Vor einem Jahr ist Kurt Luif im Alter von fast siebzig Jahren am 21. April 2012 gestorben und der Tod von Ernst Vlcek ist morgen auch schon fünf Jahre her. Leider erleben die beiden nicht, wie im Zaubermond-Verlag für ihre Heldin Coco Zamis eine Neo-Ära beginnt. Mit dem Titel „Töte Dorian Hunter!“ (Das Haus Zamis-Band 33) wird die Lebensgeschichte von Coco Zamis neu geschildert.
Vor 40 Jahren – am 14.08.1973 erschien als Vampir-Horror-Roman Nr. 27 „Das Henkerschwert“ (Dämonenkiller Nr. 2)von Neal Davenport.
Darin schilderte Kurt Luif das erste Zusammentreffen von Coco Zamis und Dorian Hunter.
War das der erste Kontakt zwischen dem Dämonenkiller und der damaligen Hexe der Schwarzen Familie? Nein! Zwanzig Jahre später schrieb Kurt Luif, wie er sich das erste Treffen der beiden vorstellte.
Viel Spaß beim Lesen seiner Vorstellung …
Coco Vergangenheit - kurz bevor sie Dorian kennenlernte
Jetzt erinnert sie sich wieder an einige Dinge aus ihrer Vergangenheit.
Immer wieder muß sie an die Tage denken, bevor sie Dorian kennengelernt hatte.
Sie hatte sich damals in London aufgehalten, die Erinnerung an einige Jahre waren nicht mehr vorhanden. Sie hielt sich bei Rebecca in der Park Lane auf. Egal wie das schildern, über ihre Vergangenheit spricht sie mit Rebecca, sie gibt ihr ein Pfand, den soll aber nur verwenden, wenn in totaler Lebensgefahr befindet.
Über die magische Kugel meldet sich ihr Vater oder Bruder. Sie muß nach Wien kommen, Asmodi hat einen Auftrag für sie.
Sie kehrt nach Wien zurück, da wird unter strengsten Geheimvorrichtung gesprochen. Die Schwestern Reichnitz sind auch da. Sie verschwinden aber.
Ihr Vater erklärt ihr, daß sie Asmodi einen Gefallen tun sollen, dann werden sie aber endlich daran gehen ihn zu vernichten. Die Schwester Reichnitz sollen der Schlüssel dazu sein.
Doch es kommt anders. Die Schwestern werden von Asmodi geschnappt, in Freaks, in Schwachsinnige verwandelt.
Da taucht der unheimliche Bruno Guozzi bei den Zamis auf. Sie empfangen Asmodis Botschaft.
Die Beschwörung und das alles von ihrer Warte aus erzählen.
Sie wußte, daß ihre Tage vorüber sind. Irgend etwas würde in Wien geschehen. Sie sollte nicht kommen.
Rebecca steht unter Schutz von Toth -
Toth hat das alles inszeniert.
Storytext:
Als sich die Träume zu wiederholen begannen, waren die unbeschwerten Jahre vorbei. Vor langer Zeit hatte mich Merlin darauf hingewiesen.
Die ersten dieser Träume waren recht undeutlich gewesen, verschwommen und unscharf, so als hätte jemand Fett auf die Linse der Kamera geschmiert. Frauen, die sich schwerfällig bewegten, weißbezogene Betten, an der Wand ein Hitlerbild, das seltsamerweise ganz scharf zu erkennen war.
Die Frauen waren unförmig, ihre Leiber geschwollen, nach und nach konnte ich die Gesichter erkennen. In meinen Träumen stöhnten sie leise und lustvoll. Sie sprachen kaum miteinander, sahen sich auch gegenseitig nicht an.
Das Führer-Bild änderte sich täglich, der Hitler-Kopf schien nur eine Maske zu sein, die sich jemand zur Tarnung vor da eigene Gesicht geschoben hatte. Manchmal konnte ich die dämonischen Züge recht gut erkennen, es schien sich um Asmodi zu handeln, der in seinen langen Leben in vielen Masken aufgetreten war.
Ich begann diese Träume mit den neun schwangeren Frauen immer mehr zu hassen. Vergeblich versuchte ich mich mit Merlin in Verbindung zu setzen.
Meine Unruhe stieg von Nacht zu Nacht. Rebecca, in deren Haus in London ich mich aufhielt, ging mir aus dem Weg. Eric, eines ihrer Fledermausgeschöpfe, mit dem ich mich besonders gut verstand, beäugte mich mit schräg gestellten Kopf und gab krächzend sein Mißbilligung ausdruckende Laute von sich.
