. Ihre meergrünen Augen zeigten eine Spur von Neugierde, als Nicole sich ihnen näherte und fragte:

„Ist hier noch ein Platz frei?”

„Natürlich”, wurde ihr geantwortet.

Sie setzte sich zu den beiden Frauen

„Sie sind fremd hier?” fragte eines der Mädchen.

Nicole nickte. Sie erzählte ihnen, dass sie von außerhalb Bolton kam. Dabei verschwieg sie natürlich, dass sie aus einer anderen Welt kam. Das hätte die Beiden nur verwirrt und vielleicht misstrauisch gemacht.

„Wieso seid ihr den Männern gegenüber so feindlich eingestellt?” wollte die ehemalige Sekretärin wissen.

Sie wollte nicht lange um den Brei herumreden, sondern sofort auf den Punkt kommen. Sie fand das Verhalten der Frauen von Bolton mehr als seltsam.

„Unsere GROSSE SCHWESTER verlangt das von uns. Es ist IHR Gesetz und wir halten uns daran. Erst wenn die Männer sich gewandelt haben dürfen sie wieder zu uns”, wurde ihr gesagt.

„Wer ist diese GROSSE SCHWESTER?” fragte Nicole neugierig.

„Sie ist unsere Anführerin. Sie hat uns den Weg in die Freiheit gezeigt und dafür sind wir ihr ewig dankbar. Erst durch sie haben wir gelernt was Freiheit überhaupt bedeutet.”

Das Ganze kam Nicole vor, als würde hier ein Tonband ablaufen. Das Gleiche hatte sie nämlich schon von Schwester Dana gehört. Wahrscheinlich wurden die Frauen beeinflusst, ohne dass sie etwas merkten. Nicole wollte deshalb etwas versuchen, was sie im Grunde genommen hasste. Sie versuchte die Gedanken der Frauen zu lesen. Dabei war sie keine so perfekte Telepathin wie die Peters Zwillinge. Bei ihr funktionierte das Gedankenlesen nur unter besonders günstigen Umständen. Nicole konnte nur den Bewusstseinsinhalt von Menschen erfassen, solange diese sich in ihrem Sichtfeld befanden. Schon eine dünne Trennwand machte den Kontaktversuch zunichte. Bei den beiden Frauen jedoch stieß sie auf eine Sperre. Ob diese Sperre natürlicher Art war, ließ sich nicht herausfinden.

„Was hat es mit den Grossen Auge auf sich, was ich überall sehe?” wollte die Französin noch wissen.

„Das ist das Zeichen unserer GROSSEN SCHWESTER. Sie sieht und hört alles, da sie immer bei uns ist”, wurde ihr gesagt.

Mehr bekam Nicole nicht aus den Frauen heraus. Wahrscheinlich wussten sie selber nicht viel. Es wurde Zeit, dass sie Zamorra befreite und ihn über alles informierte. Zusammen mit ihm sollte es ein leichtes sein, die GROSSE SCHWESTER zu finden.

*

Der Parapsychologe unterdessen hatte das Gespräch der beiden Frauen mitbekommen. Sie hatten so laut gesprochen, dass Zamorra im Nebenraum alles mitbekam. Bei dem Begräbnis wollte er unbedingt dabei sein, denn nur so konnte er mehr über diese mysteriöse GROSSE SCHWESTER erfahren. Dabei hatte er noch ein wenig Zeit, denn soweit er erfahren hatte, sollte das Begräbnis erst in der Nacht stattfinden und jetzt war es später Nachmittag. Er wollte sich noch ein wenig mit den Männern unterhalten um so an mehr Informationen über diese Welt heran zu kommen.

„Mir fällt auf, dass sich nur sehr wenige Männer hier im Gefängnis befinden. Sind das alle Männer von Bolton oder sind die anderen noch auf freiem Fuß?”

Sein Zellennachbar hob den Kopf und sah Zamorra traurig an.

„Oh nein! Es gab eine Zeit da befanden sich viel mehr Männer im Gefängnis. Doch dann kamen die Frauen und holten sie ab. Wahrscheinlich haben diese Teufelinnen sie ermordet.”

Die anderen stimmten ihm zu.

„Mord?“ fragte der Parapsychologe erstaunt „Aber wieso?”

„Das weiß nur diese verdammte GROSSE SCHWESTER”

Zamorra setzte sich wieder hin und dachte über das nach, was er erfahren hatte. Der gemeinsame Nenner, wie er es nannte, war diese ominöse GROSSE SCHWESTER. Er wusste bis jetzt nur ihren Namen. Plötzlich hatte er eine Idee, wie er aus dem Gefängnis ausbrechen konnte.

Plötzlich hörte neben dem Zellenfenster ein Geräusch. Er näherte sich dem Fenster und sah dass es sich um Nicole handelte.

„Ich habe nicht sehr viel Zeit, da jeden Moment eine dieser Frauen hier auftauchen kann” bemerkte sie. „Ich habe einige interessante Dinge erfahren und wollte...”

„Nicht jetzt Chérie”, sagte dieser. „Ich versuche bei Nacht hier auszubrechen und dann sehen wir weiter.”

Nicole entfernte sich dann wieder und der Professor begann seine Flucht vorzubereiten.

