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Arkadius von Tran 1 - Tod in der Dunkelheit

Magirian Wonder TaleTod in der Dunkelheit
- Arkadius von Tran 1 –

 Arkadius von Tran, Richter des Militärgerichts in E’lil, sah sein Gegenüber grübelnd an. Der Mann wirkte schreckhaft und seine Bewegungen waren fahrig. Der Mann war der Führer einer halben Hundertschaft der Stadtmiliz.
Nun ja, jedenfalls war er es bis vor kurzem gewesen. Bis zu dem Tag, als er aus den Wäldern aufgetaucht war, verdreckt, verwundet und im Fieberwahn schreiend.
Man hatte den Mann sofort in ein Militärhospital gebracht. Seine Wunden waren nicht lebensbedrohend und auch sein Fieber wurde durch die Ärzte erfolgreich be-kämpft.
Nachdem er genesen war, gab er an, dass seine halbe Hundertschaft tot war und tischte seinem Kommandeur eine unglaubliche Geschichte auf.
Dieser schaltete darauf sofort das Militärgericht ein, um diese Aussagen zu prüfen. Schließlich war der Verlust von 50 Milizsoldaten nicht einfach so zu übergehen.
Arkadius sah den Mann, sein Name war Mericho, immer noch grübelnd an.
„Nun, ich hoffe, es geht Euch einigermaßen gut?“
Mericho nickte abwesend. Seine Augen waren weit geöffnet und schauten schein-bar in ein fremdes Land.
„Das ist schön. Ich hoffe, Ihr wisst weshalb Ihr hier seid? Hmmm, ich denke doch, dass ihr es wisst. Ihr habt 50 Mann verloren, sagt Ihr selbst. Nun, ich würde gerne erfahren, wie es dazu kam.“
Mericho starrte noch immer in eine unbekannte Ferne. Monoton kamen seine Worte über die blassen Lippen. „Tot, ja, alle sind tot. Ich habe es gesehen. Sie haben sie geholt. Es war schrecklich!“
Plötzlich lösten sich seine Augen aus der unendlichen Ferne. Irr sah er den Richter an. Nun schrie er förmlich. „Ihr wollt wissen, was geschehen ist? Das wollt Ihr wirk-lich wissen? Nun gut, Ihr sollt es erfahren!
Vor einigen Monden wurde ich zum Kommandanten gerufen. Der befahl, mit mei-ner halben Hundertschaft hinauf nach Samarak zu marschieren. Ich sollte dort nach dem Rechten sehen und Samarak besetzten. Das haben wir auch gemacht.
Der Weg nach Samarak ist mühsam. Nur wenige Pfade gibt es in diese Richtung. Ich hatte zwei Scouts angeworben, die uns sicher führten.
Schon bald kamen wir in die Jagdgründe des Falken-Stammes. Bevor ich nach Samarak weiter marschierte, entschied ich mich dafür, mit dem Häuptling des Stam-mes zu reden.
Man weiß ja nie, was passiert und wann man Verbündete braucht. Wir zogen also zum Lager des Stammes, um mit Häuptling Roter Sperber zu reden.
Ich war schon sehr erstaunt, als ich sah, dass im Lager einige Familien aus Sama-rak waren.
Der Rote Sperber war ein recht alter Mann, aber dennoch voller Tatendrang. Er er-zählte uns, dass die Familien erst vor kurzem zu ihm gekommen waren. Sie seien vor den Männern geflohen, die Samarak besetzt hatten. Dies ließ mich aufhorchen.
Ich schickte nach dem Anführer der Familien, um zu hören, was in Samarak vorge-fallen war. Von dem Mann erfuhr ich, dass Larmand, der Herr von Samarak, schon vor längerer Zeit mit unbekanntem Ziel in See gestochen war.
Einige Familien wollten jedoch bleiben und weiter in Samarak siedeln. Vor kur-zem war dann ein Korsarenschiff aufgetaucht. Es trug die Flagge eines anderen Hau-ses. Die Männer des Schiffes besetzten den Stützpunkt. Wie sie sagten, wollten sie einige Zeit bleiben, um von Samarak aus frysische Handelsschiffe in der Straße der Helden zu kapern.
Die wenigen Menschen in der Siedlung hatten keine Möglichkeit, sich gegen die Schiffsbesatzung zu wehren, da es ihnen an Waffen und Männern für den Kampf fehlte.
So hatten sie Samarak verlassen, um sich zum Falken-Stamm zu begeben, mit dem sie freundschaftlich verbunden waren. Ich besprach mit meinen Unterführern, was wir tun sollten.
Der Rote Sperber machte uns den Vorschlag, zusammen mit seinen Kriegern den Stützpunkt anzugreifen und die Fremden zu vertreiben.
Der Rote Sperber stellte uns dazu fast 100 seiner Krieger zur Verfügung. Von den Leuten aus Samarak erfuhr ich, dass im Stützpunkt etwa 80 bis 100 Bewaffnete zu erwarten waren.
Nun, wie es schien, hatten wir eine realistische Chance, den Stützpunkt zu stür-men.
So ich willigte ein.
Die Krieger der Falken trafen darauf hin ihre üblichen Vorbereitungen. Ihr wisst schon, ausgiebige Tänze und alles, was das Volk des Waldes sonst noch tut, um sich für einen Kriegszug vorzubereiten.
Nach zwei Tagen brachen wir dann auf. Die Krieger der Falken führten meine Streitmacht auf Schleichwegen bis zum Stützpunkt.
Die Holzpalisade war nur dürftig besetzt. In der kleinen Bucht konnte man das Schiff der Korsaren liegen sehen. Ich hielt Kriegsrat mit dem Führer der Falken- Krieger. Schnell hatten wir einen Plan gefasst.
Im Morgengrauen würden meine Männer die Palisade stürmen. Die wenigen Wa-chen sollten von Bogenschützen erledigt werden. Sobald die Palisade in unserer Hand war, würden meine Männer das Tor öffnen.
Dann sollten die 40 berittenen Krieger des Falken- Stammes in den Stützpunkt pre-schen und alles niederhauen, was sich ihnen in den Weg stellte.
Ein paar der besten Bogenschützen sollte sich darauf, begleitet von meinen Män-nern, so schnell wie möglich zum Strand durchkämpfen, um das Schiff der Korsaren mit Brandpfeilen zu beschießen, da dieses sehr nahe am Stand lag.
Der Plan fand allgemeine Zustimmung.
Im Morgengrauen gingen unsere Männer in Stellung. Auf mein Zeichen wurden die drei Wachen auf dem kleinen Turm neben dem Tor von unseren Bogenschützen beseitigt.
Die Wachen waren nicht sonderlich aufmerksam. Scheinbar rechneten sie nicht mit einem Angriff aus dem Wald.
Meine Männer stürmten im Laufschritt über die freie Fläche von dem Tor.
Erst als sie die Hacken mit den Kletterseilen bereits über die Palisade geworfen hatten, ertönte von irgendwo her ein Alarmsignal.
Aber schon hatten 10 bis 15 meiner Männer die Palisade gestürmt und besetzten das Tor.
In Windeseile öffneten sie das Tor und die Reiter des Falken-Stammes stürmten unter lautem Kriegsgeschrei in den Stützpunkt.
Die Krieger zu Fuß folgten ihnen, ihre Kriegskeulen drohend in den Händen.
Ich sammelte meine Milizsoldaten und die Bogenschützen und stürmte ebenfalls in den Stützpunkt. Wir achteten nicht auf die kämpfenden Männer, welche sich bei den Häusern schlugen.
Von irgendwo her schoss ein Bogenschütze auf uns. Einer meiner Soldaten wurde ins Bein getroffen und blieb verwundet liegen.
Ansonsten erreichten wir jedoch unbehelligt den Strand. Leere Fässer und alte Ki-sten lagen dort in Unordnung herum.
Meine Männer nutzen diese als Deckung. Die Schützen machten ihre Bögen fertig und zündeten die Brandpfeile an. Schon flogen die ersten Pfeile in Richtung des Kor-sarenschiffes.
An Bord schienen sich auch einige Korsaren aufzuhalten, denn man konnte lautes Schreien und Fluchen hören.
Ein oder zwei Männer versuchten an Bord des Schiffes, die kleineren Brände zu löschen. Aber sie starben in einem sofort einsetzenden Pfeilhagel.
Ich befahl den Schützen, die nächste Salve Brandpfeile auf die Segel zu schießen. Das Gewebe stand sofort in hellen Flammen und beleuchtete die Szenerie.
Von den Häusern aus stürmte eine Gruppe Männer auf unsere Stellung zu. Die meisten waren nur zur Hälfte angezogen, aber alle waren sie mit Säbeln bewaffnet.
