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DIE NASE EINES HELDEN

Magirian Wonder TaleDIE  NASE  EINES  HELDEN

Felicianus nahm das in speckiges Leder gebundene Buch zur Hand und schlug es an der von ihm markierten Stelle auf. Aber bevor er sich seiner Lektüre widmen konnte sprang ein fauchendes Etwas in seinen Schoß, was ihn vor lauter Schrecken das Buch fallen und einen quakenden Laut der Überraschung ausstoßen ließ. Die schlanke Katzengestalt schnurrte zufrieden und verwandelte sich in ihre humanoide Sery’denform zurück.

„THAVALINA - bei Eradumahl - ich hätte mir fast die Kutte genässt! Wann wirst du endlich mit diesen  neckischen Scherzen aufhören und dich gemäß deinem Status benehmen?“ wetterte der Sery’de.

„Solange du weiterhin so herrlich zusammenzucken wirst, werde ich mir diesen Zeitvertreib wohl nicht verkneifen können, Felicianus.“ grinste Thavalina, und dabei blitzten ihre Augen schelmisch auf.

 

„Was willst du dir denn zu Gemüte führen?“ wollte sie wissen und wies auf das Buch.

„Ach das... das ist eine der Niederschriften des Rag`nar Non’Shavved.“

„Non’Shavved - ist das nicht dieser betrügerische Halunke, den die Thuata einmal vierteilen lassen wollten und der den Tibriri eine Läusepest bescherte?“

„Nicht nur das - Rag’nar hat es sich wohl mit jedem Stadtstadt und Volksstamm auf Ceresidon verscherzt. Er betätigte sich laut unseren Unterlagen als Heiratsschwindler, fliegender Händler, Alchimist, Kriegsminister und Dieb. Den Vogel schoß er ab, als er eine religiöse Gemeinde mit von ihm erfundenen Götzen gründen und die er entsprechend wuchermäßig besteuern wollte.“

„Nicht zu fassen. Man kann kaum glauben, daß Sery’denblut in diesem Taugenichts fließt.“

„Na ja, wir wollen mal nicht zu hart über ihn urteilen. Es gibt durchaus bestätigte Informationen, daß er einige Taten wirkte, die im Sinne Eradumahls waren - wenn diese Aktionen auch eher beiläufig zustande kamen. Ja er war sogar einmal als Kel’mey ausersonnen...“

„Welcher Trottel von Tschwerwak würde einen Schurken von Non’Shavved’s Format zum Kel’mey ersinnen?“ brauste Thavalina auf, wobei sich eine Gewitterfront an Zornesfalten auf ihrer Stirn kräuselte.

„Sag es mir nicht - ich kann es mir schon denken...“ seufzte sie.

„Ja - wie du es dir vielleicht schon dachtest war es Feludiyn Tarrbalash.“

„Wie konnte das Konzil nur eine solche Nervensäge zum Tscherwak bestimmen?“

„Nun, erzähl’ es niemandem weiter, aber es geht das Gerücht, daß Feludyin Rurerrunhor auf Ceresidon einmal das Leben gerettet hat...“

„Feludyin - dieser schleimige Gnom hat doch zwei linke Hände. Wie soll eine solche Trantüte jemandem das Leben retten? Etwa mit seinem unermüdlichen Mundwerk?“

„So ähnlich...jedenfalls stand Rurerrunhor in seiner Schuld, und Feludyin wurde nicht müßig es ihm bei jeder Gelegenheit unter die Nase zu reiben. Feludyin lag ihm ständig in den Ohren, und dem Agmar lag diese Angelegenheit schließlich schwer im Magen.“

„Rurerrunhor, diesem Urgestein an stoischer Gemütsruhe...“ staunte Thavalina.

Felicianus lächelte süffisant.

„Rurerrunhor klagte zuletzt über Kopf- und Ohrenschmerzen. Sogar die Nase begann ihm zu laufen - hast du jemals Rurerrunhors Nasen laufen sehen...“

„Nein..“ Thavalinas Augen wurden groß - einen verrotzen Rurerrunhor konnte sie sich beim besten

Willen nicht vorstellen.

„ Schließlich bettelte der Agmar das Konzil förmlich an, Feludyin mit einer Aufgabe zu belegen, und so ernannte man ihn zum Tscherwak.“

„Beim Duft aller Rosen - ich kann mir nicht ersinnen, was Feludyin für eine besondere Fähigkeit besitzen sollte, die ihn zum Tscherwak prädestiniert...“

Felicianus lachte nun laut auf.

„Weißt du wirklich nicht, welchen Titel Feludyin vom Konzil erhielt?!“

„Neeeiiiin. Sag schon...“ grummelte Thavlina.

„Feludyin ist für jetzt und immerdar der ‘Tscherwak des überdurchschnittlichen Geruchsinns’.“

Thavalina prustete los und auch Felicianus ließ noch einmal sein grollendes Lachen ertönen.

„Bei der Ersten Rose - wie verzweifelt muß man sein, um so etwas zu konstruieren?“

„Sehr verzweifelt, Thavalina - glaub’ mir - sehr verzweifelt.“

                                                                *

Felicianus hatte Thavalina neugierig gemacht, und so entnahm sie am Abend aus dem Saal der Bücher einen entsprechenden Band, ging zu ihrer Liegestatt und begann zu lesen...

                                                                *

Ich wachte am Morgen in einem Stall auf. Das Stroh kitzelte meine Nase ,und ein blendender Sonnenstrahl, der sich durch die Dachritzen schlängelte, maletrierte meine Lider.

Ein durchdringendes Gähnen wollte meinem Rachen entfleuchen, aber etwas Längliches

das meinen Zähnen rückgelagert war, versperrte dem den Weg. Meine Zunge befühlte sinnend jenes Ding, und schließlich zog ich es aus dem Mund hervor.

Es entpuppte sich als Nagetierschwanz, von Länge und Farbgebung ausgehend konnte man diesen Endkörper wohl der gewöhnlichen Feldmaus zuordnen.

Grübelnd betastete ich meine Bauchdecke und fragte mich wieviel Nager ich denn letzte Nacht verputzt hatte, denn allzu viele Mäuse konnten meine Verdauung ziemlich durcheinanderwirbeln, was aggressive Magenschmerzen und fortdauernden Durchfall zur Folge hätte.