6.
Die Nacht brach schnell herein und ein dichter Nebel stieg wie ein großes geisterhaftes Wesen über Bolton auf. Ein langer Leichenzug zog durch die nassen Straßen, umgeben von dem geisterhaften Licht des Fackelscheines. Die Mädchen trugen den Sarg durch die ganze Stadt und jede Frau konnte der Toten noch die letzte Ehre erweisen. Dana ging ganz vorne mit gesenktem Haupt. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, doch sie versuchte es so gut wie möglich zu verbergen. Sie war die Bürgermeisterin dieser Stadt und gerade sie hätte ein gutes Beispiel für die anderen abgeben müssen, indem sie sich der beiden Fremden entledigte. Doch stattdessen ließ sie den Mann einsperren und das Mädchen laufen. Wieso tat sie solche Dinge? Sie beschloss nachher bei dem Begräbnis die GROSSE SCHWESTER zu fragen. Vielleicht wusste sie darauf eine Antwort.

Inzwischen war der Nebel noch dichter geworden und schluckte den giftgrünen Mondschein. Der Leichenzug näherte sich dem Ende zu und der Sarg wurde auf einen alten Laster aufgeladen.

„Ich sehe noch einmal nach dem Fremden”, sagte Dana zu den anderen.

Die nickten nur stumm und die Bürgermeisterin trennte sich von der Gruppe und ging auf das Gefängnis zu. Als sie die Tür zu der Zelle öffnete musste sie mit großer Bestürzung feststellen, dass der Mann verschwunden war. Sie sah sich nach allen Seiten um, doch sie konnte ihn nirgendwo entdecken. Plötzlich spürte sie einen kurzen Schmerz an ihrem Nacken und dann wurde es Nacht um sie herum.

*

Zamorra wusste, dass er das Geheimnis von Bolton nur heute Nacht lösen konnte. Das Begräbnis schien sehr wichtig für die Frauen zu sein. Deshalb musste er auf jeden Fall dabei sein, denn er wollte diese ominöse GROSSE SCHWESTER unbedingt kennenlernen. Er hatte auch schon einen Plan, wie er aus dem Gefängnis entkommen konnte. Er wollte sich unsichtbar machen; einen Trick, den er schon oft angewandt hatte.

Ein tibetanischer Mönch hatte es ihn einst gelehrt. Dieser Mann konnte sich durch eine riesige Menschenmenge bewegen, ohne gesehen zu werden. Dieser Trick war ganz einfach; es war nur eine Frage von Konzentration.

Zamorra schottete sich einfach in sich selbst ab. Er ließ nichts von seinen Gedanken mehr aus sich hinaus. Langsam verschwand er aus den Blicken der anderen, die nur darüber staunen konnten. Nach wenigen Minuten war er nicht mehr zu sehen; er war unsichtbar. Trotzdem musste er aufpassen, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen um aus seiner Konzentration zu erwachen, denn sonst hatte er seine Chance vertan. Er hoffte, dass jemand sein Verschwinden bemerken würde und dann in der Zelle nachsehen würde, ob er auch wirklich verschwunden war. Dies war dann der Zeitpunkt indem er zum Gegenangriff übergehen musste.

Er brauchte nicht lange zu warten. Nachdem der Leichenzug vorüber war, kam Dana in seine Zelle um nach ihm zu sehen. Dies war der Augenblick wo der Professor handelte. Er brauchte einige Sekunden, um aus seiner Halbtrance zu erwachen, und dann ging alles blitzschnell. Mit einem geübten Griff fasste Zamorra eine Stelle an Danas Nacken, an der die Nervenstränge sitzen mussten. Durch den Druck auf diese Stränge bewirkte der Parapsychologe, dass die Bürgermeisterin betäubt wurde. Er hatte nun freie Bahn. Er versprach den anderen Männer sie zu befreien, wenn seine Mission erfolgreich würde.

*

Nicole wurde schon langsam unruhig. Sie wartete schon seit einigen Stunden in einem sicheren Versteck auf ihren Gefährten, der noch immer nicht erschienen war. Der Wagen mit dem Sarg war inzwischen schon abgefahren und eine völlig stille Stadt erstreckte sich in dem feuchten, gestaltlosen Grau. Sie marschierte ohne ein bestimmtes Ziel auf und ab. Ab und zu verharrte sie und lauschte, doch alles blieb ruhig. Plötzlich legte sich eine kalte Hand auf ihren Mund und hinderte sie so am Schreien. Nicole wehrte sich mit Leibeskräften bis eine vertraute Stimme ihr sagte:

„Ich wusste nicht, dass du über solche gewaltige Kräfte verfügst.”

„Zamorra!” fluchte sie, nachdem er sein Hand von ihrem Mund gelöst hatte.

„Wer denn sonst?“ entgegnete der andere.

„Du hast dir eine Menge Zeit gelassen, ich habe mir schon Sorgen gemacht.”

„Es ging nicht schneller. Ich musste erst warten, bis eine der Frauen sich meiner Zelle näherte.”

Nicole nickte. Sie verstand was ihr der Professor damit sagen wollte.

„Und was nun?” flüsterte sie.

„Wir müssen zur heiligen Insel. Nur dort werden wir auf die GROSSE SCHWESTER MONA treffen und dann sehen wir weiter.”

Der Parapsychologe hatte auch schon vorgesorgt. Er hatte seinerseits einen Wagen organisiert und so folgten sie dem Leichenwagen in sicherer Entfernung. Sie wollten nicht frühzeitig entdeckt werden.

Vor ihnen erstreckte sich das schlammige Chaos des Hafens. Ein auffrischender Wind trug den Geruch von Sägemehl und Salz heran. Nicole strich sich über ihr zerzaustes Haar. Aus der Ferne konnten sie beobachten, wie der Sarg auf eine Fähre geladen wurde. Die Frauen gesellten sich alle hinzu und dann nahm das Schiff Kurs auf eine kleine Insel.

„Ich glaube jetzt haben wir ein Problem”, bemerkte Nicole so ganz nebenbei.

Doch der Professor hatte auch schon für dieses Problem eine Lösung parat.