Scheinbar war ihnen klar geworden, dass das Schiff ihre einzige Möglichkeit auf Rettung war.
Angeführt wurden sie von einer jungen Frau. Mit einem Entermesser in der Rech-ten und einem Dolch in der Linken, trieb sie die Korsaren an.
Meine Schützen hatten gerade noch die Zeit, ihre Bögen einmal auf die stürmenden abzuschießen. Viele Pfeile gingen in der Hast ins Leere, doch so manch einer fand sein Ziel.
Vier oder fünf der Angreifer stürzten von Pfeilen getroffen zu Boden, die anderen aber kamen bis zu unserer Deckung.
Es waren aber zu wenige und auch waren sie zu schlecht gerüstet, um meinen Männern gefährlich zu werden.
Meine Soldaten hieben wohl acht oder neun Männer in Stücke, bevor sich der Rest zur Flucht wandte.
In der Zwischenzeit hatten jedoch die Männer, welche noch an Bord waren, es ge-schafft, die Leinen des Schiffes zu lösen. Von der Strömung getrieben dümpelte das Schiff auf das offene Meer zu.
An Bord konnten sich jedoch nicht sehr viele Männer befunden haben, denn es gelang ihnen scheinbar nicht, die Flammen zu löschen.
Das Schiff glich nun bereits einer lodernden Fackel, die auf das offene Meer zu-trieb.
Auf der anderen Seite des Strandes versuchten einige Korsaren noch, ein kleines Beiboot ins Wasser zu bringen, um so zu entkommen.
Ich sah jedoch, wie eine Welle der bemalten Falken-Krieger die Männer begrub und niedermachte.
Mir kam es vor, als hätte der Kampf den ganzen Tag gedauert. So plötzlich, wie er begonnen hatte, war er jedoch auch zu Ende.
Nach und nach hoben die wenigen Überlebenden die Hände und schmissen ihre Waffen weg. Sie flehten um Gnade und riefen ihre Götter an, sie zu schützen.
Ich ließ die Männer mit dicken Tauen binden, dass sie nicht entkommen konnten. Es waren sechzehn Männer, welche wir auf diese Art gefangen nahmen.
Zwischen den Häusern türmten sich Gefallene. Sie lagen dort, wo sie von den Keulen der Falken-Krieger niedergestreckt worden waren. Die Krieger des Falken-Stammes durchsuchten die Toten und nahmen ihnen die Skalps, so wie es in ihrem Volke Sitte war.
Wir ließen sie gewähren, da wir wussten, dass dies für die Krieger wichtig war. Ich ließ die Toten anschließend zusammentragen und auf einem großen Scheiterhaufen am Strand verbrennen. Ein grausiges Fanal unseres Sieges war dies Feuer. Zweiund-fünfzig Leichen verbrannten wir dort.
Unter ihnen war auch die junge Frau, die am Strand die Korsaren gegen unsere Stellung getrieben hatte. Wir fanden sie, an eine Hauswand gelehnt, mit zerschmet-tertem Schädel.
Die Krieger des Falken-Stammes sammelten ihre Gefallenen, um sie so zu bestat-ten, wie es bei ihnen Sitte war. Sieben Krieger zählte ich, als sie die Toten sammel-ten.
Ich selbst ließ meine Männer dann antreten. Fünf waren verwundet, zwei waren tot. Auch diese beiden ließ ich verbrennen, da es nicht möglich war, sie nach E’lil zu transportieren.
Einer meiner Männer war verschwunden. Wir durchsuchten alle Hütten, fanden je-doch keine Spur von ihm.
Ich besah mir als nächstes die Gefangenen, welche angsterfüllt auf ihr Schicksal warteten.
Einen, der mir besonders ängstlich erschien, ein Junge von etwa sechzehn oder siebzehn Jahren, ließ ich beiseite schaffen. Es schien mir am besten, diesen zu verhö-ren.
Ich drohte ihm damit, ihn an die Krieger des Falken-Stammes zu übergeben, wenn er sich weigern würde, mir alles zu erzählen.
Diese Drohung wirkte tatsächlich. Der Junge plauderte schneller, als ich Notizen machen konnte, um meinen Bericht später abzufassen.
Der Kapitän des Schiffes hieß Tranikos. Anscheinend war mit einigen seiner Män-ner in dem Durcheinander in die Wälder entkommen.
Die Korsaren waren deshalb so unachtsam gewesen, da sie heute noch auslaufen wollten, um auf Kaperfahrt zu gehen.
Ich fragte ihn auch nach der jungen Frau. Sie war die Schwester des Kapitäns ge-wesen. Der junge Bursche versicherte mir, dass sie die blutrünstigste Frau gewesen war, die er jemals gesehen hatte.
Nun tat es mir auch nicht mehr leid, dass sie während der Kämpfe erschlagen wor-den war. Aber dass einige der Korsaren entkommen waren, bereitete mir doch Sor-gen.
Ich beschloss daher, den Flüchtenden zu folgen. Kurz beratschlagte ich mich mit der Großen Schlange, dem Anführer des Kriegstrupps des Falken-Stammes.
Auch er war der Meinung, dass die Flüchtenden verfolgt werden mussten.
Aber seine Krieger hatten nun keine Lust mehr, auf einen weiteren Kriegszug zu gehen.
Lieber wollten sie zurück in ihr Lager um den Sieg zu feiern. Daran konnte auch er nichts ändern.
Jedoch gab es in dem Kriegstrupp einige Krieger, welche einer besonderen Gruppe angehörten. Diese waren bereit, uns als Führer zu begleiten. Wenn ich es richtig ver-standen hatte, war ihnen der Krieg eh wichtiger als alles andere.
Also sammelte ich meine Männer, ließ sie Proviant fassen und begann mit der Ver-folgung der Flüchtigen.

***

Unsere Führer hatten kein Problem damit, die Spuren der Flüchtigen zu finden.
Der Anführer der fünf Krieger war ein erfahrener Krieger, welcher schon auf eini-gen Kriegszügen gekämpft hatte. Für ihn war die Spur so deutlich, als wären die Flüchtigen mit Ochsenkarren im Wald unterwegs. wie er mit glaubhaft versicherte.
Zum Glück war er unserer Sprache mächtig, da es in meiner Truppe kaum jeman-den gab, der mehr als ein paar Brocken der Sprache der Korossianer beherrschte.
Wir folgten den Flüchtigen tief in die Wälder. Unsere Führer fanden einige Gegen-stände, welche die Korsaren auf ihrer Flucht weggeworfen hatten. Darunter waren auch einige blutige Stoffreste. Mindestens einer von ihnen musste also verwundet sein.
Unsere Führer waren der Meinung, dass wir spätestens am nächsten Mittag die Flüchtenden würden eingeholt haben. Wir brauchten uns also nicht beeilen und konnten unsere Kräfte sparen.
Bald knickte die Spur jedoch ab und führte nicht weiter in den Wald. Die Flüch-tenden schienen wieder auf die Küste zuzuhalten.
Der Wald wurde nun lichter und das Geländer hügeliger und unübersichtlicher. Das schien unserem Führer nicht zu gefallen.
Die Große Schlange teilte mir mit, dass wir bald an ein kleines Stück Steilküste kommen würden. Das Gebiet gehörte bereits nicht mehr zu den Jagdgründen des Fal-ken-Stammes. Folglich kannten sie sich in diesem Gebiet auch nicht aus. Soweit er wusste, gehörte das Gebiet zu keinem Stamm, da es dort kaum Wild gab und auch sonst keine Nahrungsquellen.
Wie die Große Schlange es vorausgesagt hatte, kamen wir bald an die Steilküste. Ein kleiner Trampelpfad, kaum noch zu erkennen, führte die Klippe hinauf.
Unsere Führer schienen Gefahr zu wittern. Immer wieder suchten sie den Horizont ab. Ich fragte die Große Schlange, weshalb sie so nervös wären.
Er zeigte auf den kaum zu erkennenden Trampelpfad. Irgendjemand musste diesen Pfad angelegt haben. Und sicher waren es keine Männer aus seinem Volk.
Der Falken-Stamm lebte schon seit mehreren Generationen in diesem Teil der Wälder. Aber hierher verirrte sich kaum mal jemand aus seinem Volk. Auch gab es hier keine Nachbarstämme von denen dieser Pfad hätte stammen können.
Nun stellte sich natürlich die Frage, von wem der Pfad stammte. Mich stimmte dies auch etwas unruhig. Ich befahl meinen Männern äußerste Wachsamkeit.
So gerüstet folgten wir dem Pfad zur Klippe hoch. Auch die Flüchtenden hatten diesen Weg genommen, so viel stand fest anhand der Spuren, die nun auch für mich sichtbar waren. Ich war auf vieles vorbereitet.