Nun fragt Ihr Euch sicherlich, geneigter Leser jener Zeilen, ob denn bei mir noch alles so seine Richtigkeit hat in meinem Oberstübchen - schließlich mögen die grauen Erdnager gerade noch auf dem Speiseplan der Tibiri stehen, und dem gemeinen Menschenbürger sich in Aussicht eines solchen Mahls vor Graus die Augäpfel kugeln.

Nur bin ich eben nicht dem gemeinen Menschenvolk zuzurechnen, da ich halbblütigerweise ein Sery’den-Sproß bin.

Mein Vater, unbekannterweise, hatte meine Mutter, bekannterweise, eines schönen Nachmittags bei der sommerlichen Heuernte mit seiner urplötzlichen Aufwartung beglückt, und sie dortig ohne viel Federlesen aber mit einer zaubermäßigen Becircung geschwängert.  Er machte sich mit entsprechendem großspurigen Trara hinternach aus dem Staub und ward nicht mehr gesehen.

Ich, als Ergebnis einer etwas hektisch turbulent unterbrochenen Heuernte, kam also vaterlos zur Welt, wurde auch weiterhin vaterlos von meiner tapferen Mutter großgezogen und baldigst über meinen sich hurtig verkrümmelnden und eindeutig vaterunwilligen Erzeuger aufgeklärt. Anzumerken sei hierbei, daß ich von der tatsächlich mysthischen Herkunft meines Vaters zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung hatte. Meine Mutter wußte zwar von einigen sonderlichen Verzerrungen im Erscheinungesbild meines Vaters zu berichten, doch schrieb sie dies ihrer unmittelbaren erotischen Berauschtheit zu. Außerdem wußte man ein derartiges Wesen, wie es mein Vater verkörperte, nicht eindeutig zu definieren.

Im Laufe meiner Adoleszenz paarten sich zu meinen Pickeln und dem drängenden Zucken in der Unterhose fürwahr merkwürdige Vorkommnisse. Oftmals wuchs mir beim Anblick von Katzen selbst ein Katzenfell. Dann wieder, wenn ich mich mit unserem Haushund Wotanus abgab, wurde ich von einer auf mich einbrausenden Geruchswelt heimgesucht, die mich letztendlich von den Beinen riß. Derart intensiv und klar die gerüchliche Außenwelt wahrzunehmen war einer humanoiden Nase kaum zuzumuten. Es kam schließlich gar so weit, daß ich von einem im Nachbarhaus gelassenen Furz das ursprüngliche Mahl, das zu dessen Entstehung geführt hatte, herbeizitieren konnte.

Letztendlich verwandelte ich mich eines nachts vollends in eine Tiergestalt und erkundete derart, was die faunische Welt mir zu bieten hatte. Mit der Zeit lernte ich immer sicherer und zeitunabhängiger die Gestalt zu wandeln, lediglich einige spezielle Tierformen schienen mir verwehrt zu bleiben, was ich auf mein leidiges Hybridentum zurückführte.

Aber nicht nur das durchaus interessante Gestaltwandeln beglückte mich als Gabenform, auch stellte ich fest, daß mich speziell in Vollmondzeiten Wahrträume anheimsuchten.

Ferner stellte ich beim Kartenspiel mit meinen damaligen Kumpanen fest, daß ich manchmal deren Gedanken regelrecht erlauschen konnte (was ihrer Geldkatze überaus abträglich war), was aber mit einem Höchstmaß an Konzentration und übermäßigen Schweißausbrüchen meinerseits verbunden war, und mir den Beinamen Schwitzehand einbrachte.

Solcherart ausgestattet begann ich schon frühzeitig aus meinen ererbten Gaben Kapital zu schlagen. Ich richtete mir in einem dörflichen Anwesen, welches idealerweise zwischen den beiden wohlhabenden Handelsstädten Bal’Shadad und Korxania lag, eine Praxis ein, die profanerweise von einigen abergläubischen Narren als Hexenhöhle tituliert wurde. Ich bezeichnete mich dahingehend eher als Weiser oder Ratgeber in intimgelagerten Angelegenheiten. So hatte auch das Schild, welches über meiner Praxis prangte, einen gutbürgerlichen Unterton:

                           RAG’NAR NON’SHAVVED

                      Administrator in allen Lebenslagen

    (ab dem 2.Shaeggys Sondertarife in Herzensangelegenheiten)

Ich darf wohl sagen, daß mein Geschäft zunehmend florierte, da ich meine zusätzlichen Sinne immer geschmeidiger handzuhaben wußte. Und da jeder Bittsteller eigentlich nur das hören will, was er sich auch insgeheim ersehnt, war es ein Leichtes für mich dem nachzukommen. Auch mein Privatleben gestaltete sich dank meiner gestaltwandlerischen Attribute recht angenehm. Zwar mochte mir eine humanoide Wechselform nicht recht gelingen, dafür gereichten mir die Tierkörper zur Genüge, so ich nach diversen amourösen Intermezzi umgehend in Tiergestalt das Weite suchen konnte, ohne schmalztriefende Abschiedsszenarien abgeben zu müssen.

Jedoch geschah es so manches Mal, daß ich in der Hektik des Geschehens schon einmal die Tiergestalt, welche ich ersann, verfehlte. So erinnere ich mich an eine Begebenheit, als ich nach vollendeter Entjungferung einer wohlgestalteten Maid Fersengeld geben mußte, da dem Väterchen jegliches Verständnis für einen vorehelichen Geschlechtsakt fehlte, und er mir derb mit einem Axtstiel eins überbraten wollte. Wohl des Schreckens über sein urplötzlichen Auftauchens wegen, verwandelte ich mich statt in eine flinkbeinige Katze in eine stummelbeinige Schildkröte. Der rotgesichtige Wüterich kam nur noch mehr in Rage, als er mich schneckengleich fortkrabbeln sah, packte mich am Panzer und versuchte diesen mir abzuschälen, was er dann trotz seiner Bärenkräfte aber nicht schaffte. Dadurch nur noch mehr gereizt begann er hernach wutschnaubend und berserkergleich mich mit aller Gewalt gegen diverse Gegenstände und Wände zu schmettern, was mir im Nachhinein ein fürchterliches Schädelbrausen bescherte. Als er innehalten mußte, um sich Zange und Meißel aus einer nahgelegenen Schmiede zu borgen um mich regelrecht aufzuhebeln, gelang es mir mich in seiner Abwesenheit in einen geschunden anmutenden Iltis zu verformen und somit windeseilend zu entkommen.

So sei anzumerken, daß man, trotz aller übersinnlich klassifizierten Fähigkeiten vor Überraschungen aller Art nicht gefeit ist.