„Ich habe uns ein kleines Ruderboot besorgt. Da wir ja nun wissen wo das Begräbnis stattfindet, können wir uns Zeit lassen. Ich möchte nicht zu früh entdeckt werden. Auf der Insel müssen wir uns dann schnell nach einem sicheren Versteck umsehen, denn ich möchte die Totenfeier um keinen Preis verpassen.”

Ein unüberschaubares Labyrinth aus schmalen Gassen, Giebeln und kleinen Dächern kennzeichnete Bolton in der Hafengegend. Die Straßen waren, wie in der Innenstadt auch, mit Brettern ausgelegt, die meisten von ihnen verschlammt.

Kurz darauf, als der Nebel schon so dicht war, dass man die Hand vor Augen nicht erkennen konnte, erreichten sie eine kleine Bucht. Dort lag ein kleines Boot, gerade groß genug um zwei Personen Platz zu bieten.

„Bist du sicher, dass uns diese Nussschale auch heil zur Insel bringen wird?” fragte Nicole skeptisch.

Das Boot sah nämlich nicht mehr so ganz wasserfest aus.

„Deine Angst ist völlig unbegründet”, meinte Zamorra lachend. „Um zur Insel zu gelangen wird es noch reichen.”

Kurz darauf ruderten sie in sicherer Entfernung der Fähre mit dem Sarg hinterher. Sie hatten keine Mühe dem Boot zu folgen, denn der helle Fackelschein gab ein genügend großes Leuchtfeuer ab, um auch im dichtesten Nebel gesehen zu werden. Nicole und Zamorra wechselten sich abwechselnd mit dem Rudern ab und endlich erreichten sie die Insel. Das Boot legte knatternd an Land an und sofort tauchten Nicole und Zamorra im Gebüsch unter. Aus weiter Ferne hörten sie einen feinen Gesang, der von den Frauen herrührte. Sie folgten diesem Gesang und gelangten so auf eine Lichtung, die hell erleuchtet war. Die beiden kauerten auf dem Boden, versteckt unter Sträuchern und Gräsern und beobachteten alles. Die Lichtung war nicht sehr groß, doch was sie da zu sehen bekamen, stockte ihnen fast der Atem.

Rundum der Lichtung brannten dutzende von Fackeln. In der Mitte gingen steinerne Treppen zu einem Gebilde hoch, das aussah, wie eine riesige Pyramide. Doch das war noch nicht alles, denn mitten auf der Pyramide befand sich ein riesengroßes Auge - das Zeichen der GROSSEN SCHWESTER. Ehrfürchtig standen die Frauen vor dem Gebilde und senkten ihre Köpfe. Sie hatten den Sarg auf die obere Stufe gelegt und nun warteten sie anscheinend auf ein bestimmtes Ereignis.

Dieses ließ dann auch nicht lange auf sich warten, denn plötzlich vernahmen sie eine lautlose Stimme:

„Hört meine Schwestern. Coras Tod ist zwar ein großer Verlust für uns alle, doch noch immer besser, als wenn ein Mann sie berührt hätte. Denn wisset, eure Kraft wird für immer verlöschen, sobald euch ein Mann auch nur anfasst.”

Die Frauen knieten ehrfürchtig vor der Pyramide und befanden sich wie in Trance. Sie antworteten immer nur monoton, wenn sie die Stimme vernahmen. Doch plötzlich änderte sich die Situation gewaltig, denn zwei Frauen erschienen auf der Bildfläche und näherten sich dem Grossen Auge bis auf wenige Meter. Es waren Schwester Dana und Schwester Sybille.

„Ihr Schwestern habt versagt. Ihr habt den Fremden entkommen lassen. Dies alles geschah nur deshalb, weil ihr zu zweifeln beginnt. Plötzlich empfindet ihr so etwas wie Mitleid mit den Männern, und vor allem mit dem Fremden, diesem Professor. Das darf aber nicht sein. Dieser Fremde, wie auch alle übrigen Männern, bedeuten eine große Gefahr für Bolton.”

Die Frauen blickten das Auge noch stumm an. Kein Wort kam über ihre Lippen. Sie standen nur einfach starr da und lauschten den lautlosen Worten der GROSSEN SCHWESTER.

Hatten sie solche Große Angst vor ihr oder steckte noch etwas anderes dahinter? fragte sich Zamorra.

Er und Nicole kauerten noch immer in ihrem Versteck und beobachten die gespenstische Szene welche sich auf der Lichtung abspielte.

„Die GROSSE SCHWESTER muss eine starke Telepathin sein, denn ihre Stimme klingt so heftig, als stünde sie direkt vor mir”, stellte Zamorra nüchtern fest.

Nicole nickte nur. Sie konzentrierte sich auf das Auge, doch sie empfing nichts weiter als ein paar seltsame Schwingungen, die an ein fernes Hintergrundrauschen erinnerten.

„Nichts”, bemerkte sie, als sie den fragenden Blick ihres Gefährten sah. „Absolut nichts. Nur dieses weiße Rauschen, aber ansonsten muss sie sich gut abschirmen, obwohl wir ihre Stimme so deutlich hören.”

Zamorra nahm sein Amulett in die Hand und versuchte einige Hieroglyphen zu bewegen, doch auch da passierte nichts.

„Es handelt sich um keine Schwarze Magie”, flüsterte er.

Ein kalter Schauer lief ihm den Rücken. Das Amulett war auch kein Allheilmittel, aber leider besaß er nur dies als Waffe. Sein Dhyarra Kristall lag zu Hause im Safe, sowie Gwaiyur, das Schwert der zwei Gewalten. Aber dieses hätte er sowieso nicht mitgenommen, denn es hatte eine besondere Eigenschaft. Es suchte sich selber aus, auf welcher Seite es stehen würde. Es konnte leicht passieren, dass es sich gegen seinen Besitzer wendete, weil es sich gerade für die finstere Seite entschieden hatte.