Vielleicht befand sich auf der anderen Seite der Klippe ein anderes Lager? Oder aber eine Bucht, in der sich ein anderes Schiff befand? Wer mochte das schon wissen.
Unsere Führer erreichten als Erste die Klippe. Von hier oben hatte man einen guten Blick über das Meer. Weit und breit war jedoch kein Schiff zu erkennen. Kein Segel war am Horizont zu erkennen. Auch keine kleine Bucht. Die Klippe fiel steil ab und aus dem Meer welches donnernd gegen die Klippe rollte, stachen spitze Felsnadeln hervor.
Hier mit einem Schiff oder einem Boot anlanden zu wollen, war Selbstmord. Auch gab es kein Lager oder etwas Ähnliches an diesem Ort. Jedoch lief der Trampelpfad auf der anderen Seite der Klippe weiter.
Man konnte jedoch nicht sehen, wohin der Pfad führte. Mir schien der Pfad auch eher für Ziegen, denn für Menschen geeignet. Aber unser Führer deutete unmissver-ständlich auf den Pfad. Das sollte wohl bedeuten, dass die Flüchtenden diesem Weg gefolgt waren.
Also mussten auch wir ihm folgen und sehen, was uns am Fuße des Pfades erwar-tete. Ich ermahnte meine Leute zur äußersten Vorsicht, wohin sie ihren Schritt auch lenkten. Durch diese Vorsicht kamen wir nur langsam voran, aber es gab keine Un-fälle.
Wie wichtig Vorsicht war, sahen wir an einer Stelle des Pfades. Hier war ein Stück Fels abgebrochen, wie man an den frischen Spuren feststellen konnte. Unten am Fuße der Klippe, zwischen den Felsnadeln, trieb die zerschmetterte Leiche eines der Flüchtenden.
Dies ermahnte meine Leute mehr, als meine Worte es jemals gekonnt hätten. Nun kamen wir jedoch noch langsamer voran. Der Pfad führte uns unter einen Felsvor-sprung.
Daher war er von oben nicht einzusehen gewesen. Hier führte der Weg zum Fuß der Klippe. Es gab sogar eine kleines Stück Strand. Etwa ein oder zwei Schritt breit.
In dem feuchten Sand sah man noch die Abdrücke von den Flüchtigen. Ich schätz-te, dass sie etwa vor vier bis fünf Stunden hier gewesen waren. Es hatte den An-schein, dass sie schneller voran gekommen waren als wir.
Kannten sie diesen Weg?
Der Pfad endete an dem kleinen Stück Strand. Hier war ein großer Spalt in der Klippe. Eine natürliche Höhle tat sich vor uns auf.
Das Felsendach der Höhle befand sich mindestens drei Mannslängen über uns. Staunend betrachteten meine Männer das Naturschauspiel.
Die Spuren führten in das Innere der Höhle. An den Wänden konnte man deutlich erkennen, dass, wenn der Wind eine andere Richtung hatte, die Höhle mindestens zur Hälfte mit Wasser gefüllt war.
Mir erschien das Risiko zu groß, die Höhle blindlings zu betreten, um dann im un-günstigen Falle dort jämmerlich zu ertrinken.
Also schickte ich einen kleinen Trupp mit Fackeln zur Erkundung in die Höhle. Bald waren die Männer im Halbdunkel verschwunden, da die Höhle anscheinend nach einigen Schritten scharf nach links abknickte.
Angespannt lauschten wir nach Geräuschen aus dem Inneren der Höhle, immer den Wind beobachtend. Es dauerte nicht lange, bis einer der Männer wieder zurückkam. Er schilderte uns, dass der Gang im Inneren der Klippe, denn es war nur ein Gang, wieder nach oben führte, bis eine große Grotte erreicht wurde.
So hoch stieg das Wasser nicht an, denn an den Wänden waren dort keine Algen zu finden.
In dieser Grotte hatten die Männer etwas gefunden, aber das sollte ich mir selbst ansehen. Ich war überrascht von dieser Aussage.
So führte ich meine Truppe in die Höhle. Wir folgten dem Gang in den Berg, bis wir die Grotte erreichten. Sie war größer, als ich vermutet hatte.
Wenn das Wasser in dem Gang stieg, bildete sich in der Grotte ein kleiner See. Das konnte man deutlich erkennen.
An den Ufern des jetzt nicht vorhandenen Sees standen einige Kisten. Deren Inhalt war noch überraschender für mich.
Die Fackeln fand ich noch nachvollziehbar, aber in den meisten Kisten fanden wir Grabwerkzeuge. Schaufeln, Hacken und dicke Eisenstangen. Aber noch erstaunlicher war, dass sich am Ende der Grotte ein Loch in der Wand befand. Dieses Loch war offensichtlich künstlich geschaffen worden. Scheinbar war hier eine Art Eingang freigelegt worden.
Links und rechts von diesem Eingang lagen noch die Geröllhaufen, welche aus der Wand gebrochen worden waren. Tatsächlich konnte man, wenn man genau hinsah, eine Art Tür erblicken. Sogar längst verblasste oder verfallene Runen waren zu ent-decken. Jedoch ergaben die für uns keinen Sinn.
Die Tür schien einst aus Stein gemacht worden zu sein. Diesen Stein hatte man mit roher Gewalt durchbrochen, dahinter befand sich eine Art Gang, der jedoch mit Ge-röll verstopft war. Wahrscheinlich hatte es hier einst einen Erdrutsch gegeben, der den Gang hinter der Tür zugeschüttet hatte. Irgendjemand hatte sich nun durch diesen Gang gebuddelt.
Nur auf allen vieren kriechend konnte man hier weiter kommen. Dieser so geschaf-fene Tunnel war sorgfältig durch Streben abgesichert. Wehe demjenigen, der diese Streben umstieß, während er sich in dem Gang befand. Wir leuchteten mit Fackeln in den Kriechgang, konnten dort aber nichts erkennen.
Ich schickte einen Freiwilligen in den Kriechgang, um diesen zu erkunden. Nach einiger Zeit kam der Mann zurück.
Er berichtete, dass der Kriechgang in einen anderen Gang mündete. Dort konnte man problemlos gehen und stehen. Es sah so aus, als ob der Kriechgang kürzlich erst am anderen Ende geöffnet worden war.
Wohl oder übel mussten wir nun durch diesen Kriechgang oder die flüchtenden Korsaren würden uns entkommen.
Ich gab also den Befehl und meine Männer folgten mir durch den Kriechgang. Am Ende mündete dieser tatsächlich in einen viel größeren Gang. Der Gang war noch viel größer, als ich angenommen hatte. Drei Männer konnten bequem nebeneinander gehen. Selbst der größte meiner Männer war nicht in der Lage, mit ausgestrecktem Arm die Decke zu berühren.
Zu beiden Seiten führte dieser Gang weiter. Deutlich konnte man hier auch sehen, das der Kriechgang erst vor kurzem geöffnet worden war. Die Werkzeuge lagen noch verstreut am Boden.
Was uns alle jedoch staunen ließ, war, dass es nicht vollständig dunkel war. Als ich die Fackeln kurz löschen ließ, leuchteten die Wände in einem fahlen, grünlichen Licht.
Nicht genug Licht um wirklich was sehen zu können, aber immerhin Licht. Das Licht kam von Pflanzen, ähnlich den uns bekannten Moosen und Flechten.
Unsere Führer hatten sofort die Spur der Flüchtenden aufgenommen und wiesen uns in die Richtung, in die wir uns wenden mussten. Vorsichtshalber ließ ich zehn Mann am eingestürzten Gang zurück, um den Kriechgang zu bewachen.
Angespannt verfolgten wir die Flüchtenden. Der Gang führte weiter in den Berg. Immer mehr kleine und größere Gänge zweigten von dem Hauptgang ab. Es schien sich um ein regelrechtes Labyrinth zu handeln.
Es schien mir notwendig, einige Wegmarkierungen anzubringen. An einigen stel-len kratzen wir die merkwürdige Pflanze ab, um an den Wänden Wegmarkierungen einzuritzen. Der Gang führte uns in eine große Grotte. Feucht war es dort, an den Wänden lief das Wasser herunter. Es war Süßwasser und sammelte sich in einem kleinen See. Große Pilze wuchsen aus dem Boden. Sie waren fast so groß wie ein kleines Kind. Solche Gewächse hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen.