                                                                       *

Kommen wir aber wieder auf die eingangs erwähnte Szene im morgendlichen Stall zurück.

Ich schnippte den irritierenden Mäuseschwanz fort, erhob mich und klopfte mir das Stroh von den Kleidern. Trotz oder gar wegen des nächlichen Mäuseschmauses grummelte mein Magen, was immer ein schlechtes Anzeichen war. Ich gedachte ,um dem beruhigend entgegenzuwirken, einen ausreichenden Trunk heißer fetter Milch zu mir zu nehmen. Also machte ich mich auf den Weg zur nächstgelegenen Schenke.

Auf den Straßen Bal’Shaddads herrschte einiger Trubel, was eigentlich nicht zu einer derart frühen Tagesstunde passen mochte. Die dort befindliche Bürgerschaft war in hohem Maße aufgeregt, ja direkt euphorisch. Man gestikulierte wild herum, schnatterte beglückt ,und so manch einer wies immer wieder in Richtung Korxiana.

Ich fragte mich, ob die Herren Stadtväter wohl wieder einmal ein kriegerisches Scharmützel mit unserer Nachbarstadt auszufechten gedachten. Die zwischen Bal’Shaddad und Korxiana herrschende Rivalität war zwar nicht gerade legendär, doch gereichte sie für einige amüsante Anekdoten, die ich hier aber nicht näher erläutern möchte.

Da ich meine wohl ererbte Neugierde stets kaum zu zügeln vermochte, packte ich einen Bürger, der etwas weniger dämlich als der Durchschnitt wirkte, am Arm und zog ihn beiseite.

„Sagt guter Freund, was ist dies für ein Brimborium. Steht wieder mal ein ruhmreicher Krieg mit der vermaledeiten Nachbarstadt an? Oder sind gar die Rauchgraspreise gefallen?“ fragte ich ihn mit erlesener Höflichkeit in der Stimme.

„Ach was Krieg - obwohl diese eingebildeten Korxianer eigentlich mal wieder Eins auf den Helm bräuchten - aber nein - es geht das Gerücht, daß der hochwohlgeborene Heldensucher und -former Feludyin Tarrbalash sich dazu herabgelassen hat einen Streiter des Lichts aus unseren beiden Städten zu erwählen. Ist das nicht wunderbar?!“ griente er mir entgegen, wobei ich einen angeekelten Blick auf die Reste seines Frühstücks ertragen mußte, das zwischen seinen schiefen Zähnen klebte.

„Nun ist es so, daß die Räte und Weisen beider Städte folgendermaßen übereinkamen,  daß man die zwei tapfersten und stärksten Recken von Bal’Shaddad und Korxiana in einem ehrenvollen Duell gegeneinander kämpfen läßt, um dem ehrenwerten Herrn Tarrbalash ein unnötiges Aussortieren zu ersparen.“ Der Bürger prustete und griente in einer solch überschwenglichen Begeisterung, daß ich fürchtete seine Augen würden aus den Höhlen springen und seine Nase platzen.

„Hm, mir ist schon so manches Gerücht über den unbestreitbar ehrenwerten Herrn Tarrbalash zu Ohren gekommen. Von  Waffenkunst war darin nicht die Rede. Seine Interessen schienen weit anderer Natur. Wie könnt’ Ihr daher annehmen, daß Herr Tarrbalsh danach trachtet hier einen Lehrling des Fechthandwerks zu werben?“ fragte ich den Schnaufer ehrlich interessiert.

„Guter Herr, es ist doch auf Ceresidon weit und breit bekannt, daß Bal’Shaddad ein überschäumender Quell an exzellenten Hauern und Stechern ist. Und auch Korxiana rühmt sich

gern, daß man dort einige Meisterfechter hervorgebracht hat, was natürlich blanker Unsinn ist - aber lassen wir diesen Dummbeuteln ihre Illusionen. UNSER Mann wird seinen Kontrahenten natürlich in Stücke hacken - keine Frage.“ Ich konnte nicht fassen, daß ein Mensch derartig breit grinsen konnte. Sein Mund schien sich nun um seinen gesamten Hals zu wölben, und dabei begann auch noch vor lauter Freude seine Nase zu laufen.

„Natürlich - das steht außer Frage.“  gab ich ihm vollmundig recht - einem Bal’Shaddianer, der vor schierer Euphorie knapp vor der Explosion stand, sollte man wohlweislich nie widersprechen. Was ich wirklich von dieser Schnapsidee hielt, stand auf einem ganz anderen Blatt. Sowohl Bal’Shaddianer als auch Korxianer waren für ihre Überschwenglichkeit als auch für ihren Lokalpatriotismus bekannt. Was aber auch kein Geheimnis ist, da beide Bürgerschaften nicht allzu viel im Oberstübchen zu bieten haben. Somit konnte es durchaus sein, daß das veranschlagte Blutvergießen (und dazu würde es mit Sicherheit kommen, wenn man die unverhohlene Abneigung beider Bürgerschaften zueinander bedachte) für die Katz wäre.

                                                                  *

Zwei Tage später hatte ich diese Angelegenheit schon fast wieder vergessen, da erhielt ich am frühen Abend Besuch. Ich hatte immer noch einen unterschwelligen Mäusegeschmack

im Gaumen und versuchte diesem energisch mit Brathuhn und Knödeln entgegenzuwirken, als es zaghaft an meiner Praxistür klopfte. Also ließ ich das Huhn samt Knödel kalt werden und öffnete etwas vergrämt die Tür. Eine Frau in den mittleren Jahren grüßte mich etwas verschämt und huschte herein - mein etwas dünkelhafter Ruf tat hier sein Übriges.

„Verzeiht die späte Störung werter Meister.“ piepste sie.

Ich winkte ab - Klienten konnte man immer gebrauchen - auch wenn der Magen protestierte.

„Womit kann ich Euch dienen, gute Frau.“ Ich verzichtete auf eine heuchlerische Anrede, wie ich sie sonstig benutzte, da ich sie aufgrund ihrer lediglich mittelständischen Aufmachung schnell einzuschätzen wußte.

„Wie Euch sicherlich bekannt sein dürfte, Meister Non’Shavved, findet in 2 Tagen der große Kampf statt, der entscheidet, welche Stadt den Novizen für den hochmeisterlichen Herrn Tarrbalsh stellen darf.“ säuselte sie und blinzelte mich an wie das Kaninchen vor der Schlange.

