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Kurt Luifs Werksausgabe - 10. Teil - Die Würgerklaue aus dem Moor

Kurt Luif WerkausgabeWürgekralle aus dem Moor

Im Mai 2017 wäre Kurt Luif 75 Jahre alt geworden und aus dem Grund habe ich mir die Mühe gemacht und diverse Romane von ihm eingescannt und präsentiere Euch im Laufe der nächsten Monaten einige seiner Werke in eine Art von Werkausgabe.

Sein vierter und letzter Magier-Roman erschien 1983 anonym als Nummer 30 unter dem Titel "Würgekralle aus dem Moor". - Uwe Schnabel

Würgekralle aus dem MoorWürgekralle aus dem Moor
Magier Nr. 30
Anonym (von Kurt Luif)
Irgendjemand verfolgte ihn.
Ganz deutlich waren die Schritte hinter ihm zu hören.
Brian Robinson drehte sich blitzschnell um, doch niemand war zu sehen. Die schmale Gasse war menschenleer.
Kopfschüttelnd spazierte Brian weiter. Wieder waren die Schritte zu hören. Sie wurden lauter, dann waren sie neben ihm.
Ein spöttisches Lachen, das aus dem Nichts kam, ließ ihn zusammenfahren.
Entsetzt lief er los. Brian Robinson bog in eine Seitengasse ein.
Vor einem Laden stand ein hochgewachsener blondhaariger Mann, der interessiert die Auslage betrachtete. Er war mit einer giftgrünen Jacke und beigen Hosen bekleidet.
Keuchend verlangsamte Brian seine Schritte. Er schlenderte am Mann vorbei.
Nach ein paar Sekunden wandte er den Kopf. Der Mann stand noch immer vor dem Geschäft.
Brian blinzelte verblüfft. „Das kann es doch nicht geben“, flüsterte er.
Das Haar des Mannes war nun schlohweiß.
Meine Sinne spielen mir einen Streich, dachte Brian und schloß die Augen.
Als er sie aufschlug, hatte der Mann wieder eine andere Haarfarbe. Diesmal war sie schwarz. Zögernd stapfte er auf den Mann in der grünen Jacke zu.
„Sir“, fragte Brian, „was ist mit Ihrem Haar los?“
Gemächlich drehte sich der Mann um.
Brian stieß einen Schrei aus.
Ein Totenschädel sah ihn an. Plötzlich waren in den leeren Augenhöhlen rot funkelnde Augen zu sehen, die ihn durchdringend anblickten.
Alles in Brian Robinson verkrampfte sich,
Die Kraft der Augen überwältigte ihn. Sie fraßen sich in sein Hirn. Er konnte nicht mehr denken.
„Führen Sie mich in Ihre Wohnung“, zischte der Unheimliche.
Brian wunderte sich nicht, daß der Fremde plötzlich ein Gesicht hatte. Es war schmal, mit dünnen Lippen und einer Hakennase.
Willenlos ging Brian voraus.

* * *

Nancy Wilson hatte keine Ahnung, daß in der Tiefe des Moores der Tod lauerte.
Seit einem halben Jahr war sie Mitglied einer kleinen Hexengruppe.
Sie verließ die B 3344 in der Nähe von Vogwell und fuhr mit dem knallroten Mini einen schmalen Weg entlang. Als sie ein paar Autos und schwere Motorräder erblickte, bremste sie und stellte den Motor ab.
Wie üblich bin ich wieder einmal die letzte, dachte sie.
Rasch zog sie sich aus und ließ ihre Kleidungsstücke auf den Beifahrersitz fallen.
Sie war ein ungewöhnlich hübsches Mädchen. 22 Jahre alt und seit zwei Jahren als Buchhalterin in einer Gerberei in Exeter beschäftigt. Ihr puppenhaftes Gesicht wurde von einer dunkelblonden Löwenmähne eingerahmt. Ihre Figur mit den festen Brüsten und langen Beinen konnte sich durchaus sehen lassen.
Nancy stieg aus dem Wagen und öffnete den Kofferraum. Sie holte einen weißen Umhang hervor, in den sie schlüpfte. Mit einer roten Schnur band sie den Kittel zu. Anschließend stülpte sie sich eine Krone mit fünfzackigen Sternenornamenten auf den Kopf. Aus einer Tasche zog sie den Athame, ein Messer mit weißem Griff, hervor.
Sie schlug den Kofferraumdeckel zu und lief auf das Moor zu.
Es war ein warmer Herbstabend. Bald würde die Sonne untergehen, und dann konnte die Zeremonie beginnen.
Wenige Minuten später betrat sie den verschwiegenen Ort, an dem sie regelmäßig bei schönem Wetter ihre Feste feierten.
Atemlos blieb sie stehen. Die anderen Mitglieder des Hexenzirkels, vier junge Mädchen und vier Männer, hatten schon alle Vorbereitungen getroffen. Alle waren so wie Nancy gekleidet, nur der Hohepriester hatte statt eines Messers ein kunstvoll verziertes Schwert.
Der magische Kreis war bereits errichtet. Ein Tisch stand in der Mitte. Den Mittelpunkt bildete eine kleine Statue, welche die Göttin Arida darstellte. Außerdem waren noch Kerzen, Krüge, Becher und das geheimnisvolle 'Buch der Schatten' zu erkennen.
Nancy Wilson verbeugte sich vor dem Hohepriester, der sie gleichmütig ansah.
Brian Robinson hatte vor mehr als drei Jahren diesen Hexenzirkel gegründet und leitete ihn seit Beginn an.
Nancy glaubte nicht an Magie und Hexerei. Als sie sich vor einem Jahr von ihrem ständigen Freund getrennt hatte, war ihr ziemlich langweilig gewesen. Sie hatte sich mit einer Bürokollegin angefreundet, die ihr gestand, daß sie Mitglied einer Wicca-Gruppe war. Daraufhin war Nancy neugierig geworden. Sie war der Gruppe beigetreten, hatte aber die Aufnahmeriten eher erheiternd empfunden. Die anderen Zeremonien und das magische Geschwafel hatte sie nur belustigt.
Eigentlich wäre sie schon längst ausgetreten, doch ihr gefiel Brian Robinson, der aber an ihr anscheinend nicht interessiert war.
Brian war 24 Jahre alt und studierte Geschichte. Er war groß und kräftig. Sein Haar war pechschwarz, schulterlang und sehr gepflegt. Faszinierend waren seine stahlblauen Augen.
Der Hohepriester starrte die untergehende Sonne an. Die wenigen verkrüppelten Bäume und Sträucher warfen lange Schatten.
Als die Sonne untergegangen war, hob Brian das Schwert und murmelte eine Beschwörung.
Der Reihe nach betraten sie den magischen Kreis. Alle küßten kurz das Schwert, dann umringten sie Brian und begannen leise zu singen und zu tanzen.
Unweite des Tisches stand ein Hexenkessel, in dem Alkohol war. Brian warf ein brennendes Streichholz in den Kessel. Flammen schossen hervor.
Paarweise sprangen nun die Mitglieder der Gruppe über den Kessel. Dann tanzten und sangen sie weiter.
Nun brannten auch ein paar Kerzen, die den magischen Kreis in flackerndes Licht hüllte.
Brian schüttete stark gewürzten Rotwein in die Becher, und alle tranken ein paar Schlucke.
Der Hohepriester hob das Schwert.
Alle sanken zu Boden und starrten Brian an. Nancy ergriff die Hand eines der Männer und die eines Mädchens.
„Wir werden heute einen Toten beschwören“, sagte Brian mit tiefer Stimme.
Das ist mal was Neues, dachte Nancy.
Neugierig sah sie zu, wie Brian einen Totenschädel auf den Boden legte. Er ließ Wachs von einer schwarzen Kerze auf den Schädel tropfen. Dann drückte er die Kerze auf die Wachstropfen.
In der linken Hand hielt er nun eine Pergamentrolle.
„Eca, zodocare, Iad, goho“, sprach er laut. Ein fernes Grollen war zu vernehmen, das wie weit entfernter Donner klang.
„Torzodu ode kikale qaa!“
Nancy spürte, daß der Moorboden zu beben begann. Plötzlich hatte sie Angst. Das war ganz anders, als alle Zeremonien, an denen sie teilgenommen hatte.
„Zodocare od Zodameranul“ schrie Brian mit überschnappender Stimme.
Ein starker Wind kam auf. Die Bäume und Büsche wurden hin und her geschüttelt. Doch der Sturm konnte den magischen Ring nicht durchbrechen.
Nancy zitterte vor Furcht.

* * *

Die Hand lag seit Jahrhunderten im Moor.
Sie war riesig, schleimig und aufgequollen. Eigentlich hätte das Fleisch schon längst von allerlei Ungeziefer aufgefressen sein sollen. Aber es war eine besondere Hand, die nicht verfaulen konnte. Und alle Tiere flohen panikartig, wenn sie in die Nähe der Hand kamen.
Plötzlich durchlief ein Zittern die Klaue. So als hätte sie einen starken elektrischen Schlag bekommen.
Der Daumen mit dem spitzen Nagel krümmte sich langsam, dann der Zeigefinger.
Die Hand war erwacht...

* * *

Nancy hielt den Atem an. Für sie gab es keinen Zweifel, daß etwas Außergewöhnliches geschah. Die Hand des Mannes verkrallte sich stärker in die ihre. Das Mädchen neben ihr stöhnte vor Unbehagen.
„Zodorje, lape zodrede OL“, flüsterte Brian.
Er holte mit dem Schwert aus und hieb die Kerze in der Mitte durch.
Das brennende Kerzenstück flog aus dem magischen Kreis, und der tobende Sturm riß es mit.
Schemenhafte Gestalten krochen aus dem Moor und umtanzten den Kreis.
Nancy spürte die Angst der anderen.
Brians Gesicht war unmenschlich verzerrt. Schweiß lief über seine Stirn.
„Noco Hada, da Idapiel!“ brüllte er.
Die geisterhaften Schemen verschwanden. Nun waren gespenstische Schrei zu hören, die wie das Brüllen bestialisch gefolterten Menschen klangen.
Der Hohepriester steckte das Pergament in eine Kerzenflamme, und es entzündete sich explosionsartig.
Nancy wollte aufspringen. Sie wollte nur fort. Doch sie war wie gelähmt. Mit weit aufgerissenen Augen blickte sie Brian Robinson an, von dem eine unheimliche Ausstrahlung ausging.
Er packte das Schwert mit beiden Händen und hob es hoch über den Kopf.

* * *

Die schleimige Hand konnte nun alle Finger bewegen.
Vorsichtig begann sie ruckartig durch den weichen Boden zu kriechen. Sie plumpste ins Wasser und ließ sich einfach treiben. Die schwache Strömung riß sie mit sich. Schließlich verkrallten sich die klauenartigen Finger in einer Wurzel.
Langsam hantelte sich die Kralle höher. Ihre Bewegungen wurden immer geschickter.
Nun erreichte sie festen Boden. Mühsam grub sie sich einen Weg durch das Erdreich.

* * *

Brian Robinson schien von einem Dämon besessen zu sein.
Nie zuvor hatte ihn Nancy Wilson so erlebt.
„Ilas! Hoatahe Laida!“ kreischte er.
Das Schwert durchfuhr zischend die Luft. Der Hieb war so gewaltig, daß der Totenschädel gespalten wurde.
Schlammfontänen sprinten aus dem feuchten Boden und überschütteten sie. Ein gewaltiger Donnerschlag ließ sie zusammenzucken.
Die Erde öffnete sich, Der Tisch versank langsam im Morast. Die Krüge und die Götterstatue fielen zu Boden und wurden vom Moor verschlungen.
Nancy sprang hoch. Ihre Beine versanken bis zu den Waden im Schlamm. Ihr weißer Umhang war dreckbesudelt.
„Nichts wie fort!“ schrie jemand.
Der Boden warf Blasen. Risse bildeten sich, und immer mehr Schlamm quoll hervor.
Wieder war ein Knall zu hören, dann noch einer.
Ein armdicker Blitzstrahl zuckte auf die Gruppe zu. Er traf das Schwert, das Brian noch immer umklammerte.
Ein gleißendes Licht ging vom Schwert aus. Geblendet schloß Nancy für ein paar Sekunden die Augen.
Das Leuchten des Schwertes wurde schwächer. Nancy warf Brian einen Blick zu.
In diesem Augenblick änderte sich Brians Gesicht. Es wurde zu einer Fratze mit einen Hakennase und schmalen Lippen. Aber das schrecklichste waren die rot glühenden Augen.
Brian, oder wer immer es war, kicherte bösartig. „Es ist geschafft“, sagte er mit völlig veränderter Stimme.
Weiterhin lachend warf er das Schwert auf den schwammigen Boden, von dem es sofort verschlungen wurde.
Die Kerzen erloschen. Es war stockfinster.

* * *

Die riesige Hand kroch weiter hoch.
Sie glitt über ein Skelett und blieb kurze Zeit auf dem Totenschädel liegen.
Ein paar Sekunden krampften sich die krallenartigen Finger zusammen, dann kletterte die Hand weiter.

* * *

Düstere Wolken zogen über den Himmel. Es regnete leicht.
Normalerweise war die Stelle, an der sie ihre Zeremonien im Dartmoor abhielten, völlig sicher. Der Boden war elastisch, aber fest.
Doch nun waren sie von Wasserlöchern und faulenden Tümpel umgeben. Bestialisch stinkender Schlamm spie das Moor aus.
„Bleibt alle ruhig stehen!“ schrie Ivor Forster. „Bewegt euch nicht. Ich kann euch kaum sehen. Aber habt keine Angst, ich werde euch zum Parkplatz bringen.“
Nancy spürte, daß ihre Füße immer tiefer im weichen Boden versanken.
„Ich werde euch der Reihe nach aufrufen!“ brüllte Ivor.
Nancy meldete sich, als Ivor ihren Hexennamen nannte. Nur Brian Robinson antwortete nicht. Er war spurlos verschwunden.
„Irgendetwas Unheimliches ist geschehen“, sprach Ivor Forster weiter. „Wir müssen vorsichtig sein. Haltet euch an den Händen fest und folgt mir.“
Langsam gewöhnten sich Nancys Augen an die Dunkelheit. Undeutlich erkannte sie die in Kutten gehüllten Gestalten.
Neben ihr stand Donna Armfield. Sie packte die linke Hand des rothaarigen Mädchens.
Ivor Forster bewegte sich langsam auf sie zu. „Nimm meine Hand“, sagte Ivor.
Nancy folgte augenblicklich.
„Seid ihr bereit?“ fragte Ivor.
Zustimmendes Murmeln erfolgte.
Der Regen wurde heftiger. Nebelfetzen zogen über das Moor.
Alle schwiegen. Vorsichtig setzte sich die Gruppe in Bewegung.
Ivor Forster war im Moor groß geworden. Er kannte alle gefährlichen Sumpflöcher. Aber sein Wissen half ihm im Augenblick nicht viel.
Sie drängten sich enger aneinander. Der heftige Wind zerrte an ihren Umhängen.
Nancy war eiskalt. Ihre Kutte hatte sich geöffnet, und der Regen prasselte auf die nackte Haut. Ihr Haar war verklebt, und die Krone und den Athame hatte sie verloren. Sie hörte, daß Ivor irgendwelche magische Sprüche murmelte und dabei immer wieder die Göttin Arida anrief.
Forster ging wie in Zeitlupe. Er setzte einen Fuß unendlich vorsichtig auf den trügerischen Boden, dann belastete er ihn. Erst bis er ganz sicher war, daß der Boden fest war, schritt er weiter.
Immer wieder sank Forsters Bein bis zu den Knien im breiigen Sumpf ein. In Schlangenlinien umgingen sie die heimtückischen Fallen,
Der Regen wurde schwächer. Bizarr geformte Wolken rasten über den grauen Himmel, doch gelegentlich tauchte der Mond die Moorlandschaft in ein geheimnisvolles Licht.
Nun kamen sie rascher vorwärts. Erleichtert und ermattet erreichten sie den Parkplatz.
Das war alles nur ein Traum, ein böser Alptraum, versuchte sich Nancy zu beruhigen.
„Brians Kawasaki steht noch hier“, sagte Donna Armfield überrascht, „Er muß noch im Moor sein.“
„Ich glaube nicht, daß Brian die Zeremonie leitete“, meinte Ivor.
„Wer war es dann?“ fragte jemand.
„Ich fürchte, daß es ein Dämon war.“
„Blödsinn. Wir müssen Brian suchen.“
„Das ist sinnlos. Wir begeben uns nur in unnötige Gefahr.“
„Wir können doch nicht einfach Brian im Moor herumirren lassen“, wandte ein Mädchen ein.
„Ihr fahrt alle nach Hause“, befahl Ivor. „Ich werde noch eine Weile warten. Vielleicht taucht Brian doch noch auf. Noch etwas. Kein Wort zu anderen über die Vorfälle!“
Nancy hatte sich nicht an der Diskussion beteiligt. Sie riß sich die Kutte vom Leib und wischte sich den Schmutz vom Gesicht und den Körper.
Sie kroch hinter das Lenkrad und trocknete mit dem Umhang die Füße ab. Dann kleidete sie sich an.
Ivor unterhielt sich kurz mit Donna, die sich ebenfalls angezogen hatte. Das zierliche Mädchen nickte ein paarmal, dann kam sie auf Nancy zu.
„Darf ich mit dir mitfahren, Nancy?“ erkundigte sich Donna.
„Steig ein, Donna.“
Nancy fuhr los.

* * *

Unbeweglich lag die schleimige Hand auf dem feuchten Boden.
Immer wenn die Wolken das Mondlicht freigaben, kroch sie unbeholfen weiter.
Die Hand lernte rasch. Sie bewegte sich wie eine Spinne, nur gelegentlich verlor sie das Gleichgewicht und überschlug sich.
Es regnete nicht mehr. Die düsteren Wolken hatten sich verzogen. Nun war es völlig windstill.
Die Hand krabbelte rascher durch das Moor.

* * *

Ivor Forster saß auf seiner Harley Davidson FXR Super Glide II und rauchte hastig eine Zigarette.
Er war hager. Sein Gesicht war schmal mit breiten Backenknochen und dunklen Augen. Er sog gierig an der Zigarette und blickte über das mondbeschiene Moor.
Er versuchte sich über die Ereignisse während der Zeremonie klar zu werden, doch es gelang ihm nicht. Der magische Spruch war ihm völlig unbekannt. Ja, er hatte nicht einmal erkennen können, welche Sprache es gewesen war. Brian, der sein bester Freund war, hatte ihm gegenüber am Vormittag mit keinem Wort verraten, was er beabsichtigte.
Irgendetwas bewegte sich im Moor.
Er stand auf und kniff die Augen zusammen. Die Zigarette ließ er fallen und trat sie automatisch aus.
Ist groß wie eine Ratte, überlegte Ivor, aber es bewegt sich wie eine Spinne. Nur so große Spinnen gab es in dieser Gegend nicht.
Neugierig geworden startete er die schwere Maschine und stellte den Scheinwerfer an, den er auf das sich bewegende Etwas richtete.
Ivor schrie auf, als er die schleimige Hand erblickte, die erstarrt im Lichtkegel stehen blieb, Sie ließ sich fallen und vergrub sich im Moor.
Dieser Anblick war für Ivor Forsters überreizte Nerven zu viel.
Wie ein Verrückter raste er den schmalen Weg in Richtung B 3344 dahin.

* * *

Die schleimige Hand konnte nicht denken. Doch sie hatte eine Abneigung gegen Licht.
Ein unheimlicher Zwang trieb sie aus ihrem Versteck hervor.
Ihr blieb nur der Tastsinn. Gelegentlich blieb sie stehen und hob wie witternd den Zeigefinger.
Sie spürte Leben, ganz in der Nähe. Leben, das sie vernichten mußte.
Die Hand huschte über die schmale Straße und verschwand wieder im Moor.
Die Ausstrahlung wurde stärker. Die Klaue wandte sich nach links, kletterte über ein paar schwarze Steinbrocken und versank in einer Pfütze. Sofort tauchte sie aber wieder auf und setzte ihren Weg fort.
Leise Stimmen waren zu hören, die aber die Hand nicht bemerkte.
Sie mußte töten. Leben vernichten, Töten.

* * *

„Diese Nacht werde ich nie vergessen“, flüsterte Nancy Wilson.
Donna Armfield nickte zustimmend. „Ich habe schreckliche Angst, Nancy, Darf ich bei dir übernachten?“
Nancy zögerte einen Augenblick. „In Ordnung“, antwortete sie schließlich.
Donna wohnte in einem kleinen Haus in Moretonhamstead bei einer alten Frau auf Untermiete, während Nancy seit ein paar Wochen eine eigene Wohnung in Exeter hatte.
„Danke“, lächelte Donna, „Ivor hat gesagt, daß du auf ihn vor Brians Haus warten sollst.“
„Das werde ich nicht tun“, fauchte Nancy. „Ich sehne mich nach einem Bad.“
„Aber Ivor hat es ausdrücklich befohlen.“
„Er hat mir nichts zu befehlen.“
„Er ist Stellvertreter von Brian.“
„Ich will von dem Hexenzirkel nichts wissen, Donna.“
„So einfach ist das nicht. Du kannst nicht einfach austreten, das weißt du.“
Nancy runzelte die Stirn. Das stimmte, sie hatte allerlei unsinnige Dinge schwören müssen, als sie aufgenommen wurde.
Sie dachte an Brian Robinson, und sie war sicher, daß nicht er die Beschwörung vorgenommen hatte. Irgendjemand hatte seine Gestalt angenommen. Dieser Gedanke war so ungeheuerlich, daß sie unwillkürlich langsamer fuhr.
Dunsford lag hinter ihnen, und es waren nur mehr wenige Meilen bis Exeter.
„Wir hätten alle sterben können“, sagte Donna nachdenklich. „Wir hatten viel Glück.“
„Das kann man wohl sagen.“
„Machst du dir denn um Brian keine Sorgen, Nancy?“
„Weshalb sollte ich es tun?“
Donna blickte Nancy an, die im Augenblick mit ihrem verklebten Haar alles andere als ein reizender Anblick war.
„Du kannst mich nicht täuschen, Nancy“ ich weiß, daß du in Brian verknallt bist. Wenn du ihn ansiehst, bekommst du einen verklärten Ausdruck.“
„Unsinn“, schnaubte Nancy unsicher.
„Ich glaube, daß wir doch zu Brians Wohnung fahren sollten. Ivor hat einen Schlüssel. Wir müssen uns Gewißheit verschaffen, was mit ihm geschehen ist.“
Nancy preßte die Lippen zusammen.
Die ersten Häuser von Exeter tauchten auf.
„Brian wohnt in der Cecil Road“, stellte Donna fest.
„Ich weiß es“, murmelte Nancy ungehalten.

* * *

„Ich halte dieses Leben nicht mehr aus“, schluchzte die elegant gekleidete Blondine, die auf dem Beifahrersitz des Rovers saß.
„Du mußt mich doch verstehen, Liz“, sagte der schlanke Mann, der einen maßgeschneiderten Anzug trug. Seine Schläfen waren angegraut.
„Reiche endlich die Scheidung ein, Julian. Ich habe keine Lust dich nur im Auto zu treffen, Auf verschwiegenen Parkplätzen in diesem scheußlichen Moor. Ich bin kein Teenager, dem es Spaß macht eine schnelle Nummer auf einem Liegesitz zu schieben.“
Julian versuchte ein Lächeln, was kläglich mißlang. Das was sie da eben ausgesprochen hatte, wollte er gerade tun.
„Ich bin eine bequeme Freundin für dich“, zischte Liz ergrimmt. „Immer zur Hand. Ich koste nichts, außer das Benzin, das du verfährst. Dann kommt ein harmloses Gespräch und du ergreifst meine Hand, küßt mich und...“
„Das ist doch alles nicht wahr“, unterbrach er sie ungeduldig. „Das mit der Scheidung ist nicht so einfach. Meine Frau ist mißtrauisch. Ich bin sicher, daß sie mich von einem Privatdetektiv überwachen läßt.“
„Und deshalb müssen wir uns heimlich und verstohlen wie Halbwüchsige treffen?“ fauchte die Blondine.
Er legte den linken Arm um ihre Schulter und versuchte sie an sich zu ziehen. Sie stieß seine Hand zurück.
„Laß das“, sagte sie mit wütender Stimme. Ihre dunklen Augen funkelten ihn böse an.
Resigniert hob er die Schultern.
„Bringe mich nach Hause“, sagte sie.

* * *

Die Ausstrahlung von Leben war so stark geworden, daß die riesige Hand zu zittern begann.
Unsicher kroch sie das linke Hinterrad des Rovers hoch und verkrallte sich an der Stoßstange. Ein paar Sekunden bewegte sie sich nicht.
Zögernd wanderte sie die Stoßstange entlang, glitt über die Nummerntafel und dann den Kofferraumdeckel hoch.
Julian war verärgert. Liz war in den vergangenen vier Wochen eine sehr willige Geliebte gewesen. Genau das, was er gebraucht hatte.
Er fuhr langsam los.
„Ich glaube, daß du dich gar nicht scheiden lassen willst, Julian“, behauptete Liz.
Der Mann knirschte mit den Zähnen und konzentrierte sich auf den schmalen Feldweg, der zur Straße führte.
„Keine Antwort ist auch eine Antwort“, keifte Liz weiter. „Immer wieder falle ich auf solche Typen herein wie du einer bist.“
„Aber das stimmt doch alles nicht“, erwiderte er ohne Überzeugung.

* * *

Das Vibrieren des Wagens irritierte die schleimige Hand. Und das scharf gebündelte Scheinwerferlicht fand sie als äußerst störend.
Doch war diese Ausstrahlung, die sie weiterklettern ließ. Und der Zwang zu töten.
Die schlammbedeckten Finger waren wie Saugnäpfe. Mühelos kroch die Hand über die Tür. Der Fahrtwind schleuderte Schlammbrocken davon.
Schließlich erreichte die Hand die Vordertür.