Einer unserer Führer winkte mich aufgeregt zu sich. Am Rand des kleinen Sees hatte er Knochen gefunden. Sie stammten von irgendeinem Tier, welches ungefähr die Größe einer Ratte hatte. Die Knochen waren nicht frisch. Was mich allerdings beunruhigte war, dass einige der Kochen Bissspuren aufwiesen und andere aufgebro-chen worden waren, um an das Mark im Inneren zu kommen. Scheinbar gab es in diesen Gängen noch andere Lebewesen als die Insekten, welche wir auf unserem Weg gesehen hatten.
Ich teilte dies meinen Männern mit und mahnte sie zu noch größerer Vorsicht. Wer konnte schon wissen, welche Art von Raubtieren sich in diesen Gängen herumtrieb. Immer tiefer drangen wir in das Stollensystem ein. Unsere Führer wurden immer ner-vöser. Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war. Es ist erstaunlich, wie schnell man sein Zeitgefühl verliert, wenn man keine Sonne, keine Sterne oder keinen Him-mel sieht. Erneut gelangten wir in eine Grotte. Die war viel größer als die Erste.
Der Boden war mit Moosen bedeckt und merkwürdig fahles Licht kam von der Decke. Scheinbar waren die lichtabgebenden Gewächse hier besonders dicht. Man konnte in dieser Höhle beinahe ohne Licht sehen.
Der Boden war mit Sand bedeckt, so dass man den Spuren der Flüchtenden mühe-los folgen konnte. Unsere Führer hielten plötzlich an. Aufgeregt diskutierten sie scheinbar über irgendetwas, was sie dort am Boden gefunden hatten. Neugierung be-sah auch ich mir die Spuren.
Neben den Spuren der Flüchtenden, konnte man einen weiteren Abdruck am Bo-den erkennen. Zuerst dachte ich an einen Menschen der barfuss lief. Dann erkannte ich jedoch, dass der Abdruck viel zu groß war für einen Menschen.
An einem Felsen klebte ein Büschel eigenartiger Haare. Sehr lang, verfilzt und von einer ungesunden, grauen Farbe. Ein scheußlicher Geruch ging von diesem Büschel aus. Von wem mochte dieses Fell nur sein?
Und dann geschah es!
Aus einem Gang erklang das Echo einiger Trommeln. Nur schwach war es zu hö-ren, aber es war da. Wir alle standen wie vom Blitz getroffen da.
Ich befahl, sofort eine Kampfformation einzunehmen, aber nichts geschah.
Wo, bei allen Göttern, kam hier unter der Erde der Klang von Trommeln her?
Nun hatten wir ein großes Problem. Die Spuren der Flüchtenden und die Spuren des Wesens, welches die Flüchtigen anscheinend verfolgt hatte, führten in eine ande-re Richtung als der Klang der Trommeln.
Was sollte ich tun?
Natürlich wusste ich dass wir die Flüchtenden verlieren konnten, wenn wir in Richtung der Trommeln gingen. Aber es schien mir wichtiger, zu sehen, was oder wer diese Trommeln schlug. Also folgten wir dem Gang, der uns den Weg zu den Trommeln wies.

***

Das Trommeln wurde immer lauter und wir gingen immer vorsichtiger vor. Wir konnten den Klang von zwei Trommeln ausmachen. Schon von weitem konnten wir erkennen, dass der Gang ebenfalls in einer großen Grotte endete. Auch hier musste es Unmengen der leuchtenden Pflanzen geben, welche die Grotte erhellten.
Vorsichtig tastete ich mich mit der Großen Schlange zum Ende des Ganges vor. Mir stockte der Atem. Der Gang endete nicht am Fuß der Grotte, sondern in einer Höhe von etwa zwei Männern über dem Boden. Steil fiel die Wand unter uns ab.
Die Grotte fiel zur Mitte hin weiter ab, so dass sie eine Art Senke bildete. Überall standen auch hier die merkwürdigen Pilze, die sogar etwas größer waren als in der ersten Grotte. Genau in der Mitte der Senke sahen wir einige primitive Hütten stehen. Unordentlich und scheinbar willkürlich waren diese Hütten errichtet worden.
Das ganze wurde durch das fahlgrüne Licht der leuchtenden Pflanzen in eine ge-spenstische Helligkeit getaucht. In der Wand gegenüber gab es noch zahlreiche dunkle Löcher, was mich an eine Bienenwabe erinnerte.
Zu meiner Rechten mündete ein breiter Gang in diese Grotte. Alles wirkte gespen-stisch und unwirklich. Das Trommeln kam aus dem breiten Gang, jedoch konnten wir nicht erkennen, wer oder was dort die Trommeln schlug. Gespannt hielten wir Aus-schau, was unten in der Senke vor sich ging.
Das Trommeln wurde nun lauter. Undeutlich sahen wir eine Gruppe von Gestalten aus dem Dunkel des Ganges kommen.
Mir stockte der Atem. Die Gestalten waren Zerrbilder eines Menschen. Wohl zwei bis drei Köpfe größer als der Größte meiner Männer. Der ganze Körper war mit schmutziggrauem Fell bedeckt, welches zottig an den massigen Körpern herabhing.
Um die Mitte ihrer Körper hatten diese Wesen schmutzige Tücher geschlungen. Ih-re Arme reichten bis zu ihren Knien und waren mit ungeheuren Muskeln beladen. In den Händen hielten sie primitive Holzkeulen. Der Gang der Wesen war merkwürdig schaukelnd.
Die Köpfe der Wesen wirkten, im Gegensatz zu den massigen Körpern, eher klein. Die Gesichtshaut erinnerte an altes Leder. Aus den Unterkiefern ragten mächtige Reißzähne. Die Augen lagen tief in den Höhlen, geschützt von einer Art Wulst auf der Stirn, und leuchteten in einem unheimlichen Rot.
Die Wesen boten einen Anblick, der wohl aus einem Alptraum kommen musste. Die erste Gruppe kaum aus dem Gang, wohl zwanzig dieser Wesen. Dann kamen die beiden Wesen, welche die Trommeln schlugen. Sehr primitive Trommeln, welche sie mit den bloßen Händen schlugen.
Dahinter kam ein weiteres dieser Wesen. Noch größer und muskulöser als die in der ersten Gruppe. Seine Waffe, eine primitive Keule, war etwa von dem Umfang meines Oberschenkels. Am grausigsten waren jedoch die Köpfe, welche er an den Haaren in seiner linken Pranke trug.
Fünf Köpfe zählte ich. Scheinbar waren sie nicht abgetrennt, sondern mit roher Gewalt von ihren Rümpfen gerissen worden.
Dieses Wesen blieb nun stehen und blickte sich in der Senke um. Seine Nüstern blähten sich auf. Es ließ ein markerschütterndes Gebrüll los. Unruhe brach unter mei-nen Männern aus. Ich ermahnte sie zur Ruhe, um uns nicht zu verraten.
Aus den primitiven Hütten kamen nun mehr solcher Wesen, nicht so groß wie jene in dem breiten Gang, und begrüßten die Ankommenden mit lautem Brüllen. Alles in allem erinnerte mich das an eine Horde wilder Affen, nur dass Affen keine Kleidung und keine Waffen benutzten. Hinter dem Anführer der Wesen kam eine weitere Gruppe.
An langen Stangen gebunden, trugen sie, jeweils zu zweit, einen Gefangenen in die große Höhle. Vier Männer hingen an den Stangen, gefesselt wie Vieh. Scheinbar wa-ren sie bewusstlos. Die Wesen schleiften sie in eine der primitiven Hütten. Dann ka-men einige Wesen, die Säcke hinter sich herzogen. Die Säcke waren alt und schon leicht moderig, wie mir schien. Sie schleiften sie einfach über den Boden, wobei sie eine rötliche Spur hinterließen.
Aufgeregt umringten die kleineren Wesen, ich nahm an, dass es sich dabei um Heranwachsende handelte, die Säcke. Geifer tropfte ihnen vor Aufregung aus den Mäulern. Nun kamen auch aus den wabenförmigen Höhlen einige dieser Wesen.
Das schienen die Weibchen zu sein. Deutlich waren ihre Brüste zu sehen. Das eine oder andere Weibchen hielt ein Baby im Arm. Auch sie umringten die fünf Säcke, welche nun mittlerweile auf einem Haufen gelegt worden waren. Ihr Anführer ver-schaffte sich mit einem lauten Knurren und einigen Prankenhieben Platz und Re-spekt. Eingeschüchtert wichen die Weibchen und die Halbwüchsigen zurück.
Der Anführer griff in einen der Säcke und zerrte dessen Inhalt ins Licht. Uns stockte der Atem. Ein Leichnam ohne Kopf war in dem Sack gewesen. Nun war mir auch klar, was in den anderen Säcken zu finden war. Mit unbändiger Kraft riss der Anführer einen Arm der Leiche ab und begann damit, das rohe Fleisch von dem Arm zu nagen. Blut rann über sein Kinn und verklebte sein zottiges Fell.
