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Die ruhmreichen Fünf - Superhelden halten die Welt in Atem! - Kampf der Worte

StoryDie ruhmreichen Fünf
Superhelden halten die Welt in Atem!
Kampf der Worte

Prolog:
"Eigentlich haben wir ja Glück heute, das erste Mal, das hier nichts Besonderes los ist!" sagte Uwe Schnabel zu Sabine, während er mit ihr durch das Schnoorviertel wanderte.

"Mich wundert, daß hier alle Cafés und Geschäfte geschlossen haben!"


Sie wanderten noch bis zum Katzencafé, als sich plötzlich eine Wand auftat und die beiden verschlang! Für einen Unbeteiligten sah es so aus, als ob die beiden durch die Wand gegangen wären!

*

"Das ist ja dumm", sagte sich Ralf Radzuweit, "da fällt mir ja gar nichts zu ein, was sich der NEKUL VERLAG dabei gedacht hat, EISMANN als Comic, und dafür soll ich was entwickeln, obwohl ich viel lieber die MOTTE da einbringen würde!" Er ging in die Küche, wo sich ein Berg von Abwasch türmte, schnappte sich die letzte saubere Tasse und schenkte sich einen Kaffee ein.

"Willi Lüders müßte man sein, der braucht nur mit seinen Fingern zu schnippen und schon hat er Text und Abwasch erledigt." Ralf lümmelte sich in seinen breiten Ohrensessel und griff nach dem Stift. Im selben Moment löste sich sein Wohnzimmer auf, und er hatte das Gefühl, als würde er in ein tiefes schwarzes Loch fallen. Er versuchte seinen Ring zu aktivieren, aber er besaß keinen Ring mehr am Finger!

*

"Sir, es ist angerichtet!" Willi drehte sich zu James, seiner treuen Seele, um und sagte: "Wie ich gerade erfahre, bekommen wir noch einen Gast. Würden Sie ihn bitte ins Arbeitszimmer führen?"

Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er ins Arbeitszimmer, setzte sich an seinen PC und schaltete ihn ein. Er griff nach dem Glas mit Ballantines Whiskey, das vor ihm stand, und trank einen kräftigen Schluck. Es klopfte. James kam herein und sagte: "Da ist jemand von den SUPERHELDEN, der Sie sprechen möchte!"

"Ich weiß, schicken Sie ihn rein, und falls Lady Alquist kommt, sagen Sie ihr, ich bin am Arbeiten und sie möchte allein dinieren!"

"Sehr wohl, Sir!" James deutete einen Diener an und verschwand lautlos.

Weniger lautlos als vielmehr äußerst lärmträchtig, polterte Vario dann in den Raum. "Wuz-Willi, äh, Quatsch, Willi, ich muß dich sprechen. Es ist sehr dringend. Alarmstufe ROT!"

Willi blickte gelangweilt von seinem Schreibtisch auf. Was wollte dieser Kerl schon wieder? Ihn brüskieren? Oder einfach nur seine kostbare Zeit stehlen? Er fuhr mit einer Hand durch sein lockig-lang gewelltes Haar und schaute Michael enerviert an. "Müssen wir schon wieder die Welt retten, Micha?"*)

"Nein, Willi, etwas viel Wichtigeres. Sabine und Uwe!"

Der Magier stöhnte. "Können die beiden denn nicht auf sich selbst aufpassen?" Er schüttelte mit dem Kopf, erhob sich langsam und ging zu seiner gut bestückten Bar, um sich einen neuen Scotch Whiskey einzuschenken.

Vario schaute lüstern auf Willis Glas. "Bekomme ich auch einen? Meine Kehle ist total ausgetrocknet."

"Bin ich dein Diener? Bedien dich selber, Faulpelz!"

Michael nahm die ganze Flasche und führte sie zum Mund. Es war bekannt, daß er ein Alkoholproblem hatte, zumindest war er davon nicht weit entfernt. Nachdem er die halbe Flasche geleert hatte, setzte er sie ab und stellte sie zurück in die Bar.