„Was tun wir jetzt?” wollte Nicole wissen.

„Wir beobachten zunächst einmal weiter und warten ab was passiert”, flüsterte Zamorra.

Endlich kam Leben in die Frauen. Sie nahmen den Sarg und führten ihn ab, auf Geheiß dieser GROSSEN SCHWESTER. Doch zwei Frauen durften sich noch nicht entfernen. Es waren die Bürgermeisterin Dana und die Polizistin Sybille.

„Ich sehe und weiß alles und deshalb sage ich euch, dass die Fremden - ja auch diese Frau - eine große Gefahr für unsere Stadt sind. Deshalb gebe ich euch hiermit den Befehl, sie zu töten.”

Eine kurze Pause entstand und dann sagte MONA noch:

„Ihr dürft euch nun entfernen. Begrabt eure tote Schwester und tut danach wie euch geheißen.”

Die beiden Frauen verneigten sich vor dem Gebilde und entfernten sich dann.

*

Nach etwa zwei Stunden war das Begräbnis vorüber und die Frauen ruderten zurück nach Bolton. Die Nacht wich dem Tag und der Nebel begann sich langsam zu lichten. Zamorra und Nicole lagen noch immer in ihrem Versteck und warteten bis alle Frauen weit draußen auf dem Fluss waren.

Die ersten Strahlen einer roten Sonne kamen hinter den Wolken hervor und beleuchteten die Lichtung.

„Komm”, meinte Zamorra. „Wir wollen uns mal ein wenig mit dieser MONA oder wie immer sie heißen mag, unterhalten.”

Langsam erhoben sie sich und gingen auf die Pyramide zu. Aus der Ferne hatte das Ding schon gewaltig ausgesehen aber nun konnte Zamorra nur staunen.

Sie besaß eine Höhe von ungefähr 320 Meter. In der Mitte befand sich das Grosse Auge. Es war eine riesige Pupille mit einer roten Iris drin. Das Ganze befand sich in einer Art Schale, welche in den Stein eingebaut war. Anscheinend diente diese dazu, das Auge zu schützen. Zu der Pyramide führten exakt fünfzig Stufen, welche aus einem Stein gehauen waren.

Zamorra war klug genug, sich dem Ding bis auf eine gewisse Entfernung zu nähern. Er konnte die Reaktion der GROSSEN SCHWESTER nicht voraus ahnen.

Das Amulett hatte er sich offen über die Brust gehängt, obwohl er sich nicht viel von ihm erhoffte. Nicole war es schließlich, die das Schweigen brach und sagte:

„Schwester Mona, wir sind zwar fremd hier aber wir hätten trotzdem einige Fragen an dich.”

Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Das Auge bewegte sich, es drehte sich in der Schale und blickte auf die beiden Gestalten herab.

„Da ihr nun schon hier seid dürft ihr mir auch Fragen stellen”, kam die Antwort prompt.

„Warum hast du die Frauen von Bolton gegen die Männer aufgehetzt und warum zeigst du dich nie. Alles was wir sehen ist das Grosse Auge überall, aber von deiner wahren Gestalt haben wir noch nichts gesehen.”

Zamorra ging ein großes Wagnis ein, indem er solche Fragen stelle. Er konnte nur hoffen, dass er damit nicht den Zorn der GROSSEN SCHWESTER auf sich geladen hatte. Doch seine Furcht war unbegründet, wie er bald feststellen konnte. Er hörte ein lautloses Lachen dann wiederum die Stimme von MONA:

„Du hast großen Mut Professor Zamorra. Ich könnte dich hier und jetzt vernichten, aber dafür ist später noch immer genug Zeit.”

Wieder entstand eine kleine Pause. Nicole und Zamorra waren beide sehr überrascht, dass sie den Geisterjäger kannte. Anscheinend war sein Ruf auch schon in diese Welt vorgedrungen. Beide wussten genau, wie vielfältig das Pandämonium war. Ihn selbst hatte es schon in manche fremde Dimension verschlagen aber er konnte sich nicht erinnern, dass es ihn jemals in diese Welt verschlagen hatte. Aber woher war ihr dann sein Name bekannt?

„In der Tat kenne ich den großen Geisterjäger und seine Gefährtin. Aber alles der Reihe nach. Die Frauen von Bolton waren schon zuvor gegen die Männer. Sie führten einen schwierigen Kampf, nämlich den der Tyrannei des Mannes über die Frau. Deshalb gab es keine Schwierigkeiten, als ich in Bolton ankam. Die Frauen brauchten nicht lange bekehrt zu werden, sie vertrauten mir blind.”

Es waren harte Worte, welche die beiden da zu hören bekamen. Und trotzdem konnte sich Zamorra gut in die Rolle der Frauen hineinversetzen. Er konnte sich bildlich vorstellen, wie es war, ehe diese ominöse MONA in Bolton auftauchte. Er kam nicht mehr dazu seine Gedankengänge zu beenden, da die GROSSE SCHWESTER wieder anfing zu reden.

„Weshalb ich mich nie zeige? Sehr einfach, ein Anführer, der seinem Gefolge allzu vertraut ist, verliert an Autorität! So aber erwecke und erhalte ich ihre Ehrfurcht, und gleichzeitig auch ihre Angst! Alles dient einer gerechten Sache.”

Bei diesen Worten wurde Nicole so richtig wütend.

„Gerecht!” schrie sie der Pyramide entgegen. „Dass ich nicht lache. Du benutzt die Frauen doch nur für deine eigenen Zwecke, was immer die auch sein mögen und das nennst du gerecht.”