* * *

Nancy hatte widerstrebend nachgegeben und war in die Cecil Road gefahren. Unweit von Brians Haus hatte sie einen Parkplatz gefunden. Die Fenster im Haus waren dunkel.
Die beiden Mädchen versuchten ihr ramponiertes Äußeres in Ordnung zu bringen. Nachdem sie sich gekämmt und geschminkt hatten, sahen sie beide wieder recht hübsch aus.
Fünfundzwanzig Minuten später hörten sie lautes Motorengeräusch.
Ivor Forster war eingetroffen. Er nahm den Helm ab und stieg ab. Seine dünnen Beine steckten in abgewetzten Jeans, und die schwarze Lederjacke preßte sich wie eine zweite Haut um seinen mageren Oberkörper.
Nancy und Donna stiegen aus dem Wagen.
Forster dachte nicht daran, den Mädchen etwas von der Hand im Moor zu erzählen. Die beiden waren schon so mit den Nerven am Ende.
„Brian ist nicht aufgetaucht“, flüsterte Ivor.
„Ich habe eine halbe Stunde auf ihn gewartet.“
„Sollen wir mit dir mitkommen, oder gehst du lieber alleine ins Haus?“ erkundigte sich Donna.
„Ihr kommt mit.“
Er öffnete das Haustor und knipste die Gangbeleuchtung an. Rasch lief er die Stufen ins erste Stockwerk hinauf, Die Mädchen folgten ihm.
Langsam drückte Ivor Forster die Klinke nieder. Die Tür war nicht abgesperrt.
Zögernd betraten sie die Diele.
In der Wohnung war es ruhig. Nur das leise Ticken einer Uhr war zu hören.
„Wartet hier auf mich“, sagte Ivor,
Forster warf einen Blick in die Küche, dann ins Wohnzimmer und trat schließlich ins Schlafzimmer. Das Licht flammte auf.
Brian Robinson hockte auf einem Stuhl, das Gesicht der Tür zugewandt. Seine Augen waren weit aufgerissen und leblos wie dunkel schimmernde Kieselsteine.
„Brian!“ rief Forster.
Doch sein Freund bewegte sich nicht.
Vorsichtig schlich Ivor näher. Neben Brian blieb er stehen. Er legte seine rechte Hand auf Brians linke Schulter, die sich wie ein Eisblock anfühlte.
„Wach auf, Brian!“ sagte er drängend.
„Er ist tot!“ kreischte Donna, die neugierig nähergekommen war.
„Nein“, sagte Ivor entschieden, „Er atmet.“
„Wir müssen einen Arzt holen“, stellte Nancy sachlich fest. „Wo ist das Telefon?“
In diesem Augenblick stöhnte Brian. Langsam schloß er die Augen und atmete tief durch.
„Ihr werdet alle sterben!“ knurrte er mit bebenden Lippen. „Die Klaue wird euch finden und töten!“

* * *

Die Augen des Mannes weiteten sich, als die schleimige Hand ins Wageninnere plumpste.
Sie klammerte sich an seinem rechten Handgelenk fest.
Julian schrie vor Schmerzen auf. Es war, als hätte er seine Hand in Faß ätzender Säure gesteckt.
„Was ist das?“ brüllte Liz entsetzt.
Ein ekliger, dumpfer Geruch machte sich im Wagen breit.
Ruckartig stieg Julian auf die Bremse. Er würgte den Motor ab, und der Wagen stellte sich auf der schmalen Straße quer.
Mit der linken Hand versuchte er die Würgeklaue fortzureißen. Wieder schrie er gepeinigt auf. Seine Hand war plötzlich geschwollen und schleimbedeckt.
Die riesigen Finger schnappten nach seiner Kehle.
Liz öffnete den Sicherheitsgurt und öffnete laut schreiend die Wagentür. Ihr langes Kleid verfing sich an der Handbremse. Wie verrückt riß sie daran.
Einen Moment sah sie Julians verzerrtes Gesicht. Er war tot.
Den linken Fuß hatte sie bereits auf der Straße.
„Nein“, heulte Liz auf, als ihr Blick auf die riesige Hand fiel, die auf Julians Schulter hockte.
Der Zeigefinger erwischte eine ihrer Haarsträhnen. Wieder schrie sie.
Ein weiterer Finger packte zu. Ein durchdringender Schmerz war in ihrem Nacken.
Dann verkrallten sich die schlammigen Finger in ihrer Kehle...

* * *

Roy deVoss war hundemüde. Drei Tage anstrengender Verhandlungen und Konferenzen lagen hinter ihm. Er hatte kaum mehr als fünf Stunden in den vergangenen Tagen geschlafen.
Er hatte sich auf das Wiedersehen mit Yani Atawa gefreut, doch sie war noch nicht aus London zurückgekehrt.
Der blonde Magier lag in der Badewanne, genoß das duftende Wasser und entspannte sich langsam.
Aber leichtsinnigerweise hatte Roy die Badezimmertür nicht abgeschlossen.
Der Bademantel, den Patrick MacLaine, vorsorglich auf einen Sessel geigt hatte, begann sich plötzlich zu bewegen.
Roy seufzte zufrieden und öffnete die Augen. Genau über seinem Kopf schwebte der Bademantel wie von unsichtbaren Händen gehalten.
„Laß den Blödsinn, Coco“,  brummte Roy.
Der Bademantel fiel auf ihn zu. Aber in der Zwischenzeit verfügte Roy schon über so starke magische Kräfte, daß es für ihn leicht war den Bademantel mit einer Kopfbewegung zur Seite zu schleudern.
„Verdammter Mist“, krächzte der unsichtbare Graupapagei, der Schrecken in der Villa deVoss.
„Verdufte, du gefiedertes Monster.“
Plötzlich war der Graupapagei sichtbar. Er saß am Badezimmerrand, hielt den Kopf schief und starrte Roy gutmütig an.
„Na, was hast du in meiner Abwesenheit wieder angestellt?“
Coco krächzte vergnügt.
Roy hatte den seltsamen Vogel von Josu Crack erhalten. Seine Herkunft war unbekannt, angeblich war er über 125 Jahre alt und sollte ein verzauberter Mensch sein. Gelegentlich zitierte er auch Zaubersprüche, die meist aber wirkungslos blieben. Bedenklich war seine Vorliebe für Whiskey und Rum.
Der Papagei sträubte die Federn und stieß ein bösartiges Krächzen aus.
„Zodocare od Zodameranu! schrie Coco.
Ruckartig setzte sich Roy auf. „Was hast du da gesagt?“
Der Graupapagei flog los, dabei stieß er wüste Flüche aus.
Roy stieg aus der Wanne und trocknete sich geschwind ab, dann schlüpfte er in den Bademantel und stürmte in die Bibliothek.
Die Wörter, die Coco gekrächzt hatte, kannte er. Sie waren Teil einer Totenbeschwörung, die auf den berühmten Magier John Dee zurückging,
Manchmal hatte ihm auf diese Weise der Papagei schon wertvolle Hinweise geliefert.
Roy holte den Zauberring hervor, den er vor langer Zeit von Ma Ghone erhalten hatte.
Der armreifgroße Ring war aus einem unbestimmbaren Material, das im Augenblick eiskalt war.
Das Ringinnere schimmerte pechschwarz, und ein penetranter Gestank ging vom Ring aus, der sich aber nach kurzer Zeit verflüchtigte.
Nachdenklich legte Roy den Ring auf den Tisch und steckte sich eine Pfeife an.
Er war sicher, daß in diesem Augenblick irgendwo auf der Welt etwas Unheimliches geschah.
Roy würde den Ring in den nächsten Stunden nicht aus den Augen lassen.

* * *

Der Constable fuhr langsam die A 332 in Richtung Bovey Tracy.
Er war seit sechs Jahren bei der Polizei, und seit einem Jahr bei der motorisierten Streife eingesetzt.
Oft meldete er sich freiwillig für die Nachtschicht, da er es liebte über die menschenleeren Straßen Dartmoors zu fahren.
In Bovey Tracy betrat er das einzige noch offene Pub, trank eine Tasse Tee und unterhielt sich mit den wenigen Gästen, die er alle schon lange kannte. Wie üblich schimpfte man auf die Politiker und diskutierte heftig über Fußball und Pferderennen.
Der Constable trat aus dem Pub heraus und setzte sich seinen Sturzhelm auf.
Er startete das Motorrad schoß los. Sein Einsatzplan variierte jeden Tag.
Der Regen hatte schon seit einiger Zeit aufgehört. Er fuhr schneller und bog in die B 3344 ein, raste am Yarner Wood vorbei und ließ schließlich Becky  Falls hinter sich.
Um diese Zeit herrschte kaum mehr Verkehr auf der schmalen Straße, die knapp zwei Fahrspuren breit war.
Er überholt kein Fahrzeug, und es kam ihm auch keines entgegen.
Nach Manton Rocks fuhr er langsamer, da die Straße einige unangenehme Kurven aufwies.
Als er Whooping Rock erreichte, bremste er.
Ein Rover stand quer über der Straße, die Scheinwerfer brannten.
Verblüfft stieg der Polizist ab und schritt breitbeinig auf den Wagen zu.
Undeutlich erkannte er zwei zusammengesunkene Gestalten im Wageninneren.
Mit jedem Schritt, den er näherkam, wurde der eklige Geruch stärker.
Neben dem Fahrer blieb er stehen und beugte sich vor. Entsetzt zuckte er zusammen. Seine Hand zitterte, als er die starke Stablampe anknipste. Er leuchtete ins Wageninnere und schauderte.
Etwas Grauslicheres hatte er nie zuvor in seinem Leben gesehen.
Die Gesichter der Toten waren unkenntlich, aufgedunsen und mit grauem Schleim bedeckt. Die Kleidung war zerfressen, und die Körper waren ebenfalls schlammbedeckt und unförmig.
Von Grauen geschüttelt kehrte er zum Motorrad zurück, löste mit zitternden Fingern das Mikrofon aus der Verankerung und stellte Verbindung mit der Zentrale in Exeter her.
„Was gibt's?“ fragte eine gelangweilte Stimme.
„Zwei Tote“, keuchte der Constable. Mühsam unterdrückte er den Brechreiz. „In einem Rover.“
„Verkehrsunfall?“
„Ich weiß es nicht.“
„Was soll das heißen?“
„Die Toten... es dürfte sich um einen Mann und eine Frau handeln sind...“
„Was sind sie? Los reden sie endlich!“
„Sie sind schlammbedeckt und ihre Körper unförmig aufgedunsen. So etwas Scheußliches habe ich nicht einmal in einem Horror-Film gesehen.“
„Ich schicke einen Streifenwagen. Geben Sie mir Ihre genau Position bekannt.“

* * *

Brian Robinson gab ein gurgelndes Geräusch von sich, bewegte sich heftig auf dem Stuhl und schlug die Augen auf.
„Was macht ihr hier?“ fragte Brian verwundert und stand auf.
„Wir haben uns Sorgen um dich gemacht“, sagte Ivor Forster. „Du bist plötzlich spurlos im Moor verschwunden.“
„Ich verstehe dich nicht, Ivor“, brummte Brian. Er warf einen Blick auf den Wecker. „Elf Uhr. Verdammt, ich muß eingeschlafen sein.“
„Kannst du dich erinnern, was im Moor geschah?“ fragte Nancy.
 „Verdammt, ich habe die Zeremonie verschlafen“, stellte Brian fest. „Ich war nicht im Moor.“
„Du warst also die ganze Zeit hier, Brian?“
„Ich denke schon.“ Er runzelte die Stirn. „Hm, eigenartig, aber jetzt fällt es mir ein. Es war so gegen sieben Uhr. Ich wollte nach Hause gehen, um alle Gegenstände für die Zeremonie vorzubereiten. Da war dieser seltsame Mann.“
„Was war mit ihm?“
Brian schüttelte den Kopf. „Ich kann mich nicht erinnern. Irgendetwas stimmte mit dem Kerl nicht. Tja, ich sprach ihn an. Ja, so war es. Dann waren diese schrecklichen Augen zu sehen. Sie waren riesig, und sie glühten dunkelrot. An mehr kann ich mich nicht erinnern.“
Nancy preßte die Hände auf ihren wogenden Busen. Deutlich sah sie vor ihrem geistigen Augen Brians Gesicht am Ende der Zeremonie, als es sich verwandelte und zu einer Fratze mit rot glühenden Augen wurde.
„Gehen wir ins Wohnzimmer“, sagte Brian matt. Er war völlig verwirrt. So sehr er sich auch anstrengte, er konnte sich an nichts erinnern.
Sie setzen sich, und Brian holte Gläser und eine Flasche Scotch.
„Ihr werdet alle sterben“, sagte Ivor langsam. „Die Klaue wird euch finden und töten.“
„Was willst du damit sagen?“ fragte Brian verwundert.
„Diesen Satz hast du gesagt, als wir dich fanden, Brian.“
„Ich verstehe den Sinn des Satzes nicht. Wollt ihr mir nicht endlich erzählen, was geschehen ist?“
Ivor berichtete. Brian lehnte sich zurück und hörte mit halb geschlossenen Augen gespannt zu. Nachdenklich drehte er das Glas in seiner Hand herum. Gelegentlich warfen auch Nancy und Donna einige Bemerkungen ein.
„Eine äußerst merkwürdige Geschichte“, stellte Brian fest. „Eines stehe fest: ich war nicht draußen im Moor.“
„Das ist nicht bewiesen, Brian.“
Brian Robinson hob resignierend die Hände. „Ich glaube, daß mich jemand hypnotisierte, der dann meine Rolle spielte. Dazu ist nur ein wenig Schminke und eine Perücke notwendig.“
„Ich habe mit dir kurz vor der Zeremonie auf dem Parkplatz mit dir gesprochen“, sagte Ivor heftig. „Der Bursche muß einen erstklassigen Maskenbildner gehabt haben und außerdem ein großartiger Schauspieler sein.“
„Vielleicht ein Dämon oder Magier, der in der Lage ist die Gestalt eines anderen Menschen anzunehmen“, meinte Nancy.
Brian starrte sie an, dann nickte er langsam. „Das wäre eine Erklärung. Könnt ihr euch an Teile der Beschwörung erinnern?“
Ein paar Wörter fielen ihnen bruchstückhaft ein, die aber Brian nichts sagten.
Er stand entschlossen auf. „Ivor, du fährst mich ins Moor. Ich will meine Maschine holen und mich ein wenig umsehen.“
„Hat das nicht Zeit bis morgen?“
„Nein, wir fahren jetzt. Nancy und Donna, ihr geht schlafen.“

* * *

Roy deVoss hatte nicht lange in seiner umfangreichen Büchersammlung suchen müssen und ein paar Werke gefunden, die sich mit dem geheimnisvollen John Dee beschäftigten.
Der Graupapagei schlief, und Roy trank geistesabwesend eine Tasse Tee und vertiefte sich in ein Buch. Fasziniert las er die aufregenden Lebensgeschichte des berühmten Astrologen und Magiers, der von 1527 - 1608 gelebt hatte.
John Dee befaßte sich nach Studien in Louvain, Brüssel und Paris mit Mystik, Alchemie und Nekromant der Beschwörung von Toten. Jahre hindurch unterstützte ihn sein Assistent Edward Kelley. Dee reiste nach Holland, Deutschland, Polen, Ungarn und Böhmen. 1584 führte Dr. John Dee in Prag Kaiser Rudolf II. seinen Zauberspiegel und alchemistische Experimente vor, wurde aber vom pästlichen Nuntius vom Hof vertrieben. Schließlich wurde er Berater der englischen Königin Elisabeth I. Er erteilte ihr sogar Unterricht in Astrologie und bestimmte einen günstigen Krönungstag für sie. Dee stellte auch das Henochische System auf, das in einer besonderen Sprache, dem Henochischen abgefaßt ist.
„Zodocare od Zodameranu“, flüsterte Roy. Das war Henochisch, das später auch der berüchtigte Zauberer Aleister Crowley für einige Beschwörungen verwendete.
Roy schlug das Buch zu, und schenkte sich eine Tasse Tee ein. Dann griff er nach der Erstausgabe von „The Private Diary of Dr. John Dee“.
Die Welt versank um Roy deVoss.
Coco kreischte unwillig, als das Telefon läutete. Gedankenverloren hob Roy den Hörer ab. „Ja“, murmelte er in die Muschel.
„Habe ich das Vergnügen mit Roy deVoss zu sprechen?“ flötete eine Stimme, die er nur zu gut kannte.
„Du hast das Vergnügen, Yani. Wie geht es dir?“
„Ich kann nicht klagen. Ist aber ein ziemlich anstrengender Job dieses Exklusivinterview, aber es wird eine Sensation. Ich kann Roger nur während der Drehpausen interviewen, aber er erzählt unwahrscheinlich interessant.“
„Wann kommst du zurück, Kirschblüte?
„Ich weiß es nicht, Roy. Vielleicht in zwei Tagen.“
„Du gehst mir sehr ab.“
„Du mir auch. Ich mache dir einen Vorschlag, Roy. Komm doch nach London. Wir könnten uns ein vergnügtes Wochenende machen.“
„Sonntage in London sind äußerst langweilig“, stellte Roy fest.
„Ich weiß einige Möglichkeiten, einen faden Sonntag in einen aufregenden zu verwandeln“, kicherte Yani.
Roy grinste, „Das können wir in Amsterdam aber auch tun.“
„Überlege es dir, Roy. Du weißt wo ich wohne, und du hast die Telefonnummer des Studios. Ich lasse mich überraschen, ob du kommst.“
„Vielleicht ist es wirklich keine schlechte Idee ein paar Tage auszuspannen.“
„Du sagst es. Ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht, Roy, und schöne Träume.“
Roy legte den Hörer auf. Gemächlich steckte er sich eine Pfeife an.
Yani hatte sofort zugegriffen, als ihre ein Exklusivinterview mit einem berühmten Filmstar angeboten wurde. Seit fünf Tagen war sie bereits in London.
„Was meinst du, Coco?“ wandte sich Roy fragend an den Papagei, der an seinem linken Flügel herumzupfte. „Soll ich nach London fliegen?“
Coco krächzte nur verächtlich, dann machte er sich unsichtbar.
Ein fauliger Gestank ging wieder von Ma Ghones Ring aus, der so eklig war, daß Roy aufstand und die Fenster öffnete.
Roy hielt sich die Nase zu, und Coco verließ wild fluchend die Bibliothek. Der Magier starrte den Ring an.
Im Ringinneren war eine Moorlandschaft zu sehen, dann Gestalten in weißen Kutten. Nun kroch irgendetwas über das Moor. Roy beugte sich aber den Ring, doch er konnte das Etwas nicht erkennen. Das Bild verblasste, und das Ringinnere funkelte schwarz.
„Was hat das zu bedeuten?“ flüsterte der Magier. „Eine Totenbeschwörung?“
Als sich endlich der Gestank verzogen hatte, setzte sich Roy wieder nieder und las weiter. Immer wieder warf er dem Ring einen Blick zu. Aber keine weiteren Bilder waren zu sehen.
Sollte er nach London zu Yani fliegen, oder war es besser auf weitere Hinweise des Ringes zu warten? Roy war noch immer zu keiner Entscheidung gelangt, als er nach zwei Uhr schlafen ging.

* * *

Die Würgekralle lag hinter einem Busch. Ihre unerklärliche Gier nach Leben war vorerst gestillt. Die Finger zuckten und bohrten sich in den weichen Boden.
Die Hand spürte wieder die Ausstrahlung von Leben, doch sie reagierte darauf nicht.
Das Scheinwerferlicht eines Streifenwagens blieb am Gebüsch hängen, hinter dem sich die die tödliche Hand versteckte.
Das Licht war schmerzhaft für sie. Rasch kroch sie tiefer ins Moor und ließ sich einfach in einen Tümpel fallen.

* * *

Chief Inspector Rodney Sweeny kaute verärgert an einer nicht angezündeten Zigarre herum, Seine Untergeben haßten ihn wie die Pest. Sein Äußeres war wenig einnehmend, er war klein und fett, schäbig gekleidet und sah immer mißmutig drein.
Angewidert wälzte er seine Massen aus dem Fond des Wagens und zog die Nase hoch.
„Hier stinkt es wie auf einer Müllgrube“, knurrte Sweeny.
„Der Geruch geht von den Toten im Rover aus, Sir“, erklärte eine Sergeant.
„Ach wirklich, Sie Schlaumeier“, brummte Sweeny. „Ich dachte schon, daß Sie sich ein paar Tage lang nicht gewaschen haben.“
Peinlich berührt preßte der Sergeant die Zähne zusammen.
Sweeny holte ein Taschentuch hervor, mit dem er sich die Nase zuhielt. Schwerfällig und schnaubend stapfte er auf den Rover zu.
Ein kurzer Blick genügte ihm. Seine Magengeschwüre machten sich bemerkbar.
„Sir“, sagte der Sergeant, „hier sind seltsame Spuren am Auto zu erkennen.“
Aus dem Spurensicherungswagen hatten sie starke Scheinwerfer geholt, die den Tatort in gleißendes Licht tauchten. Ein Fotograf knipste wie verrückt.
Der Chief Inspector sah sich die Flecken an, die daumennagelgroß waren. Sie liefen über den Kofferraumdeckel und die rechte Wagenseite.
In diesem Augenblick traf der Arzt ein, mit dem Rodney Sweeny seit vielen Jahren auf Kriegsfuß stand.
„Was sagen Sie zu dieser Sauerei, Doc? fragte Sweeny, der sich noch immer die Nasenlöcher zuhielt.
In seiner langen Laufbahn als Poliziearzt hatte er schon einige scheußlich zugerichtete Leichen gesehen, doch nie zuvor etwas Ähnliches.
„Doc, was ist die Todesursache?“ fragte Sweeny gemein grinsend.
Der Arzt ignorierte den Chief Inspector. Er berührte den Toten hinter dem Lenkrad mit der rechten Hand und stieß einen Schrei aus. Seine Hand war mit Blasen bedeckt, die aufbrachen und eine gelbe Flüssigkeit tropfte zu Boden.
„Dieser Schlamm ist wie Säure“, sagte der Arzt stöhnend. Wütend starrte er den Chief Inspector an, der bösartig kicherte.
„Lachen Sie nicht so dreckig, Sweeny“, tobte der Polizeiarzt.
„Sie haben sich ziemlich dämlich angestellt, Doc“, meinte Sweeny, für den es nichts Lustigeres gab, wenn sich andere Menschen weh taten.
„Sweeny“, sagte der Arzt ganz leise, „Sie sind für mich der unfähigste Polizeibeamter in ganz England.“
„Das haben Sie mir schon vor zehn Jahren erzählt“, gackerte Sweeny. „Ich will die Todesursache wissen. Den Autopsiebefund will ich morgen um neun Uhr auf meinem Schreibtisch haben.“
„Dreckkerl“, brummte der Arzt, als Sweeny zu seinem Wagen zurückging.

* * *

Ivor Forster hatte lange überlegte, ob er Brian Robinson den Vorfall mit der kriechenden Hand erzählen sollte, hatte sich aber schließlich dafür entschieden.
Sie rasten durch die Nacht, und Brian versuchte angestrengt sich ein Bild der Geschehnisse zu machen, was ihm aber nicht gelang.
Ein Polizist hielt sie auf.
„Die Straße ist gesperrt“, sagte er.
„Wir wollen nach Bovey Tracy“, log Ivor.
„Tut mir leid, aber ihr könnt hier nicht weiterfahren.“
„Was ist denn los?“ erkundigte sich Brian neugierig.
„Ein Unfall. Fahrt über die A 382.“
Ivor drehte um, doch bei der nächsten Kurve blieb er stehen und schaltete den Scheinwerfer aus.
„Ich denke nicht daran, diesen Umweg zu fahren“, brummte Ivor.
„Es gibt einen schmalen Weg, der in einem Halbkreis nach Vogwell führt“, sagte Brian.
„Ich kenne ihn. Den werden wir nehmen.“
Er fuhr ganz langsam. Der Weg war fest, nur ganz selten durchquerten sie eine Lache.
Deutlich sahen sie den Rover, die Streifenwagen und die Polizisten.
Ivor stellte den Motor ab. „Das wollen wir uns doch einmal genauer ansehen.“
Vorsichtig schlichen die beiden näher.
Männer in Schutzkleidung zogen eine der Leichen aus dem Rover.
„Mann, das darf es doch nicht geben“, stöhnte Ivor. „Der Tote sieht fürchterlich aus. Das war kein Unfall.“
Brian stand der Schweiß auf der Stirn.
„Seid vorsichtig“, schrie ein Polizist. „Der Schlamm ist wie Säure.“
„Mir wird übel“, wimmerte Brian und übergab sich.
Ivor Forster erschütterte der Anblick des schrecklich entstellten Toten viel weniger. Er steckte sich eine Zigarette an und sah interessiert zu, wie die Leiche in einen Sarg gehoben wurde. Seit Jahren hatte sich Ivor mit okkulten und magischen Dingen beschäftigt. Er war ziemlich sicher, daß durch die Beschwörung die schleimige Hand erweckt worden war. Dazu kamen noch Brians Worte. Vermutlich war mit der Klaue die kriechende Hand gemeint. Und falls die Warnung stimmte, dann schwebten alle Mitglieder der Hexengruppe in Lebensgefahr.
Nun wurde eine zweite Leiche aus dem Rover gezerrt.
Ivor hatte genug gesehen.
„Fühlst du dich besser, Brian?“
„Etwas“, murmelte er.
„Okay, dann holen wir deine Maschine und fahren zurück nach Exeter.“

* * *

Der grauhaarige Arzt beugte sich über den Toten, der auf einem der Obduktionstische lag. Das Gesicht war eine formlose Masse.
Zuerst schnitt er die wenigen Kleidungsfetzen mit einer Schere ab und legte sie in einen Behälter.
Vorsichtig entfernte er den grauen Schlamm vom Gesicht und vom Hals. Die Haut darunter war zerfressen, aber deutlich waren die Würgemale am Hals zu erkennen.
Es dauerte fast eine Stunde bis er den Körper des Toten vom Schlamm befreit hatte.
Einen Augenblick zögerte er. Wo sollte er den ersten Schnitt ansetzen. Schließlich entschloß er mit dem aufgequollenen Bauch zu beginnen.
Das Skalpell drang tief in das Fleisch ein. Gurgelnd entwich eine bestialisch stinkende Luft, und der aufgequollenen Bauch fiel wie ein Luftballon zusammen, aus dem die Luft entwich.
Er öffnete den Brustkorb. Die Lungen, das Herz und alle anderen inneren Organe waren geschrumpft und in Auflösung begriffen.
Rasch arbeitete der Pathologe weiter.
Eine Stunde später hatte er die Obduktion abgeschlossen.
Tod durch Erdrosseln. Das war sicher. Aber alles andere war ein völliges Rätsel.
Müde setzte er sich nieder und begann den Obduktionsbericht auszufüllen.
Die Tote sezierte er nicht. Er schob den fahrbaren Obduktionstisch in das Kühlhaus. Die Frau sollte ein anderer Pathologe sezieren. Vielleicht ein Spezialist aus London.