"Und was ist mit der Motte?" fragte Willi nach.

"Was soll schon mit Ralf sein? Ich habe ihn schon einige Zeit nicht mehr gesehen seit dem Besäufnis im Schnoorviertel."

"Gehen wir zu ihm rüber. Zusammen haben wir vielleicht bessere Ideen."

*

Die Motte alias Ralf Radzuweit fühlte sich wie gerädert, als er aus seiner Ohnmacht erwachte. Was war passiert? Bestürzt tastete er seine Finger ab. Es waren immer noch zehn, wie er einigermaßen beruhigt feststellen konnte. Aber...

...der Ring fehlte!

Ralf wußte, ohne seinen Ring war er aufgeschmissen. Er hatte sich schon so an seine übermenschlichen Kräfte gewöhnt. Wie sollte er ohne sie auskommen? Selbst das Einkaufen würde ihm schwerfallen.

 Plötzlich vernahm er ein Geräusch, das von oben aus seinem Schlafzimmer kam.

Ein Einbrecher?

"Na, dem werde ich es zeigen", murmelte er in seinen Oberlippenbart. Vergessen war der Verlust seiner Kräfte. Er lief die Treppe hoch, riß die Schlafzimmertür auf und ging hinein. "Wer ist da?"

Zwei kräftige, schon als bullig zu bezeichnende Männer machten sich in dem Raum zu schaffen, rissen Schubladen aus den Schränken und ließen den Inhalt auf den Boden fallen.

Als sie Ralf bemerkten, drehten sie sich erschrocken um.

"Hände hoch!" rief der Werbetexter.

"Haste 'ne Kanone dabei, Alter?" fragte der eine.

"Ich brauche keine", behauptete Ralf und betastete sei-nen Ringfinger. Scheiße! Er hatte ganz vergessen, daß...

Die Einbrecher kamen bedrohlich näher. "Was willste denn machen, Ei?" Sie hoben ihre klobigen Fäuste und senkten die Köpfe wie kampflustige Stiere.

"Moment, meine Herren!" Die 'ehemalige' Motte hob abwehrend eine Hand in die Höhe, überlegte es sich dann anders und brachte beide Arme in die Verteidigungsstellung einer fernöstlichen Kampfkunst, was seine Gegner etwas verwirrte.

"Wasen das?"

"Das Kenn ich, das hat mein Bruder auch mal gemacht", sagte der andere.

"Der Egon?"

"Psst, du Idiot!" fauchte ihn sein Kumpan an. "Wenn du jetzt noch erzählst, daß ich Dietmar heiße, hau ich dir eine rein, Walter!"

"Dann komm doch her, du Arsch! Oder glaubst du etwa, ich habe Angst vor dir? Dich haben sie doch schon in der Schule 'ne feige Sau genannt. Dietmar Dröge, die feige Sau!"

Während die beiden übereinander herfielen, rutschte Ralf kampfeslustig auf sie zu und dann auf dem Teppich aus. Bevor er den Teppich aber als Schlafplatz testen konnte, streifte sein Kopf hart aber beiläufig die Kante der offenstehenden Tür.

Und wieder fiel er in das Reich der Träume, das ihn scheinbar magnetisch anzog.

*

Die Motte war kurz davor, den Teppich in seiner üblichen Form zu verändern, so schlecht war der Sturz ihr bekommen. Langsam rappelte sie sich wieder hoch.

"Ich dachte schon, der kommt gar nicht mehr zu sich", sagte Vario, der sich gemütlich in seinem Sessel lümmelte. "Tja, weiß der Teufel, was mit ihm los ist", hörte er Willi sagen.

"Hat wohl wieder gesoffen", nahm Michael an, der sich an ihr Besäufnis in der 'Goldenen Gans' erinnerte. Da hatte er Ralf in einer ähnlichen Lage erlebt. Zugelaufen bis an die Kragenkante.