Ich floh dem Schlaf, spazierte stundenlang durch das nächtliche London, hockte mich in Pubs bis zur Sperrstunde, und kam erst meist in der Dämmerung ins Bett. Aber die Träume blieben...
Wieder waren die neun Frauen zusehen, diesmal lagen sie alle auf dem Rücken, die geschwollen Bäuche entblößt. Einen Augenblick sah ich einen Kalender, es war der 13. Juli. Eine Gestalt beugte sich über eine der Frauen und strich über den Leib der Schlafenden.
"Asmodi", keuchte ich in Schlaf.
Der gesichtslose Herr der Finsternis war nicht allein, in seiner Begleitung befand sich Anastasia, die Gräfin von Lethian.
"Morgen ist es so weit", sagte Asmodi. "Meine Söhne werden alle zu gleichen Zeit geboren werden."
Das Bild verblaßte rasch, ich schlief traumlos weiter.
In der nächsten Nacht ging der Traum weiter, der Kalender zeigte den 14. Juli an. Adolf Hitler schien noch gemeiner und hinterlistiger zu grinsen.
Einzelheiten konnte ich aber kaum ausnehmen, alles war in einen blutroten Schleier gehüllt. Für einen Augenblick schien mich Asmodi direkt anzusehen, in seinen feurigen Augen tanzten dunkle Spiralen, die wie winzige Schlangen aussahen.
Seine rechte Hand krallte sich um die Kehle eines Mannes, mehr konnte ich nicht sehen. Ich hörte das laute Krächzen von Neugeborenen.
Die Nägel bohrten sich in den Hals des Mannes. Blut schoß hervor, ein lauter Schrei ließ mich hochfahren.
Mein langes Haar war feucht, über meine Stirn tropften Schweißperlen. Ich rang nach Luft, keuchte und glitt aus dem Bett, ging zum Fenster und riß es auf. Die kühle Oktoberluft tat mir gut.
Die Träume waren gesteuert, das war mir klar, Merlin schickte sie mir über den Signatstern, den ich seit Jahren nicht mehr abgelegt hatte, der ein Teil von mir geworden war.
Ich trat ins Nebenzimmer, wo ich meine Beschwörungen durchführte. Diesmal war ich besonders gründlich in meiner Anrufung, aber Merlin meldete sich nicht. Enttäuscht lehnte ich mich zurück.
* * *
Drei Tage schlief ich traumlos.
In der vierten Nacht suchten mich die Träume wieder heim, kurz waren neun Frauen zusehen, die ihre Babies stillten, dann waren der Reihe nach neun Männer zu sehen, die höchst unterschiedlich aussahen. Aber ihr Aussehen war höchst unwichtig, viel interessanter war, was sich hinter den menschlichen Körpern verbarg. Einer war ein Ghoul, dem gelber Schleim über die Lippen tropfte, ein anderer zeigte mir seine Vampirzähne. Ein Werwolf war auch darunter, einer war unförmig und mit einem Totenkopfschädel ausgestattet. Nur einer schien normal zu sein, er war groß, sein Haar war dunkel und er trug einen schwarzen Schnurrbart, aber irgendetwas stimmte auch nicht mit ihm. Sein Kopf änderte sich alle paar Sekunden, zu rasch, als daß ich mir Einzelheiten einprägen konnte.
"Dieser Mann wird dein Schicksal werden", vernahm ich Merlins Stimme. "Sein Name ist Dorian Hunter."
Für etwa eine Minute war noch das Gesicht mit dem Schnurrbart zu sehen, dann erlosch es.
"Bald ist die Zeit gekommen, wo wir Abschied nehmen müssen, kleine Hexe", sprach Merlin. "Der Signatstern und der Armreifen verlieren ihre Wirkung. Sei drauf vorbereitet, Coco."
Ich hörte ihn weiter sprechen, er gab mir Anweisungen und sprach Warnungen aus, die mich erschreckten.
* * *
Dorian Hunter war seit ein paar Tagen nervös und unruhig. Immer wieder spürte er einen unerklärlichen Zwang, irgendetwas schien ihn zu rufen, schien zu locken.
KOMM NACH ASMODA!
Manchmal sah er ein kleines Dorf, eine alte Burg und eine berückend schöne Frau, die ein altertümliches Abendkleid trug und ihn einladend zulächelte.
KOMM ZU MIR, DORIAN! KOMM NACH ASMODA!