Mir wurde übel bei dem Anblick. Der Anführer schien zufrieden zu sein, denn er ließ den Rest der Leiche fallen und setzte sich etwas abseits auf den Boden, um wei-ter zu fressen.
Das war für den Rest der Horde scheinbar das Signal. Wild stürzten sie sich auf die Säcke, zerrten die Leichen heraus und rissen sie buchstäblich in Stücke. Dabei kreischten und fauchten sie sich gegenseitig an, wer wohl den besten Bissen bekam. Mit bloßen Klauen brachen sie die Leiber der Opfer auf, um an die Innereien zu ge-langen, welche sie an ihre Kinder verfütterten. Knochen splitterten, als die Halb-wüchsigen damit begannen, das Mark der Knochen zu fressen.
Bald schon war fast jeder der Gruppe mit einem ekelhaften Gemisch aus Innereien und Blut besudelt. Aber das schien sie kaum weiter zu stören.
Mir drehte sich der Magen um bei diesem Anblick. Einer meiner Männer musste sich übergeben. Er beugte sich etwas zu weit vor, um seinen Mageninhalt von sich zu geben. Er kam ins Rutschen und ehe wir eingreifen konnten, landete er mit einem Aufschrei in der Senke.
Mir stockte der Atem. Der Schrei war in der Senke nicht ungehört geblieben. Man sah, dass die Wesen sich bemühten, festzustellen, woher der Schrei gekommen war.
Dabei verließen sie sich wohl eher auf ihren Geruchssinn, denn sie reckten ihre Nüstern in die Höhe, um Witterung aufzunehmen. Einer der Halbwüchsigen war es schließlich, der den Mann erblickte.
Sein Warnschrei gellte durch die Senke und alarmierte die Erwachsenen. Die Weibchen verschwanden kreischend in den Höhlen, um ihre Kinder zu schützten.
Die Erwachsenen jedoch nahmen ihre Keulen auf, um nach dem Rechten zu sehen. Zwei halbwüchsige Wesen waren der Gruppe vorausgeeilt. Scheinbar wollten sie sich vor den Erwachsenen hervortun.
Der Soldat hatte sich mittlerweile wieder gesammelt und starrte hilfesuchend zu uns empor. Blitzschnell überlegte ich, was zu tun sei.
Ein Seil, wir benötigten sofort ein Seil!
Ich gab den Befehl, dem Unglücklichen ein Seil zuzuwerfen, um ihn wieder hoch-zuziehen. Die beiden Halbwüchsigen waren nun nur noch ein paar Sprünge entfernt.
Wir warnten den Mann. Der Soldat zog sein Schwert, um sich der Angreifer zu entledigen. Scheinbar waren sie noch relativ unerfahren. Ohne auf die Waffe in der Hand des Soldaten zu achten, griffen sie den Mann an.
Der Schwerthieb trennte dem ersten Angreifer einen großen Teil seines Armes ab. In einer Lache aus Blut wälzte sich das Wesen schreiend auf dem Boden.
Der zweite Angreifer hielt kurz inne. Er war anscheinend unschlüssig, was er tun sollte. Der Soldat nutze diesen Augenblick und griff an. Der Schwerthieb spaltete dem Wesen beinahe den Kopf.
Unglücklicherweise steckte sein Schwert nun in der Wunde fest. Entsetzt warf sich der Soldat zurück, um das Seil zu erreichen, welches wir mittlerweile heruntergelas-sen hatten.
Nun waren jedoch die Erwachsenen heran. Eines der Wesen sprang unseren Mann in den Rücken, noch bevor wir ihn hochziehen konnten. Das Wesen begrub den Mann förmlich unter sich. Zwei der Wesen sprangen an der Wand hoch, um uns zu erreichen, was ihnen auch beinahe gelang.
Ein Prankenhieb erwischte einen meiner Männer und zerfetzte ihm den Hals. Im hohen Bogen spritze das Blut aus der verletzten Halsschlagader auf uns andere. Auch der Anführer war nun heran.
Mit brutaler Gewalt riss er dem Unglücklichen dort unten einfach den Kopf vom Rumpf. Im hohen Bogen sprudelte das Blut aus der grausamen Wunde.
Das war zu viel. Ich befahl sofort den Rückzug. Nur weg von dem Ort des Grau-ens.

***

Von nacktem Grauen getrieben hasteten wir durch die Gänge. Nur heraus aus dem Labyrinth, endlich wieder die Sonne sehen und frische Luft atmen und diese grauen-haften Wesen hinter sich lassen.
Voller Panik flüchteten wir dem Ausgang entgegen. In einer etwas größeren Höhle riss mich die große Schlange an der Schulter zurück. Er meinte, dass wir verfolgt würden. Auch aus anderen Richtungen meinte er Geräusche zu hören.
Ich ließ meine Männer anhalten. Es dauerte einige Zeit bis ich meine Männer wie-der unter Kontrolle hatte. Kurz überblickte ich die Gruppe.
Zwei Männer fehlten. Scheinbar hatten sie sich auf unserer überstürzten Flucht verlaufen oder waren anderweitig abhanden gekommen.
Die Große Schlange hatte Recht. Aus dem Gang hinter uns hörten wir nun auch das Brüllen unserer Verfolger. Unruhe machte sich wieder unter meinen Männern breit.
Was sollten wir nun tun?
Uns formieren und kämpfen, oder versuchen, den Ausgang zu erreichen?
Das Brüllen unserer Verfolger kam immer näher. Scheinbar hatten sie uns beinahe erreicht. Also schien eine weitere Flucht aussichtslos.
Wir mussten kämpfen!
Ich gab meine Befehle und die Männer formierten sich. Die Große Schlange schien damit nicht einverstanden zu sein. Er deutete auf einen der anderen Gänge, welche in diese Höhle mündeten.
Da lang, schien er mir sagen zu wollen.
Aber was verstand er schon von Kriegsführung? Scheinbar schien er doch mehr von Kriegsführung zu verstehen, als ich ahnte.
Nur wenige Augenblicke später wusste ich, warum die Große Schlage nicht in die-ser Höhle kämpfen wollte.
Aus den Gängen in unserem Rücken kamen die Schreckensgestalten hervor.
Sie hatten uns während der Flucht bereits überholt und griffen uns nun im Rücken an. Ich hatte kaum Zeit, mich über meine Dummheit zu ärgern.
Nur wenige Schritte von mir entfernt mündete einer dieser Gänge. Eine der Schreckensgestallten brach aus dem Zwielicht hervor. Sie konnten wohl in dem Halbdunkel sehen, während wir sie nur undeutlich erkennen konnten. Noch bevor ich mein Schwert heben konnte, traf mich etwas wuchtig am Kopf. Mein Helm flog vom Kopf. Warmes Blut sickerte mir in die Augen und eine gnädige Dunkelheit umfing mich.

***

Nur langsam kehrte mein Bewusstsein wieder zurück. Ich wollte mich erheben, doch starke Schmerzen im Kopf ließen mich zurücksinken.
Eine Stimme sprach von irgendwo her zu mir. Sie sagte, ich sollte liegen bleiben, da ich eine Gehirnerschütterung hätte. Gnädig kam die Dunkelheit wieder. Wie lange ich so gelegen hatte, wusste ich nicht. Irgendwann erwachte ich erneut.
Die Schmerzen und die Übelkeit waren nicht mehr so stark. Ich merkte, dass ich an Händen und Füßen gefesselt war. Es stank bestialisch nach Verwesung. Neben mir regte sich jemand.
Scheinbar war ich nicht alleine. Eine fremde Stimme richtete das Wort an mich. Sie wollte wissen, ob ich bei Bewusstsein war.
Mühsam konnte ich den Oberkörper etwas aufrichten. Langsam erkannte ich wo ich war. Ich befand mich wohl in einer der primitiven Hütten dieser Wesen. Die Hütten waren roh gebaut, durch die vielen Ritzen und Spalten in Dach und Wänden drang das grünliche Licht der Pflanzen in die Hütte. Gerade genug, um einigermaßen etwas zu sehen.
Neben dem Mann zu meiner Rechten, der mich angesprochen hatte, lagen vier weitere Männer in der Hütte. So schien es mir jedenfalls. Der Mann neben mir rückte etwas näher.
Wieder wollte er wissen, wie es mir geht. Was sollte ich ihm groß sagen? Ich hatte immer noch Kopfschmerzen und mir war immer noch übel.
Aber ich war am Leben! Ich fragte ihn, wer er sei, denn es war keiner meiner Männer. Er sagte, dass sein Name Tranikos sei und er der Kapitän eines Korsaren-schiffes gewesen war, bevor wir den Stützpunkt überfallen hätten.