„Mein Sohn nun, der brave Shlugg, ist vom Rat der Stadt dazu auserkoren worden, dem nichtswürdigen Abkömmling Korxianas den Schädel einzuschlagen.“ Bei diesen Worten klang sie nicht mehr sehr schüchtern - ihr Tonfall hatte einen mit patriotischer Schärfe gewürzten Unterton.

„Na da wünsche ich doch dem braven Shlugg viel Glück bei seiner Mission. Und welchen Rat erbittet Ihr nun hinsichtlich dessen?“

Sie brummelte und nöhlte etwas verschämt, doch schließlich gluckerte eine Antwort aus ihr hervor.

„Es ist so, daß ich selbstredend weiß, daß Shlugg ein viele tausendmal besserer Fechter und Hauer , als der großnasige Korxianer ist (Korxianer haben im allgemeinen erheblich größere Nasen als der durchschnittliche Ceresidoner, ob dies einer natürlichen Auslese zugute zu halten ist, weiß ich freilich nicht, nur spielen die Bal’Shaddianer nur allzu gern auf die gewichtigen Riechkolben ihrer Nachbarn an), bloß kann es doch sein, daß dieser Unhold vielleicht einen Glückstreffer landen kann, oder mein guter lieber Shlugg gerät wegen einem Steinchen ins Straucheln, und dann ist er tot, für immer von mir genommen, aus meinem Herzen gestohlen, der liebe liebe Shlugg.“

„Hm, ja, das kann durchaus passieren. Ich habe schon mehreren Duellen beisehen können, und nicht immer hat auch der versiertere Kämpfer überlebt. Man braucht nur in einer Lache seines eigenen Blutes auszurutschen und schon tranchiert einen der Kontrahent wie einen Fasan zum Erntedank.“

Das hätte ich besser etwas rücksichtsvoller formuliert, denn daraufhin brach sie in einen kaum mehr menschlich zu nennenden Plärr-und Weinkrampf aus, und ich hatte gut zu tun sie wieder zu beruhigen.

Mir war schon ganz schwindlig ob der Lautstärke ihres Gekläffs, als sie -Fladuul sei Dank- in blubberndes Schniefen verfiel und dabei gekonnt und überaus geräuschvoll den Rotz die Nase hochzog. Solchermaßen wieder gesprächsbereit pustete sie die Schaumblasen, die sich mittlerweile gebildet hatten von ihren Lippen.

„Ich will nicht, daß meinem herzensguten lieben Shlugg etwas Arges widerfährt. Meister, könnt ihr nicht von Eurer überbrandenden Weisheit nippen und dafür sorgen, daß meinem teuren Shlugg kein Haar gekrümmt wird und er dennoch ein Erwählter wird?“

„Hm, natürlich kann ich nippen und wie ich nippen kann, aber ich komme nicht umhin, zu erwähnen, daß mir bei einer derart komplizierten Angelegenheit etwaige Kosten entstehen, ihr versteht dies gewiß, gute Frau.“ hüstelte ich und versuchte dabei einen möglichst geplagten Eindruck zu erwecken.

„Es soll euer Schade nicht sein.“ grunzte sie in einem Tonfall gleichermaßen simulierter Geplagtheit zurück, wobei sie mir gleichzeitig ein Ledersäckchen klimpernden Inhalts über den Tisch zuschob.

Ich wog das Säckchen grübelnd in meiner Hand und legte dabei die Stirn in bedauernde Falten.

„Ich will euch natürlich nicht unnötig belasten, meine Guteste, aber da es ja um Wohl und Wehe des lieben guten Shlugg geht und ihr euch seiner absoluten körperlichen Unversehrtheit versichern wollt, komme ich nicht umhin den finanziellen Aufwand für eine derart sensible Angelegenheit ein wenig höher anzusetzen, was ihr mit eurem faszinierend ausgeprägten Gespür für die Situation gewiß einsehen werdet.“

Die Dame grunzte etwas unwillig, nuschelte vielleicht sogar eine kleine Verwünschung und überreichte mir dann trotzdem ein weiteres Ledersäckchen, schließlich ging es ja um den lieben guten Shlugg.

„Ich denke, daß eine derartige Vergütung alle eventuell auftretenden Komplikationen im Keim ersticken wird und ich euch somit eine Garantie auf die Unversehrtheit eures Sohnes geben kann.“

Wir machten beide das uralte Handzeichen, das papierlose Verträge besiegelt und wünschten uns noch einen guten Tag. Als ich sie zur Tür führte, vermeinte ich sie die unschönen Worte ‘Halsabschneider’ und ‘Tagedieb’ zischen zu hören, was mich dazu veranlasste ihr zum Abschied ein aufrichtig gemeintes ‘Geizhals’ zuzuraunen.

                                                                          *

Warum hat es mich wohl nicht verwundert, daß ich Stunden später, einen gleichermaßen gearteten Besuch empfangen konnte. Eine weitere Mutter, unzweifelhaft großnasiger, aber mit derselben Mutterliebe und dem gleichen Geiz ausgestattet, schilderte mir ihre Bedenken aus korxianischer Sichtweise. Wieder wurde viel gejammert und lamentiert und wieder wechselten zwei gutgefüllte Lederbeutel ihren Besitzer. Zumindest hatte diese Mutter den Anstand versteckte Beleidigungen in ihrem Gesäusel zu vermeiden. Und so trennte ich mich von dieser Dame schon fast herzlich und mit der überzeugenden Versicherung ihrem Sprößling Gustaffus (auch ein lieber und guter)  die körperliche Unversehrtheit zu bewahren.

                                                                        *

Mein Plan stand glasklar vor meinem geistigen Auge, und ich machte mich auch flugs daran ihn auszuführen. Am nächsten Morgen fand ich mich in der städtischen Waffenmeisterei Bal’Shaddad’s ein, wie so viele Neugierige auch.

Da Rüstzeug und Waffen eine durchaus kostspielige Angelegenheit sind und der Erwählte nicht zum begüterten Adel zählte (der Adel kämpft nicht besonders gern, wenn der Ausgang des Kampfes nicht zur eigenen Bereicherung dient), mußte die Stadtkasse zur Finanzierung von Shluggs Ausrüstung herhalten. Der hierfür herangezogene Beamte, dem die Verwaltung des Rüst-Etats oblag, schaute bei jeder neuen Brust-und Armschiene immer jammervoller drein. Er kritzelte mit seinem Griffel hektisch auf seinen mitgebrachten Listen herum, und wühlte hernach kummervoll in seinen spärlichen Haaren herum.