* * *

Ivor und Brian unterhielten sich noch lange, dabei brachte auch Ivor seine Vermutung vor, daß die schleimige Hand, die er im Moor gesehen hatte, die Klaue gemeint sein könnte.
„Was sollen wir tun?“ fragte Brian verzweifelt.
„Die Polizei können wir vergessen. Sie glaubt uns kein Wort. Wir müssen eine Möglichkeit finden die Klaue auszuschalten.“
„Das wird nicht einfach sein. Ich werde in der Universität in einigen alten Schriften nachsehen. Vielleicht finde ich eine Lösung.“
„Sollen wir die anderen Mitglieder warnen, Brian?“
„Das hat wohl wenig Sinn.“
„Schlafen wir mal darüber“, sagte Ivor und stand auf. „Ich gehe jetzt.“
„Gute Nacht“, sagte Brian.
Er öffnete eine neue Flasche Whisky. Das Telefon läutete, und er hob ab.
„Hu-Jum-Sin“, sagte eine tiefe Stimme.
Brians Gesicht wurde leer. Der Ausdruck seiner Augen war starr.
Er war tatsächlich auf magische Weise hypnotisiert worden. Er hatte einen posthypnotischen Auftrag erhalten.
„Erzählen Sie mir, was geschehen ist“, befahl die Stimme.
Brian Robinson gehorchte. Detailliert berichtete er alles, was er wußte.
„Dieser Ivor Forster ist gefährlich. Er muß ausgeschaltet werden. Hören Sie mir gut zu.“
Ein paar Minuten sprach der Unbekannte auf Brian ein. Abschließend sagte er „Hu-Jum-Sin“ und die Erstarrung fiel von Brian ab.
Verwundert stierte er den Hörer an, das Gespräch hatte er bereits vergessen.

* * *

Kurz nach neun Uhr betrat Chief Inspector Rodney Sweeny das Police H.Q. in der Heavitree Road. Er hatte zu wenig geschlafen, und seine Magengeschwüre machten sich stärker bemerkbar.
Ein Detective Sergeant wartete im Vorraum zu seinem Büro.
„Guten Morgen“, sagte der junge Beamte.
Sweeny schnaufte und watschelte in sein Büro. Verbittert setzte er sich und stierte die Berichte und Foto an.
Seine ohnedies schlechte Laune vertiefte sich noch, als er den Obduktionsbericht las.
„Fordern Sie einen Pathologen an, aber eine Kapazität, der die Frau sezieren soll. Unser vertrottelter Doc steht vor einem Rätsel. Angeblich wurde der Tote erwürgt.“
Er legte den Bericht zur Seite.
„Wurde der Schlamm bereits untersucht?“ schnauzte er den Polizisten an.
„Im Labor wird daran gearbeitet.“
„Ach, diese Schwachköpfe finden doch nichts heraus. Eine Probe soll an Scotland Yard gesandt werden.“
Die Fotos der Toten und des Wagens sah er nur flüchtig an. Im Handschuhfach hatte man den Führerschein des Wagenbesitzers gefunden. Er war 42 Jahre alt und verheiratet.
Nun sah sich der Chief Inspector den Ausweis an, den man in der Handtasche der Toten gefunden hatte. Sie war 29 Jahre alt gewesen und nach dem Foto zu schließen, mußte sie außergewöhnlich hübsch gewesen sein.
„Sind die Toten bereits sicher identifiziert worden?“
„Noch nicht, Sir. Wir können sie nur anhand der Zähne identifizieren. Der Zahnarzt des Mannes kommt in einer halben Stunde. Bei der Frau ist das schwieriger. Sie lebt erst seit zwei Monaten in Exeter, vorher wohnte sie in Birmingham.“
„Setzen Sie sich mit den Kollegen in Birmingham in Verbindung. Und jetzt hauen Sie endlich ab. Ihr Anblick verursacht mir Magendrücken.“
„Was ist mit der Presse, Sir?
„Diese Hyänen“, zischte Sweeny ergrimmt, „Für die Presse ist der Superintendent zuständig. Er sieht sein Bild gern in der Zeitung.“
Er las die wenigen Zeugenaussagen durch, die ihm nicht weiterhalfen.
Das ist ein verdammt schwieriger Fall, dachte Sweeny verbittert, ein Fall, an dem er sich vermutlich seine letzten Zähne ausbeißen würde.

* * *

Als Yani Atawa das Frühstückszimmer des Hotels verließ, blickten ihr einige Männer bewundernd nach, während ein paar Frauen mißmutig die Nasen rümpften.
Die zierliche Japanerin, mit dem seidenweichen, schwarzen Haar, trieb den Blutdruck der meisten Männer hoch. Die eng anliegende Bluse betonte ihre aufreizenden Formen, und der Minirock unterstrich die Schlankheit ihrer perfekt geformten Beine.
Yani beachtete die Blicke nicht. Daran war sie gewöhnt. Mit ihren Gedanken war sie ganz bei dem Exklusivinterview mit dem berühmten Schauspieler Roger Moore. Ursprünglich hatte sie ihn für einen nichtssagenden, gutaussehenden Don Juan gehalten, der seine Frau betrog, wann immer er dazu Gelegenheit hatte. Doch in den vergangenen Tagen hatte sie ihre Meinung über Roger grundlegend geändert, Ein Großteil der Schauspieler, die sie bis jetzt interviewt hatte, waren eingebildet und überheblich gewesen. Roger Moore war das ganz anders. Er war gescheit und vertrat vernünftige Ansichten.
In ihrem Zimmer setzte sie sich vor die elektrische Reiseschreibmaschine und stellte den Kassettenrecorder an.
Rogers wohlklingende Stimme war zu vernehmen. Er sprach langsam und deutlich. Mühelos konnte Yani mitschreiben.
Ein paar Minuten nach elf Uhr war sie mit dem Schreiben fertig. Sie legte die Durchschläge zusammen, die sie dem Schauspieler geben wollte.
Sie faltete die Papiere zusammen und steckte sie in die Handtasche, dann fuhr sie mit dem Aufzug in die Rezeption und gab den Zimmerschlüssel ab.
Yani trat auf die belebte Oxford Street und sah sich nach einem Taxi um.
Ihr Blick fiel auf einen schimmernden Rolls Royce mit getönten Scheiben.
Neben dem Wagen stand ein Mann, den sie nur zu gut kannte. Er lächelte ihr zu, und sein blondes Haar war vom leichten Wind zerrauft.
„Roy!“ rief sie fröhlich und stürmte auf ihn zu.
„Kirschblüte“, sagte er sanft und küßte sie zärtlich auf die Lippen.
„Ich kann es noch immer nicht fassen, daß du wirklich gekommen bist.“
Roy öffnete die hinter Wagentür, und Yani stieg ein. Er ging um den Wagen herum und setzte sich zu Yani in den Fond des Wagens.
„Die Sehnsucht trieb mich nach London“, sagte Roy. „Ich habe dich sehr vermißt.“
„Ich dich auch“, sagte sie und schmiegte sich an ihn.
Der Fahrer, der einen grauen Anzug trug, startete und reihte sich in den starken Verkehr ein.
„Du willst sicherlich ins Studio, Yani?“
„Ja, um zwölf Uhr soll ich Roger treffen. Er wird dir gefallen.“
„Wir fahren aber nicht ins Studio“, sagte Roy mit veränderter Stimme.
Yani blickte ihn überrascht an.
Roys Gesicht schien zu zerfließen, wurde zu einer konturlosen Fläche, aus der sie nur die brennenden Augen anblickten.
„Du bist nicht Roy“, stieß Yani keuchend hervor.
„Erraten“, sagte der Mann mit den rot glühenden Augen.
Yani reagierte blitzschnell. Sie holte mit der linken Hand zu einem Karateschlag aus, doch sie erreichte nicht den Kopf des Unheimlichen. Ihre Hand stieß gegen ein unsichtbares Hindernis.
Der Fremde kicherte spöttisch.
Dieses höhnische Lachen hatte Yani schon früher gehört.
Dann formte sich das Gesicht des Fremden und Yani schrie vor Grauen auf.
Diese dünnen Lippen, die Hakennase und fahle Gesichtsfarbe waren ihr nur zu vertraut.
„Magiron“, flüsterte sie entsetzt.
Die rot glühenden Augen begannen zu rotieren.
Yani versuchte verzweifelt dem Blick auszuweichen, doch die Kräfte des Zauberers war sie machtlos. Ihr Körper war gelähmt.
„Bist du sicher, daß ich Magiron bin?“ fragte der Unheimliche höhnisch.
„Ja, das bin ich.“
„Vielleicht irrst du dich, meine Schöne. Ich habe mit dir einiges vor. Roy deVoss wird auf alle meine Bedingungen eingehen.“
„Das glaube ich nicht.“
„Ich will nur eines von ihm.“
„Und das ist?“
„Den Zauberring, den er von Ma Ghone erhalten hat. Ihn will ich.“
„Niemals wird Roy den Ring hergeben.“
„Kirschblüte, warte es ab.“
Yani war überraschend gefaßt. Aber sie war unsicher geworden. Hatte sie es tatsächlich mit Magiron zu tun, denn sie vor Monaten erstmals bei der Todes-Show in Amsterdam gesehen hatte? Eines stand jedenfalls fest, dieser Zauberer oder Dämon konnte zumindest kurze Zeit die Gestalt von anderen Menschen annehmen.
Die rot funkelnden Augen wurden groß wie Autoreifen, Irgendetwas floß auf sie über.
Gequält stöhnte Yani auf, dann wurde sie bewußtlos.

* * *

„In zwanzig Minuten soll ich der Presse eine Erklärung abgeben“, sagte der Superintendent und musterte Rodney Sweeny verächtlich, der wie eine fette Kröte ihm gegenüber hockte.
Sweeny vermied es seinen Vorgesetzten zusehen. Er konnte diesen geschniegelten Kerl nicht leiden, der noch dazu ein Oxford-Englisch sprach.
„Was soll ich den Reportern erzählen, Sweeny?“
Der Chief Inspector blickte ihn gelangweilt an. „Erzählen Sie ausnahmsweise mal die Wahrheit.“
„Kein Mensch glaubt das mit den schlammbedeckten Toten.“
„Dann zeigen Sie den Reportern die Ermordeten, da werden einige zu kotzen beginnen.“
„Was haben Sie bisher herausbekommen?“
„Die Unterlagen liegen auf Ihrem Tisch“, brummte Sweeny. Er vermied es seinen Vorgesetzten mit 'Sir' anzureden.
„Der Tote war ein bekannter Geschäftsmann“, stellte der 'Super' fest.
„Richtig“, stimmte Sweeny zu, „der seine Frau seit Jahren betrog. Vor etwa vier Wochen lernte er diese junge Frau kennen, die noch immer nicht eindeutig identifiziert ist. Sie wurde seine Geliebte. Das ist eine Story, auf die Journalisten fliegen.“
„Wer kann der Mörder sein?“
„Keine Ahnung. Wir wissen, daß der Tote gestern mit Freunden bis zehn Uhr in einem Pub in Exeter war. Er fuhr dann los. Irgendwo traf er sich mit seiner Geliebten. Ein halbes Dutzend Polizisten haben das Moor durchsucht. Sie fanden Reifenspuren auf einem Parkplatz in der Nähe von Whooping Rock. Irgendwann fuhr der Rover los. Er kam aber nicht weit. Der Fahrer bremste so heftig, daß er den Motor abwürgte. Jetzt haben wir zwei Vermutungen.“
„Und die sind?“
Sweeny lehnte sich zurück. „Etwas versperrte die Straße, daher die Notbremsung. Die zweite Möglichkeit ist, daß der Täter im Fond des Wagens lauerte.“
„Was ist mit dem Schlamm?“
„Er besteht aus einer stark ätzenden Substanz, die sich sogar durch dünne Eisenplatten hindurchfrißt.“
„Die zwei wurden erdrosselt, das steht doch fest?“
„Erdrosselt oder erwürgt. Vermutlich hat dann der Täter seine Opfer mit dieser Saure überschüttet. Eine andere Erklärung finden wir nicht.“
„Das ist alles sehr dürftig.“
„Um es ganz offen zu sagen: Wir haben keinerlei Anhaltspunkt, wer der Täter sein könnte. Der Ermordete war sehr beliebt, er hatte keine Feinde. Über die Tote ist uns nur wenig bekannt. Wir erwarten einen Bericht aus Birmingham.“
„Die Reporter werden mich in der Luft zerreißen“, sagte der Super unbehaglich.
Sweeny stand langsam auf. Sie sollen dich ruhig fertig machen, dachte er, als er das Zimmer verließ.

* * *

Brian Robinson wachte mit einem Brummschädel kurz vor zwölf Uhr auf. Er duschte und rasierte sich, dann genehmigte er sich ein einfaches Frühstück.
Er setzte sich und telefonierte mit allen Mitgliedern der Hexengruppe, die gestern an der Zeremonie teilgenommen hatten. Auf ihre Fragen, was eigentlich geschehen war, gab er nur ausweichende Antworten.
Nancy Wilson konnte er aber nicht so leicht abwimmeln.
„Habt ihr etwas im Moor entdeckt?“ fragte sie.
„Die Straße war gesperrt. Ein Autounfall, wie uns ein Polizist erzählte. Wir holten meine Maschine, dann fuhren wir zu mir.“
„Kannst du dich in der Zwischenzeit an andere Dinge erinnern, Brian?“
„Nein, tut mir leid. Ich habe verzweifelt nachgedacht, doch mir fällt nichts ein. Ich weiß nicht, was mit mir geschehen ist.“
„Donna und ich haben Angst, Brian.“
„Ihr braucht euch keine Sorgen zu machen.“
„Ich denke ständig an die Klaue und die Warnung. Was sollen wir tun?“
„Nichts. Keine Angst. Es wird euch nichts geschehen.“
„Ich möchte mit dir am Abend sprechen, Brian.“
„Das geht nicht. Ich habe schon etwas vor.“
„Ich bringe nach Büroschluß Donna nach Moretonhampstead. Ich werde dich anrufen, Brian.“
„Ja, tu das“, sagte er verärgert.
Nancy gefiel ihm außergewöhnlich gut, doch er hatte sich geschworen kein Verhältnis mit einem Mädchen aus der Wicca-Gruppe anzufangen. Bei anderen Zirkeln war das anders, da wurden wüste Orgien gefeiert, die aber Brian ablehnte.
Er wählte Ivor Forsters Nummer.
„Ich fahre jetzt in die Universität, Ivor“, sagte Brian. „Wir werden heute abend einen kleinen Ausflug unternehmen. Nur du und ich.“
„Und wohin soll es gehen?“
„Das sage ich dir später. Hol mich um sieben Uhr ab.“
„Kannst du mir nicht wenigstens einen Hinweis geben, Brian?“
„Unser Ziel ist eine Ruine, früher war sie eine kleine Kirche.“
„Und was sollen wir dort?“
„Wir werden die Hand vernichten.“
„Erzähle!“ forderte Ivor ungeduldig.
„Vor ein paar hundert Jahren hauste in dieser Gegend ein mächtiger Zauberer. Er wurde zerstückelt, und seine Hand ins Moor geworfen. Gestern wurde die Hand des Magiers erweckt.“
„Woher weißt du das?“ fragte Ivor verblüfft.
„Ich habe in einigen alten Schriften geblättert. Aber ich muß noch mehr Informationen einholen. Bis um sieben Uhr, Ivor.“
Er legte den Hörer auf runzelte die Stirn. „Woher weiß ich das wirklich?“ fragte er leise. Brian Robinson ahnte nicht, daß er das Werkzeuge eines mächtigen Zauberers war.

* * *

Yani Atawa wußte nicht, wo sie sich befand und wie sie hergekommen war.
Ihr Gefängnis war eine kleine, fensterlose Wohnung, die aus einem Wohnzimmer, einer kleinen Kochnische und einem winzigen Bad mit Sitzbadewanne bestand.
Der Kühlschrank und die Tiefkühltruhe waren vollgestopft mit Lebensmitteln, in einem Schrank fand sie mehr als hundert Konservendosen, verhungern würde sie kaum.
Das Wohnzimmer war spartanisch eingerichtet, und die Möbel schienen hundert Jahre alt zu sein. Das Bett war schmal und quietschte bei jeder Bewegung. Der runde Tisch wackelt, und der einfache Holzsessel war so altersschwach, daß sie befürchtete, er werde jeden Augenblick zusammenbrechen.
Vor einer halben Stunde war sie im Bett aufgewacht, aufgestanden und sofort zur Tür geeilt, die ohne Schloß und Klinke war. Dann hatte sie die Wohnung untersucht. In einer Ecke des Zimmers stand ein Stapel mit alten Zeitschriften und Illustrierten, die ihre einzige Zerstreuung waren. Aber im Augenblick klopfte sie die Wände ab.
Kurze Zeit später setzte sie sich resignierend nieder. Aus eigener Kraft konnte sie nicht fliehen.
Sie lauschte, doch kein Geräusch war zu hören. Intensiv dachte sie an Roy deVoss.

* * *

Der Magier hatte miserabel geschlafen. Den ganzen Tag über war seine Stimmung mißmutig. Instinktiv spürte daß sich etwas Böses zusammenbraute.
Er hatte kurz mit dem Büro in Rotterdam telefoniert, und dann die Zeitungen gelesen.
Es kam selten vor, daß Roy so mißmutig und schlecht gelaunt war. Doch alle in der Villa spürten es und gingen ihm aus dem Weg.
Er überlegte noch immer, ob er nach London fahren sollte.
„Nein“, flüsterte er und schüttelte entschieden den Kopf. „Ich bleibe hier.“
Patrick MacLaine servierte schweigend das Mittagessen.
Nach dem Essen vertiefte er sich in die Tagebuchaufzeichnungen von Dr. John Dee.
Ergrimmt hob er den Hörer ab, als das Telefon läutete.
„Ich weiß, daß nicht gestört werden wollen, Mijnheer“, vernahm er Patricks Stimme, „Aber der Anrufer behauptet, daß es dringend ist.“
„Schalten Sie durch“, brummte Roy.
„Spreche ich mit Roy deVoss?“ hörte der Magier eine Stimme, die er nicht kannte.
„Ja, wer sind Sie?“
„Mein Name sagt Ihnen nichts, Sir. Ich soll Ihnen nur etwas ausrichten.“
„Schießen Sie los, Mr. Unbekannt.“
„Sie kennen doch Yani Atawa?“
„Ja, ist etwas geschehen?“ fragte Roy aufgeregt.
„Sie wurde entführt, Sir.“
„Unsinn“, meinte Roy schwach.
„Sie wurde entführt“, sagte der Anrufer hart. „Ich soll Ihnen sagen, daß Sie nach Exeter fliegen sollen. Das ist in England, falls Sie das nicht wissen.“
„Ich weiß es.“
„Für Sie ist ein Zimmer im Royal Hotel in Exeter reserviert. Dort werde ich mich morgen mit Ihnen in Verbindung setzen. Es wäre besser, wenn Sie die Polizei nicht benachrichtigen. Haben wir uns da verstanden.“
„Ja“, knurrte Roy wütend. „Ich nehme an, daß Sie ein Lösegeld fordern.“
„Ich habe mit der ganzen Sache nichts zu tun, Sir“, sagte der Anrufer sanft. „Ich soll Ihnen weiter sagen, daß Sie Yani Atawa nur im Austausch gegen Ma Ghones Ring bekommen. Kennen Sie so einen Ring?“
„Ja, ich werde ihn mitnehmen.“
Der Anrufer hatte aufgelegt. Roy saß einige Sekunden wie versteinert da.
Er hatte befürchtet, daß irgendwann einmal Yani entführt werden könnte, und nun war dieser Fall eingetreten. Aber es war keine normale Entführung, denn nur ganz wenige wußten von Zauberring.
Sicherheitshalber rief Roy im Hotel in London an. Yani hatte das Hotel vor etwa vier Stunden verlassen und war nicht zurückgekehrt.
Nun telefonierte er mit dem Studio. Es dauerte einige Zeit bis er den Agenten von Roger Moore erreichte, der sich wunderte, daß Yani nicht gekommen war. Sie hätte um zwölf Uhr den Schauspieler treffen sollen.
„Patrick!“ schrie Roy.
Der Butler tauchte auf. Er war grauhaarig und trug eine gestreifte Livree.
„Zu Diensten, Mijnheer.“
Die Förmlichkeit Patricks machte Roy gelegentlich rasend, da er ihn schon seit seiner frühesten Kindheit kannte.
„Yani wurde gekidnappt!“
„Was?“ Patricks Mund stand weit offen.
„Buchen Sie sofort zwei Flugtickets nach London, und erkundigen Sie sich, wann es einen Anschlußflug nach Exeter gibt.“
Patrick klappte den Mund zu, dann nickte er. „Das ist ja entsetzlich, Mijnheer.“
„Das ist es allerdings.“

* * *

Nancy Wilson war den ganzen Tag über unaufmerksam gewesen. Die vergangene Nacht hatte sie sich noch lange mit Donna Armfield unterhalten, durch die sie in den Hexenzirkel gekommen war.
Donna hatte ihr einiges über Ivor Herbert erzählt, mit dem sie seit zwei Jahren befreundet war. Gelegentlich verbrachte sie auch einmal eine Nacht mit ihm. Er war es gewesen, der Donna mit Brian Robinson bekannt gemacht hatte. Donna hatte Nancy gestanden, daß sie eine Zeitlang ganz schön verliebt in Brian gewesen war, der aber auf ihre offenherzigen Hinweise nicht reagiert hatte.
Nancys Entschluß stand fest, sie wollte aus dem Hexenzirkel austreten. Bisher hatte sie an Magie nicht geglaubt, doch der gestrige Abend hatte ihr die Augen geöffnet. Mit Magie wollte sie nichts zu tun haben.
„Ich fahre dich jetzt nach Hause“, sagte Nancy und gab Gas. „Später spreche ich dann mit Brian. Ich werde ihm einige unangenehme Fragen stellen.“
„Du weißt, daß es unmöglich ist aus dem Kreis auszutreten. Du kannst dich aber zurückziehen und nicht mehr an den Zeremonien teilnehmen.“
„Ich werde sie nicht sehr vermissen“, stellte Nancy fest und schaltete das Radio ein. „Bis auf die gestrige Zusammenkunft war alles nur ein kindisches Herumgetue.“
„Du bist keine Eingeweihte. Bisher hast du dich nur sehr flüchtig mit dem Wicca-Kult beschäftigt.“
„Jetzt werde ich mich damit überhaupt nicht mehr beschäftigen. Hast du keine Angst mehr, Donna?“
Das zierliche rothaarige Mädchen zuckte die Schultern. „Nach der Zeremonie hatte ich Angst, auch als wir Brian im Schlafzimmer fanden, fühlte ich ziemlich unbehaglich. Aber es gab auch schon vor einem Jahre einige seltsame Vorfälle.“
„Erzähle“, bat Nancy.
„Nachdem du nichts mehr von Magie wissen willst, werde ich dir nichts erzählen.“
Die Sechs-Uhr-Nachrichten begannen, und beide hörten unaufmerksam zu. Der Sprecher faselte über die Arbeitslosenzahlen und welche Wunderdinge sich die Regierung einfallen ließ, damit dieses Problem gelöst werde. Danach kamen die ewig gleichen Meldungen aus dem Nahen Osten, die gespannten Beziehungen zwischen den USA und der UdSSR.
Nancy wollte das Radio abdrehen, als der Sprecher mit Lokalnachrichten aus Devon aufwartete.
„...vergangene Nacht geschahen zwei rätselhafte Morde in der Nähe von Exeter. Nach Angaben der Polizei wurden die Toten erwürgt in einem Auto gefunden. Nähere Einzelheiten liegen nicht vor. Heute findet in...“
Nancy schaltete das Radio aus.
„Brian erwähnte etwas von einem Unfall“, meinte Donna nachdenklich.
„Erwürgt!“ stieß Nancy hervor. Sie warf ihrer Bürokollegin einen entsetzten Blick zu. „Die Klaue wird euch finden und töten!“
„Ich glaube nicht an diesen Unsinn. Weißt du, was ich vermute?“
„Keine Ahnung.“
„Brian wollte uns nur erschrecken.“
„Diesen Eindruck hatte ich nicht. Aber du kennst Brian besser.“