Er hatte Asmoda im Atlas gesucht, aber nicht gefunden, erst als er seine alten Mappen und Karten durchstöbert hatte, war er auf Asmoda gestoßen. Ein kleines österreichisches Dorf an der Grenze. Mehr wußte er nicht über Asmoda. Nur ein Name, mehr hatte er nicht herausfinden können.
Er saß in seiner Bibliothek, die vollgestopft war mit magischen Gegenständen, Masken und Folterwerkzeugen - und natürlich vielen wertvollen Büchern, Schriftrollen und Manuskripten. Hier hielt er sich am liebsten auf, da konnte er entspannen, sich in eines der Bücher vertiefen oder seine Artikel auf der alten IBM-Maschine schreiben. Sie hatte er sich vor Jahren von seinen ersten Honoraren gekauft. Auf ihr hatte Hunter seine Serie über europäische Hauptstädte geschrieben, die in einer großen Illustrierten unter seinem Pseudonym Lester Hawks erschienen war. Hauptsächlich schrieb er aber für News of the World Artikel über Schwarze Magie, Hexerei in unserer Zeit, aber auch über Reiche und Berühmte. Dabei hatte er vor ein paar Jahren den Millionär Jeff Parker kennengelernt und sie waren gute Freunde geworden.
Die Welt von Jeff Parker kam Hunter alles andere als erstrebenswert vor, das war deutlich in seinen Reportagen zum Ausdruck gekommen. Er konnte sich in diesen Kreisen ganz gut bewegen, ganz im Gegenteil zu seiner Frau Lilian, die sich in der Gegenwart von Jeff Parker immer höchst unbehaglich fühlte.
Mißmutig blätterte Dorian seine Aufzeichnungen durch, er war erst gestern von einem Hexentreffen zurück nach London gekommen. Viel gaben die Fakten nicht her, da mußte er sich schon noch einiges einfallen lassen, um den sensationslüsternden Redakteur zufrieden zu stellen.
Seine Gedanken irrten immer wieder ab. ASMODA. KOMM NACH ASMODA. Er war nicht zufrieden, seine Arbeit fühlte ihn nicht mehr aus, sie war langweilig geworden. So wie seine Ehe. Aber die war nie sehr aufregend gewesen.
Kennengelernt hatte er sie im Britischen Museum, wo sie im Reading Room arbeitete, den er oft besuchte und sich stundenlang in alte Schriften vertiefte. Lilian war so ganz anders als die Frauen, die er sonst bevorzugte. Sie war eine blonde Schönheit, kühl, reserviert und abweisend. Das hatte ihn gereizt. Sie wollte er erobern und es gelang. Später war er sich nicht mehr so ganz klar, wer da wen erobert hatte.
Er wollte fort von seinen Saufkumpanen, hatte genug von Mädchen, mit denen man über Filme, Pop-Sängern und Urlaub sprechen konnte. Anfangs hatte das ganz gut geklappt, störend waren ihre Kochkünste. Lilian liebte die traditionelle Englische Küche, die er schon als Junge verabscheut hatte. Gebratene Nieren zum Frühstück, das war nicht sein Geschmack. Damit hätte er aber noch leben können.
Weit deprimierender war ihr Sex-Leben. Sie hatte es gern kurz und selten, er hingegen lang und häufig. So war das für sie beide äußerst unbefriedigend. Er sollte funktionieren wie ein Karnickel, und wenn er so nicht agierte, dann war er ein geiler Bock, der weh tat.
Seufzend schenkte er sich einen Bourbon ein und steckte sich eine Zigarette an. Seine Trink- und Rauchgewohnheiten störten sie auch, und seine häufige Abwesenheit. Er genoß die Recherchen immer mehr, doch es war ihm klar, daß es so nicht weitergehen konnte.
Er wußte nicht, wonach er suchte, aber keinesfalls wollte er als dressiertes Männchen enden, das die Wünsche seiner Frau bedingungslos erfüllte.
* * *
Seit zwei Stunden beobachtete ich das Reihenhaus in der Abraham Road. Ich saß in dem schwarzen Mini, den ich mir vor einem Jahr gekauft hatte. In der linken Hand hielt ich eine meiner Lieblingskugel und bewegte langsam die rechte Hand. So änderte sich der Blickwinkel und ich konnte alles im Haus erforschen.