„Müssen wir wirklich ein derart langes Schwert erstehen - ich meine, würde ein kleines handliches und etwas billigeres Schwert nicht die selbe tödliche Arbeit verrichten können.“ schnatterte der Beamte erwartungsvoll und brachte mit der Rechten wieder ein paar Haarsträhnen zum Abstehen.

„Bei den sieben wogenden Titten der grünen Meerhexe, verdammter Bürokrat, warum schickst du mich nicht gleich mit einem Buttermesser aufs Turnierfeld. Oder noch besser, gib’ mir einen gehärteten Holzspan zur Seite, vielleicht kann ich den korxianischen Schlagetod damit bewußtlos kitzeln.“ fauchte der liebe gute Shlugg.

Seinem Äußeren nach zu urteilen hatte der Stadtrat mit Shlugg eine gute Wahl getroffen.

Er war fast sieben Fuß groß, breit wie ein Bär, hatte suppentellergleiche Pranken und eine derart verkommen häßliche Visage, daß es den hartgesottensten Schläger bei dessen Anblick in die Flucht trieb. Seine brandrote Gesichtsfarbe verdeckte fast seine Unmenge an Sommersprossen, die sich die narbige Haut gerechterweise mit den fast schon ordentlich plazierten Pickeln teilten.

„Ich will ein Schwert, mit dem ich eine ausgewachsene Eiche zu spalten vermag.“ donnerte sein tiefer Bass, worauf hin sich der Federfuchser eingeschüchtert duckte.

„Hier ist eine Klinge, die deinem Ansinnen gerecht wird, Shlugg, ich nenne sie Donnerbalken.“ preiste der Waffenmeister ein monströs gearbeitetes Schwert, dessen Massivität einen schon vom Anblick ins Schwitzen brachte.

„Ja - genau der richtige Begleiter für mich.“ raunzte Shlugg.

Der Beamte schielte daraufhin kurz auf seine Preisliste.

„Dann werden wir aber ein deutlich billigeres Modell des Morgensterns nehmen müssen.“

Shlugg grunzte unwillig und wildschweingleich, was wohl bekunden sollte, daß er eine solche Maßnahme keinesfalls hinnehmen wolle.

Nun war es an der Zeit, daß ich mich gewinnend in den Ablauf der Geschehnisse einschalten sollte, war es doch der ideale Moment mit unterbewußter Manipulation zu beginnen.

„Es ist eine rechte Schande, wenn unser aller Kämpe, der Vertreter der Ehre Bal’Shaddads nicht mit den besten Waffen und Rüstteilen, die unsere Stadt zu bieten hat, ausgestattet werden darf, weil so ein knausriger Beamtenbüttel den Fuß nicht vom Geldsack nimmt.“

Ein zustimmendes Gegröhle erhob sich - ich hatte den richtigen Ton getroffen.

„Würde mich nicht wundern, wenn der Pinsel von irgendwelchen korxianischen Melonennasen eine fette Geldkatze zugesteckt bekommen hätte, damit unser Heros, der tapfere Shlugg, nicht die Ausrüstung zugesprochen bekommt, mit der er die besten Chancen auf den Sieg hat.“

Das reichte - die Kiebitze packten den quietschenden Beamten, nahmen ihm die in seine

Obhut anvertraute Stadtkasse ab und sperrten den armen Tropf in eine rustikale Waffentruhe.

Mir wurde, ob meiner entschlossen vorgebrachten Meinung bestätigend auf die Schultern geklopft und zu meinem Standpunkt gratuliert.

„Ihr seid ein rechter Bürger Bal’Shaddads, ein Mann mit dem Herzen auf dem richtigen Fleck.“ brummte der liebe gute Shlugg, und somit hatte ich einen Stein bei ihm im Brett.

Ich assistierte fortan bei der weiteren Ausrüstung des Helden, plädierte für doppelwandige Kettenhemden, gelenkumschließende Arm-und Beinschienen und  für ein wahres Monstrum an Brustpanzer, dessen Gewicht einen Ochsen in die Knie gezwungen hätte.

„Nehmt den Helm mit dem schmalsten Sichtschlitz, edler Recke - der Kopf ist am verwundbarsten und darf möglichst wenig Angriffsfläche bieten. Ich rate euch diese groben Schlitze an der unteren Partie des Visiers mit dornenbesetzten Spangen zu versiegeln - eine schmale Klinge könnte hindurchreichen und sich in euren Schlund bohren.“

„Aber wenn wir diese Schlitze versiegeln, wird man meine Worte, ja mein Kampfgetöse nicht mehr vernehmen können...“ wandte Shlugg ein, dem dergleichen äußerst wichtig erschien.

„Ihr sollt keine schöngeistigen Reden , sondern die Klinge schwingen. Diese Schlitze sind eine Schwachstelle, die es auszumerzen gilt.“ hielt ich dem mit fachmännischer Miene entgegen und legte dem Koloss kumpelhaft meine Hand auf die Schulter.

Die wenigen grauen Zellen hinter seiner flachen Stirn schienen gequält aufzustöhnen, als er versuchte dies wenigstens ansatzweise zu überdenken.

„Hm, ich schätze ihr habt recht, Kamerad. Ich werde dieser Kartoffelnase keine Gelegenheit bieten mich mit einem Glückstreffer zu überwinden.“

„Das ist die richtige Einstellung, guter Shlugg.“ grinste ich und klopfte weiterhin auf seine sitzbankähnliche Schulter.

Somit wurde Shlugg, der Kühne, mit einer irrsinnig anmutenden Menge an Blech, Stahl, Watte und Holzschienen ausgepuffert, die scheinbar den Zweck hatte ihn zu einem unzerstörbaren Klumpen zu formen.

                                                                   *

Beinahe die exakt selben Szenen und Dialoge spielten sich drei Stunden später in Korxania ab. Lediglich der städtische Finanzhüter war etwas großzügiger und mußte somit nicht in einer Waffentruhe verstaut werden. Es war mir tatsächlich auch gelungen mit meinen Formwandlerkräften meine Nase so zu weiten, daß sie mit dem gängigen korxanischen Modell konkurrieren konnte und ich somit einen passablen großspurigen Korxianer abgab.

Selbst Gustaffus war noch ein paar Takte tumber, als Shlugg, was ich kaum für möglich gehalten hätte, so daß ich noch leichteres Spiel mit diesem Helden hatte.