* * *

Seit sie die Villa verlassen hatten, war Roy deVoss in einen tranceartigen Zustand verfallen. Er hatte kein Wort gesprochen, als sie durch die Zollabfertigung gingen und das Flugzeug bestiegen.
Auch während des Fluges nach London, saß der Magier wie erstarrt da und stierte vor sich hin.
Als die Stewardeß Erfrischungen anbot, warf ihr Roy einen eisigen Blick zu und schüttelte entschieden den Kopf.
„Mijnheer“, sagte Patrick MacLaine leise.
Roy seufzte, „Ich habe nachgedacht, Patrick. Das Ergebnis meiner Grübelei ist wenig erfreulich.“
Patrick blickte den blondhaarigen Mann an, den er als Junge auf den Knien geschaukelt hatte. Seit dem Tod von Roys Eltern war er eine Art Vater für Roy geworden. Der Butler schwieg, denn er wußte ganz genau, daß es Roy erleichterte, wenn er ganz einfach über seine Gefühle und Gedanken sprach.
„Wahrscheinlich hat Magiron Yani entführt“, sprach Roy weiter und holte seine Pfeife hervor.
„Sind Sie da sicher, Roy.“
Der Magier lächelte verkrampft. Es war lange her, seit ihm Patrick mit seinem Vornamen ansprach.
„Es ist die wahrscheinlichste Vermutung. Ich bin Magirons größter Feind. Automatisch denke ich, daß er dahinter steckt. Doch in den vergangenen Monaten bin ich etwas klüger geworden. Ich rechne mit allen Möglichkeiten. Wer immer Yani entführt hat, weiß wie sehr ich sie liebe. Er hätte ein Lösegeld in Millionenhöhe verlangen können.“
„Sie hätten es gezahlt.“
Roy nickte. „Aber unser unbekannter Gegner ist an Geld anscheinend nicht interessiert, Er will Ma Ghones Zauberring, mit dem er vermutlich nicht viel anfangen kann, da der Ring auf mich fixiert ist. Sollte ich aber den Zauberreifen verlieren, dann kann ich mich gegen einen starken Magier kaum verteidigen.“
„Und was schließen Sie daraus?“
Der Magier biß nachdenklich am Pfeifenstil herum.
„Ich soll nervös werden und verrückt mit meiner Sorge um Yani. Aber diesen Gefallen werde ich unserem Gegner nicht machen.“
„Und wie wollen Sie das bewerkstelligen?“
„Ich gehe von der Voraussetzung aus, daß Yani im Augenblick keine Gefahr droht. Sie ist für den Kidnapper völlig uninteressant. Wichtig bin nur ich. Der Entführer will meinen Tod. Darauf stelle ich mich ein. Und ich werde äußerst vorsichtig sein, das können Sie mir glauben, Patrick.“

* * *

Brian Robinson wartet vor dem Haus auf Ivor Forster, der zwei Minuten vor sieben Uhr mit einem klapprigen Ford Escort vorfuhr.
„Wohin fahren wir, Brian?“ fragte Ivor aufgeregt, als sein Freund einstieg.
„Kennst du Blackaton Down?“
Ivor grinste. „Ich könnte jederzeit als Fremdenführer arbeiten. Die B 3212 bis nach Shapley Common, danach einen schmalen Weg genau nach Süden.“
„Alle Achtung, Ivor, Du kennst das Moor wie deine Hosentasche.“
„Noch besser“, grinste Ivor und fuhr durch die schmalen Gassen von Exeter.
Brian warf einen Koffer auf den Rücksitz.
„Erzähle mit etwas über den zerstückelten Zauberer, der vor Jahrhunderten im Dartmoor sein Unwesen trieb.“
„Sein Name ist mit nicht bekannt. Es geschah vor etwa vierhundert Jahren, da trieb dieser Hexer seine unheimlichen Hexereien in dieser Gegend.
Er war gefürchtet, niemand wagte seinen Namen zu erwähnen. Die unheimlichsten Dinge geschahen damals. Die Bevölkerung rief einen anderen Zauberer zu Hilfe.“
Ivor überlegte nur kurz. „Das kann nur John Dee gewesen sein.“
„Du hast dich tatsächlich intensiv mit der Kunst der Magie auseinandergesetzt. Dee stellte den Zauberer zum Kampf, und er besiegte ihn. Doch der tote Magier war noch immer gefährlich. Man versuchte ihn zu verbrennen, doch sein Körper war vom Feuer nicht zu vernichten. Schließlich wurde ihm die rechte Hand abgehackt und im Moor versenkt. Was mit seinem Körper geschah, darüber weiß ich nicht Bescheid. Sie enthaupteten den Hexer und bestatteten seinen Schädel in einer kleinen Kirche, die wir nun besuchen werden.“
Ivor steckte sich eine Zigarette an. „Der Schädel befindet sich in der Kirche, zu der wir fahren.“
„Erraten“, sagte Brian lachend.
Ein paar Minuten schwiegen sie.
„Ich habe heute stundenlang in alten Schriftrollen geblättert“, unterbrach Brian die Stille. „Der Kopf des Hexers muß vernichtet werden, dann ist die Hand völlig harmlos.“
„Weshalb hat das John Dee nicht in der Vergangenheit getan.“
„Er konnte seinen Auftrag nicht ganz erfüllen, da er zu Königin Elisabeth gerufen wurde. Später fiel John Dee in Ungnade, und wahrscheinlich dachte er später nicht mehr an den unbekannten Hexer.“
„Hm“, brummte Ivor, dem die ganze Geschichte ziemlich unglaubwürdig erschien. „Du bist sicher, daß du den Kopf des Hexers endgültig zerstören kannst?“
„Natürlich kann bei der Beschwörung nicht alles nach Wunsch verlaufen, aber wir müssen das Risiko eingehen. Solltest du Angst haben, Ivor, dann werde ich die Beschwörung alleine durchführen, obzwar du mir eine große Hilfe sein könntest.“
„Ich helfe dir, Brian.“
Sie fuhren bergan die schmale Straße. Zu beiden Seiten lagen mit Moos und Farn überwucherte Wälle. Sie überquerten eine schmal Brücke, unter der ein armseliger Bach zwischen schwarzen Felsbrocken floß. Nun ging es bergauf. Die herbstliche Landschaft wirkte bedrückend. Der Weg führte durch gründunkle und düsterbraunen Hügel, auf denen gigantische, fremdartige Steinbrocken lagen, die in der Abenddämmerung wie Totenfratzen aussahen. Nun waren sturmzerrissene Kiefern und Eichen zu sehen, dazwischen verfallene Ruinen, die seit vielen Jahren verlassen waren.
Es war noch hell, als sie die Ruine erreichten, die einmal eine Kirche gewesen war.
„Du bleibst einstweilen im Wagen“, sagte Brian. „Ich sehe mir dieses verfallene Gebäude an.“
Brian griff nach dem Koffer und schritt rasch auf das düstere Gebäude zu.
Ivor zündete sich eine weitere Zigarette an. Er war ein wenig ängstlicher Mensch, doch von den schwarz gefärbten Mauern ging eine bösartige Ausstrahlung aus.

* * *

Donna wohnte am Ende des Ortes in einem kleinen Haus. Moretonhampstead war ein alter Marktflecken, den viele Touristen als Ausgangsort für Touren in den Nationalpark Dartmoor wählten.
„Heute ist Donnerstag, da kommt meine Vermieterin erst recht spät. Trinkst du eine Tasse Tee mit mir, Nancy.“
Die löwenmähnige Blondine hatte eigentlich keine Lust dazu. Aber schließlich überlegte sie es sich anders, vielleicht konnte ihr Donna noch irgendetwas Interessantes erzählen.
In der Diele roch es modrig. Das Wohnzimmer mit den dunklen Möbeln wirkte düster.
Setz dich, Nancy. Ich stelle das Wasser auf.“
Nancy blickte sich um. Hier wollte sie keinesfalls leben. So ähnlich sah es im Haus ihrer Eltern aus, und sie war froh, daß sie jetzt eine eigene Wohnung besaß. Ihr Blick fiel auf den alten Fernseher. Sie schaltete ihn ein und warf einen Blick in die Programmzeitschrift, die neben dem Apparat lag. In wenigen Minuten wurden auf Channel 4 Nachrichten gesendet. Sie schaltete auf diesen Kanal um.
Donna stellte Tassen und eine dampfende Teekanne auf den Tisch.
„Die Nachrichten kannst du dir schenken, Nancy“, meinte Donna, während sie den Tee einschenkt, „die bringen sicherlich nichts über die Morde.“
„Vielleicht doch.“
Donna sollte recht behalten. Die Morde wurden nicht einmal erwähnt.
Enttäuscht schaltete Nancy den Apparat aus. Sie trank ihre Tasse leer.
„Ich werde jetzt gehen“, sagte sie.
„Du kannst dir ruhig Zeit lassen, Nancy. Brian ist nicht zu Hause.“
„Woher weißt du das?“
Donna lächelte. „Am Nachmittag habe ich mit Ivor telefoniert. Er trifft sich mit Brian.“ Sie blickte auf die Uhr. „Jetzt sind sie schon unterwegs.“
„Wohin?“
„Ivor machte nur ein paar Andeutungen. Brian hat etwas über die gestrige Beschwörung herausgefunden. Sie wollen eine Gegenbeschwörung durchführen.“
„Und wo soll sie stattfinden?“
„Das wußte Ivor nicht.“
Nancy blickte Donna gespannt an. „Ich glaube, daß er dir mehr erzählt hat. Du verheimlichst mir etwas.“
„Du mußt nicht alles wissen. Es ist besser, wenn ich dir verschiedene Dinge nicht erzähle. Du bist zu ängstlich.“
„Was weißt du noch? Ich will es wissen.“
Donna schüttelte den Kopf. „Mehr sage ich nicht. Ich habe ohnehin schon zu viel gesprochen.“
Nancy ließ nicht locker, sie verwickelte Donna in ein Gespräch über Ivor und Brian, doch so sehr sie sich auch bemühte, das rothaarige Mädchen gab ihr nur ausweichende Antworten.
Es war dunkel geworden, und Donna drehte die Deckenbeleuchtung an.
Nancy trank noch eine Tasse Tee.

* * *

Stundenlang hatte sich die schleimige Würgekralle nicht bewegt.
Ein paar Stunden vor Sonnenuntergang begann sie ziellos durch die Tiefen des Moores zu kriechen.
Aber bald nahm sie die schwache Ausstrahlung von Leben wahr. Witternd bewegten sich die Finger, dann schob sie sich weiter vorwärts in Richtung Norden.
Die Ausstrahlung wurde stärker. Es war eine Anhäufung von Leben, welche die Hand zum Zittern brachte.
Als es dunkel geworden war, schob sich die Klaue langsam auf die Oberfläche des Moors.
Sie huschte eine kleine mit Heidekraut bewachsene Anhöhe hoch. Ein paar Sekunden blieb sie ruhig liegen. Wieder bewegten sich die krallenartigen Finger.
Die Hand lief nun rascher. Sie war nur eine halbe Meile von Moretonhampstead entfernt, und diese Zusammenballung von Leben, das sie vernichten wollte, ließ sie zusammenzucken.

* * *

Es war bereits dunkel, als die Maschine auf dem Flughafen Clyst Honiton, landete.
Roy deVoss war auf dem Flug von London nach Exeter ruhig und beherrscht gewesen. Er versuchte nicht zu sehr an Yani zu denken, aber das fiel ihm äußerst schwer.
„Waren Sie schon vorher in Exeter, Patrick?
„Es ist schon mehr als dreißig Jahre her, Mijnheer. Ich besuchte damals einen Onkel, der mir die Stadt und Dartmoor zeigte.“
„Lebt Ihr Onkel noch?“
„Ja, aber wohnt jetzt wieder in Schottland in seiner Geburtsstadt. Er wollte seine letzten Jahre nicht in England verbringen.“
Unwillkürlich lächelte der Magier. Er wußte nur zu gut, wie stolz Patrick MacLaine darauf war, daß er Schotte war. Auf die Engländer blickte er ein wenig verächtlich herab. Aber so wie er dachten die meisten Schotten.
Während Roy auf das Gepäck wartete, kümmerte sich Patrick um den Leihwagen. Es war ein rechtsgesteuerter BMW 315.
„Ich glaube Mijnheer, daß es besser ist, wenn ich fahre.“
Roy nickte zustimmend. Den Linksverkehr schätzte er ohnedies nicht sehr.
Etwa zwei Meilen lang fuhren sie über die A 30, die bei der M 5 zu einer imposanten Schleifenanlage verschmolz.
„Exeter ist eine der ältesten Städte England“, erzählte Patrick, der Roy unbedingt ablenken wollte. „Die Römer nannten sie Isca Dumnoniorum. Es gibt noch Reste einer Stadmauer aus dem zweiten Jahrhundert.“
Der Magier hörte nur mit halbem Ohr zu.
Das Royal Hotel lag in der Magdalen Road und entpuppte sich als moderner, geschmackloser Bau.

* * *

Ivor Forster wurde nervös.
Seit zwanzig Minuten befand sich Brian Robinson nun schon in der Ruine. In der Zwischenzeit war es stockfinster geworden.
Er überlegte, ob er die Kirche betreten sollte. Aber Brian hatte ihm ausdrücklich gesagt, daß er im Wagen warten sollte.
Ivor rauchte bereits die dritte Zigarette, als er Brian erblickte, der eine weiße Kutte trug.
„Komm zu mir, Ivor.“
Er drückte die Zigarette aus, dann stieg er langsam aus.
„Ich habe alles zur Beschwörung vorbereitet“, flüsterte Brian.
Sie schritten auf das Kirchenportal zu. Die Holztür war verfault und hing schief in den Angeln. Eine stark rauchende Kerze, die auf dem Altar stand, tauchte das Innere der Ruine in gespenstisch flackerndes Licht. Das Geräusch ihrer Schritte war überlaut zu hören.
Ivor blickte sich angsterfüllt um. Ein Großteil der Decke war eingestürzt, deutlich konnte er die düsteren Wolken sehen, die am Mond vorbeizogen. Die Wände waren nackt und glänzten feucht. Steinbrocken und verfaulte Bänke versperrten ihnen den Weg.
Schließlied erreichten sie den Altarplatz. Der Altar wurde von einem schwarzen Samtuch bedeckt, in das magische Zeichen eingewebt waren. Hinter dem Altar hing ein morsches Holzkreuz.
„Tritt in den magischen Kreis, Ivor“, befahl Brian.
„Ich sehe ihn nicht.“
„Einen Augenblick. Ich stecke eine Fackel an.“
Brian trat auf dem Altar zu, nun bemerkte Ivor die schwarzmagischen Zeichen, die auf der weißen Kutte aufgenäht waren. Diese seltsam geformten  Symbole sagten Ivor überhaupt nichts.
Sein Freund hielt die Fackel über die Kerze. Explosionsartig entzündete sich die Fackel und verströmte einen durchdringenden Geruch.
„Hier ist der magische Kreis“, sagte Brian und trat zwei Schritte zur Seite.
Raphael, Rael, Miraton, Tarmiel und Rex konnte Ivor lesen.
Plötzlich stand ihm den Schweiß auf der Stirn. Deutlich konnte er sich an das Bild erinnern, daß in fast allen Bücher über Magie abgebildet ist: John Dee und Edward Kelley beschwören einen Toten.
„Tritt in den Kreis, Ivor.“
Er war wie gelähmt.
„Gehorche!“ schrie Brian wütend.
Ivor wagte nicht den magischen Kreis zu betreten.
Brian huschte hinter Ivor und stieß ihn hinein.
„Nicht!“ brüllte Ivor entsetzt auf. Doch es war zu spät. Mit beiden Beinen berührte er das Innere des Kreises. Der Boden schien nachzugeben, und Ivor glaubte zu versinken. Er wollte den Kreis verlassen, doch er konnte die Beine nicht mehr bewegen.
„Was hast du mit mir gemacht, Brian!“ schrie Ivor Forster.
Brian kicherte. „Du kannst den Kreis nur verlassen, wenn ich es will.“
Langsam schritt Brian einmal um den Kreis herum und murmelte dabei unverständliche Zaubersprüche. Er blieb stehen und hob die Fackel hoch.
„Sieh mich an, Ivor!“
Brians Gesicht war eine weiße, runde Fläche. Dann waren rot glühenden Augen zu sehen, die Ivor anfunkelten.
„Du bist nicht Brian“, stellte Ivor mit versagender Stimme fest.
„Erraten“, kicherte der Zauberer, „Gestern habe ich euch alle getauscht. Und heute ist es mir bei dir wieder gelungen.“
„Wer bist du?“
„Das hat dich nicht zu interessieren.“
„Was hast du vor?“
„Ich werde den Schädel erwecken!“
Die Gestalt mit den brennenden Augen ging auf den Altar zu.
„Huat hanat huat!“ schrie der Unheimliche.
Das Holzkreuz hinter dem Altar ging in Flammen auf. Mauerblöcke flogen aus der rechten Wand.
Der Unheimliche wartete, bis das Kreuz verbrannt war, dann ging er an Ivor vorbei, der sich nicht mehr bewegen konnte. Vor einer Nische blieb der Zauberer stehen.
„Ista pista sista!“ brüllte er mit dröhnender Stimme.
Ein lautes Heulen kam von der Nische her. Weitere Gesteinsbrocken fielen zu Boden.
„Domiabo damnaustra!“
Ivor konnte sich zwar nicht bewegen, aber sehen konnte er noch immer.
Ein faustgroßer, mumifizierter Schädel flog auf den Unheimlichen zu, der nach ihm griff und zufrieden kicherte.
„Nun zu dir, Ivor Forster. Ich weiß, daß du nicht mehr sprechen kannst. In wenigen Minuten wirst du tot sein, mein Freund.“
Der Zauberer hob den mumifizierten Schädel hoch und warf ihn Ivor ins Gesicht...

* * *

Patrick MacLaine brachte die Koffer in ihre Zimmer.
Roy deVoss verließ die Hotelhalle und schlenderte die Straße entlang. Er mußte nicht lange suchen, da entdeckte er ein Pub.
Er betrat die Schankstube und blickte sich kurz um. Die Luft war rauchgeschwängert, Das Publikum schien hauptsächlich aus Arbeitern zu bestehen. Niemand beachtete ihn.
Langsam schlenderte zur Theke und blieb neben einem bulligen Mann stehen, der ein Glas Bier trank.
Der Barkeeper war ein kleines, kahlköpfiges Männlein.
„Ein Lager“, bestellte Roy.
Der Magier drehte sich halb um und musterte die Besucher genauer.
„Ihr Bier, Sir.“
„Danke“, sagte Roy und schob dem Barkeeper einen Geldschein hin. „Stimmt schon.“
„Verbindlichsten Dank, Sir.“
Roy trank einen Schluck.
„Hast du was Neues über die Morde gehört?“ fragte der bullige Mann den Barkeeper.
Roy hörte neugierig zu.
„Soll eine scheußliche Sache sein“, meinte der Barkeeper.
„Die beiden wurden erwürgt. Oder stimmt das vielleicht nicht?“
„Das ist richtig. Aber der Täter schüttete ein stark ätzende Säure über die Toten.“
„Was?“
Der Barkeeper nickte eifrig. „Die Leichen sollen grauenhaft ausgesehen haben. Sie waren aufgedunsen und schlammbedeckt. Die Gesichter waren unkenntlich.“
„Das ist ein starkes Stück. Kennt man schon den Täter.“
„Die Polizei verfolgt eine heiße Spur. Das heißt im Klartext, daß sie keine Ahnung haben, wer der Mörder ist.“
„Entschuldigen Sie, daß ich mich einmische“, sagte Roy, „Ich bin erst vor wenigen Minuten in Exeter eingetroffen. Wer wurde ermordet, und wann geschehen die Morde?“
„Der Tote ist ein Geschäftsmann aus Exeter“, antwortete der Barkeeper bereitwillig. „Die Tote ist noch nicht eindeutig identifiziert. Soll irgendein Flittchen sein. Der Tote heißt Julian Radcliffe, er und die Frau wurden von einem Polizisten gefunden.“
„Die Morde geschahen vergangene Nacht“, schaltete sich der Bullige ein. „Draußen im Moor.“
„Die beiden wurden in Radcliffes Auto erdrosselt.“
„Danke für die Auskunft.“
„Gern geschehen.“
Roy trank sein Glas aus, dann betrat er die Straße. Nachdenklich kehrte er zum Hotel zurück. Deutlich konnte er sich an die Bilder erinnern, die er gestern im Ring gesehen hatte, Eine Moorlandschaft. Gestalten in weißen Kutten und irgendein unbestimmbares Etwas. Dazu der eklige Gestank.

* * *

Der Mann mit den glühenden Augen hatte die entweihte Kirche für ein paar Minuten verlassen. Als er zurückkam, blieb er zufrieden vor dem magischen Kreis stehen.
Ivor Forsters Kleider waren zu Staub zerfallen. Er selbst war geschrumpft und nicht größer als ein Säugling. Ivor Forster sah wie eine Mumie aus...
Neben dem Toten lag nun ein Kopf, der auf seltsame Art lebte. Das lange Haar und der Vollbart waren pechschwarz, die Augen schimmerten wie Bernstein.
„Du bist meine Gefangener“, sagte der Unheimliche. „Ich kenne deinen geheimen Namen, Zaratus. Du wirst mir gehorchen.“
„Ja“, flüsterte Zaratus fast unhörbar und bewegte nur leicht die Lippen. „Ich erkenne deine Macht an. Du hast mir das Leben zurückgegeben.“

* * *

Die Würgeklaue erreicht das kleine Dorf. Plötzlich fiel sie flach zu Boden und blieb unbeweglich liegen.
Sie spurte einen Impuls, und ein Zittern durchlief sie.
Irgendjemand lenkte nun die Hand.
Der Reihe nach bewegten sich die schleimigen Finger, dann richtete sich die Hand auf und lief wie eine Spinne dahin.
Zielstrebig rannte sie auf ein kleines Haus zu.

* * *

Donna begleitete Nancy zur Tür.
„Bis morgen“, sagte Donna.
Nancy nickte ihr zu und stieg in den Mini. Sie startete und schaltete die Scheinwerfer an. „Wiedersehen“, rief Nancy und fuhr los.
Donna schloß die Tür. In ein paar Minuten wurde ihre Wirtin kommen.
Rasch trug sie die Tassen und die Teekanne in die Küche, wusch sie ab und stellte sie in den Schrank.
Donna durchquerte das Wohnzimmer, betrat die Diele und wollte in ihr Zimmer gehen, als sie lautes Klopfen an der Eingangstür hörte.
Das wird vermutlich Nancy sein, wahrscheinlich hat sie irgendetwas vergessen, dachte sie.
Wieder war das dumpfe Klopfen zu hören.


* * *

Die Würgekralle kroch die Tür hoch. Mit dem Daumen und Zeigefinger klebte sie am Holz, mit den anderen Fingern schlug sie gegen die Tür.
Schnell kroch sie höher und klammerte sich am Türstock fest.
Die Tür wurde geöffnet. Blendendes Licht fiel auf die Straße.
Da war wieder die unendliche Gier nach Leben. Der Drang zu töten.
Die Hand ließ sich einfach fallen und landete auf dem Kopf des Mädchens, das entsetzt schrie. Die Würgekralle packte ihre Kehle...

* * *

Ein paar Minuten später näherte sich ein Wagen.
„Danke, Herr Pfarrer, daß Sie mich nach Hause gebracht haben.“
„Das tue ich doch gern“, sagte der Fahrer lächelnd. „Ich genieße diese Donnerstagnachmittage und Abende.“
„Die Tür steht offen“, sagte der Pfarrer überrascht.
Genau vor der Tür blieb er stehen und warf einen Blick auf das Haus. Seine Augen wurden groß und er schluckte entsetzt.
„Das ist doch Donna Armfield“, stellte er mit bebender Stimme fest.
Die Alte auf dem Nebensitz blinzelte kurzsichtig. „Ich sehe sie nicht, Herr Pfarrer.“
„Bleiben Sie sitzen“, sagte er und öffnete die Wagentür.
„Was stinkt da so scheußlich? fragte die Alte.
Der Pfarrer stieg langsam aus. Er mußte sich eisern beherrschen, sonst hätte er laut geschrien.
Er beugte sich über das Mädchen. Sie lag auf der Seite. Die linke Hälfte  ihres Gesichtes, der Hals und die linke Brust waren mit Schlamm bedeckt. Das rechte Auge war weit geöffnet und glasig.
Mit zitternden Knien ließ sich der Pfarrer hinter das Lenkrad fallen.
„Was ist los?“ nuschelte die Alte und sah ihn neugierig an. „Sie sind ja kreideweiß, Herr Pfarrer.“
„Ich bringe Sie zu ihrer Nachbarin. Dieser Anblick ist nichts für Sie.“
„Was haben Sie denn gesehen? Ist etwas mit Donna?“
„Seien Sie gefaßt, Donna Armfield ist tot. Gott schütze ihre Seele.“

* * *

Auf der Straße zwischen Dunsford und Exeter kam Nancy ein Streifenwagen mit eingeschaltetem Rotlicht und heulenden Sirenen entgegen.
Sie wunderte sich ein wenig, daß kurze Zeit ein zweiter Streifenwagen folgte.
Vor der ersten Telefonzelle in Exeter blieb sie stehen. Als sie ausstieg fiel ihr Blick auf eine Plastiktragtasche.
„Die Tasche hat Donna vergessen“, murmelte sie. Darin befand sich die schmutzbedeckte Kutte und Donnas Athame.
Ich bringe ihr die Sachen morgen ins Büro, dachte Nancy und wählte Brians Nummer. Sie ließ es mindestens zwehnmal läuten, doch niemand hob ab. Sie probierte es nochmals, da sie sich möglicherweise verwählt hatte. Aber auch diesmal meldete sich niemand.