Den Stützpunkt überfallen, ich musste unwillkürlich kurz lachen. Scheinbar war es ihm ernst damit. Er war tatsächlich der Meinung, wir hätten keinen Grund gehabt, Samarak anzugreifen.
Ich versuchte mich so hinzusetzen, dass ich den Mann besser sehen konnte.
Ich erklärte ihm, dass ich selbstverständlich wüsste, dass die Korsaren von Sama-rak und der Städtebund von Ish gemeinsam als Verbündete auf Huanaca kämpften.
Aber das gebe ihm nicht das Recht, von Samarak aus in der Straße der Helden auf Kaperfahrt zu gehen.
Nun lächelte er. Deutlich konnte ich seine weißen Zähne im Halbdunkel blitzen sehen. Er versuchte mir zu erklären, dass er keineswegs nach Samarak gekommen war, um von dort aus Kaperfahrten zu unternehmen.
Die Korsaren von Samarak wären schließlich nun Verbündete des Städtebundes von Ish. Vielmehr hätten sie dort nach Spuren des geflüchteten Larmand gesucht.
Weiter hinten, in der Nähe des Hütteneingangs, regte sich ein weiter Mann. Als er sprach, erkannte ich an der Stimme, dass es die Große Schlange war.
Seine Stimme war leise, aber bestimmt. Er sprach mit Tranikos, dem Korsaren. Voller Hohn war seine Rede. Die Korsaren von Samarak waren nicht mehr Verbün-dete des Städtebundes. Er selbst konnte das bezeugen.
Tief in den Wäldern hatte die neue Sippenführerin der Sippe der Schamanen in ih-ren Visionen Nekron, den größten aller Schamanen getroffen.
Tief in Sud war er mit den Überlebenden des Kampfes um das Herz des Winters gelandet. Eine neue Welt hatten sie dort gefunden.
Froh waren deren Bewohner über ihre Anwesenheit, da sie von Kämpfern einer dunklen Macht bedroht wurden.
Viele der Männer schlossen sich dort den Truppen an. Eine kleine Stadt wurde be-freit. In der Stadt lebten Menschen, die aus einer anderen Stadt kamen. Sie baten um Hilfe für ihre Heimat, die ihnen gewährt wurde. Die Truppen des Städtebundes er-reichten diese Stadt bald und belagerten sie.
In der weiten Ebene tauchten die Freunde aus der Schlacht am Pol auf. Walis, Qun, Streiter des Phönix, Männer aus Ranabar und Korsaren unter dem Banner von Sama-rak.
Plötzlich herrschte Zwist, denn der Feldherr der Walis beanspruchte nun diese Stadt als seine Beute, welche schon so lange von den Truppen des Städtebundes be-lagert wurde.
Die Stadt fiel, die dunklen Streiter wurden getötet und der Feldherr des Städtebun-des vertrieb die Walis, als sie die Stadt nicht räumen wollten. Die Walis sammelten sich und griffen die Truppen des Städtebundes an.
Doch nicht nur sie, auch die Qun und sogar die Truppen der Verbündeten. Ranaba-rer vergossen das Blut ihrer Verbündeten, die Streiter unter dem Banner des Phönix und auch die welche die Rose von Samarak führten, griffen an.
Verrat von Verbündeten, mit denen man doch zur gleichen Zeit auf Huanaca noch Seite an Seite gekämpft und gesiegt hatte.
Der schändlichste Verrat, den man sich denken konnte. Der Feldherr des Bundes, Ta-Shunka Witko war außer sich über diesen Verrat.
Die Große Schlange war selbst dabei, als er die Herren des Städtebundes traf und über diesen Verrat in Kenntnis setzte.
Auch die Herren waren tief erschüttert. Gegen Ranabar und das Reich des Phönix konnten sie nicht in den Krieg ziehen. Ein Pakt band sie auf der Alten Welt.
Das Land der Walis war fern und die Heimat Qun noch weiter entfernt. Aber die Korsaren von Samarak, diese Verräter, waren plötzlich auf Huanaca die Nachbarn des Städtebundes. Neue Truppen sollten ausgehoben werden, um dort Krieg gegen die Verräter zu führen.
Noch mehr hatten die Herren getan. Die Eingänge zu den Katakomben unter E’lil wurden wieder geöffnet. Jene, welche dem finsteren Beliol verehrten, wurden freige-lassen, auf dass sie die Verräter bestraften.
Als die Große Schlage mit seiner Rede geendet hatte, herrschte einen Moment be-tretenes Schweigen. Das alles hatte ich natürlich nicht ahnen können. Auch Tranikos schwieg zu dem, was die Große Schlange gesagt hatte.
Was sollte er auch sonst tun?
Mein Kopf schmerzte und Durst machte sich bemerkbar. Was würde wohl mit uns passieren?
Ich sah Tranikos an. Wieso war er eigentlich in dieses Labyrinth geflohen?
Auf meine Frage wand er seinen Kopf ab. Kurz schien er zu überlegen, um mir dann seine Geschichte zu erzählen. Es war die Gier nach Gold, die ihn hierher brachte.
Es war schon einige Sommer her, als sie ein Schiff gekapert hatten. Einen kleinen agenirischen Segler. Keine große Beute.
Auf dem Schiff befand sich ein Passagier, ein Gelehrter, wie er selbst sagte. Er hatte einige Wertgegenstände bei sich, welche er ohne viel Aufhebens den Korsaren übergab.
Für eine alte Schriftrolle war er jedoch bereit, zu sterben. Der alte Mann ging mit einem Dolch auf die Korsaren los, als sie die Schriftrolle in einem Geheimfach seiner Kiste fanden. Die Schriftrolle enthielt die Geschichte eines gewissen Ragram.
In einer längst vergessenen Zeit war er ein Seeräuber gewesen. Sein Schiff durch-streifte die Meere der bekannten Welt, immer auf der Suche nach Beute. Die Schätze, welche er erbeutete, versteckte er in einer Höhle, an einem unbekannten Ort. Zuerst war Tranikos der Meinung, es handle sich um ein Märchen, wie es deren viele gibt, in denen Piraten Schätze sammeln und sie dann versteckten.
Aber irgendwann stieß er in Ranabar durch einen Zufall erneut auf den Namen Ra-gram. Dies erweckte seine Neugier und er wollte wissen, ob es diesen Mann tatsäch-lich gegeben hatte. Er stöberte einige Zeit in längst vergessenen Chroniken. Tatsäch-lich fand er immer mehr über Ragram heraus. Den Mann hatte es tatsächlich gegeben und er war ein Pirat gewesen. So viel stand fest.
Und wenn es den Piraten gegeben hatte, könnte es doch auch sein, dass es die Schatzhöhle gab?
Die Aussicht auf Gold ließ Tranikos keine Ruhe. Immer weitere Informationen sammelte er. Viele erwiesen sich als falsch, einige wenige jedoch schienen der Wahrheit zu entsprechen. Seine Schwester war ebenso von der Idee begeistert und beteiligte sich an der Suche. Bald hatten sie die Lebensgeschichte des Ragram aufge-deckt.
Alle Quellen sagten übereinstimmend, dass Ragram große Mengen Plündergut in einer Höhle versteckt hatte. Er wollte als reicher Mann in einer großen Villa später sein Leben genießen. Die Geschichten besagten, dass Ragram eines Tages die Höhle besuchte und es ein kleines Erdbeben gab. Ein Spalt zeigte sich am Ende der Höhle. Scheinbar waren dort weitere Höhlen. Ragram konnte seinen Schatz also noch tiefer im Fels verstecken. Er ließ den Spalt verbreitern, bis sie einen Durchgang geschaffen hatten. Ragram ließ ein Tor bauen, mit einer Tür aus Stein, damit seine Schätze bes-ser geschützt waren.
Kleine Gänge, gerade so groß, dass ein Erwachsener hindurch kriechen konnte, führten von seiner Schatzhöhle tiefer in den Berg. Angeblich verteilte Ragram seine Schätze in diesen Gängen, damit, wenn seine Höhle gefunden wurde, seine Schätze trotzdem sicher wären. Irgendwann tauchte Ragram aus dem Höhlenlabyrinth hinter seiner Schatzhöhle wieder auf. Scheinbar war er dort, im Bauch des Fels, irregewor-den. Schrecklich sah er aus, blutverschmiert und im Fieberwahn. Er faselte etwas von Ungeheuern, welche in den tiefen des Berges hausten. Seine Mannschaft hielt ihn für wahnsinnig und Ragram verschwand aus den Aufzeichnungen.