Dorian Hunter saß vor dem Schreibtisch, blätterte in den vor ihm liegenden Papieren, schien aber nicht richtig bei der Sache zu sein. Sein Aussehen imponierte mir nicht sonderlich, aber irgendetwas war an ihm, das ich nicht fassen konnte. Dämon war er keiner, aber es haftete etwas an ihm, das stark noch Asmodi roch. Doch es war weit mehr, hinter seiner Menschengestalt steckte weit mehr, es war verborgen, konnte aber jederzeit hervor brechen. Eine ähnliche Ausstrahlung hatte ich nie zuvor gespürt. Nun sah ich ihn mir mal genauer an, er sah wirklich nicht übel aus, groß und kräftig, das Gesicht mit dem herabgezogenen Schnurrbart wirkte etwas ordinär.
"Rian!" hörte ich deutliche die Stimme der Blondine aus dem Schlafzimmer. "Komm endlich ins Bett!"
Hunter verzog mißmutig den Mund. "Ein paar Minuten noch, Lilian."
"Nein, komm sofort."
Ich sah mir nun diese Lilian an, eine dieser Dutzend-Blondinen, jederzeit austauschbar, schlank mit kleinen Brüsten, von sich eingebildet und extrem langweilig. Wie kommt eine Frau wie Lilian zu einem Mann wie Dorian Hunter? Gegensätze sollen sich angeblich anziehen, von dieser Meinung hielt ich nichts.
Ich nahm ihre Ausstrahlung auf und ließ sie durch die Kugel in den Signatstern gleiten. Hm, wie ich es vermutet hatte, die Blonde war beeinflußt worden. Das war schon einige Zeit her, ihr Charakter war dabei nicht umgedreht worden. Wahrscheinlich hatte sich Hunter mal für sie interessiert, und irgendein Dämon hatte Lilian so beschworen, daß sie ebenfalls an ihm Gefallen gefunden hatte. Bei einem so schwachen Typ wie Lilian hätte ich das sogar vom Auto aus jederzeit rückgängig machen können.
Hunter hatte noch einen Bourbon hinuntergekippt und sich dann ausgiebig die Zähne geputzt. Er kroch zu seiner Frau ins Bett und küßte sie. Bei meinen Beobachtungen hatte ich es immer besonders gehaßt, wen es zu Zärtlichkeiten gekommen war, da hatte ich mich zurückgezogen. Das wollte ich auch diesmal tun, doch es gab für Dorian Hunter keinen Sex in dieser Nacht.
Ich wartete noch ein paar Minuten bis die beiden eingeschlafen waren. Das Haustor bot mir keinerlei Schwierigkeiten, um eventuelle Beobachter scherte ich mich nicht, da ich mich einfach in den rascheren Zeitablauf versetzte, den ich im Haus aufhob. Ich ging ins Schlafzimmer und hüllte das Ehepaar in eine magische Decke, die verhinderte, daß sie mich hören konnten.
Natürlich hätte ich mich auch in der Dunkelheit umsehen können, aber ich knipste das Licht an. Ich drehte die Augen und saugte förmlich die Titel der Bücher in mich auf. Hunter hatte eine Vorliebe für Magie, der Großteil der Bücher war dummes Zeug, aber es gab einige Werke darunter, die von Eingeweihten verfaßt worden waren, die aber nicht die ganze Wahrheiten verrieten. Unter den magischen Gegenständen gab es einige Fälschungen, die Sammlung von gnostischen Gemmen hingegen war überaus bemerkenswert.
Eigentlich tat ich da nur eine Fleißaufgabe, aber durch Merlins Worte war meine Neugierde geweckt worden. Dieser Dorian Hunter sollte mein Schicksal werden. So sah ich mir mal den Schreibtisch näher an, ich fand einige Verträge und jede Menge von Belegexemplaren. Neugierig sah ich mir einige der Artikel an, die Hunter verfaßt hatte. Er schrieb recht lebendig und sehr zynisch, oft fast beleidigend.
Ich fand Hunters Paß, der voll mit Stempel war, der Bursche war viel herumgekommen. Erst danach sah ich mir die amtlichen britischen Eintragungen an.
Geboren am 14. Juli 1944.
Der französische Nationalfeiertag. Die neun schwangeren Frauen, das Blut, das aus der Kehle floß, Asmodi und die hochmütige Anastasia. Das Bild des Führers.
"Asmodis Söhne", flüsterte ich leise.
Wie Dämonen ihre Kinder zeugten und sie von normalen Frauen austragen ließen, war für Menschen nur schwer zu verstehen, für Mitglieder der Schwarzen Familie war es ganz normal.
In der gleichen Lade fand ich einen Stapel Dokumente und Fotos, die nicht geordnet waren.
* * *
© by Kurt Luif 1993