Die Stimme fing wieder an zu lachen.

„Natürlich benutze ich die Frauen von Bolton für meine eigenen Zwecke. Hättest du etwas anderes erwartet. Und was die sind wirst du mich nun bestimmt fragen. Finde es heraus denn viel Zeit bleibt euch nicht mehr.”

Im ersten Moment verstand Zamorra den Sinn dieser Worte nicht, aber dann hörte er aus der Ferne Hundegebell. Die Frauen von Bolton hatten Spürhunde auf sie gehetzt. Sie waren dabei den Befehl ihrer Anführerin auszuführen, der darin bestand die beiden Fremden zu töten.

„Fürs erste hast du gewonnen GROSSE SCHWESTER“, meinte Zamorra verächtlich. „Aber nur eine Schlacht, doch noch lange keinen Krieg. Wir sehen uns wieder das verspreche ich dir.”

„Aber sicher doch, ich erwarte euch”, kam es von MONA.

Dabei lachte sie wieder.

Zamorra und Nicole rannten so schnell sie konnten davon. Sie wollten den Frauen nicht in die Hände fallen. Ihre Flucht ging durchs Gestrüpp und einige Büsche, tief ins Innere der Insel bis sie die Hunde nicht mehr hören konnten. Dann erst machten sie eine kleine Pause.

„Woher bezieht dieses Ding ihre Kräfte?” keuchte Nicole.

Sie war außer Atem von ihrer Flucht. Beide wussten, dass sie nicht lange hier verharren konnten, da die Hunde bald wieder ihre Witterung aufnehmen würden.

„Ich weiß es nicht”, sagte der Parapsychologe. „Vielleicht uralte Sumpfmagie, oder etwas anderes. Auf jeden Fall hatte Merlins Stern keine Reaktion angezeigt. Aber das wiederum will auch noch nichts heißen. Das Amulett ist nicht mehr zuverlässig wie sonst. Es kann gut sein, dass es hier wieder den Dienst verweigert.”

„Und was tun wir jetzt?” wollte Nicole wissen.

„Wir tun etwas womit niemand rechnet. Wir kehren zu der Lichtung zurück und versuchen rauszufinden, wer die GROSSE SCHWESTER in Wirklichkeit ist.”

Nicole war auch erstaunt, über das was ihr Gefährte ihr da sagte. Mit solch einem gewagten Plan hatte sie nicht mal im Traum gerechnet.

„Was bleibt uns anderes übrig?” fragte der Parapsychologe seine Gefährtin.

Nicole blickte ihn ernst an.

„Du hast Recht, es ist die einzige Chance etwas Konkretes in Erfahrung zu bringen.”

7.
Als sie wieder die Lichtung betraten, bemerkten sie, dass Schwester Dana vor der Pyramide stand.

„Du bist zu einer Gefahr geworden” sagte MONA. “Blick in das Auge der GROSSEN SCHWESTER und komm zu ihr.”

Dana blickte wie hypnotisiert in das Auge und näherte sich der Pyramide. Plötzlich entstand eine Öffnung in dem Ding und die Bürgermeisterin trat einfach hinein. Hier sahen Zamorra und Nicole ihre große Chance gekommen.

Sie rannten so schnell sie konnten zu der Pyramide und Dana war noch halb in der Öffnung als sie mit ihr durchtraten.

Aus heiterem Himmel wurde es Nacht um sie herum. Sie hatten das Gefühl in einem Strudel zu schweben. Zamorra spürte ein scherzhaftes Ziehen in seinem Kopf und er hatte das Gefühl als würde sein Körper in tausend Stück gerissen und einen Moment später wurde es wieder hell um ihn herum. Er stand auf einem morastartigen Boden und atmete kühle und frische Luft ein. Er blickte sich um und sah, dass Nicole und Dana auch angekommen waren.

Sie standen nur einige Meter weit von ihm entfernt und blickten sich verstört um. Das erste was Zamorra sah, war eine verfallene Hütte, neben der einige rostige Sägeblätter und feuchtes Holz lag.

Bürgermeisterin Dana brach schließlich das Schweigen, als sie mit zittriger Stimme sagte:

„Das ist die alte Sägemühle, mitten im Sumpf. Wie kommen wir hierher?

Wir befinden uns doch auf der heiligen Insel und nicht in der Nähe von Bolton.”

Sie wirkte verstört und gleichzeitig schien es als würde eine zentnerschwere Last von ihr herabfallen. Der Bann der GROSSEN SCHWESTER wirkte nicht mehr.

„Das wird uns Schwester MONA bestimmt gerne erklären”, sagte Zamorra mit lauter Stimme.

Er hoffte, dass diese seine Worte auch gut hören würde.

In der Tat vernahmen sie die vertraute Stimme, diesmal aber nicht auf telepathischer Ebene sondern sie hörten die Worte direkt hinter ihnen.

„Du brauchst nicht zu schreien, Zamorra, denn ich weiß und höre alles was um mich herum geschieht.”

Wie auf ein stilles Kommando hin drehten sich die drei Gestalten blitzschnell um und sahen die GROSSE SCHWESTER.

Sie blickten auf ein junges Mädchen, das Zamorra auf 20 Jahre schätzte. Sie hatte langes schwarzes Haar und ihre dunkelblauen Augen zog alle in ihren Bann. Sie trug ein hellrotes Kleid am Körper, das aber mehr zeigte, als es verstecken sollte.

So hatte sich Zamorra die GROSSE SCHWESTER nicht vorgestellt. Dieses Mädchen hier sah eher zerbrechlich aus. In ihrem dunklen weichen Haar schimmerten einige Edelsteine, die im Licht der Sonne funkelten. Ihr Gesicht besaß sanfte Züge und das Weiße ihrer Haut betonte ihre Schönheit noch mehr.