Seine Mannschaft suchte nach seinen Schätzen. Sie erweiterten die Kriechgänge und gelangten so in ein verzweigtes Labyrinth von Gängen und Höhlen. Jedoch wa-ren die Götter nicht auf ihrer Seite. Ein Erdbeben versperrte ihnen den Rückweg und nur zwei der Männer überlebten, da sie gerade außerhalb der Höhle waren. Zu Fuß schlugen sie sich durch die Wälder, um eine menschliche Behausung zu finden.
Einer starb, der andere erkrankte an einem Fieber. Jedoch erreichte er E’lil, wo er seine Geschichte erzählte und dann der Krankheit erlag. Jedoch schenkte ihm keiner Glauben.
Tranikos jedoch glaubte diese Geschichte. Und er fand auch die Höhle und die ge-heimnisvolle Tür. Seine Männer brachen durch diese Tür und gruben einen neuen Gang durch das Geröll.
Als meine Männer Samarak eroberten, war die Arbeit fast erledigt. Durch das Ge-röll konnte man bereits die Gänge dahinter sehen. Tranikos hatte nie vor, auf Kaper-fahrt zu gehen, er wollte nur den vermeintlichen Schatz haben.
Und nun saßen wir hier fest. Es war uns allen klar, welches Ende Ragrams Männer gefunden hatten, wenn sie nicht dem Erdbeben zum Opfer gefallen waren.
Die Große Schlange schnaubte bei Tranikos Erzählungen. Die Leute aus den stei-nernen Tipis waren alle gleich: sobald sie das goldene Metall sahen, verloren sie den Verstand, meinte er.
Ich dachte über seine Worte nach und fand, dass er irgendwie Recht hatte. Aber das änderte unsere Lage auch nicht. Draußen hörten wir, wie die Wesen um die Hüt-ten strichen. Anscheinend unterhielten sie sich über ihre Grunz- und Knurrlaute.
Man konnte sie nicht nur hören, sondern auch riechen, wenn sie nahe an der Hütte vorbei kamen. Ihre Ausdünstungen waren ekelhaft, besonders die jenes Weibchens, welches uns mit abgestandenem Trinkwasser versorgte.
Ich weiß nicht, wie lange wir im Halbdunkel der Hütte vor uns hingedämmert hat-ten. Irgendwann war einer meiner Mitgefangenen tot.
Vielleicht war sein Schicksal das Bessere. Wer wusste das schon. Irgendwann be-gannen die Trommeln zu dröhnen.
Unruhig schreckten wir auf. Was mochte da draußen vor sich gehen? Die Wesen brüllten wild durcheinander. Scheinbar waren sie wieder alle versammelt.
Die Große Schlagen lag dem Hütteneingang am nächsten. Eine schmutzige, stin-kende Decke versperrte den Blick nach draußen. Die Große Schlange konnte jedoch durch einen Spalt das Geschehen dort draußen verfolgen.
Er sagte nur ein Wort, das aber reichte, um in uns die Panik aufkommen zu lassen.
Fütterungszeit!
Grauen schüttelte mich, als ich an die Szenen dachte, welche sich nun da draußen abspielen mussten.
Auch Tranikos wurde unruhig.
Nur die Große Schlange schien scheinbar gelassen. Er beobachtete ungerührt die Vorgänge dort draußen.
Plötzlich drehte er sich ruckartig um. Er wand sich am Boden wie ein Fisch auf dem Trockenen und war plötzlich frei!
In seiner Rechten blitzte ein Messer. Ich fragte mich, von wo er das Messer her ge-zaubert hatte. Aber egal, Hauptsache, er hatte es!
Die Geräusche von draußen hatten die Geräusche in der Hütte bei weitem überla-gert.
Schnell spähte die Große Schlange nach draußen. Was er sah, schien ihn zufrieden zu stellen. Geräuschlos befreite er einen nach dem anderen von unseren Fesseln.
Stumm deutete er auf die Rückseite der Hütte. Ich begriff, was er vorhatte. Er wollte durch die Rückwand der Hütte brechen und dann versuchen, zu entkommen.
Ich war schwach, da ich seit geraumer Zeit nichts gegessen hatte, so wie wir alle, doch die Hoffnung zu entkommen gab mir neue Kraft. Wie im Fieberwahn waren wir, als die Große Schlage begann, ein Loch in die Rückwand der Hütte zu bohren.
Das ging recht schnell, denn die Hütte war primitiv und alt. Nochmals holten wir tief Luft und traten dann ins Freie. Eng schmiegten wir uns an die Hütte, damit wir einen besseren Überblick bekamen. Vor der Hütte war noch immer ein Tumult. Ver-einzelt hatten wir auch Schreie gehört, als die Wesen einen der Unglücklichen dahin-schlachteten.
Die Große Schlange deutete auf einen Gang, nicht weit von uns entfernt. Wir nickten ihm zu. Nochmals tief eingeatmet und dann spurteten wir los. Die Große Schlange erreichte als Erster den Gang und verschwand in dem dunklen Maul des Ganges. Wir anderen folgten so schnell wie möglich.
Hatte man uns gesehen?
Scheinbar nicht!
Die Große Schlage spähte kurz um die Ecke zu den primitiven Hütten. Er nickte uns zu. Anscheinend war unserer Flucht unbemerkt geblieben.
Doch was sollten wir nun tun?
Wir konnten in dem Labyrinth tagelang umherirren ohne den Ausgang zu finden.
Wieder nahm uns die Große Schlange die Entscheidung ab. Wortlos übernahm er die Führung. Der Krieger verfiel in einen langsamen Trab. Anscheinend hatte er eine klare Vorstellung, in welche Richtung wir uns zu wenden hatten. Ich weiß nicht, wie lange wir schon unterwegs waren, als die Große Schlange abrupt anhielt.
Es mochten Stunden oder auch nur Minuten gewesen sein. Die Große Schlange ermahnte uns zur Ruhe. Wie eine Statue stand er in dem Gang und schien zu lau-schen. Er brauchte nichts zu sagen, wir alle wussten, was er uns sagen wollte.
Sie suchten uns!
Keiner der Männer brauchte eine Aufforderung. Wir hetzten durch die dunklen Gänge, immer der Großen Schlange hinterher. Ich schickte Stoßgebete zu allen mir bekannten Göttern, dass der Mann, dem wir folgten, wusste, in welche Richtung wir uns wenden mussten.
Die Männer keuchten und stöhnten unter der Anstrengung. In einer etwas größeren Höhle hielt die Große Schlange an. Angespannt schien er auf etwas zu warten.
Die großen Pilzgewächse bildeten fast in der Mitte der Höhle eine Art kleinen Wald. Diesen beobachtete die Große Schlange intensiv. Der Krieger schien einen Entschluss gefasst zu haben. Mit dem Kopf deutete er auf die Pilze. Eines der Wesen wartete dort auf uns. Die anderen waren noch hinter uns. Der Gang hinter den Pilzen würde uns zum Ausgang führen. Aber wir mussten kämpfen.
Ich fragte mich, wie wir das machen sollten. Wir hatten keine Waffen außer dem Messer der Großen Schlange. Die Männer waren schwach und nervös. Tranikos zuckte ergeben mit den Schultern. Er hatte eh mit dem Leben abgeschlossen. Su-chend blickte er auf dem Boden umher, bis er gefunden hatte, was er benötigte. Ein faustgroßer Stein, mit einer scharfen Kante würde ihm als Waffe dienen.
Die anderen Männer nickten ihm zu und suchten sich ebenfalls Steine. Auch ich nahm einen Stein als Waffe auf. Zusätzlich steckte ich mir noch mehrere Kieselsteine in mein Hemd. Ich zog meinen Ledergürtel aus, um mir eine primitive Schleuder zu bauen. Als Kind konnte ich relativ gut damit umgehen. Wir hatten außerhalb meines Heimatdorfes so Kleintiere gejagt. Dabei war ich immer der beste Schütze gewesen.
Ich fragte die Große Schlagen, wo sich das Biest versteckte.
Die Große Schlange gab mir die ungefähre Lage seines Versteckes an.
Angespannt beobachtete ich den Ort, jedoch konnte ich nichts entdecken. Sollte sich die Große Schlange geirrt haben?
Halt, da, im Schatten eines der großen Pilze. Hatte sich dort nicht etwas beweget? Und die beiden roten Punkte, waren das nicht Augen, die uns beobachteten?
Ich versuchte, mit der Schleuder auf das Objekt zu zielen. Die ersten zwei Steine verfehlten das Ziel weit. Der dritte Schuss kam dem Ziel jedoch schon relativ nah. Ein vierter, ein fünfter- und beim sechsten Schuss hatte ich Erfolg! Ein schmerzhaftes Brüllen zeigte uns, dass ich das Biest getroffen hatte.
