Monans Mission
„When you close your eyes
and try to touch my mind,
I’ll be the vision and voice that you hear…
Wherever you stay, whatever you do,
I’ll be the spirit of all the steps you take.
Just hold this crystal in your hand
and call me.“
(Xmal Deutschland: „I’ll Be Near You“)
Nein, sie hatte nicht zu denjenigen gehört, die dem aufbrausenden Somnolar gefolgt waren (weder Gruppengeist, noch Leidenschaft waren ihre Sache). Stattdessen hatte sie einer Stimme in ihrem Innern gelauscht, die ihr gesagt hatte, dass ihre Zeit noch nicht gekommen sei, und sie sich am besten durch Kontemplation darauf vorbereitete. Es war jedoch in den selben Tagen geschehen, an denen sich auch der Hitzkopf zurückgezogen hatte, und so glaubten die anderen vermutlich, sie hätte zu seinen Anhängern gehört. Wie lange mochte das nun her sein? Jahrtausende? Ihr Gespür für die Zeit befand sich noch halb im Schlummer. Aber sie ahnte, dass sie nicht ohne Grund die Augen aufgeschlagen hatte.
Kurz überprüfte sie ihre Sinne. Die Pupillen meldeten ihr, dass Tageslicht von außen herein-drang. Die Ohren vernahmen Wellenrauschen, übertönt von dem Geschrei einiger Möwen. Die Haut verspürte frischen Wind, der hier im Innern der Kaverne bereits arg abgeflaut war. Die Nase roch das Meer. Auf der Zunge lag ein salziger Geschmack. Das Gleichgewichtsorgan zeigte nichts Ungewöhnliches an, aber ihr Metabolismus, der langsam wieder aktiv wurde, ließ sie wissen, dass sie fror. Die intuitiven Sinne dagegen teilten ihr mit, dass es nun soweit war, in Aktion zu treten.
Sie nahm kurz ihr Äußeres in Augenschein. Der weibliche Körper war hager und hochgewachsen, die Lider bar jeder Wimper, und an den Händen befanden sich jeweils sechs Finger: Ihre Gestalt war die ihres ursprünglichen Leibes. Sie zog dieses Erscheinungsbild vor, wie auch ihr Name der war, den er schon vor ihrer Bekehrung geführt hatte. Als sie noch eine Sare'o'dan gewesen war. Es war nicht Sentimentalität, die sie daran festhalten ließ, sondern die Erkenntnis, dass Wesen wie sie Gefahr liefen, sich selbst zu verlieren, wenn sie nicht entsprechende Vorkehrungen trafen. Im Buch der Schöpfung stand, dass Eradumahl zuerst das Ich entdeckt hatte, bevor er sich für das Prinzip des Guten entschied. Das ließ den Rückschluss zu, dass einem mit dem Ich auch das Wissen um Gut und Böse abhanden kam. Wissen aber war die entscheidende Säule der Weisheit, und das Streben danach zählte zu Monans wenigen Professionen.
Sie nahm die Lotus- Position ein. Murmelte stumm ihr Mantra vor sich hin, um ihr Denken zu fokussieren. Der Rest an Müdigkeit half ihr, in den Zustand der Selbstversunkenheit hinüberzugleiten. Schon löste sich ihre Psyche von der Physis, und sie empfing die Sinneseindrücke ihrer Aura. Sie schaute in die Träume Somnolars und derjenigen, die ihm gefolgt waren, und nahm ein bißchen an ihnen Teil. Sie spürte die Rosen des Verheißenen Gartens, die mit erquickender Nüchternheit das Licht der Sonne in sich aufnahmen. Sie warf einen Blick ins Caria de, wo der rührige Felicianus verwundert feststellte, dass sich das Buch ihrer Taten von selbst geöffnet hatte. Sie sah die übrigen Elheri als Schwarm unterschiedlicher Vögel über den Wogen flattern. Sie empfing die Gedanken der Cyro'nay, verspürte jedoch keine Neigung, sich damit auseinanderzusetzen. Auf Lo'Thame machte sie einen Kel'mey aus, der von Halluzinationen umgeben seine Prüfung zum Ce'vey ablegte. Der Erste, der Agmar Ra-harr'bar'ar'gham, Rurerrunhor t'ar Darrunarr etar Taburararrh'egnar gar'rh Norrorrhbar, beobachtete die Szene, und sinnierte gerade darüber, ob eines der Trugbilder der Handschrift eines „Harantor Adandil Errandir“ entsprechen mochte. Weiter draußen vor den Klippen fielen einige Tümmler über einen Schwarm Sardinen her. Ein Rudel Thunfischen dagegen tat sich an sechzehn Feuerquallen gütlich. Die Korallen entließen gerade eine Wolke befruchteter Eier ins Wasser. Und ein Lippfisch schlummerte friedlich in seinem Gespinst, just als hätte er sich an den Sery'de ein Beispiel genommen.