Ralf schlug die Augen auf und zuckte zusammen. Waren die Einbrecher immer noch da? Wer sich auch in seinem Haus befand, sie sahen mächtig brutal aus.

"Wir sind's doch, Ralf! Willi und Michael, deine besten Freunde." Michael klatschte einen nassen Lappen auf sein Gesicht. Keuchend kam Ralf hoch, packte den Lappen und warf ihn irgendwohin. "Sonst hast du aber noch alle beisammen, was?" schrie er ihn an.

"Ist dir etwa schlecht?" fragte Willi mit gespielter Sorge.

"Mir geht's bestens", behauptete Ralf. "Nur meine Super-kräfte, die habe ich anscheinend verloren."

"Wie kann man denn seine Superkräfte verlieren?" fragte Vario.

"Mein Ring, er war plötzlich weg."

Der Magier schnupperte. "Ich rieche etwas Fremdes in diesem Raum. Magie? Auf jeden Fall ist es nicht von dieser Welt." Willi the Wuz versetzte sich in Trance. "Ergreift meine Hände, schnell. Ich spüre einen starken Sog, der mich ergreifen will. Schnell, kommt her. Lange kann ich dem Sog nicht widerstehen."

Blitzschnell, wie es ihre Art war, klammerten sich Ralf und Michael an seinem Gewand fest und verloren im selben Moment das Bewußtsein. Für Willi und Michael war es eine neue Erfahrung. Ralf kannte sich da schon besser aus. Schließlich hatte er ja schon Routine darin.

*

Ein Blatt kitzelte seine Nase. Wo war er? Nach seinem Haus sah das nicht aus, da gab es keine Blätter. War er im Bürgerpark gelandet? Neben ihm lagen Willi the Wuz und Vario alias Michael Müller. Er richtete sich langsam auf und schaute sich müde um. Vogelgezwitscher drang an seine Ohren. Sie befanden sich in einem dichtbewachsenen Blätterwald. Aber keine Grillen zirpten und kein Elch röhrte. Nicht einmal ein Blatt raschelte. Weder ein welkes noch ein liniertes.

In was für einem Wald befanden sie sich?

Ralf stieß seine beiden Freunde mit dem Ellenbogen an. "Was ist denn los?" grummelte Vario mit schlaftrunkener Stimme.

Willi dagegen schien topfit zu sein. "Ich habe alles im Griff", sagte er und fügte hinzu: "Wo sind wir eigentlich?"

"Ich glaub, ich bin im Wald", entgegnete Vario gedankenschnell.

"Aber in was für einem Wald?" Versehentlich trat Ralf abwechselnd auf den Magier und den kostümierten Superhelden. Schmerzensschreie drangen an seine Ohren. "Bist du doof, oder was?" riefen sie im Chor.

"Seid ihr empfindlich", mäkelte Ralf, "wenn man bedenkt, daß ihr noch eure Kräfte besitzt. Was soll ich denn sagen?"

Plötzlich hörten sie seltsame Stimmen. "Hoho, hoho, wir Zwerge, wir sind froh. Wir trinken gerne Menschenblut, denn das tut unseren Herzen gut."

"Was sind denn das für komische Zwerge?" fragte Michael.

Elf Zwerge, in der Größe kaum über ihre Kniescheiben reichend, kamen im Wiegeschritt auf sie zu. Sie trugen große Äxte, die sie fröhlich durch die Luft sirren ließen. Ihr Antlitz war ein einziger Vollbart, und ihre Haare berührten beinahe den Boden. Sie waren von stämmiger Gestalt. Ihre listigen Augen waren auf die Superhelden gerichtet.

Was sollten die drei tun? Weglaufen? Ziemte sich das für echte Superhelden?

"Hoho, hoho, die Menschen schmecken so", sangen die Zwerge und leckten sich genüßlich über ihre wulstigen Lippen.