Somit konnte der großartige Zweikampf zwischen diesen beiden Musterexemplaren an Heroismus  über die Bühne gehen.

                                                                   *

Also kam der Tag der Entscheidung. Man wählte ein riesiges freies Feld zwischen den Städten als Austragungsort und veranstaltete ein richtiggehendes Volksfest, wobei die nasendifferierenden Bürgerschaften ihre Vorurteile einmal beiseite legten und sich gemeinschaftlich zu amüsieren suchten.

Eine große Blaskapelle intonierte eine speziell zu diesem Ereignis komponierte Hymne, die man, wohl aus echter Überzeugung, völlig schief blies, was wiederum einen eigentümlich rührseligen Charme hatte.

Beide Stadtoberhäupter hielten hausbackene Reden, wobei man sich immer wieder den größten gegenseitigen Respekt versicherte und sich die Nasenanspielungen in Grenzen hielten.

Die Lebensgeschichten und Ahnenreihen beider Kämpen wurde von einem näselnden Redner eingehend vorgetragen ,und hernach betraten die Recken das Turnierfeld.

Das heißt, ganz ohne Hilfe konnten sie dieses dann doch nicht erreichen, da sie in dermaßen viel Rüstzeug gewandet waren, daß sie beide annähernd Kugelform angenommen hatten. Jeweils zwei Helfer stützten die wagemutigen Kämpfer, damit sie nicht vor der eigentlichen Konfrontation umfielen. Als man die beiden Kampfmaschinen in eine derartige Position gebracht hatte, daß sie sich mit ihrem Tötungswerkzeug erreichen konnten, flitzten die Helfer beiseite.

Der eigentliche Kampf dauerte nicht allzu lange, vielleicht 30 Herzschläge, etwas mehr oder weniger. Anfangs hatten beide damit zu tun beim Schwungholen ihrer Klingen nicht gleich umzufallen. Als die Schwerter dann nach mehreren Anläufen endlich ein Ziel fanden, begannen die Heroen auch schon schwer an zu keuchen, schließlich waren ihre Rüstungen, bis auf die winzigen Sichtschlitze fast luftdicht versiegelt. Dieser schmalen Sichtschlitze wegen, konnten die beiden sich auch kaum sehen, so daß ihre Klingen mehrmals nur die warme Frühlingsluft zerteilten.

Wie gesagt, derart limitiert, ging das Duell recht flott zu Ende, da beide einen Hitzschlag bekamen und fast zeitgleich aus den gepanzerten Latschen kippten.

Ich klopfte mir im Geiste schon selbst auf die Schulter, eingedenk meiner füchsischen Schläue, als der Turnierarzt zu bedeuten gab, daß der Korxianer Gustaffus den Löffel abgegeben hätte.

Ungläubig drängte ich mich ans Turnierfeld, und tatsächlich, da lag Gustaffus, mit hervorquellenden Augen und heraushängender Zunge, die salatgurkengroße Nase schon ganz blau angelaufen, während sich der tapfere Shlugg etwas käsig wieder hochrappelte.

Ohrenbetäubender Jubel brandete bei den Bal’Shaddadianern auf, wohingegen sich die Korxianer in Grummeln und Jammern flüchteten.

Ich machte mich schleunigst aus dem Staub, da eine gewisse korxianische Mutter eifrig Ausschau nach mir hielt, in ihrem Schlepptau eine Rotte bösartig wirkender Gesellen, die allesamt im Erscheinungsbild dem dahingeschiedenen Gustaffus ähnelten.

Bevor sich diese erhitzten Gemüter zu unüberlegten Gewaltakten an meiner Person hinreissen lassen konnten, war ich in der Zuschauermenge untergetaucht.

                                                             *

Zu Hause angekommen, machte ich mich umgehend reisefertig, da die Korxianer im Allgemeinen als ein etwas nachtragendes Völkchen bekannt sind, und sie sich in ihrem Zorn bestimmt nicht von meiner nur läppisch gesicherten Haustür aufhalten liessen.

Eigentlich konnte ich diese guten Leute nicht verstehen, schließlich hatte ich doch alles mir mögliche getan, um Blutvergiessen in dieser Angelegenheit zu vermeiden.

Daß der gute Gustaffus einen dermaßen schlechten Kreislauf sein eigen nennen durfte und ihn ein lapidarer Hitzschlag dahinraffte, konnte ich nun wirklich nicht ahnen.

Ich schulterte mein geschnürtes Bündel, warf meinem Haus ein letzten Gruß zu und machte mich auf nach Bal’Shaddad.

                                                              *

Ich kam fast zeitgleich mit dem bereits ungeduldig erwarteten Tarrbalash in der Stadt an. Kleine Kinder streuten weiße und blaue Blumen auf die Straßen, und auch die stümperhafte Blaskapelle tutete wieder fleißig.

Ich wollte eigentlich möglichst schnell die Stadt in Richtung Süden durchqueren, um umgehend auf die große Handelsstraße zu gelangen, aber das Spektakel um den Heldenformer wollte ich mir dann doch nicht entgehen lassen.

Der Stadtoberste überreichte dem sichtlich gerührten Tarrbalash den Schlüssel der Stadt und erkletterte daraufhin ein windschiefes Podium um offensichtlich eine kleine Rede zu halten.

„Ich darf euch, edler Meister, im Namen der gesamten Bevölkerung Bal’Shaddad’s aufs Herzlichste willkommen heißen. Wir sind...äh...hoch geehrt, einen von den Göttern wahrhaft Gesalbten heute unter uns zu wissen, der einen der unsrigen erwählen wird, um aus ihm einen ...äh...Helden zu schmieden. Da wir wußten, daß eure Zeit kostbar ist, haben wir uns die Freiheit herausgenommen, den angehenden Streiter des Lichts aus unserer Mitte zu bestimmen. Er ist...äh...das kann ich mit absoluter Gewißheit sagen, der unbestrittene Champion beider hier ansässiger Metropolen.

Er ist ein Virtuose des Rapiers, ein Magier der flirrenden Klinge und eindeutig der wagemutigste und beste Schwertkämpfer in unseren Landen: Shlugg Salponyr...“

„Schwertkämpfer? Aber wißt ihr denn nicht...“ wandte Tarrbalsh mit überraschter Miene ein und trat dabei an den Stadtobersten heran, um ihm etwas ins Ohr zu flüstern.