Monan brauchte ihre Wahrnehmung nicht erst auf ganz Magira auszudehnen: Sie hatte den Wunsch der Vorsehung bereits erkannt. Dennoch verharrte sie noch eine Weile in Kontemplation. Ließ das Lüftchen, das zu ihr vordrang, auf sich wirken. Registrierte jeden Wirbel, der mit den vereinzelten Flaumhärchen an Armen oder Beinen spielte. Nach einer kleinen Zeit-spanne mutierte sie. Wurde selbst ein Teil der Brise. Lies sich hinfort tragen, mit der Strömung hinaus aus der Grotte, direkt über den Ozean. In dieser Inkarnation war sie sich ihrer selbst nur rudimentär bewußt, aber sie spürte, dass sie der Sog schon dorthin führen würde, wo sie nach dem Weltenplan zu sein hatte.
Nach einiger Zeit, die sie nicht gemessen hatte, fühlte sie, dass es der Lauf der Dinge nun wollte, dass sie ihre physische Manifestation erneut veränderte. Sie ließ sich auf die Feuchtigkeit ein, die sie durchsetzte, und wandelte sich in Wassertropfen. Regnete vom Himmel herab, versickerte in Vulkanerde und floss durch die Lücken zwischen den Sandkörnchen abwärts. Für eine kleine Weile war sie Teil des Grundwassers, aber auch hier zog es sie voran in die Tiefe. Schließlich stieß sie auf harten Fels, plätscherte durch Spalten und Klüfte, immer noch weiter und weiter. Als sie unterirdische Gänge erreichte, in denen Lava floss, verdampfte sie nicht. Rann einfach an den glühenden Wänden entlang. Zwar spürte sie die zunehmende Hitze, ließ sich aber nicht davon beeindrucken: Nicht ihr Wille, nicht ihre Befindlichkeiten zählten, sondern derjenige des Universums.
Justament kroch ein merkwürdiges Wesen heran, das sich als eine Art großer Wurm mit dem „Kopf“ eines Polypen beschreiben ließe, einem monströsen Inger nicht unähnlich. Es suchte, die vermeintliche Pfütze mit seinen Tentakeln aufzulecken, wurde von der jedoch absorbiert, analysiert und wieder ins Freue entlassen. Hätte es ein Gehirn gehabt, hätte es sich vielleicht gewundert, was ihm gerade widerfahren war, aber so ringelte es sich einfach von dannen, und verschwand schließlich in einem der von geschmolzenem Gestein erfüllten Gänge. Fräulein d'Sorc jedoch hatte die Einzelheiten einer neuen Kreatur studiert, die es vielleicht einmal bis ins letzte Detail nachahmen würde. Es war nicht wirklich ein Tier gewesen, mehr eine Art Feuerdämon, aber dann auch wieder fleischlich… ein Verwandter jener chthonischen „Salamander“, die keine Molche waren. Es gab nicht viele Orte auf Magira, in denen man auf der-artige Entitäten stieß. Mindestens eine davon hatte den Ruf, in Bereiche hinab zu führen, an denen die Schöpfung endete. Wer auch immer die Welt erschaffen hatte, hatte sie nicht als unendlich konzipiert. Die Sery'de erkannte intuitiv, dass es sie just in diesen Randbereich ver-schlagen hatte.