Langsam wurde Ralf mulmig. Vario klopfte ihm beruhigend auf die Schulter, während der Magier schon längst das Weite gesucht hatte.

"Wir packen das schon, Motte", war Michael zuversichtlich.

"Und wo ist Willi?" Ralf blickte sich suchend nach dem Magier um.

"Er sondiert das Terrain", drückte Vario sich ausnahmsweise einmal gepflegt aus.

*

Sabine und Uwe fühlten sich wie gerädert, als sie erwachten. Es war kalt - kalt, dunkel und feucht. Die Feuchtigkeit drang durch ihre Kleidung. Sabine nieste laut.

"Gesundheit!" sagte Uwe. "Wo sind wir hier eigentlich?"

Sabine konzentrierte sich, um ihre Geheimidentität entstehen zu lassen, aber es ging nicht. "Irgendwie sind wir unter einer Glocke, die unsere Fähigkeiten abschirmt."

"Unglaublich, aber Vario", sagte Uwe.

Plötzlich öffnete sich die Zellentür. Ein großer, hagerer Mann betrat das Verlies. Seine Augen leuchteten fanatisch und mit boshaftem Glanz. Ein Kichern entglitt seinen schmalen Lippen. "Ich hoffe, es gehabt euch wohl, meine lieben Freunde. Daß es euch an nichts fehlet, das wünsch ich mir."

"Was willst du von uns?" fragte Uwe.

"Euer Leben hätt' ich gern, euer Tod, der liegt mir fern!" erwiderte der Mann, der sich als Okthur vorstellte. Er war nach eigenen Worten der Herrscher der Burg und des Waldes, der die Geschicke aller Menschen und Tiere lenkte, die hier lebten. Ein Magier mit unglaublichen Fähigkeiten. Er beherrschte Donner, Blitz und Regenwolken. Aber seine Fä-higkeiten reichten ihm nicht aus. Er wollte mehr, die Fähigkeiten aller Superhelden in sich vereinigen. Er war wie ein Parasit, ein Schwamm, der alles in sich aufsog.

"Wie kommen wir hierher?"

"Warum fraget ihr soviel? Ist eine Antwort euer Ziel? Soll ich sie euch geben, ist das euer Bestreben? Doch was ihr nicht in Reimen spricht, versteh ich nicht, versteh ich nicht. So gebt mir eurer Lyrik Kraft, Worte mit Inhalt schwerem Saft, damit in meinem Hirn dies haft."

Sabine tippte sich an die Stirn und dachte das erste Mal in ihrem Leben über die Kunst des Reimens nach. Doch während sie noch dachte, versuchte Uwe, nicht mundfaul, zu dichten. "Du heißt Okthur, o wie schön, doch wie kommen wir in diesen Raum hinein?"

"...fein!" verbesserte Sabine.

"Wieso fein?" fragte Uwe, bevor es bei ihm Klick machte und der Taler fiel. "Ach so - fein! Ich verstehe. - Du heißt Okthur, o wie fein, doch wie kommen wir in diesen Raum hinein."

"Tiere, Tore, Tassen, alles kann man fassen, bloß nicht euch zwei, drum bracht mein Geist euch schnell herbei. Nun seid ihr hier, ganz nah bei mir. Damit die Kraft euch schnell zersetzt und in meinen Körper hetzt."

Sabine erschrak. "Er will uns haben und sich an unseren Körpern laben. Sollen wir so enden? Wird er uns noch schänden?"

"Sprich nicht so hart, mir wird ganz fad. In meinem Magen rumort das Unbehagen, bald kann die Stimme mir versagen."

"Eure Fähigkeiten sind's, die ich meine, ich verzichte auf eure Gebeine."

"Erst war mir kalt, dann wurd mir heiß und wen interessiert der ganze Scheiß? Wie wird es enden? Mit Schmerz in den Lenden? Oder mit verbrannten Händen? Oh, ich spür die Knochen knacken, Sabine mußt du auch mal...?"