„Was?! Neiiin?! Nicht möglich!“ keuchte der Büttel hervor, wobei  seine Gesichtsfarbe von einem fahlen Grau zu einem tiefen Rot wanderte und schließlich bei einem betretenen Violett hängenblieb.

„Des was?? Des Geruchsinns? Das ist ein Scherz?! Nein!!!“

„Doch, doch mein Bester. Ich wurde von höheren Mächten dazu auserkoren Helden heranzuziehen, deren Geruchsinn überdurchschnittlich ausgeprägt ist, und somit bin ich  auf der Suche nach einem Helden, dessen Nase Eradumahl zum Jubilieren gereicht.“ griente Feludyin Tarrbalash und blickte dabei verklärt zum Himmel.

Der Stadtoberste war zuerst einmal verdattert, dann nahm er wortlos Feludyin den goldenen Stadtschlüssel wieder ab, verfluchte lauthals das großnasige Korxiana und machte sich wütenden Schrittes davon.

Der gute liebe und sehr tapfere Shlugg starrte irritiert in die Runde, wobei sein Stirnrunzeln darauf hin deutete, daß die sich dargebotene Situation leicht über das Aufnahmevermögen seines Heldenhirns ging. Als sich schließlich die gesamte Zuschauerschaft zerstreut hatte und er nur noch allein auf dem Platz stand, um auf die Einführung in sein künftiges Heldentum zu warten, schien er langsam zu begreifen, daß die Sache kein sehr glückliches Ende für ihn genommen hatte. Also machte er sich schließlich auf den Weg nach Hause zu seiner Mutter - das abendliche Holzhacken war ja auch nicht übel.

                                                                    *

Einige Tage später befand ich mich schon ein gutes Stück von Bal’Shaddad entfernt.

Ich hatte mich in einem gemütlichen Rasthaus einquartiert und erholte mich von meinem Fußmarsch mit erlesenem Essen und ausgiebigen Nickerchen. Dieser komfortable Müßiggang zehrte zwar an meiner nicht allzu übermäßigen Barschaft, doch mußte ich meine derzeitige Situation in Ruhe und Sorgfalt überdenken - schließlich war ich meines regelmäßigen Einkommens nun beraubt - eines Einkommens, dessen Zustandekommen wenig Mühsal erfordert hatte, und ich gedachte natürlich meine künftige berufliche Tätigkeit dementsprechend weiter zu gestalten.

Gegen Mittag des fünften Tages betraten zwei Neuankömmlinge den ‘Weichfelligen Biber’,

wobei ich einen der beiden Männer nur allzu gut kannte.

„Seid gegrüßt ihr sprießenden Knospen Eradumahl’s.“ intonierte Feludyin Tarrbalash mit seiner etwas quäkenden Baritonstimme.

„Eradu..was - soll das ein Gott sein?“ - „Keine religösen Grüße vor dem Mittagessen, bitte.“

„Wer wagt es heidnische Götter zu erwähnen - es gibt nur einen wahren Gott: Floppsokko,

den Zehnschwänzigen!“ - „Sprießende Knospen - na ich sprieße schon lange nicht mehr...“

Keiner der übrigen Gäste schien ein überschäumender Anhänger Eradumahl’s zu sein, einige waren gar religiöse Fanatiker anderer Glaubensrichtungen, was von dem irren Funkeln ihrer Augen auch bestätigt wurde.

Tarrbalsh und sein Begleiter nahmen, wie es der Zufall wollte, an meinem Tisch Platz, grüßten, diesmal ausgesprochen konfessionslos und gaben ihre Bestellung auf.

Feludyin’s Weggefährte war zweifellos ein Korxianer, da ihn sein gewaltiger Riechkolben eindeutig als solchen klassifizierte. Ein derartig gewaltiger Apparat war mir aber selbst in Korxiana noch nicht untergekommen. Der gute Mann schien schon beim Suppelöffeln erhebliche Schwierigkeiten zu bekommen - seine suppennasse Nasenspitze zeugte davon.

Da  Feludyin ein eifriger Schwätzer war und er selbst beim Essen eifrig brabbelte, kamen wir schnell ins Gespräch. Er erzählte von seinem gottgeweihten Status als Heldenformer, berichete über die peinliche Verwechslung in Bal’Shaddad und stellte mir seinen neuerwählten Heldenschüler vor (und das alles bevor er seinen Suppenteller leergelöffelt hatte).

Anfangs dachte ich, daß ich in Feludyin einen interessanten, geistvollen Gesprächspartner gefunden hätte, doch schnell merkte ich, daß  er einen stark ausgeprägten Hang zur Schwafelei besaß. Sein Faible selbst Banalitäten umfangreich auszumehren ging sogar mir, einem sonstig geduldigen Zuhörer, rasch auf die Nerven. So beendete ich mein Mahl in ungewohnt hastiger Weise und entfloh mit einem Gruß in mein Zimmer.

                                                                            *

Des nachts plagten mich Alpträume, die von berserkerhaften Korxianern handelten, allesamt Gustaffo ähnelnd und mit wahnwitzigen Nasenungetümen bestückt. Diese jagten mich durch enge, schattige Korridore, in der Absicht mich in ihre grausigen Nasenlöcher einzusaugen. Schweißdurchtränkt erwachte ich, wohl auch weil ein quengelndes Fiepen mich gestört hatte. Das Fiepen kam von einer vorwitzigen Maus, die frech über meinen Bauch wieselte. Ich wollte sie mit meiner Rechten ergreifen, doch der Nager war zu flink für mich.

Also wandelte ich die Gestalt und nahm in Katzenform seine Verfolgung auf.

Der mäusische Störenfried hüpfte mit einem tollkühnen Sprung zur Tür und entkam durch ein Loch in derselben. Ich wandelte mich kurz in eine fingerbesitzende Tibiriform, öffnete die Tür und nahm beim Hindurchschreiten in Herztaktschnelle wieder Katzengestalt an.

Mit drei geschmeidigen Sprüngen erhaschte ich die Maus, packte sie mit meinen Pfoten und biß ihr tödlich ins Genick. Das Mäuseblut verführte mich dazu die ganze Maus zu verschlingen - in diesem Moment war ich ganz Katzenvieh, geprägt von den Instinkten dieses Körpers und benebelt von der mäßigen Kapazität des kleinen Katzenhirns.

Gesättigt verwandelte ich mich wieder in meine humanoide Form zurück, als mich ein menschlicher Laut des Erschreckens überraschte.