Tatsächlich gelangte sie allmählich dorthin, wo das Werk welcher Götter auch immer auf-hörte. Wo die Natur endete, und sich immer wieder Portale ins Chaos auftaten. Anders als die meisten Sery'de hielt Monan Chaos, Dunkelheit und das Böse nicht für eine Einheit, sondern für drei unterschiedliche Phänomene, die ab und an mal gemeinsam auftraten. Denn auch Licht konnte chaotisch sein, und Ordnung böse Unterdrückung – Fräulein D'Sorc hatte es sich angewöhnt, alle Besonderheiten der Natur erst einmal vollkommen wertfrei zu betrachten. Ein Erdbeben etwa mochte Böses bewirken, doch selbst hatte es keinen Willen, Übles zu tun. Gleiches galt auch für das Chaos. Ja, irgendwann einmal war alle Schöpfung daraus kreiert worden, wie auch ein großer Teil der Magie hier seine Quelle hatte.
Monan versuchte nicht, sich in Chaos zu verwandeln, denn das wäre Formung, und das Wesen des Chaos ist es ja gerade, ungeformt zu sein. Auch ihre Fähigkeiten hatten Grenzen. So blieb sie weiter ein Flüssigkeitsfilm an der Höhlenwand, reflektierte das Glimmen und Fla-ckern des Magmas und harrte der Dinge, die da kommen mochten.
Sie musste nicht lange warten.
Eine der sich an unterschiedlichen Orten öffnenden und schließenden Durchgänge zum Nicht- Erschaffenen fing urplötzlich an zu fauchen. Schlug hin und her wie die Mündung eines außer Kontrolle geratenen Wasserschlauches. Spie ohne Vorwarnung ein Etwas aus, das wie ein viel zu groß geratener Halbling aussah. Mit großen, behaarten Füßen und einem silbrig-blonden Bart im roten Gesicht. Es fluchte in einer Sprache, die eigentlich nur hehre und sublime Worte kannte.
Das war der Moment, an dem die Sery'de wieder einmal ihre Gestalt wechselte. Diesmal wandelte sie sich in bloße Gedanken – Eine Form, die auch für sie nicht einfach anzunehmen war. Sie strömte in den Geist des Neuankömmlings. Erkannte Verwirrung. Er wußte weder, wie er hergekommen war, noch, wo er war. Zuletzt hatte er sich in der Gesellschaft eines „Be-lisario“ befunden, an einem ebenfalls unterirdischen Ort, der jedoch mehr den Grotten von E'sch T'hut Wiyr ähnelte, als diesen vulkanischen Gängen. Es war ein Wunder, dass er weder erstickte, noch verbrannte. Wenn Monan die Regungen seines arg verstörten Hirns richtig deutete, hörte er auf den Namen: „Harantor Adandil Errandir“.
Er hatte seltsame Bilder im Kopf, in denen Ringe, Türme, Grotten und gegrillte Maulwürfe vorkamen. Nichts davon deutete darauf hin, dass er mit den Sery'de zu tun haben könnte. Die Mehrzahl seiner geistigen Regungen befaßte sich mit der Hitze des Ortes, die auf seiner Haut, den Augen und sogar in seinen Lungen brannte. Sie drang tiefer in seine Erinnerungen und fand, wonach sie Ausschau gehalten hatte. Doch noch wußte sie nicht, was zu tun war. So wartete sie darauf, dass ihr die Vorsehung ein Zeichen gab.
„Es tut weh!“, brummte der Eingetroffene. Dabei nuschelte er aber derart in seinen Vollbart, dass es so klang wie: „E'sch T'hut Wiyr“.
Das war es, worauf sie gelauert hatte!
Im nächsten Moment entschlüpfte sie seinem Hirn, und nahm sogleich die Gestalt jenes sty-gischen Ungetüms an, das sie gerade eben noch hatte auflecken wollen. Der verblüffte Rie-senhobbit wußte gar nicht, wie ihm geschah, als sie ohne Vorwarnung vor ihm erschien, und ihn jäh im Stück verschluckte, aber ohne ihn zu verdauen. Diese „Salamander“- Würmer wa-ren robust genug, um sich durch die Erde hindurch an die Oberfläche durchzubohren, ohne dass etwas in ihrem Innern ein Leid zugefügt würde. Ja, auch Schläge und Tritte des zeternden Mageninhalts steckten sie ohne Weiteres weg. Trotzdem ließ sie ihren „Gast“ einschlafen. Nicht, um sich selbst zu schützen, sondern ihn: Die meisten Normalsterblichen vertrugen ei-nen längeren Aufenthalt im Gedärm eines Monstrums nicht ohne Schaden an Seele und Verstand. Nichtsdestotrotz vereinfachte es ihren Weg quer durch das Gestein. Auch wenn es für sie eine vollkommen neue Erfahrung war, dass ihr Gekröse vor Schnarchen vibrierte.