"Koffer packen???" fragte Sabine.

"Nein, den Okthur schnell zerhacken!"

"Das werdet ihr nicht schaffen, da Welten zwischen unseren Kräften klaffen. Die euren habt ihr schon verloren, sie hängen zwischen meinen Ohren. Wer soll euch jetzt noch helfen, vielleicht kommen ja ein paar Elfen?"

"Nein, aber die Motte, der Neffe von Tante Lotte. Und natürlich der Vario, der ißt so gerne Haribo. Der Willi, der ist auch nicht weit, er ist der Beste weit und breit."

"Die Motte hat den Ring verloren, dem Willi hau ich auf die Ohren und was da sonst noch kreucht und fleucht, wird von meinen Leuten aufgescheucht, auf daß das letzte Mal es keucht."

Sabine und Uwe verloren die Lust am Dichten. Sie wußten, Okthur würde sie vernichten...

*

"Vario, hilf mir!" rief Ralf, da er ohne seine Superkräfte ziemlich aufgeschmissen war. Aber Vario konnte ihm nicht helfen, da er schon von mehreren Zwergen traktiert wurde. Ralf selbst hackte ein Zwerg sein Beil in den großen Zeh. Das tat verflucht und furchtbar weh!

Ein weiterer Zwerg, der von hinten kam, biß ihm in den linken Oberschenkel und rammte ihm gleichzeitig seine Axt in die Kniekehle. Das tat erst weh! Er beschloß, sich einer erneuten Ohnmacht hinzugeben, die den Schmerz schwinden ließ.

Vario kämpfte verbissen weiter. Normalerweise hätte er die Zwerge mit einem Fingerschnippen besiegen können, aber in seinen Griffeln hatten sich schon zwei lausige Zwerge verbissen. Mit letzter Kraftanstrengung verwandelte er sich in einen Luftballon und zerplatzte. Bewußtlos fielen die Fetzen auf den Boden nieder, um sich zu dem taufrischen Gras zu gesellen.

*

"Motte, wo kommst du denn her? Und was ist mit den Fetzen, die da liegen?"

Ralf faßte sich an den Schädel und begutachtete vorsichtig tastend seinen zerrupften Körper. Alles war noch da, wo es nicht sein sollte. Er war nur froh, daß es Michael noch schlechter ging als ihm.

Sabine schnappte sich die Fetzen und wollte sie gerade aus dem vergitterten Fenster schmeißen, als ein Flimmern die Luft erfüllte. Der Raum fing an zu beben und beißender Rauch stieg auf.

"Na, wie war ich?", grinste Willi, der in diesem Moment wie der Phönix aus der Asche stieg.

Uwe prustete los "Hey, wat soll der Qualm hier, kannste dir nich ma' bessere Auftritte verschaffen?"

Währenddessen hatte Sabine vor Schreck die Fetzen losgelassen. Diese Fetzen entwickelten plötzlich ein Eigenleben und formten sich zu Vario um.

"Na, nu mach mal halblang, sei froh, daß ich euch gefunden habe - mit Okthur ist nämlich nicht zu spaßen. Aber ich dachte mir schon, daß ich meinen alten Kontrahenten mal wieder treffe. Sei's drum, ich nehme den Kampf auf, und wenn es sein muß: mit euch als Opfer!"

"Ich glaub, du hast 'ne Meise unterm Pony! Wieso mit uns als Opfer?" wollte Uwe wissen.

"Also, du ehemalig Eiskalter, bevor ich dir das verklugfidele, mußt du erst mehr Gehirnschmalz anbauen!"

"Ich glaube, ich bin vom wilden Affen gebissen!" murmelte die Motte.

"Nicht vom Affen, sondern von Gartenzwergen", verbesserte Vario.

"Also, Leude, ich mach dann mal wieder einen langen Schuh, um Okthur meine Aufwartung zu machen."