* * *

Yani Atawa hatte die Wohnung ganz genau durchsucht.
In der Kochnische hatte sie eine Entlüftungsklappe entdeckt. Sie stellte den altersschwachen Holzsessel darunter, stieg hinauf und lauschte. Doch kein Geräusch war zu hören. Ein halbe Stunde lang schrie sie sich die Kehle heiser.
Dann schlug sie mit einem Kochlöffel gegen die Tür: S.O.S. Schließlich tat ihr die Hand vom unentwegten Schlagen weh, und sie gab diese Möglichkeit Aufmerksamkeit zu erregen auf.
Anschließend versuchte sie es mit dem Waschbecken. Sie ließ das Wasser kurz rinnen, dann etwas länger, wieder kurz. Doch auch dieser SOS-Ruf schlug fehl.
Schließlich ging sie auf die Tür los. Nachdem die dritte Messerklinge abgebrochen war, verzichtete sie auf weitere Versuche die Tür aufzubekommen.
Sie setzte sich vor die Tür und wartete auf irgendwelche Geräusche, doch es blieb still.
Sieben Stunden nach ihrer Entführung resignierte sie endlich. Sie wußte, daß eine Flucht aus der Wohnung unmöglich war.
Nun versuchte sie das beste aus ihrer Situation zu machen.
Um sich abzulenken, bereitete sie sich ein ausgezeichnetes Abendessen und trank eine halbe Flasche Rotwein dazu.
Danach legte sie sich ins Bett und las einige der Monate alten Zeitungen.
Als sie nach einer anderen Zeitung griff, erstarrte sie plötzlich. Auf dem altersschwachen Sessel saß ein junger Mann, der mit einem blauen Hemd und Jeans bekleidet war. Sein Gesicht erinnerte sie ein wenig an James Dean.
„Ich bin gekommen, um mich nach deinem Befinden zu erkundigen“, sagte der Besucher.
Yani setzte sich auf. „Wie aufmerksam von dir“, sagte sie spöttisch. „Ich würde gerne wissen, wo ich mich befinde.“
„In einem verlassenen Haus in Exeter?“
„Exeter?“ wunderte sich Yani.
Die Gestalt änderte das Gesicht. Er sah nun wie Magiron aus. Sekunden später lächelte ihr Roy deVoss freundlich zu.
Yani hatte unbemerkt ihre Muskel angespannt und sich genau den Sprung ausgerechnet. Blitzartig sprang sie hoch und riß das rechte Bein hoch.
Ihr rechter Fuß traf das Gesicht, das plötzlich durchscheinend wurde und sich auflöste. Der Schlag war so gewaltig gewesen, daß der Sessel zerbrach.
Wütend verzog Yani den Mund. Sie blickte zur Tür, als sie spöttisches Lachen hörte.
„Du kannst mich nicht erwischen, Yani Atawa.“ Magirons scharf geschnittenes Gesicht war zu sehen.
„Ich muß gestehen, Yani, daß du mir immer besser gefällst. Dieser Roy deVoss hat keinen schlechten Geschmack was Frauen betrifft. Vielleicht werde ich mich irgendwann einmal ein wenig mit dir Vergnügen.“
Er kicherte zynisch.
„Was hast du mit mir vor?“
„Ich werde dich jetzt verlassen, meine Schöne. Ich habe noch viel zu erledigen. Roy deVoss ist schon in Exeter eingetroffen. Ich bekomme Ma Ghones Zauberring, und er bekommt dich dafür.“
Die Gestalt wurde halbdurchsichtig, dann löste sich der Körper auf und für einen Augenblick war noch das breit grinsenden Gesicht des Zauberers zu sehen.
Yani setzte sich aufs Bett. Sie öffnete ihre Handtasche und schüttete den Inhalt auf die Bettdecke.
Von Magie verstand sie nicht allzuviel, doch von Roy hatte sie doch einiges gelernt. Und vielleicht hatte Magiron, oder wer immer sich hinter den Masken versteckte, einen Fehler begangen, als er ihr verriet, daß sie sich in Exeter befand, und Roy bereits eingetroffen war.
Aus ihrer Geldbörse zog sie ein Foto von Roy hervor. Sie wußte, daß es kindisch war, doch einmal hatte sie Roy eine Haarsträhne abgeschnitten, als dieser tief geschlafen hatte. Die blonden Haare legte sie auf das Foto. In einer Seitentasche fand sie einen Notizzettel, den Roy vor ein paar Tagen geschrieben hatte. Dann zog sie ein Ring vom Finger und löste ihre Halskette. Beides waren Geschenke von Roy, die er ihr vor einer Woche geschenkt hatte.
Sie breitete eine Zeitung auf dem Bett aus und malte mit einem Kugelschreiber verschiedene magische Zeichen auf den Zeitungsrand. Sie malte ein Hexegramm, dann ein Pentagramm.
Stirnrunzelnd betrachtete sie beide Sterne, der eine war sechszackig, der andere fünfzackig. Schließlich entschied sie sich das Pentagramm zu verwenden, das auch als Drudenfuß bekannt war.
„Ich hätte mich mehr mit Magie beschäftigen sollen“, machte sie Yani Selbstvorwürfe.
Von Roy wußte sie, wie gefährlich es werden konnte, wenn Leute Magie anzuwenden versuchten, die davon nichts verstanden. Ein typisches Beispiel war das Abenteuer mit dem Mädchen mit dem Schlangenblick.
Yani zögerte noch immer.
Langsam ging sie im Zimmer auf und ab und führte dabei leise Selbstgespräche, damit sie sich besser konzentrieren konnte.
„Roy macht sich sicher Sorgen um mich“, murmelte sie. „Er weiß, daß ich entführt wurde, sonst wäre er kaum nach Exeter gekommen. Aber ich kann nicht ausschließen, daß mich der Zauberer belogen hat. Vielleicht bin ich noch immer in London. Aber mein Gegner glaubt, daß ich für ihn keinerlei Gefahr darstelle, warum hätte er mich belügen sollen?“
Yani blieb abrupt stehen.
„Ich versuche es“, sagte sie wild entschlossen. Auf dem runden Tisch lag ein vergilbtes Leinentuch, das irgendeinmal weiß gewesen war. Jetzt sah es gelblich aus.

* * *

Roy deVoss machte sich um Yani sorgen, das war verständlich, doch im Augenblick konzentrierte er sich auf Ma Ghones Zauberring.
Er hockte in seinem Hotelzimmer vor dem kleinen Tisch und starrte den Zauberreifen an, der noch immer schwarz funkelte.
Das Fenster war offen, und ein leichter Wind bewegte die dünnen Vorhänge.
Gelegentlich trank Roy einen Schluck Bier. Er hatte beschlossen bei Bier zu bleiben, da er damit im Pub begonnen hatte.
Er wußte, daß in dieser Gegend Unheimliche Dinge geschahen und es machte ihn rasend, daß er dazu verurteilt war, passiv zu bleiben. Er konnte nur auf Hinweise warten.
„Soll ich einen der Zaubersprüche anwenden?“ brummte er fragend und lehnte sich zurück. „Das bringt mich auch nicht weiter.“
Er trank das Glas leer und schenkte nach.
Der Ring wechselte langsam die Farbe. Nun war das Innere lachsfarben. Kurze Zeit später flackerte es glühendrot.
„Das hilft mir auch nicht weiter“, knurrte Roy wütend, „Ich will Bilder oder sonstige Hinweise bekommen.“
Ein paar Sekunden später war der Ring eiskalt und das Ringinnere völlig farblos.
Ergrimmt schob er den Zauberring in die rechte Rocktasche, setzte sich auf das Bett und rief seinen Butler an.
„Patrick wir gehen essen“, sagte der Magier. „Im Hotelzimmer schnappe ich sonst noch über. Wir treffen uns beim Aufzug.“
„Verstanden, Mijnheer.“
Danach rief er das Zimmerservice an, und befahl daß der kleine Kühlschrank mit Bierflaschen angefüllt werden sollte.

* * *

Der Sergeant, der Chief Inspector Rodney Sweeny von zu Hause abholte, hatte das schlimmste befürchtet, da Sweeny für seine eklige Art berüchtig war.
Der Chief Inspector war ausnahmsweise einmal gut gelaunt. Er hatte in einem Restaurant hervorragend gegessen, lauter Speisen, die ihm sein Arzt strikt verboten hatte. Dazu hatte er zwei Flaschen Bier getrunken, einen doppelten Scotch hinuntergekippt und drei Zigarren geraucht. Er wußte, daß er sich morgen scheußlich fühlen würde, doch im Augenblick war ihm das herzlich egal.
Er hatte sich königlich amüsiert, als er von der Pressekonferenz gehört hatte, in der die Reporter den Superintendenten wie eine Martinsgans gerupft hatten.
Nach dem üppigen Abendessen war er zu seiner Frau gegangen, die über sein verspätetes Erscheinen empört war und ihm eine Haferschleimsuppe vorgesetzt hatte. Da er leicht angesäuselt war, hatte er seiner ungeliebten Ehefrau einige Freundlichkeiten gesagt.
Sweeny rülpste geräuschvoll und steckte sich eine der bestialisch stinkenden Zigarren an.
„Was gibt es Neues, Sergeant?“ fragte er gönnerhaft.
„Der Superintendent hat gemeint, daß Sie den Fall übernehmen sollen, da er ähnlich wie der Mordfall Julian Radcliffe gelagert ist.“
„Reden Sie nicht so geschwollen daher“, brummelte Sweeny. „Wer ist die Tote?“
„Donna Armfield, zwanzig Jahre alt, ihre Eltern sind seit zwei Jahren tot. Sie lebte bei einer alten Frau auf Untermiete.“
„Gibt es irgendeine Verbindung zwischen Julian Radcliffe und dieser Liz... wie hieß sie gleich... ach ja... Liz Fisher?“
„Nach den ersten Erhebungen scheint es da keine Verbindung zu geben, Sir.“
Sweeny schnaufte. Er schloß die Augen und nach ein paar Sekunden war er eingenickt.
„Sir“, sagte der Sergeant laut. „Wir sind da?“
Der Chief Inspector rieb sich die Augen.  „Wo sind wir?“
„In Moretonhampstead, Sir. Quasi am Tatort.“
„Sagen Sie mal, Sergeant, können Sie auch normal reden?“
Sweenys Laune hatte sich verschlechtert. Rülpsend wankte er aus dem Wagen.
Ein Detective Inspector warf sich vor Sweeny in Positur und erstattete Meldung.
Der noch immer leicht betrunkene Sweeny bekam nur die Hälfte mit.
Die Tote sah er sich nur flüchtig an, dann betrat er das Haus und ließ sich im Wohnzimmer auf die Couch fallen.
Jetzt erst merkte er, daß die erloschene Zigarre an seiner Unterlippe klebte. Er holte sein Feuerzeug hervor und zündete sie an.
Langsam wurde er nüchtern. Sein noch immer benebeltes Gehirn verarbeitete die Informationen, die er erhielt.
Auch wenn manche seiner Untergeben ihn für leicht vertrottelt und senil hielten, so stimmte das nicht.
Nun registrierte er jedes Detail und verglich es mit dem Mordfall Rddcliffe/Fisher.
„Die Spuren an der Tür sollen genau analysiert werden“, schnaubte er. „Ähnliche Spuren wurden auch am Rover entdeckt. Versucht das Mädchen aufzutreiben, die Donna Armfield nach Hause gebracht hat. Wie war ihr Name?“
„Nancy Wilson, Sir.“
„Was habt ihr sonst noch feststellen können?“
„Donna Armfield scheint sich sehr für Magie und Okkultismus interessiert zu haben. Vermutlich war sie Mitglied einer Hexengruppe.“
„Das ist nicht strafbar“, brummte Sweeny. „Jeder, der an diesen Blödsinn glaubt darf eine Hexengruppe gründen. Vermutlich gibt es über 200.000 Hexen in England, die wüste Orgien feiern und sonst allerlei Blödsinn anstellen.“

* * *

Brian Robinson hatte den ganzen Tag über seine Wohnung nicht verlassen.
Nach sechs Uhr war er eingeschlafen. Er hörte das Telefonklingeln nicht,
Ein halbes Dutzend mal war bei ihm angerufen worden. Um halb zehn wachte er auf, gähnte geräuschvoll, und ging auf die Toilette.
Das Telefon läutete wieder.
„Robinson“, meldete er sich und unterdrückte ein Gähnen.
„Hier spricht Nancy. Ich muß mit dir sprechen, Brian.“
„Hat das nicht Zeit bis morgen?“
„Nein, es ist dringend. Hast du von den Morden gehört.“
„Ich interessiere mich nicht für Mordfälle.“
„Wo warst du mit Ivor?“
„Verdammt noch mal, Nancy, Ich war den ganzen Tag zu Hause.“
„Donna verplapperte sich. Du wolltest mit Ivor eine Gegenbeschwörung durchführen.“
„Davon weiß ich nichts. Ein Hirngespinst von Donna, die sich gern wichtig macht.“
„Hör mir mal gut zu, Brian. In zehn Minuten bin ich bei dir. Solltest du nicht aufmachen, dann gehe ich zur Polizei und melde alles, was ich weiß.“
Brian atmete schwer.
„Was ist, Brian?“
„Okay, okay. Komm zu mir.“

* * *

Yani malte mit dem Lippenstift ein riesiges Pentagramm auf das Tischtuch, In die Mitte des fünfzackigen Sterns legte sie Roys Foto, die Haare, den Notizzettel und den Schmuck.
In die drei oberen Flächen des Pentagramms schrieb sie ROY DE VOSS. In die beiden unteren YANI ATAWA.
Überlegend starrte sie das Pentagramm an, nur undeutlich konnte sie sich an das Ritual der Anrufung erinnern.
Sie mußte eine noch deutlicher Beziehung zu ihr selbst herstellen. Kurz entschlossen riß sie sich ein paar Haare aus und legte sie auf das Feld YANI. Yani zog den rechten Schuh aus und stellte ihn auf ATAWA.
Sie schloß die Augen und konzentrierte sich.
Den Großteil des Kleinen Pentagramm-Rituals kannte sie, obzwar ihr die Bedeutung der Wörter unbekannt war.
Mit beiden Händen berührte sie ihre Stirn.
„Athe“„ sagte sie laut, dann preßte sie ihre Finger auf die Brust. „Malkuth.“
Anschließend tupfte sie sich mit der rechten Hand auf die linke Schulter, und mit der linken Hand auf die rechte Schulter.
„Va Geburah“, flüsterte sie.
Nun überkreuzte sie die Hände vor der Brust und hauchte: „Le Olam.“
Sie öffnete die Augen und die Linien des Drudenfaußes schienen zu glühen. Langsam fuhr sie das Pentagramm entlang. Es knisterte und raschelte, und das Tischtuch schien sich aufzubäumen.
„Ich rufe dich Roy deVoss!“
Ihre rechte Hand lag in der Mitte des Pentagramms und sie rieb Roys Haarlocke zwischen den Fingern.
„Ich rufe dich, Roy deVoss!“ sagte sie immer wieder.

* * *

Der Magier und Patrick waren in die „Chevalier Tavern“ in die Fora Street gefahren.
Das Lokal war gepflegt, die Speisekarte umfangreich und die Preise beeindruckend. 
Roy, der nicht sonderlich die original englische Küche mochte, bestellte ein simples Steak, während Patrick sich für Schottische Graupensuppe und Räucherfisch in Curryreis entschied. Als Nachtisch wählten beide Brombeerauflauf.
Patrick hatte seinen Appetit nicht verloren. Genußvoll aß er die Suppe.
Der Magier blickte sich neugierig um. Im Hotel hatte er eine Liste der Restaurants von Exeter studiert, und als er die „Chevalier Tavern“ gelesen hatte, war Ma Ghones Ring aktiv geworden. Er hatte Roy einen leichten Schlag versetzt. Ein Hinweis, daß er unbedingt dieses Lokal besuchen sollte.
Roy lehnte sich zurück und versuchte die Gespräche an den Nebentischen aufzuschnappen. Meist waren es nur belanglose Plaudereien, doch ein junges Paar unterhielt sich angeregt über die Morde.
Unauffällig musterte er das Paar. Der dunkelhaarige Mann war nicht viel älter als 22, und aschblonde Mädchen in seiner Begleitung etwas jünger.
Als Roy zu essen begann, merkte er erst, wie hungrig er war. Gierig aß er das butterweiche Steak.
Weshalb hat mich der Ring gerade in dieses Restaurant gelotst? fragte sich der Magier.

* * *

Nancy öffnete die Wohnungstür, als das Telefon klingelte.
Das wird wahrscheinlich Brian sein, der nicht will, daß ich zu ihm komme.
Einen Augenblick zögerte sie, dann schritt sie ins Wohnzimmer.
„Wilson“, meldete sie sich.
„Miß Nancy Wilson?“ fragte eine Männerstimme.
„Ja, wer sind Sie?“
„Entschuldigen Sie die Störung. Hier spricht die Polizei.“
Ihr fiel vor Schreck fast der Hörer aus der Hand. Der Beamte stellte sich vor, doch sie verstand den Namen nicht.
„Sie waren heute bei Donna Armfield?“
„Ja, ich war bei ihr. Ist etwas passiert?“ fragte sie ängstlich.
„Sind Sie mit Donna Armfield befreundet?“
„So kann man es auch sagen. Wir arbeiten in derselben Firma. Was ist mit Donna?“
„Leider habe ich Ihnen eine traurige...“
„Sprechen Sie endlich!“
„Ihre Freundin ist tot.“
„Nein, nein, das glaube ich nicht. Sie war...“ Sie schluchzte. „War es ein Unfall?“
„Sie wurde ermordet.“
Nancy räusperte sich. Tränen hingen in ihren Augen.
„Eine Nachbarin sah, wie Sie fortfuhren. Sie berichtete uns, daß sie Donna Armfield ins Haus zurückgehen sah. Ein paar Minuten später wurde sie getötet. Hatte Ihre Freundin irgendwelche Feinde?“
„Ich weiß es nicht. Ich bin völlig durcheinander. Wie wurde sie ermordet?“
Der Polizist zögerte. „Sie wurde erwürgt.“
Nancy keuchte. „Ich bin so entsetzt, daß ich keinen klaren Gedanken fassen kann.“
„Das kann ich verstehen, Miß Wilson. Nur eine Frage noch. War Donna Armfield Mitglied einer Hexengruppe?“
Eine eisige Hand griff nach Nancys Herz. Vor Schreck hielt sie den Atem an. Sie schluckte. „Davon weiß ich nichts.“
„Miß Wilson, kommen Sie bitte morgen möglichst früh ins Police H.Q. zum Büro von Chief Inspector Sweeny.“
„Sweeny“, flüsterte Nancy. „Ich werde kommen.“ Als sie den Hörer auflegte, schloß sie die Augen und ihre Hände zitierten.
„Ihr werdet alle sterben“, hauchte sie. „Die Klaue wird euch finden und töten.“
Ein paar Minuten blieb sie wie erstarrt sitzen, dann sprang sie auf und verließ die Wohnung.

* * *

Sweeny dachte angestrengt nach, dabei biß er am Zigarrenstummel herum.
Drei Beamte waren im Augenblick im Police H.Q. damit beschäftigt alle Bekannten von Donna Armfield anzurufen. In ihrer Handtasche hatten sie ein kleines Adressbuch mit Telefonnummern gefunden.
Sweeny hatte es flüchtig durchgeblättert. Einige Namen waren durchgestrichen gewesen und Telefonnummern waren ausgebessert worden. Bei acht Namen waren die Adressen und Telefonnummern rot unterstrichen gewesen. Wahrscheinlich hatte sie mit diesen acht Personen einen besonders intensiven Kontakt gehabt.
Alles sprach dafür, daß ein Irrer in der Umgebung von Exeter herumlief, der wahllos Menschen erwürgte und sie anschließend mit Säure überschüttete. Bei Donna Armfield war er anscheinend durch das Auftauchen des Pfarrers vertrieben worden. Aber das waren diese merkwürdigen Spuren, die sie am Auto und heute an der Haustür gefunden hatten. Wollte sie damit der Mörder nur verwirren, oder hatten sie eine Bedeutung.
Der Streifenwagen fuhr die College Road entlang, die genau gegenüber des Police H.Q. endete.
„So eine Frechheit“, brummte der Fahrer.
Sweeny hob den Kopf.
Genau vor der Einfahrt ins Polizei-Hauptquartier stand ein klappriger Wagen, die Fenster waren heruntergekurbelt.
Der Fahrer blieb neben alten Ford Essort stehen. Der Sergeant stieg aus und wollte den Wagen zur Seite schieben, als sein Blick auf die Rücksitze fiel.
„Was ist denn das?“ fragte er erstaunt, als er die säuglingsgroße, mumifizierte Gestalt erblickte,
Der Chief Inspector hatte in der Zwischenzeit seine unförmigen Massen aus dem Wagen gehievt.
„Sehen Sie sich das an, Sir“, bat der Sergeant mit versagender Stimme.
Schnaubend wie ein Walroß ging Sweeny in die Knie und guckte ins Wageninnere.
„Sieht wie eine Mumie aus“, stellte Sweeny sachlich fest. „Verständigen Sie den Spurensicherungsdienst, und der Doc soll sich das mal ansehen.“
Sweeny wälzte sich ins Innere des Gebäudes. Die Wagennummer hatte er sich notiert.
Die Türen neben seinem Büro standen offen. Drei Detektive telefonierten eifrig.
Schnaubend ließ er sich auf den Schreibtischstuhl fallen, der beängstigend krachte und knirschte.
Er hob den Hörer ab.
„Vekehrsabteilung, Constable...“
„Hier Sweeny“, unterbrach der Chief Inspector den Polizisten. „Es handelt sich um den Wagen XB 435. Ein alter Ford Escort. Auf wem ist der Wagen zugelassen.“
„Einen Augenblick, Sir.“
Sweeny hielt nicht viel von Computern, aber in der Verkehrsabteilung war er recht brauchbar.
Es dauerte nur knappe eine Minute, dann meldete sich der Beamte wieder. „Der Wagen ist auf Ivor Forster zugelassen. Wohnhaft Howell Road. Wollen Sie über Forster nähere Informationen, Sir?“
„Im Augenblick genügt es mir.“
Er legte den Hörer auf, und schrie, daß jemand zu ihm komme solle.
Ein junger Detektiv trat ins Zimmer.
„Wenn mich mein Gedächtnis nicht täuscht, dann wurde im Fall Donna Armfield der Name Ivor Forster erwähnt.“
„Richtig, Sir. Er ist mit ihr befreundet. Sein Name ist rot unterstrichen. „Ich habe bei ihm angerufen, doch es hat sich niemand gemeldet.“
„Haben Sie etwas erfahren?“
„Nicht viel. Ein paar ihrer Bekannte habe ich herbestellt, doch niemand weiß etwas von einem Hexenzirkel.“
„Das war auch nicht anders zu erwarten, aber daß bekommen wir schon noch heraus. Vor der Einfahrt steht ein Ford, der Ivor Forster gehört. Die Spurensicherungsleute werden ihn bereits untersuchen. Ich will alle Informationen über Ivor Forster, die wir haben. Der Zentralcopmuter soll gefragt werden, vielleicht bekommen wir da einige Informationen.“

* * *

Roy spießte gerade ein Stück Fleisch auf, als er aus den Augenwinkel sah, daß einer der Kellner dem schwarzhaarigen Mann etwas zuflüsterte.
Der junge Mann stand auf und verließ den Speisesaal.
Der Magier war mit dem Essen fertig und trank einen Schluck Bier, da kehrte der junge Mann zurück.
Sein Gesicht war bleich, und seine Augen blickten gehetzt. Unsicher steuerte er auf den Tisch zu und ließ sich einfach auf den Sessel fallen.
„Was ist, Bruce?“ fragte die Aschblonde. „Du siehst aus, als wärst du einem Gespenst begegnet.“
Der Magier rutschte ein Stück zurück, damit er nichts von der Unterhaltung versäumte.
„Mein Vater hat angerufen“, flüsterte Bruce, „Es ist entsetzlich, Debbie. Polizei will mich morgen sprechen. Ein Chief Inspector Sweeny.“
„Weshalb?“
„Donna wurde ermordet!“
Roy beobachtete die Reaktion des Mädchens. Sie öffnete den Mund und senkte den Blick. Ihr voller Busen hob sich rascher.
„Die Polizei hat Donnas Telefonbuch. Sie rufen alle ihre Bekannten an. Vermutlich hat die Polizei auch schon bei dir angerufen.“
„Was sollen wir tun, Bruce?“
„Ich rufe Brian an. Keiner darf etwas sagen. Wenn mein Vater erfährt, daß ich... Nicht auszudenken.“
„Herr im Himmel, daran habe ich noch gar nicht gedacht. Meine Mutter trifft der Schlag. Alle müssen schweigen. Ruf Robinson an.“
Bruce stand auf.
Roy wartete ein paar Sekunden, dann folgte er Bruce langsam.
Neben den Toiletten befand sich das Telefon. Roy stellte sich so, daß er das Telefon sah. Er merkte sich die Nummer, die Bruce wählte.

* * *

Brian Robinson war über Nancys Besuch alles andere als erfreut.
Mißmutig öffnete er die Tür.
Ihre hübschen Augen sahen verweint aus.
„Die Polizei hat mich angerufen“, sagte sie und stürmte ins Wohnzimmer.
„Die Polizei?“ wunderte sich Brian.
In diesem Augenblick läutete das Telefon. Brian griff nach dem Hörer.
„Donna wurde erwürgt!“
Seine Hand zuckte zurück.
„Das ist nicht wahr! Das glaube ich nicht.“
Das Telefon läutete weiter.
„Hebe nicht ab, Brian.“
„Es könnte wichtig sein.“
„Der Anrufer wird es sicher später nochmals versuchen. Ich will endlich wissen, was los ist.“ Nancy stand wie ein Racheengel vor ihm.
Das Läuten hörte auf.

