Des Geißbocks Kern - Eine Coco Zamis Story
Des Geißbocks Kern
Eine Coco Zamis Story
Möglicherweise spekulierte er ja darauf, dass ich ihm zuliebe meine Hexenkräfte einsetzen würde, um dem von ihm favorisierten Team zum Sieg zu verhelfen. Das konnte er sich allerdings getrost abschminken. Ich hatte mit Sport im Allgemeinen – und Fußball im Besonderen - zwar selbst herzlich wenig am Hexenhut; aber das wäre sogar mir unsportlich vorgekommen.
Wir hatten Plätze auf der Südtribüne, wo sich traditionell die Fans der Heimmannschaft versammelten.
Auf dem Rasen machten sich die Spieler warm, was irgendwie ziemlich lustig aussah. Wie Zumba mit Ball. Aus den Stadionlautsprechern wummerten derweil die Bloody Beetroots. My Name is Thunder.
„Schauen Sie mal da, Coco!“ Mein Begleiter deutete hinab zum Spielfeldrand. „Das da ist übrigens unser Maskottchen.“
Ich sah einen ordinären Ziegenbock, der eine scharlachrote Decke auf dem Rücken trug.
„Sein Name ist Hennes.“
Und während mein Begleiter mir in aller gebotenen Kürze darlegte, wie der Verein zu einer Ziege namens Hennes als Maskottchen gekommen war, wandte besagter Bock dort unten neben dem Platz plötzlich den Kopf, ließ seinen Blick wie beiläufig über die gerammelt volle Tribüne gleiten, bis er plötzlich stockte - und mir direkt in die Augen und in die Seele zu blicken schien.
Mir rieselte es eiskalt den Rücken hinab.
Das kann doch nicht wahr sein, dachte ich schaudernd.
Das Spiel war ein sogenanntes Derby. Also ein Match gegen einen lokalen Erzrivalen. In unserem Fall einer vom anderen Rheinufer.
Zur Halbzeitpause stand es nach Toren zwei zu null für die Gastmannschaft.
„Da hilft nur eins“, entschied mein Begleiter. Halb rechnete ich schon damit, er beabsichtige nun, mittels irgendwelcher schwarzmagischer Mätzchen den Versuch zu unternehmen, den Spielverlauf in der zweiten Hälfte zugunsten des Heimteams zu beeinflussen. Indes - weit gefehlt. „Stadionwurst. - Für Sie auch, Coco?“
Angesichts des ganzen Hin- und Hergerennes unten auf dem Platz hatte ich tatsächlich Hunger bekommen.
„Aber bitte ohne Senf.“
Er verschwand Richtung Grillstation. Ich konzentrierte mich derweil auf das vermeintliche „Maskottchen“ dort unten am Rand des Spielfelds. Der Ziegenbock knabberte gerade an einem Bund Möhren, den ihm ein Betreuer vorhielt. Jetzt oder nie, dachte ich, und versetzte mich umgehend in den schnelleren Zeitablauf.
Einen Sekundenbruchteil später – gemäß herkömmlicher Standardzeitrechnung – stand ich auch schon vor dem Tier und streckte meine telepathischen Fühler aus.
Es fühlte sich an, als ob ich mit bloßen Händen an eine Hochspannungsleitung gefasst hätte.
Der Bock hatte sich ebenfalls in den schnelleren Zeitablauf versetzt. Beziehungsweise jener, welcher hier gerade als männliches Exemplar einer gemeinen Hausziege (capra aegagrus hircus) auftrat. Für ihn war der Trick beinah so eine alltägliche Fingerübung wie für mich.
Wir tickten somit synchron, weshalb telepathische Kommunikation problemlos möglich war.
„Na, da schau´ mal einer an. Hab´ ich mich vorhin doch nicht verguckt. Das Fräulein Zamis. Die Welt ist echt ein Dorf. Dich hätte ich hier allerdings so ziemlich als Letzte erwartet.“
„Dito. Kommt Ihr Euch nicht lächerlich vor in der Maskerade? Nebenbei – Ihr verströmt ein ziemlich strenges Aroma ...“
„Keineswegs. Der Ziegenbock ist traditionell ein animalisches Attribut des Allerunheiligsten. Und von hier aus hab´ ich einen Blick aufs Spielgeschehen, wie ihn sonst nur die Trainer und Linienrichter haben. - Und vielleicht noch die Spieler auf der Reservebank …“
„Na, dann … Eure Truppe scheint heute wohl eher weniger vom Glück gesegnet, Maskottchen. Ihr habt diesbezüglich nicht zufällig noch ..?“
Der Bocksschädel wurde entschieden geschüttelt. „Keinerlei Interventionen bei sportlichen Verunstalt – äh – Veranstaltungen.“ Er grinste breit und deutete mit einem gespaltenen Huf hinauf Richtung Firmament. „Exklusiver Deal mit dem HERRN persönlich. Beruht auf Gegenseitigkeit.“
Ich hätte am liebsten verächtlich geschnaubt, aber es blieb mir auf halbem Wege in der Nase stecken.
Habt ihr schon mal einen Ziegenbock grinsen sehen?
Glaubt mir: Das wollt ihr auch nicht.
Als mein Begleiter mit der Stadionwurst zurückkam, saß ich längst wieder auf der Tribüne.
Das also ist des Geißbocks Kern, sinnierte ich kauend. Zum Grillfleisch im Naturdarm gab es süßlich schmeckendes Bier im Plastikbecher.
Die zweite Halbzeit lief ziemlich so ab wie die erste. Die Heimmannschaft bekam noch einen Elfer zugeschustert, den selbst mein Begleiter für ungerechtfertigt hielt, der designierte Schütze verschoss jedoch gnadenlos. Der Ball ging meterweit übers Tor Richtung Tribüne und landete direkt auf meinem Schoß. Ich warf einen Blick hinab Richtung Spielfeldrand, aber der Bock, den sie Hennes nannten, schaute ostentativ woanders hin, während er sich mit dem Hinterhuf am Ohr kratzte.
Am Ende stand es vier zu null für die Gastmannschaft. Das Heimteam rutschte durch die Niederlage in der Tabelle vom Relegations- auf einen direkten Abstiegsplatz.
Ich hatte mich schon seit längerem gefragt, was Asmodi eigentlich am Wochenende trieb.
Zumindest was die Heimspielwochenenden anging, hatte ich nun eine Antwort.
Als wir das Stadion verließen, checkte mein Begleiter via Smartphone die übrigen Ergebnisse des Spieltags.
„Verdammt, die Bayern haben wieder gewonnen. Dank zweier Tore in der Nachspielzeit. Das stinkt doch zum Himmel. Nach Schwefel!“
Ich hielt wohlweislich den Mund.
Frauen haben ja eh keine Ahnung von Fußball.
Kommentare
Zitat: Das ist einfach zu gut, um einfach nur Zufall zu sein.
Der Text ist allerdings nicht von Frl. Lusebrink, sondern von mir.
Nell schreibt viel bessere Texte.