"Heee, warte mal, was ist mit uns?" rief Sabine hinterher.
"Wieso, geht's euch nicht gut hier?

Halt mich nicht mit Geschwätz von meinen guten Taten ab, Weib!" Der Magier schritt vondannen wie ein Mann, der seinen Weg gehen muß. Allein und ohne fremde Hilfe. Er wußte, auf seine Freunde konnte er sich nicht verlassen. Aber er hatte ja noch sich. Und seine Fähigkeiten, die ihn schon manches Mal aus schweren Situationen befreit hatten.

Okthur erwartete ihn schon. Er saß auf seinem Thron aus gebleichten Zwergenknochen, und sein Blick schweifte finster über den Pulk seiner Untertanen, die es geflissentlich vermieden, seinen Blick zu erwidern. Den Kopf gesenkt, starrten sie auf den verdreckten Steinboden.

Über die Treppe, die aus der Tiefe führte, kam hoch erhobenen Hauptes Okthurs größter Widersacher. Der Magier, dessen Name nur mit größtem Unbehagen ausgesprochen wurde: WILLI THE WUZ alias Willi Lüders. Sein Gesicht war zu einer harten Grimasse entartet und seine Fäuste schlossen und öffneten sich in Erwartung des Kampfes.

Okthur erhob sich von seinem Thron. Als er sprach, hallte seine Stimme von den Wänden wider. "Knie nieder, sonst breche ich dir deine Glieder."

Willi lachte. "Bevor du mir brichst die Glieder, strecke ich dich nieder. Also halt den Mund, sonst schlage ich ihn rund!"

Okthur kochte: "Was willst du, kleiner Wicht, du stehst hier nur vor Gericht. Ich brech dir alle Knochen, davon werd ich mir ein Süppchen kochen."

"Nun laß uns beginnen, den Schweiß dabei gerinnen."

Der Zauberer der Zwergenburg hob die Arme, wobei seine Finger nach oben zeigten. Ein Blitz zuckte aus ihnen hervor, schlug gegen das Dach, prallte ab und versenkte sich in Willi the Wuz, der ihn gierig mit aneinandergepreßten Lippen aufsog. Willi öffnete die Fäuste, eine Blitzspirale schoß hervor und hüllte Okthur völlig ein. Okthur spreizte die Arme, ein Feuerball kam aus seinem fauligen Mund und warf Willi um,  fraß sich in ihn hinein, und der ganze Saal erstrahlte im Licht des Feuers.

*

Sabine kümmerte sich um Varios und Mottes Wunden, versorgte sie mit den Mitteln, die ihr zur Verfügung standen. Motte war mit Pflastern übersät, wirkte aber noch angeschlagen. Vario hingegen verwandelte sich in ein Kraftwerk und lud sich wie ein Akku auf. In ihm glomm ein gleißendes Licht, das den ganzen Raum einnahm, ein Licht, das den Pegel seiner Kraft anzeigte. Als es in den Wölbungen seiner Muskeln verschwand, prangte ein großes END OF LOADING auf seiner breiten Brust. "Ich bin bereit für den Kampf", sagte er mit gefestigter Stimme.

"Dann laßt uns gehen!" Uwe versuchte nun seinerseits, seine Kräfte zurückzugewinnen, und zu seiner Überraschung gelang es ihm. Eiskugeln verirrten sich zahllos an seinem Körper und bildeten eine Eistüte, die von oben nach unten gerann und zu einem ganzen Stück verschmolz.

Sunbeam fühlte sich durch Eismanns Vorbild ermutigt, es selbst zu versuchen. Ein gleißender Schein erfüllte den Raum, ja, sie war wieder die alte Sunbeam.

"Tja, und was machen wir mit Ralf?" fragte Eismann.

"Den müssen wir wohl oder übel mitschleppen!" antwortete Sunbeam.

"Ist ja toll, das ich so übergangen werde, da kann man mal sehen, ohne Ring bin ich für euch nur Ballast!" warf Ralf ein.