* * *

Roy wußte nun, weshalb Ma Ghones Ring ihn gerade in dieses Lokal geführt hatte.
Die Reaktion von Bruce und Debbie war bezeichnend gewesen. Der Tod Donnas hatte sie erschüttert, aber viel größer war ihre Angst vor einer Entdeckung.
Die Gestalten im Moor, die er gestern gesehen hatte, das war der Schlüssel.
Der Magier ließ Bruce nicht aus den Augen. Enttäuscht legte er auf, als sich niemand meldete. Er knabberte an seinen Lippen herum,
Roy entschloß sich zu handeln.
„Guten Abend“, sagte der Magier und Bruce blickte ihn verwirrt an.
„Was wollen Sie von mir?“ fragte Bruce aggressiv.
„Brian Robinson ist leider nicht zu Hause“, sagte Roy scharf.
Der Junge zuckte zusammen.
„Chief Inspector Sweeny verhört ihn gerade.“
Nun war es mit Bruces Angriffsgeist vorbei. Entsetzt stierte er den Magier an.
„Dann ist alles vorbei“, flüsterte Bruce.
„Das würde ich nicht sagen“, meinte Roy, der äußerst konzentriert war. Er mußte die Verwirrung des Jungen ausnützen.
„Wie meinen Sie das?“
„Kommen Sie mit. Gehen wir einen Augenblick auf die Straße.“
„Wer sind Sie?“
„Privatdetektiv, Ich wurde von einem Mitglied eures Zirkels vor einer  Stunde engagiert.“
Sie traten auf die Straße. Dieser Schuß hatte gesessen.
„Mir ist es nur zu verständlich, daß Sie nicht wollen, daß Ihre Eltern erfahren, daß Sie und Ihre Freunde an Beschwörungen teilgenommen haben.“
Bruce brach fast zusammen.
Sie stiegen in den BMW und Roy stellte sein Diktiergerät an.
Innerhalb von fünf Minuten kannte er alle Mitglieder des Heixenzirkels, und er wußte genau, was gestern bei der Beschwörung vorgefallen war. Nur Bruces Nachname fehlte noch.
„Das deckt sich mit Auskünften, die ich erhalten habe“, meinte Roy abschließend. „Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen. Wenn Sie und Debbie morgen zur Polizei gehen, dann behaupten Sie, daß von einer Hexengruppe nichts wüßten. Wo kann ich Sie tagsüber erreichen, falls ich noch Fragen habe?“
Bruce zog eine Visitenkarte hervor und reichte sie Roy. Als sie aus dem Wagen stiegen, warf er einen Blick auf die Karte, dann steckte er sie ein.
„Wie ist Ihr Name, Sir?“ fragte Bruce.
„Den sage ich Ihnen lieber nicht. Sie könnten sich verplappern. Es ist besser, wenn Sie unser Gespräch so rasch als möglich vergessen.“
Roy wartete, bis Bruce den Tisch erreicht hatte, dann betrat er den Speisesaal.
„Wo waren Sie so lange, Mijnheer?“ fragte Patrick.
„Das erzähle ich Ihnen später“, meinte Roy und aß den Brombeerauflauf.
Der Magier überlegte, wie er weiter vorgehen sollte.
„Roy, ich rufe dich!“
Verblüfft ließ Roy die Gabel sinken, Das war doch eindeutig Yanis Stimme gewesen.
„Ich rufe dich, Roy deVoss!“
„Haben Sie eben etwas gehört, Patrick?“ erkundigte sich der Magier.
Der Butler schüttelte den Kopf. „Nichts, Mijnheer!“
Roy griff in die rechte Rocktasche, Der Rauberring fühlte sich warm an.
„Ich rufe dich, Roy deVoss.“
Langsam holte er den Ring hervor und warf einen Blick auf das Ringinnere. Der Hintergrund war dunkel, doch deutlich war Yanis Gesicht zu sehen, und ihre Lippen bewegten sich: „Ich rufe dich, Roy deVoss.“
„Zahlen!“ rief der Magier.

* * *

Der Mann mit den brennenden Augen hatte zwei Fehler begangen. Er hatte Yani die Wahrheit verraten, daß sie sich in Exeter befand.
Und sein zweiter Fehler war, daß er nicht mit Brian Robinson Kontakt aufnahm.
„Du kommst mir nicht mehr aus, Brian“, sagte Nancy Wilson scharf.
Der sonst so selbstbewußte Brian fühlte sich wie gerädert.
„Morgen gehe ich zur Polizei, sie wollen mit mir sprechen. Und es hängt von dir ab, Brian, was ich aussagen werde.“
Brian knirschte mit den Zähnen.
„Hexerei ist in England nicht verboten. Aber einigen aus unserer Gruppe könnte es sehr unangenehm sein, wenn ich zu reden beginne.“
„Verdammt, drohe mir nicht. Ich weiß nichts.“
„Die gestrige Zeremonie können wir vergessen. Ich glaube dir, daß du darüber nichts weißt. Aber du warst wie erstarrt, als wir dich fanden. Später bist du mit Ivor losgefahren.“
„Was ist da geschehen, das willst du doch wissen, nicht wahr?“ fragte Brian verärgert. „Ich werde dir alles erzählen, was ich weiß.“
Er stand auf und griff nach der Whiskyflasche.
„Ivor hat mir erzählt, daß er im Moor eine schleimige Hand sah, die sich wie eine Spinne bewegte.“
Brian reichte Nancy ein Glas.
„Wir haben die zwei Toten gesehen. Sie wurden aus einem Rover gezerrt. Der Anblick dieser aufgedunsenen Leichen war so gräßlich, daß mir schlecht wurde.“
Nancy trank ihr Glas auf einen Zug leer, und hielt es Brian hin, der nachfüllte.
„Ivor vermutete, daß die schleimige Hand die Kralle ist, von der ich gesprochen hatte. Das ist höchst wahrscheinlich richtig.“
Nancy war über das bisher gehörte erschüttert. Hastig trank sie einen Schluck.
„Ich bin sicher, daß mich irgendjemand beeinflußt oder hypnotisiert hat.“
„Was macht dich so sicher?“
„Nachdem ich mit dir gesprochen hatte, rief ich Ivor an. Ich sagte ihm daß er mich um sieben Uhr abholen soll. Er war neugierig und fragte mich aus. Da erzählte ich ihm Dinge, die ich...ja, die ich selbst nicht einmal wußte. Ich sprach von einer Ruine, die früher eine Kirche war, von einem Magier, der vor Jahrhunderten hier sein Unwesen trieb, der dann zerstückelt wurde. Seine Hand wurde ins Moor versenkt, und gestern bei der Beschwörung erwachte sie.“
„Was geschah danach?“
„Um sechs Uhr zog ich mich aus und legte mich ins Bett. Ich schlief bis halb zehn Uhr.“
„Wenn das stimmt, dann hat der Kerl mit den glühenden Augen Ivor getroffen. Ruf ihn einmal an.“
Brian gehorchte, doch niemand hob den Hörer ab. „Das alles ist eine scheußliche Geschichte“, sagte Brian.
„Grauenvoll“, flüsterte Nancy. „Wir müssen etwas unternehmen. Stimmt die Story mit dem Magier?“
„Da bin ich überfragt. Mir ist davon nichts bekannt. Was sollen wir tun? Die Polizei anrufen und sagen, daß sie die Bevölkerung vor einer schlammnbedeckten Hand warnen soll, die durch das Moor kriecht?“
„Die Polizei würde es nicht glauben. So eine Nachricht wird wahrscheinlich unter der Karteikarte „Verrückte Anrufe“ abgelegt.“
„Nehmen wir an, die Polizei glaubt uns, Nancy. Wie kann man sich vor der Würgekralle schützen?“
„Ich weiß es nicht. Aber wir sollten die anderen warnen. Sie sollen zu Hause bleiben.“
„Gut, ich werde es tun“, sagte Brian und griff nach seinem Telefonverzeichnis.

* * *

Im Ringinneren war noch immer Yanis Gesicht zu sehen, als der Magier die Wagentür aufriß und sich auf den Beihfahrersitz fallen ließ.
„Rasch den Stadtplan, Patrick!“
Der Butler holte den Plan hervor, entfaltete ihn und reichte ihn Roy.
Der Magier legte den Plan auf seine Knie, dann hielt der Ring hoch. Yanis Gesicht wirkte müde. Sie bewegte die Lippen nicht mehr. Das Bild verblaßte langsam.
„Sprich weiter“, sagte Roy flehend. „Sprich weiter, Yani.“
Yanis Gesicht verschwand.
Wütend schlug der Magier die linke Faust auf sein Knie.
„Yani muß ganz in der Nähe sein“, sagte er zähneknirschend. „Sie hat eine Möglichkeit gefunden, sich mit mir in Verbindung zu setzen. Vielleicht versucht sie es später nochmals.“
Roy steckte sich eine Pfeife an.
„Wohin soll ich fahren, Mijnheer?“ erkundigte sich Patrick.
„Zur nächsten Telefonzelle.“
Roy blätterte im Telefonbuch. Brian Robinson wohnte in der Cecil Road. Er fand die Straße bald auf dem Stadtplan. Sie lag am gegenüberliegenden Flußteil.
Er wählte Robinsons Nummer, doch das Besetztzeichen war zu vernehmen. Der Bursche ist also zu Hause.

* * *

Yani war schweißgebadet. Erschöpft hatte sie die Beschwörung eingestellt. Sie konnte einfach nicht mehr weiter.
Müde wankte sie ins Badezimmer, schlüpfte aus ihren Kleidern und duschte sich ausgiebig. Langsam trocknete sie sich ab, trank danach ein Glas Rotwein und legte sich ins Bett und entspannte sich. Sekunden später war sie eingeschlafen.


* * *

„Sag mal, Brian, hast du den Verstand verloren?“ fragte David, der Hörer zwischen Ohr und Schulter eingezwängt hatte.
„Ich wollte dich und Helen warnen. Im Moor kriecht eine schleimige Hand herum. Wir haben sie bei der Beschwörung geweckt.“
„Und diese Würgekralle, wie du vorhin gesagt hast, hat Donna erwürgt?“
„So ist es.“
„Also gut, Brian. Ich glaube dir diesen Unsinn mit der abgehackten Hand. Wenn sie tatsächlich auftaucht, was sollen wir dann tun? Niederknien und sie anflehen und nichts zu tun?“
„Ich kann dir nicht sagen, wie man sie aufhalten kann.“
„Wie ihr wohl eine Ladung Schrotkugel bekommen mag?“
„David, ich wollte dich nur warnen. Und wenn ihr morgen zur Polizei geht, kein Wort über den Zirkel.“
„Das ist selbstverständlich. Ich hoffe nur, daß Donna nicht Tagebuchaufzeichnungen geführt hat.“
„Tagebücher waren verboten.“
„Wenn Sie sich aber nicht daran gehalten hat? Dann schauen wir blöd, was?“
„Du hast eine aufbauende Art, David, Gute Nacht.“
David warf den Hörer in die Gabel. Sein brünettes Haar extrem kurz gestrichen und sein schmales Gesicht sommersprossig.
„Hast du das mitbekommen, Helen?“ fragte er seine Freundin, die neben ihm auf der Couch hockte.
„Ja, ich habe alles gehört“, antwortete das schlanke Mädchen. Ihr langes, rabenschwarzes Haar hatte sie aufgesteckt.
„Eine schlammbedeckte Hand, die durchs Moor kriecht. Brian hat wohl zu viele Horror-Filme gesehen.“
„Und wenn es tatsächlich diese Mordklaue gibt?“
„Sicher ist sicher“, sagte David und ging zum Gewehrschrank. Er holte zwei Schrotflinten und Packung Patronen hervor, dann schob er sich einen Colt in den Gürtel.
„Kannst du mit so einem Ding umgehen, Helen?“ fragte er, als er die Flinten lud.
„Na klar, mein Vater hat mir das Schießen beigebracht, da war ich sechs Jahre.“
„Ich fahre den Wagen zur Eingangstür.“
„Wozu soll das gut sein?“
„Sollte diese dämliche Hand tatsächlich aufkreuzen, was ich für gänzlich unwahrscheinlich halte, dann müssen wir vielleicht rasch fliehen.“
„Gut, ich komme aber mit.“
Sie wohnten seit drei Monaten in diesem alten Bauernhof, den sie selbst renoviert hatten.
David drückte Helen eine Taschenlampe in die Hand.
Der schwarze Raum wurde nur von ein paar Kerzen erhellt.

* * *

Magiron liebte die Finsternis. Er war sehr zufrieden. Der Tag war wunschgemäß verlaufen.
Zaratus' Kopf lag auf einem kleinen Tischchen. Magiron hatte sich stundenlang mit dem erweckten Magier unterhalten und viel Wissenwertes erfahren.
„Morgen werden wir deinen Körper beschwören“, sagte Magiron. „Dann wirst du Roy deVoss und seiner Freundin das Leben aussaugen.“
„Ich werde dir gehorchen, Magiron. Aber darf ich dich darauf hinweisen, daß die Hand hungrig ist.“
„Darauf hätte ich fast vergessen. Du kannst sie steuern?“
„Ja, denn sie ist ein Teil von mir.“
Magiron überlegte kurz. Die meisten Mitglieder von Brian Robinsons Hexenzirkel lebten in Exeter. Er wollte diese Gruppe vernichten. Donna Armfield war bereits tot. In der Nähe von Corndon wohnten zwei Mitglieder. Diesen sollte die Würgeklaue das Leben aussaugen.
Zartus lenkte die zuckende Hand, die aus dem Moor kroch und geschwind dahineilte.
„Jetzt werden wir uns über dein Spezialgebiet unterhalten, Zaratus“, sagte Magiron, „die Kristellomantie.“
„Dazu brauchen wir einen Spiegel, oder eine Glaskugel“, sagte der wiedererweckte Zauberer.
„Du kannst beides haben. Was ist dir lieber?“
„Ein Spiegel, Magiron.“

* * *

In seiner langen Laufbahn war Rodney Sweeny mit einigen außergwöhnlichen Mordfällen konfrontiert gewesen, aber etwas Ähnliches wie den Fall Ivor Forster hatte er noch nie erlebt. Dagegen waren die Fälle mit den schlammbedeckten Toten harmlos. Und dabei war es nicht sicher, daß es bei Ivor Forster ein Mordfall war.
Kopfschüttelnd blickte Sweeny die Fotos auf seinem Schreibtisch an.
Ein paar Beamte standen im Kreis um Sweeny herum, der es noch immer nicht fassen konnte.
Er holte eine seiner Zigarren hervor, und alle hofften, daß er sie nicht anzünden würde. Sweeny drehte die Zigarre nur in der Hand hin und her.
„Wir finde eine säuglingsgroße Mumie in einem Auto, das Ivor Forster gehört“, stellte Sweeny fest und warf wieder einen Blick auf die Bilder. „Der Kopf der Mumie hat einige Ähnlichkeit mit Ivor Forster. Stimmt das?“
„Ja, Sir“, antwortete einer der Detektive. „Die Ähnlichkeit ist überaus verblüffend.“
„Die Finger der Mumie waren gut erhalten. So gut, daß Sie Fingerabdrucke nehmen konnten. Diese Abdrücke stimmen mit Ivor Forsters Fingerabdrücken überein, die sie überall in seiner Wohnung und im Wagen fanden. Vor drei Jahren war Ivor Forster in einer Schlägerei verwickelt, er wurde festgenommen. Dabei wurden seine Fingerabdrücke genommen. Die Karteikarte liegt hier vor mir.
Es gibt keinen Zweifel, diese Mumie ist Ivor Forster!“
Betretenes Schweigen war die Antwort.
„Hat einer der Herren eine Erklärung? Wir haben drei Zeugen, die heute am späten Nachmittag noch Ivor Forster gesehen haben. Der Wohnungsnachbar von Forster gab zu Protokoll, daß er nach halb sieben Uhr Ivor Forster in den Ford Escort einsteigen sah, Vor wenigen Stunden hat Forster noch gelebt und nun liegt er im Obduktionsraum und ist zu einer zwergenhaften Mumie geworden. Das übersteigt einfach mein Vorstellungsvermögen.“
„So wie bei Donna Armfield fanden wie bei Ivor Forster eine umfangreiche Bibliothek mit Büchern über Magie, Mysterien und Okkultismus.“
„Wollen Sie damit andeuten, daß Magie im Spiel ist?“ knurrte Sweeny.
„Ich dachte, daß wir diese Möglichkeit nicht ganz ausschließen sollten, Sir.“
Sweeny schnaubte verächtlich.
„Ein halbes Dutzend Wissenschaftler untersuchen im Augenblick die Mumie, Sir“, meinte einer der Detektive.
Das Telefon läutete.
Schweigend hörte Sweeny zu, dann legte er den Hörer auf und schob sich die Zigarre zwischen die Lippen.
„Meine Herren, ich habe einen vorläufigen Befund der Wissenschaftler bekommen.“ Er riß ein Streichholz an, und der beißende Zigarrenrauch verbreitete sich im Zimmer. „Die Mumie dürfte etwa vierhundert Jahre alt sein.“
Überraschtes Murmeln war zu hören.
„Der Mann war zu seinem Tod etwa 20 Jahre alt. Mutmaßliche Todesursache ist Herzversagen.“
Jetzt schrien alle durcheinander.
„Ruhe!“ brüllte Sireeny ergrimmt.
Alle waren still.
„Die Mumie wird zur genauen Untersuchung nach London gesandt. Uns geht dieser Fall eigentlich nichts mehr an, Aber meine Herren, wir werden uns weiter damit beschäftigen. Und noch etwas. Alle halten den Mund, verstanden?“

* * *

Genau vor Brian Robisons Haus fand Patrick einen Parkplatz.
Roy hatte auf ein weiteres Zeichen von Yani gehofft, doch der Ring hatte ihm nichts gezeigt.
„Warten Sie auf mich, Patrick“, sagte Roy. Er schob den Ring in die Rocktasche und stieg aus.
Er trat auf die Straße und blickte das Haus an. Im ersten Stockwerk brannte in zwei Fenstern Licht. Roy schritt zum Haustor, das abgesperrt war.
Drei Namensschilder waren zu sehen. Roy drückte auf das Schild, auf dem ROBINSON stand. Doch niemand meldete sich.

* * *

Brian und Nancy zuckten erschreckt zusammen, als der Summer ertönte.
„Vielleicht ist es Ivor“, meinte das Mädchen. „Du hast länger als eine halbe Stunde telefoniert. Vielleicht hat er dich anrufen wollen.“
Brian stand auf und ging ins Schlafzimmer. Nancy folgte ihm. Vorsichtig zog er den Vorhang zur Seite und blickte auf die Straße. Wieder war das Summen zu hören.
„Ein blondhaariger Mann steht vor dem Haustor“, flüsterte Brian. „Ich habe ihn nie zuvor gesehen.“
„Vielleicht ein Polizist?“
„Oder der Kerl, der mich hypnotisiert hat.“
Noch einmal summte es.
„Brian, wenn es der Bursche ist, der dich beeinflußt hat, dann läßt er sich auch nicht von einem Haustor aufhalten.“
„Du hast hast recht, Nancy. „
Brian hob den Hörer ab. „Ja“, sagte er.
„Spreche ich mit Mr. Robinson?“
„Ja, wer sind Sie?“
„Mein Name ist Roy deVoss“, hörte er eine angenehm klingende Stimme. „Ich bin Holländer und würde mich gerne mit Ihnen unterhalten.“
„In welcher Angelegenheit?“
„Sie sind der Hohepriester einer Wicca-Gruppe, die mit Ihnen aus neun Mitgliedern besteht.“
Brian und Nancy hielten den Atem an.
„Ich nehme an, daß Sie einige Probleme haben. Vielleicht kann ich Ihnen helfen. Wenn Sie Angst haben, daß ich Ihnen etwas antun könnte, kann ich Sie beruhigen. Sie können auch herunter kommen und wir können uns in meinem Wagen unterhalten.“
Nancy und Brian wechselten einen raschen Blick.
„Ich glaube ihm, Brian.“
„Kommen Sie herauf, Mr. deVoss.“
Er drückte auf den Knopf, und das Haustor ließ sich öffnen.
Brian schloß die Wohungstür auf. Die Gangbeleuchtung war eingeschaltet. Feste Schritte näherten sich.
Der blondhaarige Mann war hochgewachsen, schlank und wirkte durchtrainiert. Sein markantes Gesicht mit dem einnehmenden Lächeln wirkte überaus sympathisch.
Brian faßte sofort Zutrauen zu Roy deVoss. Er streckte Brian die Hand entgegen, der sie heftig drückte.
„Das ist Nancy Wilson“, stellte Brian das blondmähnige Mädchen vor.
Roy lächelte wieder. Er spürte, daß Nancy Wilson zitterte, als er ihre Hand ergriff.
„Ich kann mir vorstellen, daß Sie beide sich über meine Auftauchen einigermaßen wundern.“
„Kommen Sie bitte mit, Mr. deVoss.“

„Sagen Sie lieber Roy zu mir“, meinte der Magier.
„Ich kann Ihnen nicht viel anbieten, Roy. Whisky oder Bier?“

„Bier ist mit lieber.“
Roy nahm Platz und musterte die bildhübsche Nancy, die noch immer Angst hatte.
Brian brachte eine Flasche Bier und ein Glas.
„Ich weiß über die gestrige Beschwörung Bescheid“, sagte Roy und schenkte das Bier ein. „Ich kenne die Namen aller ihrer Mitglieder. Ich weiß, daß Donna Wilson ermordet wurde. Und ich fürchte, daß Sie von einem Zauberer beeinflußt wurden, Brian?“
„Woher wissen Sie das alles.“
Roy holte seinen Zauberring an. „Erschrecken Sie nicht, wenn sich der Ring verändert.“
Der Magier hob ihn hoch und starrte durch das Ringinnere. Es begann zu flackern.
„Sie wurden hypnotisiert, Brian. Setzen Sie sich mir genau gegenüber. Erschrecken Sie nicht. Ein Blitz wird auf sie zuschießen. Sie werden einige Minuten benommen sein, dann können Sie sich an alles erinnern. Sind Sie damit einverstanden?“
Brian nickte.
Roy konzentrierte sich kurz. Ein greller Blitz raste auf Brians Stirn zu, umhüllte seinen Kopf einen Augenblick, dann war der blendende Lichtschein verschwunden.
Brian seufzte. Er schlug die Augen auf.
„Können Sie sich erinnern, Brian?“
Brian erzählte von seiner Begegnung mit dem Mann, dessen Haar sich ständig änderte und von dem Totenschädel mit den rot funkelnden Augen. Er erwähnte auch den posthypnotischen Befehl, daß er bei der Erwähnung der Worte „Hu-Jum-Sin“ gehorchen mußte.
„Hu-Jum-Sin war ein chinesischer Alchemist und Magier“, sagte Roy.
„Sie wissen ziemlich viel über Magie, Roy.“
„Noch immer zu wenig.“
„Glauben Sie wirklich an Magie, Roy?“ fragte Nancy.
„Sie existiert und meine Lebensaufgabe ist es, die Schwarze Magie zu bekämpfen. Sie könnten mir dabei entscheidend helfen. Sie brauchen mir nur genau erzählen, was seit gestern alles geschehen ist. Jede, auch die wie sie vielleicht glauben, unwichtige Einzelheit könnte wichtig sein.“
„Wir werden Ihnen alles erzählen, Roy.“
Roy steckte sich eine Pfeife an, lehnte sich bequem zurück und hörte aufmerksam zu.

* * *

David stapfte auf die Garage zu und leuchtete den Boden ab. Von der schleimigen Hand war nichts zu sehen.
Er fuhr aus der Garage und blieb genau vor der Eingangstür stehen. Die Wagenschlüssel ließ er stecken.
Helen stand in der Tür und leuchtete die Umgebung ab.
„Ich komme mir wie Volltrottel vor“, brummte David, als der den alten Bauernhof betrat und die Tür schloß und verriegelte. „Brian hat eine lebhafte Phantasie.“
„Eigentlich habe ich noch keine Lust schlafen zu gehen, David. Was hälst du davon, wenn wir noch ein Fläschchen trinken?“
„Gelegentlich stelle ich fest, daß wir über eine Art Telephatie verfügen. Das war genau mein Gedanke.“

* * *

Die Hand kroch auf das Haus zu. Eines der Kellerfenster stand offen. Mühelos kletterte sie die Wand hinunter, dann stieß die die Tür zur Seite und kroch die Stufen hoch.
Die Ausstrahlung von Leben war deutlich zu spüren. Gierig wandte sich die Würgekralle nahe links, genau auf die altertümliche Bauernstube zu, in der David und Helen saßen.
David hatte die Flasche geöffnet und kostete den Weißwein, den ihm eine Tante aus Deutschland vor ein paar Wochen mitgebracht hatte.
„Köstlich“, sagte David und ließ den Wein auf der Zunge zergehen. Dann schenkte er die zwei Gläser voll.
„Sag mal, David, ich will ja nicht unhöflich sein, aber hast du einen ziehen gelassen.“
David hob witternd die Nase, „Ehrlich, ich war es nicht. Aber es stinkt tatsächlich.“
Blitzschnell packte er die Schrotflinte. Danach packte er die Taschenlampe und knipste sie an. Der Scheinwerferstrahl glitt über den Boden.
In der Mitte des Zimmers hockte die schleimige Hand. Ihre Finger bewegten sich unruhig.
„Ganz ruhig, Helen. Das Biest scheint das Licht nicht zu schätzen.“
David hörte, wie Helen ihre Schrotflinte entsicherte.
„Zeig mal, ob dir dein Vater das Schießen beigebracht hat.“
Helen hob das Gewehr. Die schleimige Hand zog sich langsam zurück.
Das Mädchen drückte ab. Pulverrauch durchzog den Raum.
Sie hatte gut getroffen. Ein paar Schrotkugeln trafen die Hand, die hoch in die Luft gerissen wurde und gegen eine Wand geschleudert wurde. Sie bewegte sich noch immer.
„Schieß nochmals, Helen.“
Wieder traf sie genau. Die Hand wurde zur Seite geschleudert und Schlammbrocken flogen in der Stube herum.
David hörte, wie seine Freundin nachlud. Nun holte er den Colt hervor.
Wie in Zeitlupe kroch die Hand auf die Tür zu, die in den Keller führte.
Dreimal schoß David, und jedes Mal traf er. Eine Kugel hatte den Ringfinger von der Hand getrennte, der sich wie ein Regenwurm wand. Die zwei anderen Kugeln waren durch den Handrücken gedrungen und hatten daumengroße Löcher hinterlassen.
„Warte nur, verdammte Kralle, dich erwischen wir“, brummte David und sprang auf.
Den Schein der Taschenlampe richtete er noch immer auf die Würgekralle. Nun hob auch er die Schrotflinte.
David drückte ab. Wieder wurde die Hand von den Schrotkugeln durchsiebt. Ein weiterer Schuß krachte. Hefen hatte abgedrückt. Die schleimige Hand flog zwei Meter hoch, klatschte gegen die Tür und flog die Stufen hinunter.
Sofort liefen die beiden los.
Es dauerte einige Zeit, bis David die Hand entdeckte, die langsam die Kellerwand hochkroch.
„Halte die Taschenlampe, Helen“, sagte David.
Sie richtete das Licht auf die zitternde Hand, die im Zeitlupentempo die Wand zum rettenden Fenster hochkroch.
David hielt den Colt nun mit beiden Händen. Er zielte auf den Zeigefinger. Ein Teil des Fingers brach ab.
Die Hand war nur mehr zwei Handbreit vom Kellerfenster entfernt, als Helen ihre eine weitere Schrotladung verpaßte.
„Gut gemacht“, kicherte David, der mit einem Meisterschuß den Daumen zermalmte. Noch einmal schoß er. Und wieder hatte er genau getroffen. Der Daumen fiel zu Boden.
Die Hand fiel nicht von der Wand. Ein Finger klammerte sich am Fenster fest.
David hatte den Colt fallen gelassen. Er riß die Schlotflinte hoch. Das Fenster zersplitterte, und wieder erwischte die Hand eine Ladung Schrotkörner. Dann war sie im Freien.
„Wir verfolgen die Hand“, schrie David, hob den Colt hoch, und lud ihn nach. Dann schob er zwei Patronen in die Schrotflinte.
Sie rannten um das Haus herum und blieben vor dem zertrümmerten Kellerfenster stehen. Deutlich war eine schleimige Spur zu sehen, die ins Moor führte.
Aber nach wenigen Schritten war die Spur nicht mehr zu erkennen.
Helen und David wußten nicht, daß sich die Würgekralle einfach in den weichen Boden gegraben hatte.
„Verflucht, die Kralle ist uns entwischt“, sagte David wütend.
Sie sperrten die Eingangstür ab.
Der Ringfinger kroch noch immer in der Stube herum.
David zog sich Asbesthandschuhe an. Mit einer spitzen Gabel erwischte er den sich krümmenden Finger und warf ihn in einen Kübel.
Im Keller hüpfte der Daumen herum, und das Stuck des Zeigefingers rollte über den Boden. Es dauerte einige Zeit, dann hatte David die beiden erwischt und in den Kübel geworfen.
„Scheußlich“, sagte Helen, als die die sich noch immer bewegenden Finger ansah.