Sie kam mit geschmeidigen Bewegungen auf Zamorra zu und bei jedem Schritt flatterte das lange Kleid im Wind und gab einen Teil ihrer Schönheit preis.

„Bist du zufrieden mit dem was du siehst?” wollte sie wissen.

Zamorra schluckte. Er geriet immer mehr in den Bann ihrer Schönheit und bald konnte er nicht mehr klar denken.

„Ich bin die, welche ihr unter dem Namen GROSSE SCHWESTER oder auch MONA kennt.”

Ihre Stimme klang leise und hatte einen hypnotischen Klang. Obwohl Zamorra eine Mentalsperre besaß und ihn so immun gegen jede hypnotische Beeinflussung machte, fiel es ihm aber hier schwer sich dem Bann dieses Wesens zu entziehen. Seine Sperre wirkte nicht in dem Ausmaße in dem sie wirken sollte. Er föchte einen schweren Kampf auf geistiger Ebene aus, um nicht in den Bann von MONA zu geraten.

„Ihr habt mich also gefunden und dafür gratuliere ich euch. Nur sehr wenige, wenn überhaupt, finden den Weg zu mir, wenn ich es nicht will.”

Aus ihrer Stimme klang Spott. Sie war sich ihrer selbst sehr sicher - zu sicher fand Zamorra. Unwillkürlich fuhr seine Hand zu seinem Amulett, das noch immer offen über seiner Brust baumelte. Und noch immer zeigte es keine Reaktion.

Nicole bemerkte, dass MONA lächelte. Als sie diese darauf ansprach erwiderte sie nur:

„Ich gehöre nicht zur Schwarzen Familie. Du kannst dein Amulett ruhig wegstecken, denn ich bin immun gegen seine Kraft. Ich trage kein schwarzes Blut in mir.”

Dana zitterte noch immer, denn zum ersten Mal sah sie wie ihre Anführerin wirklich aussah. Und auch sie war sehr enttäuscht. Sie hatte ein anderes Bild von ihr gehabt, nicht das eines zerbrechlichen Mädchens.

„Nun gut”, bemerkte Zamorra. „Wir sind nun hier ich verlange, dass du die Frauen aus ihrem Bann entlässt. Sie sollen wieder ein normales Leben führen, so wie vorher, ehe du in ihre Welt kamst.”

Nicole sah ihm an, dass er große Mühe hatte, zu sprechen. Kleine Schweißperlen erschienen auf seiner Stirn und das zeigte ihr, welch schweren Kampf der Professor ausfochte.

„Du verlangst! Dass ich nicht lache. Wenn einer hier etwas zu verlangen hat, dann bin ich es. Und ich verlange, dass du und deine Gefährtin diese Welt unverzüglich verlasst und nie mehr zurückkehrt. Tut ihr es nicht, dann werdet ihr den Zorn der GROSSEN SCHWESTER zu spüren bekommen.”

Ihre Stimme klang nun nicht mehr so sanft, sondern hatte einen bedrohlichen Klang angenommen. Auch sonst sah sie nicht mehr wie das zarte zerbrechliche Mädchen aus, sondern ihr Gesicht hatte sich verändert. Ihre Züge waren härter geworden.

Auch Dana schien dies bemerkt zu haben, denn sie ging einige Schritte zurück. Sie hatte Angst vor ihrer Anführerin bekommen.

Zamorra sagte zunächst gar nichts sondern sah sich um. Es war ungewöhnlich still für ein Sumpfgebiet. Normalerweise würden hier Insekten rumschwirren oder auch Kleingetier rumhüpfen. Doch nichts dergleichen befand sich hier. Trostlos breitete sich diese Landschaft unter den stechenden Strahlen der roten Sonne aus. Zamorra konnte förmlich spüren, dass hier etwas nicht stimmte. Es schien als hätten die Tiere Angst vor der GROSSEN SCHWESTER.

„Dann verrate uns doch mal, wie wir das anstellen sollen?“ wollte Nicole wissen.

Dabei versuchte sie die Gedanken von MONA zu lesen. Doch wieder empfing sie nur ein Hintergrundrauschen.

Sie kam mit ihren geschmeidigen Bewegungen auf Nicole zu, legte die rechte Hand auf ihre Schulter und sagte dann in einem sanften Ton:

„Ihr habt den Weg doch zu mir gefunden, dann werdet ihr doch sicher wissen, wie ihr diese Welt verlassen sollt.”

Ein kalter Schauer lief Nicole bei der Berührung durch MONA über den Rücken. Ihre Hand hatte sich seltsam angefühlt, so gar nicht menschlich. Es schien als würde eine kalte Kralle nach ihrem Herzen fassen und es zudrücken.

Danas Angst wurde auch immer grösser. Nacktes Grauen spiegelte sich in ihren Augen wieder. Sie fühlte etwas, was Nicole oder Zamorra nicht fühlen konnte. Und das bereitete ihr eine größere Angst, als sie es sich vorstellen konnte. Sie wollte weg von hier, jedoch war sie wie gelähmt. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, denn sie befand sich wieder in MONAS Bann.

Die GROSSE SCHWESTER zog ihre Hand wieder zurück und ihre roten Lippen formten sich zu einem Grinsen.

„Nun?” fragte sie lauernd.

„Wir sind durch einen schwarzen Spiegel hierher gekommen”, antwortete Zamorra an Nicoles Stelle.

Dabei beobachtete er MONA sehr genau. Er stellte fest, dass sie für kurze Zeit erschrak, dann hatte sie sich wieder vollends in ihrer Gewalt denn sie zeigte wieder ihr falsches Lächeln.