Doch kaum ans Tageslicht zurückgekehrt, stellte Monan fest, dass sie den Rest der Reise vermutlich kaum als beinloser Feuerdämon würde bewältigen können. Ein Drache war wohl am ehesten dazu geeignet, einen Pfundskerl wie Harantor über weite Strecken zu transportie-ren.
Als Lebewesen inkarnierte sie sich eher ungern. Lebewesen atmeten, und vernichteten mit jedem Luftholen unzählige Kleinstgeschöpfe. Sie gingen, und zertrampelten damit andere Kreaturen. Und sie bekamen Hunger, und wenn man sich nicht ständig von Milch und Obst ernährte, zog das den Tod von Tieren und Pflanzen nach sich. Töten war gut für den, dessen Magen leer war, aber böse für den, der ihn stopfen sollte. Fräulein d'Sorc war zu der Erkenn-nis gelangt, dass sie dem Licht am besten dienen konnte, wenn sie alles vermied, was anderen schaden konnte.
Als Wind oder Regen jedoch konnte sie nun mal keinen Riesenhobbit transportieren! Und als Tornado hätte sie vermutlich noch weit mehr Verwüstung angerichtet, denn als fliegendes Ungeheuer (und ihrem Passagier dazu noch arg durchgeschüttelt). dass sie nun irisierend schimmernde Schuppen und betörend schöne Augen hatte, hatte keine ästhetische Gründe: Sie verkörperte einfach den ersten Lindwurm, mit dem sie jemals zu tun gehabt hatte.
Der Flug tat ihr gut. Zu allen Seiten von Luft umgeben, fühlte sie sich eindeutig besser, als tief unter dem Erdboden. Sie ahnte, dass sie dort unten, so nahe am Chaos, hätte sterben können. Sie maß dem allerdings wenig Bedeutung bei: Der Willen des Universums war wichtiger als sie.
Schließlich näherte sie sich E'sch T'hut Wiyr, das von hier oben wie ein liebliches, unbewohntes Eiland aussah. Sie landete im Verheißenen Garten. Der Duft der Rosen hatte eine heilende und belebende Wirkung: Harantor würde gesund und erfrischt erwachen. Sie öffnete ihren Bauch, und ließ den Riesenhalbling sanft aus sich herausgleiten. Direkt in den Schatten einer gewaltigen Ulme, wo keine Pflanze unter seiner Auflast geknickt werden würde. Es hatte etwas Idyllisches, einen Hobbit inmitten der Natur ein Nickerchen halten zu sehen. Wenn alles gut ging, würde er seine Erlebnisse am Rande der Schöpfung für einen bloßen Traum halten (auch wenn Fräulein d'Sorc wußte, dass Träume ganz und gar nichts Eingebildetes waren).
Als ihr Körper wieder ihr eigener aus der Zeit vor der Bekehrung war, blieb nur noch eines zu tun: den Ersten zu informieren. Doch wenn sie das ganze Abenteuer auch nicht ermüdet hatte, so verspürte sie doch eine gewisse Erschöpfung, die daher rührte, dass ihre Aufgabe nun fast schon erfüllt war. So kehrte sie in ihre Höhle zurück, nahm erneut die Lotus- Position ein, murmelte stumm ihr Mantra vor sich hin und versank in Meditation. Ihr Geist löste sich von ihrem Leib und schwebte davon. Hin zu Lo'Thame, hin zu Rurerrunhor t’ar'darrunarr‘etar Taburararrh'egnar gar'rh Norrorrhbar, in die opalblaue Kristallkugel, die er in seinem Gewand verbarg.
Sie brauchte sich nicht erst bemerkbar zu machen: Er spürte ihre Präsenz und zog den Glas-ball hervor.
„Eradumahl zum Gruße!“, hieß er sie willkommen.
„Eradumahl zum Gruße!“, erwiderte sie. Für eine Sare'o'dan sah sie gar nicht mal schlecht aus mit ihrem kurzen Näschen, den vollen Lippen und den hohen Wangenknochen. Doch der Blick in ihren tiefliegenden Augen war so kalt und metallen, wie er es in Erinnerung hatte. So manchen gruselte ihre Gegenwart.