* * *

Zaratus stieß einen gellenden Schrei aus.
„Die Hand ist verletzt!“ schrie er.
Der Kopf schloß die Augen und schrie gepeinigt auf.
Der magische Spiegel, den Magiron neben den Schädel gestellt hatte, bekam Sprünge, dann zersprang er.
Zaratus stöhnte, keuchte und wimmerte.
Plötzlich war er still.
„Zaratus!“ brüllte Magiron. „Zaratus!“
Es dauerte einige Minuten, bis der wiedererweckte Magier die Augen öffnete.
„Die Schmerzen sind fast unerträglich, Magiron. Jemand schoß der Hand den Daumen, der Ringfinger und Teile des Zeigefingers ab.“
„Sie müssen gewarnt worden sein“, knurrte Magiron, „vermutlich hat dies Brian getan. Was ist mit der Hand. Zaratus?“
„Sie ist ins Moor gekrochen, aber es wird lange Zeit dauern, bis sie völlig einsatzfähig ist. Im Augenblick kann sie sich nicht einmal bewegen.“
„Mist, verfluchter Mist“, wütete Magiron und stieß den Stuhl um. „Trotzdem bleibt mein Plan aufrecht. Ich muß endlich diesen verdammten Roy deVoss vernichten.“
Wie ein Rasender rannte Magiron im Zimmer herum. Da beging er einen weiteren Fehler, da er die Nerven verlor und nicht mehr logisch denken konnte.
Er wurde nur von Haßgefühlen geleitet.

* * *


Der Magier verarbeitete die Informationen, die er von Nancy und Brian erhalten hatte. Aus dein vielen winzigen Steinchen war ein fast vollständiges Mosaikbild entstanden.
Für ihn gab es nun kaum einen Zweifel, daß Magiron, sein alter Feind ihn in eine Falle locken wollte. Magiron mußte in der Zwischenzeit seine Fähigkeiten gesteigert haben.
„Dr. John Dee“, meinte Roy. „Die Beschwörung, die gestern durchgeführt wurde, stammt von ihm. Brian, Sie studieren doch Geschichte?“
Brian nickte, „In der Cathedral Library befinden sich unendlich wertvolle alte Manuskripte, die nur teilweise wissenschaftlich erforscht wurden.“
„Kennen Sie einen Fachmann, der sich besonders mit John Dee beschäftigt?“
„Ja, ein Professor. Durch ihn stieß ich auf die Magie. Er will ein Buch über John Dee schreiben, und er deutete an, daß er einige ganz neue Informationen gefunden hat.“
„Diesen Professor möchte ich kennenlernen.“
„Das bereitet keine Schwierigkeit, ich werde...“
Wieder einmal läutete das Telefon,
„Heben Sie ruhig ab, Brian.“
Robinson gehorchte.
„Halibo, alter Halunke“, war Davids laute Stimme zu hören. „Deine Warnung war goldrichtig, Die Kralle tauchte auf. Aber Helen und ich vertrieben sie.“
„Wie habt ihr das geschafft?“
„Bei uns stinkt es nach Pulver und dem ekligen Schleim der Hand. Wir haben wie verrückt auf die Hand geschossen. Ich kann dir zwei komplette Finger der Würgekralle anbieten, und als Draufgabe noch ein Stück Zeigefinger. Die Finger bewegen sich noch immer. Ich habe sie in einen Kübel getan, aber das Eisen beginnt sich langsam aufzulösen. Was soll ich mit dem Zeugs anfangen, Brian?“
„Er soll die Finger herbringen“, flüsterte Roy, der zugehört hatte. Schlagen Sie ihm vor, daß er bei Ihnen übernachten soll. Die Finger soll er in ein dickes Eisengefäß geben und mit Wasser vollfüllen und mit einem Deckel verschließen.“
Brian und David diskutierten noch eine Weile, dann ließ sich David endlich überzeugen.
„Diese Finger können uns sehr weiterhelfen“, meinte der Magier. „Ich hoffe, daß...“
„Verdammt“, brummte Brian, als das Telefon wieder klingelte.
„Denken Sie daran, Brian, daß unser Feind mit den brennenden Augen der Anrufer sein kann.“
Brian nickte und hob den Hörer ab.
„Hu-Jum-Sin“, fauchte eine tiefe Stimme. „Haben Sie meine Befehle durchgeführt?“
„Ja.“
„Berichten Sie ganz genau.“
Brians Stimme klang hohl. Sein Bericht war ausführlich und er sprach die Wahrheit.
„Wann sind Sie aufgewacht?“
„Um halb zehn Uhr.“
„Was geschah danach?“
„Ich bekam einige Anrufe. Donna Armfield wurde ermordet.“
„Sie haben zu keinem ihrer Freunde eine Bemerkung über die Hand gemacht?“
„Ich habe nichts gesagt,“ log Brian.
„Hören Sie mir gut zu, Robinson. Kennen Sie den verlassenen Friedhof in der Nähe von Laployd Barton?“
„Ja, ich kenne ihn.“
„Morgen abend bei Einbruch der Dämmerung kommen Sie mit Nancy Wilson hin.“
„Was soll ich als Zweck der Fahrt angeben?“
„Sie haben mir doch verraten, daß Ihnen das Mädchen gefällt, aber da für sie die Mädchen aus ihrem Kreis tabu sind, haben Sie den Abweisenden gespielt.“
Deutlich war zu bemerken, wie verlegen Brian wurde. Roy unterdrückte eine Grinsen und Nancy lächelte schwach.
„Das Mädchen macht Ihnen doch schöne Augen. Es wird Ihnen sicherlich nicht schwer fallen sie zu einer Spazierfahrt einzuladen, und da kommen Sie eben zufällig an Laplyd Barton Vorbei. Es ist wichtig, daß Nancy mitkommt. Der Körper muß erweckt werden. Aber das hat Sie nicht zu interessieren. Hu-Jum-Sin.“
Die Stimme hatte Roy erkannt, sie gehörte Magiron. Peinlich berührt vermied es Brian die bildhübsche Nancy anzublicken.
„Ich gehe kurz zu Patrick, der im Auto auf mich wartet.“
Roy hatte beschlossen, die beiden einige Zeit alleine zu lassen.
„Stimmt das, was der Kerl gesagt hat, Brian?“ fragte Nancy, als der Magier die Wohnung verlassen hatte.
Er blickte sie an. „Ja, er hat die Wahrheit gesprochen.“
„Und ich fürchtete schon, daß du schwul bist“, sagte sie kichernd.
Nun lächelte er auch. „Ich hoffe, daß ich dich bald vom Gegenteil überzeugen kann. Aber sei mir nicht böse, heute bin ich wirklich nicht in der Stimmung, um dir eine gefühlvolle Liebeserklärung zu machen.“
Sie nickte zustimmend, stand auf und drückte ihm ein sanften Kuß auf die Lippen, dann setzte sie sich wieder nieder.

* * *

Roy erzählte Patrick alles, was er bis jetzt erfahren hatte. Der Butler hörte gespannt zu.
„Brian bestellte Ivor Forster um sieben Uhr zu sich“, sagte der Magier abschließend. „Brian schlief aber von sechs bis halb zehn Uhr.“
„Magiron hat die Gestalt Brian Robinsons angenommen“, vermutete Patrick.
„Richtig. Ihr Ziel war eine Kirche, die jetzt eine Ruine ist. Vielleicht war das eine Lüge und Magiron und Ivor Forster sind ganz woanders hingefahren.“
„Hm“, brummte Patrick MacLaine. „Wissen Sie etwas von einem mächtigen Zauberer, der vor vielen Jahrhunderten in dieser Gegend sein Unwesen trieb, Mijnheer?“
„Da gibt es einige, Patrick. Vielleicht hat Magiron tatsächlich die Wahrheit gesagt. Es ist durchaus möglich, daß dieser Magier zerstückelt wurde. Damals war man nicht sehr zimperlich. Vielleicht hat man die Leichenteile an verschiedenen Orten vergraben. Eine Kirche, also ein geweihter Platz, wäre ein geeigneter Platz.“
„Ivor Forster ist verschwunden?“
„Er ist nicht zu Hause, aber ich fürchte, daß er tot ist.“
„Magiron hat sich verplappert, Mijnheer. Der Körper muß erweckt werden. Er dürfte auf diesem Friedhof vergraben sein.“
„Gut kombiniert“, grinste Roy. „Ich vermute, daß in der Kirche der Kopf des Zauberers eingemauert war.“
Der Ring in seiner Rocktasche wurde warm, und der Magier zog ihn rasch hervor.

* * *

Yani wachte auf und blickte auf die Uhr. Es war fast Mitternacht.
Sie sprang aus dem Bett und blieb vor dem Tisch stehen. Nachdenklich starrte sie die Gegenstände in der Mitte des Pentagramms an.
„Vielleicht sollte ich Anordnung ändern“, sagte sie und runzelte die Stirn.
Den Schmuck und den Notizzettel verteilte sie auf drei oberen Flächen des Drudenfußes. In der Mitte lag nun Roys Foto und die Haarsträhne.
Nun versuchte sie sich zu entspannen. Sie war völlig gelöst und entspannt, als sie mit dem Pentagramm-Ritual begann.
Als sie die Beschwörung abgeschlossen hatte, öffnete sie die Augen.
Das Tischtuch bewegte sich, und die Linien schienen zu brennen. Als sie in die Mitte griff, zuckte ihre Hand zurück. Es war, als hätte sie in einen heißen Backofen gegriffen.
„Ich rufe dich, Roy deVoss!“
Entsetzt prallte sie zurück. Das Tischtuch stand in Flammen, die fast bis zur Decke hochloderten, doch die Gegenstände, die sie darauf gelegt hatte, fingen nicht Feuer.
Nach ein paar Sekunden erlosch das Feuer und Yani ging auf den Tisch zu.
„Das gibt es nicht“, flüsterte sie, „Ich habe doch ganz deutlich das brennende Tischtuch gesehen!“
Das gelbe Tuch lag auf dem Tisch, alle Gegenstände waren unbeschädigt, doch das Pentagramm war nicht mehr zu sehen.


* * *


Der Magier starrte den Ring an, der fuchsrot flackerte.
„Ich rufe dich, Roy deVoss!“
Die Stimme kam aus dem Ring, in dem nun Yanis Gesicht zu sehen war.
„Den Stadtplan, Patrick.“
Im Auto wurde es heiß. Roy legte sich den Plan auf die Oberschenkel.
Yanis Gesicht zerfloß, dann war ein Pentagramm zu sehen, daß zerplatze, und nun schoß ein roter Strahl aus dem Ring.
Der glühende Strahl brannte ein Loch in den Stadtplan, fraß sich durch das dünne Papier hindurch und versengte Roys rechten Oberschenkel.
Von einer Sekunde zur anderen war der Ring tot.
Roy rieb sich den schmerzenden Oberschenkel. Ein handgroßer Brandfleck war auf seinem Hosenbein zu sehen.
Der Magier hob den Stadtplan hoch. Ein stecknadelkopfgroßes Loch befand sich genau in der Mitte der May Street.
„Patrick, sehen Sie sich den Plan an. Wir fahren in die May Street. Ich gebe Brian. Bescheid.“
Roy stieg aus, der Schmerz war nach wenigen Sekunden verschwunden. Er sprach kurz mit Brian.
„Yani hat doch einiges aufgeschnappt“, sagte Roy zufrieden, als sie den River Exe überquerten. „Sie hat sich das Pentagramm-Ritual gemerkt.“
„Das verstehe ich nicht, Mijnheer.“
Roy lächelte. „Das kann ich mir denken, Patrick. Aber Magie kann man nicht erklären, man muß mit ihr verwachsen, damit sie ihre Geheimnisse preis gibt.“
Patrick zuckte die Schultern. Er trat stärker aufs Gaspedal und schoß die schnurgerade Sidwell Street entlang.
„Sie vermuten, daß sich Yani der May Street befindet, Mijnheer.“
Der Magier nickte.
„Sie wird vermutlich bewacht werden, Mijnheer. Wir sind unbewaffnet.“
„Ich habe Ma Ghones Zauberring, die stärkste Waffe der Welt“, meinte Roy deVoss,
Fünf Minuten später bog Patrick in die schmale May Street ein.
Roy hielt noch einmal den Stadtplan hoch. Das Loch befand sich ziemlich genau in der Mitte der Straße.
Die May Street war kaum hundert Meter lang. Schmalbrüstige, niedrige Häuser waren zu sehen.
„Bleiben Sie stehen, Patrick.“
Aufmerksam blickte sich Roy um. Sie befanden sich ziemlich genau in der Mitte der Straße. Links war eine Baustelle zu sehen, auf der rechten Seite ein baufälliges Gebäude. BETRETEN VERBOTEN, stand auf einer Tafel.
Roy öffnete die Wagentür und holte eine dünne Taschenlampe hervor.
„Soll ich mitkommen, Mijnheer?“
„Nein, Sie warten hier auf mich. Wenn ich in einer Viertelstunde nicht zurück bin, dann verständigen Sie die Polizei.“
Roy lief auf das Haus zu. Das Tor war abgesperrt. Er ging die Hausfront ab. Einige der Fenster im Erdgeschoß waren eingeschlagen. Vorsichtig blickte sich Roy um. Kein Mensch war zu sehen.
Er drückte eines der Fenster auf, sah sich nochmals um und stieg auf das Fensterbrett und sprang in den leeren Raum hinein.
Er hörte leises Rascheln und knipste die Lampe an. Ein paar Ratten liefen quickend davon. Ohne Mühe erreichte er das Stiegenhaus. Er leuchtete über die staubbedeckten Stufen. Neben unzähligen Spuren von Ratten und Mäusen sah er auch Fußspuren. Sie waren frisch. Er bückte sich und sah sich die Spuren genauer an. Ohne Zweifel handelte es sich um einen Männerschuh.
Der Magier folgte den Fußspuren, die im zweiten Stockwerk vor einer Eisentür endeten, die mit vier dicken Riegeln gesichert war.
Deutlich waren Fußspuren zu erkennen, die zur Tür führten, und auch einige die von ihr wegführten.
Nun holte Roy den Ring hervor, der kalt war. Jetzt war der Magier ziemlich sicher, daß ihm keine Gefahr drohte.
Er preßte den rechte Ohr an die Tür. Nichts war zu hören.
Rasch schob er die Riegel zurück und riß die Tür auf.
 Er sprang ins Zimmer und sein Blick fiel auf das nackte Mädchen, das auf dem Bett saß und ihn aus großen Augen anstarrte.
„Yani!“ rief er erleichtert aus.
Die zierliche Japanerin warf sich schluchzend in seine Arme. Er küßte sie sanft und streichelte sie zärtlich.
Yani berichtete von ihrer Entführung, vom Besuch des Unheimlichen, von dem sie nicht sicher war, ob es Magiron war.
„Der Kerl hat mich einmal besucht“, erzählte sie weiter. „Ich ging auf ihn los, da löste er sich einfach auf.“
„Das mußt du mir genauer erzählen, Yani.“
Er hörte aufmerksam zu. Sie erzählte ihm von ihrer Idee mit dem Pentagramm, und was bei der Beschwörung geschehen war.
„Ich ziehe mich jetzt an, und dann nichts wie fort“, sagte Yani und griff nach ihren Kleidern.
„Warte hier auf mich. Ich gebe nur Patrick Bescheid, der sonst die Polizei verständigt.“
Fünf Minuten später war er zurück. Yani hatte sich in der Zwischenzeit angezogen.
Nun erzählte Roy seine Geschichte.
„Ich weiß wirklich nicht, was wir jetzt tun sollen, Yani. Mein Plan war und ist Magiron in eine Falle laufen zu lassen. Wenn ich dich nun mitnehme, wird er mißtrauisch werden.“
Yani nickte nachdenklich. Dann lächelte sie. „Ich weiß, was du meinst, Roy. Du wagst es nur nicht auszusprechen. Ich soll weiterhin hier bleiben. Das gefällt mir überhaupt nicht, aber es wird vermutlich die einzige Lösung sein.“
„Im Augenblick droht dir keine Gefahr.“ Roy blickte auf die Uhr. „Heute wird sich Magiron mit mir in Verbindung setzen. Dann erfahre ich, was er wirklich will. Sollte etwas Überraschendes geschehen, kann ich dich sofort hier befreien. Ich glaube nicht, daß dich Magiron an einen anderen Platz bringt.“

* * *

Der Magier unterhielt sich kurz mit Helen und David. Der Topf mit den Fingern stand in der Küche.
„Die Finger stinken wie die Pest“, sagte David. „Öffnet den Topf keinesfalls in der Wohnung.“
„Wir können ihn am Dachboden öffnen.“
Als sie die Stufen hinaufgingen berichtete Brian, daß er von der Polizei angerufen worden war. Ivor Forster hatte sich nicht gemeldet.
Während Brian alle Fenster öffnete, starrte Roy den eisernen Topf durch den Ring an. Das Ringinnere flackerte dunkel, und unheimliche Muster erschienen.
Roy trug den Topf zu einem Fenster, löste das Gummiband und stieß den Deckel zur Seite. Dann lief er zur Tür.
Graue, eklig stinkende Rauchschwaden zogen durch den Raum. Beide husteten. Ein durchdringender Leichengeruch breitete sich aus.
Als sich ein Großteil der Rauchschwaden verzogen, näherte sich der Magier dem Gefäß. Deutlich sah er die aufgequollenen Finger.
Er betrachtete die Finger durch das Ringinnere. Schemenhaft war ein Gesicht zu erkennen, das immer größer wurde. Dieses Gesicht mit dem gekrausten pechschwarzem Haar, erkannte er sofort. Der Vollbart, die hohe Stirn, die fleischige Nase, die Augen, die wie Bernstein leuchteten.
„Edward Kelley“, brummte Roy überrascht.
Neugierig war Brian nähergekommen, der nun durch das Ringinnere blickte.
„Kein Zweifel“, stellte Brian fest. „Das ist Edward Kelley, der Gefährte von Dr. John Dee.“
„Kelley starb 1595 in Prag“, sagte Roy und verschloß den Topf.“ Der Ring gibt mir aber den Hinweis, daß wir es mit Edward Kelley zu tun haben.“
 „Vielleicht starb Kelley nicht Prag. Die Todesumstände waren doch äußerst merkwürdig.“
„Hoffentlich kann mir Ihr Professor weiterhelfen.“

* * *

Magiron schleuderte die Würgekralle auf das kleine Tischchen, Schlammbrocken flogen in Zaratus' Gesicht.
„Die Hand ist unbrauchbar“, knurrte Magiron. „Voll mit Schrotkörnern und durchlöchert.“
Zaratus versucht die Finger der Hand zu bewegen, was ihm aber nicht gelang. Der Magier schloß die Augen und sammelte all seine verbliebenen Kräfte.
Die Schrotkörner wurden ruckartig aus der Hand gerissen und fielen zu Boden. Langsam schlossen sich die Löcher im Handrücken.
„Es war gut, daß du die Hand geholt hast, Magiron. Ich habe kaum noch Schmerzen. Wo ist das Moorwasser?“
Magiron hielt eine Schüssel hoch. Die Hand bewegte sich ruckartig, dann schwebte sie auf das trübe Wasser zu und tauchte darin unter.
„Hast du die abgeschossenen Finger gefunden, Magiron?“
„Nein. Das Haus war leer.“
„Schade, daß es zu diesem Zwischenfall kam.“
Magiron schwieg. Sein Zorn war schwächer geworden. Durch Zaratus Hilfe war es ihm gelungen in der Wohnung zu erscheinen, in der Yani gefangengehalten wurde.
„Wie lange wird es dauern, bis du wieder bei Kräften bist, Zaratus?“
„Die Wunden der Hand werden in ein paar Stunden verheilt sein. Sie braucht dann möglichst viel Lebensenergie.“
„Am Abend bringe ich dich zu deinem Körper. Deine Hand wird Nancy Wilson und Brian Robinson töten.“
„Das wird mir Kraft geben. Bevor sich die Hand mit meinem Körper verbindet, muß sie noch vielen Menschen das Leben aussaugen. Gut wäre ein Ort, wo sich viele Leute versammeln.“
Magiron überlegte kurz, dann kicherte er teuflisch. „Die Hand wird also in wenigen Stunden wieder morden können?“
„Ja, aber da ist eine Schwierigkeit: sie verträgt das Tageslicht nicht.“
„Das ist keine Schwierigkeit, Zaratus. In weniger als zwölf Stunden wirst du wieder kräftig sein, undich kann mich deiner Magie bedienen.“
„Was hast du vor, Magiron?“
„Laß dich überraschen, mein Freund.“

* * *

Kurz vor zehn Uhr parkte Patrick den BMW in der Nähe von Brian Robinsons Wohnung.
Punkt zehn verließ Brian das Haus. In der rechten Hand hielt er den versiegelten Topf mit den Fingern des Magiers.
Roy stieg aus. „Alles in Ordnung, Brian?“
Der Junge nickte, und Roy öffnete den Kofferraum und verstaute das Gefäß in einer mit Holzwolle ausgelegten Schachtel.
Brian grüßte Patrick freundlich, als er und Roy auf den Rucksitzen Platz nahmen.
Patrick hatte sich den Weg zur Universität genau eingeprägt. Er fuhr langsam los.
„Was war auf der Polizei los, Brian?“
„Dieser Chief Inspector Sweeny ist ein bösartiger Bursche. Er fragte mich eine halbe Stunde lang aus. Über Donna und den Hexenzirkel. Aber vor allem interessierte er sich für Ivor Forster, der spurlos verschwunden ist. Gibt es bei Ihnen etwas Neues, Roy?“
„Vor einer Stunde meldete sich ein Mann bei mir, der mir befahl, daß ich um Punkt Mitternacht alleine zum Parkplatz Blackingston Rock kommen solle.“
„Das ist doch ganz in der Nähe des Friedhofes.“
„Etwa eine Meile entfernt, Ich sah es mir auf der Karte genau an.“
„Haben Sie schon einen Plan, Ray?“
Der Magier grinste. „Einiges habe ich mir überlegt, aber es hängt viel davon an, ob mir der Professor weiterhelfen kann.“
„Ich habe mit Prof. George Grimwade telefoniert. Er klang sehr interessiert.“

* * *

Ein untersetzter Mann betrat das Kino. Er wirkte sehr zerfahren. Mit der rechten Hand umklammerte er eine große Tasche. Er kaufte eine Karte und nahm in einer der hinteren Reihen Platz.
Einer der miesen Sexfilme wurde gespielt, den er sich normalerweise niemals angesehen hätte.
Der Mann glatzköpfige Mann schloß die Augen und merkte nicht, daß der Film begann.
Fünf Minuten nach zehn Uhr zog er den Zipp der Tasche auf. Er holte ein dickbauchiges Glas hervor, das mit einer trüben Flüssigkeit gefüllt war. Vorsichtig schraubte der den Deckel ab.
Etwa vierzig Personen befanden sich im Kino, fast ausschließlich waren es Männer.
Die Würgekralle kroch aus dem Glas und klatschte auf dem weichen Boden auf. Sekundenlang blieb sie ruhig liegen.
Diese geballte Lebensausstrahlung überwältigte sie. Geräuschlos schlich sie zwischen den Sitzreihen entlang. Dann fand sie ihr erstes Opfer. Es war ein junger Mann, der nicht einmal einen Laut ausstieß, als sich die Kralle um seine Kehle schlang und ihm das Leben aussaugte.
Innerhalb von kaum drei Minuten erdrosselte die schleimige Hand vier weitere Männer. Nun pulsierte die Würgekralle vor Lebenskraft.
Erst das sechste Opfer stieß einen kaum vernehmbaren gurgelnden Schrei aus. Einige Köpfe drehten sich um.
Das achte Opfer beugte sich gerade vor, als die schleimige Hand sie ansprang. Es war eine vierzigjährige Hausfrau, die ohne Wissen ihres Mannes sich jeden Sexfilm ansah.
Die Würgekralle landete auf ihrem Rücken und schrie kreischend auf, als sie die ätzende Säure auf ihrem Rücken spürte. Sekunden später war sie tot.
„Was ist da los?“ schrie einer der Besucher. „Hier stinkt es bestialisch!“
Jetzt kam Bewegung in die Zuseher.
Ein Platzanweiser entdeckte einen der Toten. „Licht an!“ schrie er. „Die Vorführung sofort einstellen!“
Es dauerte einige Zeit, bis die Deckenbeleuchtung aufflammte.
Zu diesem Zeitpunkt hatte die Würgekralle bereits das Glas erreicht, das auf dem Boden stand. Sie kroch hinein und der hypnotisierte Mann drehte den Verschluß zu, schob das Gefäß in die Tasche und verließ unbemerkt das Kino.
Er blieb auf der Straße stehen. Ein dunkel gekleideter Mann trat auf ihn zu, nahm die Tasche an sich und stieg in ein Auto.