„Na also, dann gehe wieder denselben Weg zurück” sagte sie und der Spott der aus ihrer Stimme klang war nicht zu überhören.

Zamorra jedoch war kein Dummkopf, ihm war mit einem Male klar geworden, wer die GROSSE SCHWESTER in Wirklichkeit war.

„Du bist diese Sheila Whittier, jene Frau welche Castle Dunwick bewohnt hatte und seit einigen Jahren verschwunden ist”, überraschte er MONA.

„Gratuliere!” bemerkte MONA/Sheila.

Dabei ging eine seltsame Veränderung mit ihr vor. Ihre Konturen begannen sich aufzulösen und an ihre Stelle trat ein grünlich geschuppter Echsenkörper, der nur ein großes Auge auf der Stirn hatte.

„Das Auge der GROSSEN SCHWESTER!” entfuhr es Dana.

„Genau, ich bin es, genauso wie ich Sheila Whittier, oder wie ich sonst noch in eurer verfluchten Welt hieß”, grollte ihre nun gewaltige Stimme.

Nun war es heraus. Sie war kein menschliches Wesen sondern hatte nur eine solche Gestalt angenommen. In Wirklichkeit sah sie aus wie eine zweieinhalb Meter große grüngeschuppte Echse mit einem riesigen Auge auf dem Schädel. Zamorra kam aus dem Stauen nicht heraus.

„Ich stamme weder aus eurer noch aus dieser Welt. Ich komme von einem anderen Planeten, wo ich verbannt wurde. Warum, das spielt keine Rolle. Ihr sollt nur wissen, dass ich mich schon seit einigen Jahrhunderten eurer Zeitrechnung in der Welt der Menschen aufhalte.

Ich habe diese Welt genau studiert genauso wie ich die Welt der Schwarzblütler, wie ihr sie nennt studiert habe. Dabei habe ich es sehr verstanden, meine wahre Herkunft zu verbergen. So stieß ich auf Sheila Whittier und das Geheimnis des Spiegels. Ich erledigte Sheila und nahm ihre Gestalt an und schaffte es so durch den Spiegel in diese Welt zu gelangen. Es war nicht schwer die Frauen gegen die Männer aufzuhetzen, denn ein Serum welches ich ins Wasser von Bolton machte, verwandelte langsam alle Mädchen. Sie gerieten immer mehr in meinen Bann. Das einzige Gegenmittel gegen das Serum ist die Berührung durch einen Mann. Daher mein eisernes Gesetz dagegen.”

Aus ihrer Stimme klang Triumph.

„Was steckt denn hinter dem allem”, wollte der Professor wissen.

Äußerlich gab er sich sehr sicher, doch innerlich bereitete er sich auf einen Kampf mit der GROSSEN SCHWESTER vor.

„Und vor allem” bemerkte Nicole, “will ich wissen, was das Ganze mit der Pyramide und alledem soll.”

„Ganz einfach, ich brauchte ein Medium im Umgang mit den Frauen, und deshalb spiegelte ich ihnen diese Pyramide vor. Sie brauchten einen Bezugspunkt, wenn es darum ging sich einen Rat von ihrer Anführerin zu holen. Es ist ein Teil meiner Magie, welche euch auch zu mir holte, hier ins Sumpfgebiet. Ich befand mich indes immer unerkannt unter den Bewohnern von Bolton und konnte so alles ganz genau beobachten und wusste deshalb immer über alles Bescheid. Und der Zweck von dem hier allem? Das ist doch mehr als klar. Bolton ist nur eine kleine Bastion. Früher oder später hätte ich meine Macht auf andere Welten ausgedehnt. Diese Stadt diente mir nur als Versuch und wie ihr seht hat es vorzüglich geklappt. Bald werde ich diese Welt wieder verlassen und mir eine andere Welt aussuchen wo ich das Ganze wiederholen werde.”

Nun war es heraus, MONA oder Sheila wollte Macht, sie wollte die absolute Herrscherin über das Universum sein. Wieder erklang ihre nunmehr tiefe Bassstimme.

„Leider wisst ihr nun zu viel und deshalb müsst ihr sterben und es wird mir ein Vergnügen sein, den berühmten Dämonenjäger zu vernichten. Was glaubst du welchen Ruhm mir das unter der Schwarzen Familie oder deinen anderen Feinden einbringen wird? Ich sehe du kannst es dir nicht vorstellen. Ich aber. Sie werden mich als ihre Herrscherin anerkennen und mich als eine Art Göttin anbeten.”

MONA war wahnsinnig geworden, doch Zamorra wusste, dass sie so unrecht nicht hatte. Er hatte sich im Laufe seines Lebens viele Feinde gemacht und die würden nicht mehr als froh sein, als wenn er tot sein würde.

„Gib dich deinem Schicksal hin und es wird ein angenehmer Tod sein. Du wirst nichts spüren. Du hast ja doch keine Chance, denn dein Amulett wirkt gegen mich nicht”, sagte die GROSSE SCHWESTER, die nun immer näher kam, während Zamorra und Nicole immer mehr zurück wichen.

Ein irrer Gedanke schoss Zamorra durch den Kopf und er konnte nur hoffen, dass es klappte, denn sonst waren sie wirklich dran. Er sah dass Sheila sehr nahe an Nicole herangekommen war und in diesem Augenblick schrie er:

„Nicole!” und warf ihr das Amulett zu.

Dann ging alles blitzschnell. Das FLAMMENSCHWERT, jene seltsame Verbindung die zwischen Nicole und dem Amulett, entstand plötzlich.