„Bei den hornigen Hoden der Mythanen - ihr seid einer der Gesegneten - ihr seid ein Sery’de.“ japste Feludyin erregt, der samt einer blakenden Kerze im Stiegenhaus erschien.

„Was soll ich sein - ein See’riese?“ knurrte ich verärgert über Feludyin’s plötzliches Auftauchen.

„Nein - ein SERY’DE - ein von Eradumahl Gesalbter, der die körperliche Beschränktheit abzustreifen vermag, seinem Körper die Vielfältigkeiten der Natur aufzwingt und mit der selben in vollkommenem Einklang und Harmonie lebt..“

„Wie bitte...??“

„Nun...wie sag’ ich’s in aller Kürze...“

Feludyin hielt mir im zugigen Treppenhaus einen ausufernden farbenprächtigen Vortrag über seinen Status als Tscherwak und den Ursprung und die  Entwicklung der Schläfer, einer schlafträchtigen Sekte von Gestaltwandlern magischer Prägung, die auf einer verzauberten Insel leben sollten.

„Nun, dann bin ich gewiß kein vollwertiger Schläfer - meine Mutter war durch und durch Mensch, soweit mir bekannt ist. Meinen Vater kannte ich nicht, aber nach den Erzählungen meiner Mutter könnte er dafür in Frage kommen. Dann wäre ich sozusagen ein Halbblut...“

 „Aber nichtsdestotrotz ein Gesegneter - wer kann schon voller Stolz behaupten, daß sein Blut vom Samen eines Halbgottes veredelt wurde.“ säuselte Feludyin mit verzückter Miene.

„Pah, schöne Ehre. Was sucht Ihr überhaupt zu so später Stunde im Treppenhaus?“

„Meine Blase drückt arg - die sieben Krüge Beerensaft waren wohl doch etwas üppig...“

„Dann sputet Euch auf die Nachtschüssel, und laßt mir meine Ruhe.“ blaffte ich ihn an und

stapfte wieder in meine Stube.

                                                                  *

Beim Frühstück am nächsten Morgen grinste mich Feludyin selig an. Er griente derart penetrant, daß er mir den Appetit verdarb.

„Was seid Ihr so entsetzlich guter Laune, Meister Tarrbalash?“

Feludyin grinste noch zufriedener.

„Darf ich Euch eine Frage stellen, werter Herr Non’Shavved?“

Mir schwante nichts Gutes.

„Sicher doch, nur zu...“

„Würdet Ihr mir vielleicht die außerordentliche Ehre erweisen, Euch als Lehrer dienen zu dürfen?“

„Brrrpp ...nein!“

„Ich weiß, Ihr steht dank Eurer hochwohlgeborenen Abstammung weit über einem solchen Wicht, wie ich es bin, doch...“

„NEIN!“

„...bin ich mir sicher, daß Eure Talente im Verbund mit meiner weltmännischen Erfahrung und meinen speziellen Kenntnissen...“

„Bei Wollpokks zotteligen Schamhaaren, NEIN verdammt noch mal - hört Ihr denn nicht was ich sage. Was wollt Ihr überhaupt, ihr habt doch schon einen Heldenschüler, und zwar einen, der mit seinem exquisiten Organ für Eure Profession geradezu perfekt geeignet scheint.“

„Nun ja... Toffus mag auf jenem Gebiet, welches ich unterweise nicht gerade unbegabt sein...“

Toffus hielt in seinem eifrigen Mampfen inne und schielte mißtrauisch auf seinen Meister.

„...aber Ihr, mein Bester seid durch Eure Abstammung geradezu prädestiniert einen Helden dieser Sphären zu verkörpern, Ihr - mit den edelsten Eigenschaften der menschlichen und der Sery’den-Rasse...“

„Zum letzten Mal  N E I N !!!! Zum Helden werde ich ganz gewiß nicht avancieren - derlei Trottel sterben jung, arm und desillusioniert.“

„Wenn ich Euch zu unterweisen beginne, werdet Ihr schnell von dieser destruktiven Einstellung lassen und zu Eurer wahren...“

„FELUDYIN, ihr macht mich noch wahnsinnig...“

„Aber mein Wertester, ihr könnt in eurer jugendlichen Naivität gar nicht abschätzen...“

Ich pfefferte energisch meine Faust auf den Tisch und flüchtete mit hochrotem Kopf von der Tafel, den immer noch plappernden Feludyin und den skeptisch grübelnden Toffus zurücklassend.

                                                                *

Ich vermeinte Dampf aus meinen Ohren zischen zu hören, so sehr hatte  Feludyins Geplapper mich verärgert. Ich grabschte mein Bündel und flüchtete geradezu aus dem ‘Weichfelligen Biber’. In meiner Hast und Erregung vergaß ich meine Logierrechnung zu begleichen, doch könnt’ Ihr sicher, werter Leser dieser Zeilen, begreifen, wie mir ein solcher Fauxpas unterlaufen konnte, eingedenk meiner nervlichen Situation.

Zügigen Schrittes verließ ich also die Herberge gen Süden, doch nach ein paar Meilen mußte ich innehalten, da mir eine wüste Horde Korxianer ,meinen Alpträumen entsprechend, entgegenkam. Die allzu gewaltbereite Verwandtschaft des unglücklich verschiedenen Gustaffus hatte mich scheinbar überrundet, um mir somit den Weg abzuschneiden.

Ich machte verständlicherweise schleunigst kehrt und kam bald wieder an der Herberge vorbei. Dort erwarteten mich bereits ein erzürnter Wirt samt eines hünenhaften Dorfkriegers, der zum Zeichen seines Amtes einen schweren Eisenholzprügel am Gürtel trug.

Um das Kraut richtig fett zu machen, stürzte auch noch Feludyin herbei - immer noch fest entschlossen mich zum wahrhaften Helden zu konvertieren, derweil Toffus mit griesgrämiger Miene Richtung Korxiana schlurfte.

Heiß und kalt lief es mir den Rücken hinunter. In meiner Panik verwandelte sich mein Unterleib beinahe selbständig in einen Pferdetorso (was mir bewußt noch nie gelungen war) und trabte los. Ich preschte zentaurengleich in Richtung Osten, dem einzigen Weg, der mir nicht versperrt war, ahnungslos wohin es mich führen würde - im Schlepptau den euphorisierten Feludyin, eine lynchbereite Horde korxianischer Großnasen und einem dörflichen Gesetzeshüter, der mir wegen vermeintlicher Zechprellerei hinterherstieg.

Was konnte man vom Leben mehr erwarten.

Ende

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