„Was kann ich für dich tun?“ – Diese Frage war mehr eine Floskel der Höflichkeit: Monan d'Sorc war nicht der Typ, der sich an jemanden wandte, weil er Hilfe brauchte.
„Es geht um das Loch in deiner Seele,“ sprach sie ohne weitere Einleitung.
„Welches Loch?“, wunderte er sich.
„Somnolar fehlt dir,“ fuhr sie fort, „Wer Entscheidungen trifft, der braucht den Zweifler. Braucht den Ratgeber, der seine Beschlüsse in Frage stellt. Denn er gibt Schutz vor der Selbstherrlichkeit, die das Böse in der Maske des Guten ist. Und er läßt dich Dinge sehen, für die du vielleicht blind gewesen bist.“
„Somnolar schläft,“ wandte Rurerrunhor ein, „Er und die seinen haben beschlossen, erst dann wieder zu uns zurückzukommen, wenn die Welt eine Bessere geworden ist. Seinen Wil-len zu mißachten, wäre die Selbstherrlichkeit, von der du gesprochen hast. Oder gedenkst du etwa, selbst in seine Fußstapfen zu treten?“
„Nein, o, Agmar!“ – Sie versuchte, zu lächeln, aber sie war nicht sehr geübt darin – „Meine Talente sind andere. Horche in dein Herz! Du kennst die Antwort bereits.“
Rurerrunhor ließ seinen Verstand schweigen: Argumenten war Monan d'Sorc selten zugänglich, wenn sie meinte, dem Schicksal selbst zu dienen. Er war der Erste, aber sie die Zweite. Also tat er, wie sie ihm gehießen. Lauschte in sich hinein. Er wußte nicht, warum er an eine Episode aus der Zeit denken mußte, als er durch Magira gewandert war, um zu erkunden, wie stark Gut und Böse waren. Auf der Insel der Elben, da hatte es diesen bärbeißigen Hühnerzüchter gegeben, der alles und jeden filettieren wollte. Einen Halbling von übermäßigem Wuchs, grimmig in Wort und Miene, aber eine ehrliche Haut durch und durch. Schon die Tatsache, dass er den Agmar als „Dagmar“ tituliert hatte, hatte erkennen lassen, wie wenig er auf Ämter und Titel gab. Rurerrunhor hatte eine ganze Nacht bei Bier und Yulepsen mit ihm über Licht und Dunkel diskutiert, und selbst, als die Lider schwer, und die Worte lallend wurden, war noch ein Geistesblitz auf den nächsten gefolgt. Unlängst erst, als der Kel'mey Creswyn seine Prüfung zum Cel'vey absolviert hatte, hatte er wieder an diesen knorrigen Riesenhobbit denken müssen.
Er wusste nicht, ob seine Gesprächspartnerin Telepathin war, auf jeden Fall war ihr bekannt, was er dachte, denn sie verkündete ihm mit ruhiger Stimme: „Er ist hier. Er, den die Vorsehung zum Vertreter des Menarh'kin bestimmt hatte.“
Die Lakunae zwischen den Silben waren eine Eigenart des Sery'lan (der Sprache der Sery'de). Zwei Leerstellen standen für ein Einatmen, so dass das nächste Teilwort beim Aussto-ßen des Odems gesprochen wurde. Drei Leerstellen dagegen spiegelten ein Ein- und Ausat-men wieder, so dass das Folgende dann inhalierend formuliert wurde.
„Und warum jetzt?“, wollte der Erste wissen.
„Ich weiß viel, aber das Schicksal weiß mehr“, räumte sie ein, „Viel, viel mehr!“
Dann verblaßte sie, und er wußte, dass sie nicht mehr meditierte, sondern eingenickt war. In den traumlosen Schlaf der Sery'de, der Jahrtausende währen konnte. Zurück blieb nur die leere Kugel in seiner Hand. Ihm war es nur recht: Wenn Monan d'Sorc wach war, bedeutete das zumeist, dass etwas Besonderes bevorstand. Es mochte auch ein Unheil sein…
Für ihn allerdings war es nun an der Zeit, sich um das zu kümmern, was sie da angeschleppt hatte.
Monans Mission
Flensburg,
in den Nächten zum 20 und zum 22. August 2016