Von einem Augenblick zum anderen verschmolzen Merlins Stern und Nicole Duval miteinander; eine Verbindung, die ausschließlich zwischen ihnen beiden möglich war. Beide gaben ihre individuelle Erscheinungsform auf, zugunsten einer gemeinsamen neuen. Es bildete sich etwas, das aussah wie eine mächtige Feuerkugel.

Das FLAMMENSCHWERT raste auf MONA zu die plötzlich aufschrie, doch es war zu spät. Als es sie berührte verging sie in einem gewaltigen Meer aus Feuer und Rauch. Nichts blieb mehr von ihr übrig. Dann verschwand auch das FLAMMENSCHWERT wieder. Zurück blieb das Amulett und zurück blieb Nicole Duval, die eine Weile brauchte um zu begreifen was geschehen war.

Wie immer blieb auch diesmal keine Erinnerung an das Geschehen zurück, während sie das FLAMMENSCHWERT war.

Jedoch hörten sie eine telepathische Stimme in ihren Köpfen

„Noch einmal werdet ihr mich nicht überlisten,...zu viel Energie verbraucht”

Es war wieder das Amulett was sich meldete. Zamorra hatte sich schon oft vorgenommen, dieses Rätsel zu lösen, leider jedoch zwangen ihn widrige Umstände dazu seine Pläne diesbezüglich zurück zu stellen. Doch aufgeschoben war nicht aufgehoben und er hoffte irgendwann einmal Zeit zu haben, sich dieser Sache zu widmen.

Nicole kämpfte gegen die Schwärze an, die vor ihren Augen flimmerte Sie brauchte noch einige Sekunden um sich aufzurichten und schaute sich um. Von der GROSSEN SCHWESTER war nicht mehr als ein Haufen Asche übrig geblieben. Dana hatte all diese Ereignisse nicht verkraften können und war in Ohnmacht gefallen. Zamorra rief das Amulett zu sich und kümmerte sich um Nicole, die aus dem Staunen nicht heraus kam.

„Woher wusstest du, was passieren würden? wollte sie wissen.

„Ich wusste überhaupt nichts, ich konnte nur hoffen, dass es passieren würde und wie du siehst hat es ja prächtig funktioniert”, meinte er lachend.

Nicole schüttelte nur den Kopf. Sie kannte den Professor nun schon lange genug um zu wissen, dass dieser Plan aus einer Verzweiflungstat heraus, entstanden war. Es war die einzige Möglichkeit die sie gehabt hatten um sich dem Horror Geschöpf zu entledigen.

„Und wie kommen wir jetzt wieder zurück in unsere Welt?” wollte Nicole wissen.

Zamorra konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.

„Du hast doch die GROSSE SCHWESTER gehört. Wir müssen denselben Weg benutzen, den wir gekommen waren. Aber zuerst müssen wir noch einige andere Dinge erledigen.

Epilog.
Eine Woche später saßen sie wieder zusammen in Mostaches Kneipe und erzähltem diesem was ihnen widerfahren war. Zu ihnen hatte sich der Silbermond Druide Gryf gesellt, welcher der Geschichte mit großem Interesse lauschte. Er war nicht nur ein großer Vampirjäger, sondern auch ein großer Frauenheld. Deshalb interessierte ihn diese Welt umso mehr.

„Und wie ging es dann weiter, nachdem ihr diese GROSSE SCHWESTER vernichtet hattet?“ wollte er wissen.

„Ganz einfach, zuerst befreiten wir mal die Männer aus dem Gefängnis und erzählten diesen dann die ganze Wahrheit. Und wie MONA gesagt hatte, genügte die Berührung eines Mannes um den Bann zu brechen”, sagte Nicole voller Zuversicht.

„Alles klar, ich verstehe”, meinte Mostache. „Der Professor hat also mit den Mädchen...”

Er wurde durch Nicoles wütenden Blick unterbrochen.

„Nichts hat er, das haben die Männer aus Bolton ihm abgenommen.”

„Schade, dass ich nicht dabei sein konnte, es wäre mir ein Vergnügen gewesen, den Bann von MONA zu brechen”, bemerkte Gryf trocken.

„Das kann ich mir gut vorstellen”, lachte Nicole.

„Nun ja, als der Bann gebrochen war, brachen auch wir wieder auf, zu der Stelle an der wir angekommen waren. Wir fanden dort nach längerem Suchen eine Öffnung im Raum und als wir durch gingen befanden wir uns wieder in Castle Dunwick”, erzählte der Professor die Geschichte zu ende.

„Was passiert denn nun mit dem Spiegel” wollte Mostache noch wissen.

„Der Spiegel steht in Château Montagne, bis ich einmal Zeit habe, mich darum zu kümmern. Dergleichen bin ich mit dem Buch verfahren. Es gibt bestimmt Zaubersprüche, die es ermöglichen, das Tor wieder zu öffnen und in andere Welten vorzudringen. Ich muss jedoch vorsichtig sein, da ich nicht weiß welche Auswirkungen diese Reise auf das Raum-Zeit-Gefüge hatte.”

Das Raum-Zeit-Gefüge war durch die ewigen Zeitparadoxen schon mehr als überlastet und ein winziger Funke konnte genügen um es ganz zusammenbrechen zu lassen. Deshalb wollte Zamorra jegliche Experimente mit dem Spiegel zurückstellen, ehe er nicht genau wusste, dass sie keine Gefahren beinhalteten.

„Schade”, meinte Gryf und trank sein Glas leer.

„Wieso schade?“ fragte Nicole.

„Na ja, nun werde ich diese wunderbare Amazonenwelt nie kennenlernen.”

Alle fingen daraufhin an zu lachen. An diesem Tag jedenfalls war die Welt wieder in Ordnung, doch schon bald würde ein neues Abenteuer auf den Dämonenjäger warten.

Ende.

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