Das Ungeheuer kam aus seinem Versteck hervor. Rasend brüllte es uns seinen Schmerz entgegen. Anscheinend hatte ich es an seiner linken Schulter getroffen, denn dort zeigte sich eine stark blutende Wunde.
Das machte mir Mut und ich schleuderte einen weiteren Stein.
Das Ungeheuer wich dem Geschoss gekonnt aus. Es war flinker, als ich dachte. Vor Wut tobend griff das Biest an. Es trug eine wuchtige Holzkeule in der Rechten, welche es drohend schwang. Die Geschwindigkeit, welche das Biest erlangte, war erstaunlich. Mit grotesk anmutenden Sprüngen rannte es auf uns zu.
Mir blieb keine Zeit für einen weitern Schuss. Gerade noch konnte ich meinen Stein packen als das Biest schon heran war. Sein erste Hieb traf einen der Männer voll und zerschmetterte seinen Kopf. Blut und Hirnmasse spritzen durch die Gegend.
Das Untier brüllte, stieß markerschütterndes Schreie aus.
Einer der Männer wand sich zur Flucht, doch die Keule des Wesens war schneller. Der Mann wurde in den Rücken getroffen und wie eine Stoffpuppe mehrere Meter durch die Höhle geschleudert. Mit gebrochenem Rückgrat blieb er strebend liegen.
Die Große Schlange nutzte die Gelegenheit, um in den Rücken des Monsters zu kommen. Mit wildem Kriegsschrei sprang der Krieger auf den Rücken der Bestie. Die Große Schlange versenkte sein Skalpmesser tief im Rücken der Bestie.
Ein Schwall von Blut sprudelte aus der Wunde und das Biest schrie vor Wut und Schmerz auf.
Die Große Schlange wurde vom Rücken des Wesen geschleudert.
Tranikos griff nun das Wesen an. Mit Todesverachtung stürzte er sich auf das Biest. Der wuchtige Hieb mit dem Stein traf den Unterarm des Monstrum. Deutlich hörte ich den Knochen brechen.
Das Biest heulte auf vor Schmerzen und ließ seine Waffe fallen. Der Hieb mit sei-ner linken Pranke schleuderte den tapferen Mann in den Staub.
Nun fasste auch ich Mut. Das Biest schnaubte vor Wut und Schmerz. Geifer tropfte aus seinem Maul. Das Fell auf dem Rücken glänzte von seinem Blut. Der rechte Arm hing haltlos an seinem Körper herunter. Ich überlegte nicht lange.
Mein Gegner war nur wenige Schritt entfernt. Ich konnte ihn gar nicht verfehlen. Alle Kraft, die ich hatte, legte ich in den Wurf. Der faustgroße Stein traf das Viech mitten in seiner Fratze. Der Stein zerschmetterte Nase und Kiefer des Monstrums. Der letzte meiner Männer hatte sich nun auch dazu durchgerungen, das Untier anzu-greifen.
Unter dem Einsatz seiner letzten Kräfte hob er die Keule des Monsters auf. Das Biest war nun fast blind, sein Gesicht nur noch eine blutige Masse.
Die Keule donnerte gegen das linke Bein des Monsters. Die Kniescheibe brach und das Untier ging zu Boden. Noch im Fallen erwischte es den Mann mit der Keule. In rasendem Schmerz zerfetzte es dem Mann mit seiner Linken die Kehle. Mann und Monster bleiben daraufhin reglos liegen. Unter den beiden bildete sich rasch eine große Lache aus Blut.
Erschöpft ging ich in die Knie. Die Große Schlange schlich um das Wesen herum.
Es war tot!
Ich kümmerte mich um Tranikos. Auch er lebte noch. Schwach lächelnd lag er am Boden. Blutiger Schaum kam aus seinem Mund, als er einen Hustenanfall bekam. Die Große Schlange tastete ihn kurz ab. Stumm schüttelte er den Kopf. Die Verletzungen waren wohl tödlich.
Die Große Schlange untersuchte nun den Kadaver des toten Biestes. Erfreut zeigte er mir einen weiteren Dolch, den das Biest anscheinend in seinem dreckigen Lumpen getragen hatte, welches es um die Hüfte geschlungen hatte.
Aber was sollten wir nun tun? Wir konnten den Korsaren doch nicht hier liegen lassen. Und wenn wir ihn trugen, waren wir zu langsam.
Die Entscheidung wurde uns abgenommen. Die Große Schlange deutete wortlos auf den Gang aus dem wir gekommen waren. Dort erschienen nun mehrere der We-sen. Unsere Flucht war scheinbar zu Ende.
Die Große Schlange beobachtete die Gruppe aufmerksam. Die vorderen Wesen traten zur Seite um ihrem Anführer Platz zu machen. Der Anführer, den wir schon bei unserer ersten Begegnung gesehen hatten, beobachtete aufmerksam die Szenerie. Sein Blick blieb an dem toten Ungeheuer haften.
Wut las ich in seinen Augen. Laut brüllte er diese Wut heraus.
Die Große Schlange deutete auf den Gang hinter uns. Dort war der Weg in die Freiheit. Aber nur einer hatte überhaupt die Chance, diesen Weg zu gehen.
Tranikos war dem Tod nah und die Große Schlange wollte nicht weiter weglaufen. Er war ein Krieger und hatte beschlossen, zu kämpfen.
Also blieb nur ich über. Ich nickte stumm. Die Große Schlange würde mit ein Zei-chen geben.
Ich fragte mich, wie er auf die Idee gekommen war, dass er diese Ungeheuer auch nur länger als einen Lidschlag würde aufhalten können?
Die Große Schlange fixierte den Anführer mit seinen Augen. Ohne den Blick von ihm zu lassen, griff er in den kleinen Beutel, den er am Gürtel trug.
Ein schwarzes Pulver war in dem Beutel. Mit seinem Speichel feuchtete er das Pulver an und begann sich mit dieser Farbe Muster auf Brust und Gesicht zu zeich-nen.
Der Anführer der Ungeheuer schien den starren Blick in seine Augen als persönli-che Herausforderung zu empfinden.
Das Monster tobte vor Wut. Immer wieder schüttelte er seinen mächtigen Schädel und schlug mit seiner Keule einen imaginären Gegner zu Brei.
Die Große Schlange stürzte sich blitzschnell auf den Kadaver des toten Untieres. Mit schnellen Schnitten trennte er den Kopf des Untieres vom Rumpf. Auffordernd brüllte die Große Schlage etwas in seiner Muttersprache und hielt dabei seine blutige Trophäe hoch.
Unruhe entstand unter den Wesen. Alle blickten nun zu ihrem Anführer. Der hatte offensichtlich die Herausforderung verstanden. Schaum trat über seine Lefzen, als er angriff. Das war mein Signal. So schnell mich meine Beine trugen, floh ich in den Gang hinter uns.
Nur kurz sah ich mich um. Das Untier hatte den Krieger in einer tödlichen Umar-mung. Mit brachialer Gewalt zerquetschten seine mächtigen Arme Rippen und Rück-grat.
Voller Befriedigung konnte ich jedoch sehen, dass die beiden Messer der Großen Schlange rechts und links bis zum Heft in dem Hals des Untieres steckten und große Blutfontänen aus den zerschnittenen Halsschlagadern schossen.
Ich lief und lief, bis ich tatsächlich den Eingang erreichte. Von den zurückgelasse-nen Wachen fand ich nur Blutlachen auf dem Boden. Ich zwängte mich durch den engen Gang, ohne darauf zu achten, dass mir das lose Geröll die Haut von den Hand-flächen und den Knien riss. Nur weg wollte ich von diesem Ort des Grauens.
Erschöpft fiel ich auf der anderen Seite zu Boden. Aber was, wenn diese Ungeheu-er mir folgen würden? Dieser Gedanke beflügelte mich noch einmal. Ich suchte nach Werkzeug, mit dem ich die Streben in dem Gang beseitige konnte. Nachdem die dritte Strebe weg war, begann sich das lockere Gestein zu lösen.
Erst einzelne Brocken, dann eine ganze Lawine.
Der Gang war verschlossen!
Die Götter waren mir hold. Ohne Probleme konnte ich die Höhle verlassen. Es war die Zeit, an dem die Nacht über den Tag siegt und ich floh, von Angst und Panik ge-trieben, in die Wälder.
Wie ich bis nach E’lil gekommen bin, weiß ich nicht mehr. Das Fieber löschte die-se Erinnerungen aus. Als ich wieder erwachte, lag ich in einem Bett und meine Wun-den waren versorgt.
Dies ist die Geschichte, die ich euch erzählen kann.
 

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