* * *

Professor George Grimwade war ein paar Jahre älter als Roy deVoss. Er war ein breitschultriger, kräftiger Mann, der alles andere als ein Gelehrter aussah. Nach seinem Aussehen hätte er ein Filmstar sein können.
„Sie interessieren sich für Magie und besonders für Dr. John Dee“, sagte Grimwade, als sie sich gesetzt hatten.
„Brian Robinson erzählte mir, daß Sie sich eingehend mit dem Leben des berühmten Magiers beschäftigt haben.“
„Vor ein paar Jahren begann ich mich mit dem Hexenwahn zu beschäftigen. Ich schrieb ein Buch über Hexen und Hexenprozesse. Seit drei Jahren gilt mein Interesse John Dee und seinen Zeitgenossen. Ich erfuhr da einige erstaunliche Dinge.
Ich habe ein Buch über Dee und Kelley geschrieben. Es wurde von meinem Verlag vor ein paar Monaten angekauft. Ein Vorabdruck erscheint in zwei Wochen in einer englischen Sonntagszeitung. Das Buch soll in sechs Wochen auf den Markt kommen, Woran sind Sie besonders interessiert, Mr. deVoss?“
„Das Jahr 1595. Dr. John Dee wurde damals zum Vorsitzenden des Kollegs in Manchester ernannt. Er stand zu diesem Zeitpunkt mit Edward Kelley in Prag in Briefverkehr. In diesem Jahr kam es zu einem Duell zwischen Kelley und einem jungen Adeligen. Kelley erstoch seinen Gegner, wollte fliehen, wurde aber gefaßt. Auf der Flucht brach er sich ein Bein und starb kurz danach.“
Grimwade grinste. „So steht es in allen Büchern, die sich mit den zwei Alchemisten beschäftigen. Aber es war alles ganz anders. Ich entdeckte einige Manuskripte, die ein völlig neues Licht auf die Beziehung zwischen Dee und Kelley werfen.“
„Ich bin ziemlich sicher, daß Kelley nicht in Prag starb“ ‚meinte Roy, „Er kehrte nach England zurück, und es kam zu deiner Auseinandersetzung zwischen ihm und John Dee.“
„Alle Achtung, Mr, deVoss. Sie haben richtig vermutet. Kelley war am Prager Hof in Ungnade gefallen. Er vermutete, daß Dee dem Kaiser Rudolf einige verleumderische Informationen lieferte, die Kelley in einem ungünstigen Licht erscheinen ließen. Daraufhin verschwand Kelley spurlos. Irgendjemand erfand später die Story mit dem Duell.“
„Kelley kehrte also nach England zurück. Und vermutlich war er voller Rachegedanken.“
„Richtig. Er wollte John Dee töten, doch dieser hatte eine Warnung erhalten. Er war auf Kelleys heimtückischen Angriff vorbereitet und schlug mit aller Kraft zu. Es ist nur wenig bekannt, daß beide waren Adepten der Magie waren. Der Kampf dauerte fast einen Tag. John Dee blieb der Sieger. Er versuchte Kelley zu verbrennen, doch die Leiche verbrannte nicht. Er hackte seine rechte Hand ab.“
„Die Dee ins Moor warf.“
„Woher wissen Sie das?“
„Ich vermute, daß Dee auch Kelley den Kopf abschlug und ihn in einer Kirche in einer Wand einmauerte. Den Körper mit den anderen Gliedmaßen vergrub er auf einem Friedhof.“
Grimwade blickte Roy beeindruckt an. „Sie haben wieder recht. Der Kopf befindet sich irgendwo in der Kirche in Blackaton Down. Ich versuchte ihn zu finden, blieb aber glücklos. Wo der Körper vergraben wurde, das weiß ich leider nicht.“
„Er befindet sich im verlassenen Friedhof von Laployd Barton.“
„Woher wissen Sie das?“ wunderte sich der Professor.
„Ich will ganz offen zu Ihnen sein. Ich werde Ihnen nun eine Geschichte erzählen, bei der es Ihnen die Haare aufstellen wird. Wahrscheinlich werden Sie mir kein Wort glauben.“
„Warten wir es ab. Erzählen Sie.“

* * *

Um neun Uhr war Yani erwacht. Länger als eine halbe Stunde hatte sie geduscht und war in der kleinen Wanne hockengeblieben.
Nach dem ausgiebigen Frühstück lief sie ruhelos im Zimmer auf und ab. Die Minuten krochen wie Schnecken dahin.
Voller Sorge dachte sie an Roy und hoffte, daß er erfolgreich den wiedererweckten Zauberer besiegen konnte.
Sie war so nervös und verkrampft, daß sie auf ein Mittagessen verzichtete.
Ein spöttisches Lachen ließ sie herumwirbelnd Neben der Tür stand Magiron, der ganz in Schwarz gekleidet war.
„Nun, meine Kirschblüte, es tut mir aufrichtig leid, daß du nur mehr wenige Stunden zu leben hast.“
Yani starrte Magiron haßerfüllt an.
„Um zehn Uhr wird dich einer meiner Vertrauten abholen. Deinen Freund Roy deVoss treffe ich um Mitternacht. Er wird mir den Ring geben und dadurch machtlos werden, Seine Liebe zu dir wird sein Untergang sein. Alles ist perfekt organisiert. Für dich gibt es keine Rettung mehr, Yani.“
Die Japanerin schwieg.
„Mein lieber Freund Zaratus hat seine Kraft wieder gewonnen. Die Würgekralle wird dir das Leben aussaugen. Sie wird deinen hübschen Hals packen und ihn zusammendrücken, danach wird sich dein Körper in ein schlammiges Monster verwandeln. Wie gefällt dir diese Vorstellung, Kirschblüte?“
„Du ekliger, sadistischer Kerl!“ schrie Yani und stürmte auf Magiron zu, der durchscheinend wurde und sich auflöste.
Nur sein bösartiges Kichern war noch minutenlang zu hören.
Yani hatte Angst. Zu siegessicher hatte Magiron geklungen. Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, daß sie hier geblieben war.
Mit jeder Sekunde steigerte sich ihre Furcht. Die Uhr ließ sie nicht aus den Augen.
„Roy“, flüsterte sie verzweifelt. „Hilf mir, Rette mich.“

* * *

„Ihre Erzählung war tatsachlich haarsträubend, Mr. deVoss.“
„Was halten Sie. davon Professor?“
„Seit fünfzehn Jahren beschäftige ich mich mit Magie. Ich glaube nicht daran.“
„Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wir fahren zur Kirche, danach zum Friedhof. Ich werde Sie überzeugen.“
Grimwade dachte nur kurz nach. „Einverstanden. Ich kann nichts verlieren, sondern nur neue Erfahrungen sammeln.“
„Kommen Sie Professor, wir haben keine Zeit zu verlieren. Zuerst sehen wir uns mal die Kirche an.“

* * *

Brian Robinson wartete auf dem Gang.
„Ich habe einiges erfahren, Brian, das uns helfen kann. Haben Sie einen Freund, der ein guter Bastler ist und etwas von Elektronik versteht?“
„Da ist David der geeignete Mann. Er ist noch mit Helen in meiner Wohnung.“
„Nehmen Sie ein Stück Papier zur Hand, Brian, und notieren Sie folgendes.“
Der Professor runzelte die Stirn, als sie zum MBW gingen, und Roy die Gegenstände bekanntgab, die er wünschte.
„Hm, einige er Dinge werden leicht zu beschaffen sein“, meinte Brian, als sie in den wagen stiegen. „Aber die anderen?“
Roy grinste, öffnete seine Brieftasche und zog ein paar größere Geldscheine hervor, die er Brian gab,
„Ich brauche alle Gegenstände, Brian. David soll nicht kleinlich sein. Geld spielt keine Rolle.“
„Was haben Sie vor?“ fragte der Professor.
„Machen wir vorerst einmal unsere Rundfahrt, dann werde ich Ihnen alles erzählen.“
In der Nähe der Cecil Road setzten sie Brian Robinsen ab.
Der Magier und der Professor unterhielten sich angeregt.

* * *

Dutzende Reporter und Fotografen drängten sich um das Kino, das von der Polizei hermetisch abgeriegelt wurde.
„Wieviele Tote hat es gegeben?“ schrie ein Journalist.
Chief Inspector Sweeny achtete nicht auf die lästigen Fragen der Zeitungsleute.
Er betrat den Zuseherraum. Der Gestank war ihm in der Zwischenzeit nur zu bekannt.
„Es sind acht Tote, Sir“, sagte ein Sergeant.
Sweeny betrachtete nur eine Leiche. Ihr Hals wies die charakteristischen Schlammspuren auf, das Gesicht war grauenvoll verzerrt, und Teile der Kleidung hatten sich aufgelöst. Der Chief Inspector hatte genug gesehen.

* * *

Sie schritten auf den Altar zu. Roy holte den Ring hervor, der sofort unruhig zu flackern begann.
„Ich habe die Kirche vor ein paar Monaten besucht“, sagte der Professor. „Diese Mauerbrocken wurden erst vor kurzer Zeit aus der Wand gerissen.“
Vor dem Altar blieben sie stehen.
Magiron hatte sich nicht einmal die Mühe gemacht, den magischen Ring zu entfernen. Auf dem Altar lag das schwarze Tuch und ein Kerzenstummel.
„Das darf es doch nicht geben“, flüsterte Professor Grimwade entsetzt. „Da wurde ja schwärzeste Magie angewandt.“
„Diesen magischen Ring hat Dr. John Dee für die Totenbeschwörungen benützt.“
„Richtig.“
„Bleiben Sie neben mir stehen, Professor.“ Roy streckte den rechten Arm aus. „Sehen Sie durch das Ringinnere. Wenn Sie irgendeine Person erkennen, dann sagen Sie es mir.“
„Im Augenblick sehe ich nur eine schwarz flackernde Fläche.“
„Das wird sich hoffentlich bald ändern.“
Der Magier konzentrierte sich. Rauchschwaden durchzogen den Ring, dann waren gestochen scharfe Bilder zu sehen. Ein junger Mann stand im magischen Kreis, der furchtsam einen Mann anstarrte, der vor ihm stand und eine Fackel in der Hand hielt. Deutlich waren die brennenden Augen zu sehen.
„Der junge Mann ist Ivor Forster“, sagte der Professor verblüfft.
Langsam änderte sich das Bild. Nun sahen sie eine kleine, mumifizierte Gestalt im Ring liegen und daneben einen Kopf.
„Das ist doch Edward Kelley!“ schrie Grimwade und seine Stimme schnappte über.
Das Bild wurde blaßer und erlosch schließlich. Schweigend verließen sie die Ruine.

* * *

David und Helen studierten die Liste, die sie von Brian erhalten hatten.
„Was hat dieser Roy deVoos?“ fragte David. „Keine Ahnung, wir sollen diese Gegenstände besorgen. Geld spielt keine Rolle.“
„Na gut“, brummte David. „Einiges könnte ihr kaufen, das bekommt ihr in jedem Supermarkt. Den Rest werde ich organisieren. Ich kenne da einen Burschen, der mit den unmöglichsten Dingen handelt. Ich werde ihn mal anrufen.“

* * *

„Was ist los, Patrick. Sie sehen verstört aus“, sagte Roy, als er auf dem Rücksitz Platz nahm.
„Ich habe die Nachrichten gehört, Sir“, sagte er auf englisch. „In einem Kino wurden acht Menschen ermordet.“
„Entsetzlich“, hauchte Roy.
„Auch der Mord an Donna Armfield wurde erwähnt, und daß möglicherweise ein Irrer Mörder in Exeter und Umgebung unterwegs ist.“
„Ich glaubte, daß die Würgekralle ausgeschaltet sei.“
„Mr. deVoss“, sagte der Professor, „langsam kaufe ich Ihnen die unwahrscheinliche Story ab, die Sie mir erzählt haben.“
„Ich hoffe, daß Sie mir glauben. Diese schleimige Hand wird nun von Edward Kelley gelenkt, da bin ich ganz sicher. Magiron wird heute versuchen den Körper des Zauberers zu erwecken. Als Opfer sind Nancy Wilson und Brian Robinson ausgewählt. Aber ich werde Magiron einen kräftigen Strich dusch die Rechnung machen.“
„Was haben Sie vor, Roy?“
„Hören Sie mir genau zu, George.“
Der Magier erzählte ganz genau, was er plante. Professor George Grimwade war plötzlich Feuer und Flamme. Er brachte Ergänzungsvorschläge vor, die Roy sofort akzeptierte.
„Hier ist der Friedhof“, unterbrach Patrick die heftige Diskussion.
Roy und George stiegen aus.
„Der Friedhof ist ideal für unsere Zwecke“, freute sich Roy. „Er liegt genau unterhalb eines kleinen Hügels. Dort oben können wir uns verstecken.“
Sie gingen zwischen den Grabreihen hindurch. Die meisten Grabsteine waren völlig verwittert, und die Inschriften kaum lesbar. Es waren auch ein paar halb zerfallene Grabmäler zu sehen.
Roy holte den flackernden Ring hervor und drehte sich einmal im Kreis herum.
Er steuerte ein großes Grabmal an. Der Ring funkelte stärker. Kelleys Gesicht war nun zu sehen.
Der Professor runzelte wieder einmal die Stirn.
Mühelos ließ sich das quietschende Eisentor öffnen. Modriger Geruch schlug ihnen entgegen. Ein Eisensarg stand auf einem Sockel. Der Boden war knöcheltief mit Staub bedeckt. Hier war seit vielen Jahren niemand mehr gewesen.
Der Magier schritt den Sarg entlang.
„Sehen Sie selbst, George.“
Der Professor erstarrte. Im Ringinneren war ein Toter zu sehen, dem der Kopf und die rechte Hand fehlte.
Roy steckte den Ring ein. „Jetzt werden wir einen Plan des Friedhofs anfertigen und uns genau überlegen, wie wir vorgehen werden.“

* * *

Die große Lagebesprechung fand in Brians Wohnung statt.
David, Holen und Brian bekamen große Augen, als ihnen Roy erzählte, was er vorhatte.
Sie hatten alle Gegenstände besorgt, die Roy gewünscht hatte. Nun meldete sich David zu Wort. Er hatte den Plan des Friedhofes eifrig studiert. Auch er brachte einige Verbesserungswünsche vor, die Roy akzeptierte.
Drei Stunden später waren am Friedhof die letzten Arbeiten abgeschlossen.

* * *

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit fuhr der knallrote Mini durch Bridford und bog in den schmalen Weg ein, der zum Friedhof führte.
„Du kannst es dir noch überlegen, Nancy“, sagte Brian, der den Wagen lenkte, „Unsere Anwesenheit ist nicht unbedingt erforderlich.“
„Mir ist klar, daß etwas schief gehen kann, Brian. Ich habe auch Angst, entsetzliche Furcht. Aber wenn es uns nicht gelingt, den Zauberer und die Würgeklaue zu vernichte, dann sind wir ohnedies verloren.“
Brian nickte zustimmend. Roy hatte nicht gewollt, daß sie als Lockvögel dienen sollten, um Magirons Aufmerksamkeit abzulenken, doch Brian hatte sich schließlich mit seinen Argumenten durchgesetzt.

* * *

In diesem Augenblick parkte Patrick MacLaine den BMW in der May Street.
Er betrat das verfallene Haus und hastete die Stufen hoch.
Roy wollte kein Risiko eingehen. Patrick sollte Yani befreien.
Der Butler zog die Riegel vor, und Yani stürmte ihm entgegen.
„Wo ist Roy?“ fragte sie. „Er will den Zauberer vernichten.“
„Ich muß dringend mit ihm sprechen.“
„Kommen Sie in den Wagen, Yani. Ich habe ein Sprechgerät, mit dem ich Roy erreichen kann.“
 
* * *


Roy, David und der Professor hatten sich hinter Büschen versteckt. Jeder hielt ein Nachtglas in der Hand.
Das Funkgerät schlug an.
Roy meldete sich leise.
„Roy“, hörte er Yanis Stimme. „Patrick hat mich eben abgeholt. Magiron hat mich besucht. Die Würgekralle wird mir das Leben aussaugen, und sein Freund Zaratus hat seine Kraft wieder gewonnen.“
„Zaratus?“
„Ja, so hat er ihn genannt.“
„Danke für die Information.“
„Viel Glück.“
Roy und der Professor flüsterten miteinander.
„Zaratus dürfte sein geheimer Name sein. Ich laufe noch rasch in den Friedhof.“
„Das könnte den Plan verpatzen.“
Roy hörte nicht auf den Professor, ergriff einige Gegenstände und raste wie ein Verrückter den Hügel hinunter. Fünf Minuten später warf er sich keuchend auf den Boden.
Langsam wurde es dunkel. Motorengeräusch war zu hören, dann war der knallrote Mini zu sehen, der neben dem Friedhof stehen blieb. Nancy und Brian stiegen aus.
„Was sollen wir hier?“ fragte Nancy. Sie spielte ihre Rolle perfekt wie eine Schauspielerin.“
Igrendwo kreischte ein Nachtvogel.
Roy starrte durch das Glas. Er beobachtete die Gruft, in der Kelleys Körper lag. Die Spannung wurde unerträglich.
„Der Kerl ist aufgetaucht“, flüsterte David.
„Wie aus dem Nichts. In der rechten Hand trägt er eine große Tasche. Er ist ganz in Schwarz gekleidet. Nun geht er auf Nancy und Brian zu.“

* * *

Nancy zitterte, als die unheimliche Gestalt mit den glühenden Augen auftauchte.
„Kommt mit, meine Freunde.“
Die beiden folgten Magiron, der auf die Gruft zuging. Er stellte die Tasche ab und holte Edward Kelleys Kopf hervor, danach öffnete er ein Glas und warf die Würgeklaue auf den Boden.
„Magiron, irgendetwas stimmt nicht. Ich spüre ein bösartige Ausstrahlung“, sagte Kelley, dessen geheimer Name Zaratus war.
Die zerstümmelte Würgeklaue richtete sich auf. Sie war sprungbereit.

* * *

„David!“ rief Roy.
Sofort handelte David. Er hatte sein Glas zur Seite geigt und bediente nun die Punkfernsteuerung. Er drückte einen Knopf nieder und UV-Lampen, die überall im Friedhof befestigt waren, leuchteten.
Die Zeichen der Weißen Magie, die sie mit un¬sichtbare Farbe in einem Kreis um die Gruft gezogen hatten, flammten auf.
Magiron schrie gellend auf. Kelleys Gesicht verzerrte sich und die Hand vergrub sich halb im Boden.
Brian ergriff Nancys Hand und riß sie aus dem Kreis heraus.
„Wir sind in eine Falle gelaufen“, stöhnte Zaratus.
David drückte einen weiteren Knopf.
Ein Beschwörungsformel erschien vor der Gruft, und darunter SUTARAZ, das Roy vor kurzer Zeit hingeschrieben hatte,
Der wiedererweckte Magier brüllte schmerzgepeinigt auf. Sein geheimer Name war bekannt und entstellte geschrieben.
David drehte an ein paar Schaltern herum. Aus einem halben Dutzend Lautsprechern klang nun die Beschwörungsformel, mit der die Hand zum Leben erweckt wurde. Auch sie war entstellt.
„Adeaa Ehataohl Lall!“
Magiron war halb bewußtlos. Wie blind taumelte er herum.
Zaratus schrie durchdringend. Sein Gesicht begann zu verwesen.
Der Friedhof war in ein unwirkliches Licht getaucht, das von den grüngelb schimmernden magischen Zeichen ausging.
Die Kralle kroch aus dem Boden und rannte auf Magiron zu, der auf die Knie gefallen war und wimmerte.
Die Hand klammerte sich am Umhang fest, der sich langsam auflöste, dann packte sie Magirons Nacken und druckte zu.
Die Stimme hallte noch immer über den Friedhof und schrie die entstellten Zaubersprüche, die Edwards Kelleys endgültigen Tod bedeuteten.
Magiron richtete sich auf und versuchte verzweifelt die Kralle abzuschütteln.
Deutlich war zu sehen, wie sich Magirons Rücken mit Schlamm bedeckte.
Zaratus Gesicht war nun halb verwest. Die Augen hatte der Kopf geschlossen.
Ein Finger schob sich nun über Magirons Wange. Sofort löste sich das Fleisch auf. Mit beiden Händen packte Magiron die schleimige Hand, die sich auch langsam auflöste, doch ein Finger bohrte sich in eines der glühenden Augen, dann fiel die Hand zu Boden und blieb leblos liegen.
„David!“ schrie Roy und rannte los. Er hatte Ma Ghones Ring in der Hand. Diese Chance wollte er sich nicht entgehen lassen, den schwer angeschlagenen Magiron endgültig zu erledigen.
Die Dynamitstange, die sie mit der Zündkapsel, auf der Unterseite des Sarges befestigt hatten, explodierte. Die Gruft und der Sarg wurden in tausend Stücke gerissen.
Der Magier raste auf den Friedhof zu. Er kam an Nancy und Brian vorbei, die in Deckung gegangen waren.
Die Würgeklaue war zu Staub verfallen, der Kopf war auf Faustgröße geschrumpft und löste sich rasch auf.
Roy riß den Ring hoch. Deutlich war Magirons Gesicht zu sehen.
Seine linke Gesichtshälfte war mit dem eklig stinkenden Schlamm bedeckt.
Magiron ergriff die Flucht. Roy folgte ihm. Doch nach wenigen Schritten blieb der Magier enttäuscht stehen.
Sein Gegner war verschwunden. Wieder einmal war er ihm entkommen.
Roy zertrat den Staub, der von der Klaue und dem Kopf übrig geblieben war, dann sah er sich die Überreste der Gruft an.
Edward Kelley, alias Zaratus, stellte keine Gefahr mehr dar. Er war für alle Zeiten tot.

* * *

Zwei Wissenschaftler waren dabei die säuglingsgroße Mumie genau zu untersuchen.
„Was ist das?“ fragte einer verblüfft.
Die Mumie wuchs, die Haut straffte sich. Innerhalb von wenigen Sekunden lag auf dem Obduktionstisch die hagere Leiche eines etwa zwanzigjährigen Mannes, die fast einsneunzig groß war...

* * *

Sie trafen sich alle in Brian Robinsons Wohnung.
Glücklich schloß Roy seine geliebte Yani in die Arme.
Der Schrecken war vorbei, doch der Kampf gegen Magiron und seine teuflischen Geschöpfe würde weitergehen.
„Eigentlich müßte ich mein Buch über Dee und Kelley nach den heutigen Ereignissen umschreiben“, meinte der Professor. „Aber ich werde es bleiben lassen.“
„Wir danken Ihnen, Roy“„ sagte Brian Robinson. „Ohne Ihre Hilfe hätten wir nichts erreicht. Wie sollen wir Ihnen jemals danken?“
Der Magier blickte ihn und die anderen Mitglieder des Hexenzirkels ernst an.
„Tut mir einen Gefallen“, sagte er, „und löst euren Zirkel auf. Ihr könnt euch ruhig weiter mit Magie beschäftigen, aber nur rein theoretisch. Keine Beschwörungen mehr.“
„Das kann ich Ihnen versprechen, Roy.“

* * *

Wie üblich schnauzte Chief Inspector Rodney Sweeny seine Untergebenen an. Er fühlte sich scheußlich.
Diesmal war er der Presse nicht entkommen, und ätzenden Bemerkungen der Journalisten konnte er nicht vergessen.
Aus der Bevölkerung hatten sie unzählige Hinweise bekommen, die ihnen aber nicht weiterhalfen.
Sweeny würde nie die Wahrheit erfahren, und auch nicht die Öffentlichkeit.

E N D E

 

© by Kurt Luif 1983 + 2018

Kommentare  

#1 Cartwing 2018-02-14 06:24
Zitat:
Die schleimige Hand konnte nicht denken
Kleine Zitate großer Meister... ;-)
wer findet noch mehr?
#2 Andreas Decker 2018-02-14 09:52
Dieser idiotische Papagei! Den hatte ich ja schon völlig verdrängt. ;-)

Ich habe die Serie damals schon bald wieder drangegeben. Ein windelweicher, überflüssiger Käse, der es geschafft hat, Zamorra kernig aussehen zu lassen. Und im Grunde war es auch eine unverblümte Zamorra-Kopie.

Luifs Beiträge habe ich erst viel später gelesen und war eigentlich nicht besonders überrascht, wie wenig sie vom Tonfall her zum Rest passten.

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