"Quatsch keine Opern und halte dich bei mir fest, es wird Zeit, daß wir gehen!"

Eismann schnappte sich Ralf und stieß mit der Faust gegen die Tür, die daraufhin in tausend Stücke zersprang.

"Seht mal, da liegt unser Magier. Ich habe ja gleich gesagt, daß er nicht ohne uns anfangen soll!" Eismann legte Ralf auf dem Boden ab und flog zu Willi, um das Feuer, das ihn umgab, zu löschen.

"Das wird aber auch Zeit, daß ihr kommt. Länger konnte ich ihn für euch nicht warmhalten. Immerhin war ich gerade dabei, ihn fertig zu machen!" erwiderte Willi geschwächt.

"Alter Angeber!" sagte Sunbeam. "Und nimm das Weib von vorhin zurück!"

"Welches Weib?" röchelte Willi. "Ich habe doch schon eins!"

"Und dann habe ich noch eins!" (s. Carl-Severing-Str. 44, immer noch die Red.)

"Hey, Sunbeam, der komische Kerl auf dem Thron hat meinen Ring, kannst du ihn mir nicht holen!"

"Seit wann kannst du dir einen Diener leisten? Aber ich will mal nicht so sein!" erwiderte Sunbeam zu Ralf gewandt.

Sunbeam schoß auf Okthur zu und hüllte ihn voll kosmischer Energie.

Okthur schrie auf. Sunbeam ergriff seine Hand und riß ihm den Ring vom Finger. Eismann feuerte gleichzeitig ein paar Eiskugeln auf ihn.

"Hier haste deinen schäbigen Ring." Sunbeam warf den Ring zu Ralf, der gierig danach griff. Er streifte ihn über seinen Finger und verwandelte sich in die Motte. "Mannomann, habe ich Kohldampf auf Stoff!" murmelte er dabei. "Jetzt ein Stück Seide oder Baumwolle, dafür lasse ich jedes Steak stehen."

Okthur war nur noch ein schlaffes Bündel. Er hing wie ein angeschlagener Catcher in den Seilen, der mehrfach gegen den Eisenpfosten gedonnert worden war. Mühsam hielt er sich auf den Beinen, wand sich wie eine Schlange gegen die kosmische Energie und brach mit großer Anstrengung das Kraftfeld auseinander. Funken sprühten durch die Luft, stoben wie ge-streuter Sand auf den Boden.

Er bemerkte nicht, daß Motte direkt auf ihn zuflog, sah noch den entschlossenen, kampfeshungrigen Blick, der wie ein Pfeil in seine Augen stach. Hilflos hob er die Hände, konnte sich nur in einen gefährlichen Reim retten. "Motten scheuen sehr das Licht, Okthur scheut es leider nicht. Motten fres-sen gerne Stoff, bis Okthur sie mit Blitzen troff. Motten sehen manchmal rot, doch Okthur macht sie gerne Tod. Manchmal trifft sie auch der Blitz, weil ich, Okthur, sie verspritz."

Die Motte faßte sich an den von Blitzen versengten Flügel, flatterte mit letzter Kraft gegen die Wand, prallte ab und dachte: Lange nicht mehr bewußtlos gewesen.

"Dein Einsatz, Willi!" schrie Motte, bevor sie in ihrer ersehnt gewohnten und verlangten Bewußtlosigkeit versank.

"Was denn, wie denn, wo denn, was ist hier los und wo bin ich überhaupt? Ich will nach Haus zu Katja", stöhnte Willi.

Vario griff ein, er glaubte, es war der richtige Zeitpunkt und der richtige Ort, um sich in Szene zu setzen. Er verwandelte sich, welch Geistesblitz, in Okthurs Ebenbild mit all seinen Fähigkeiten und Schwächen und konnte seitdem nur noch in Reimen sprechen. "Okthur, du, du kleiner Wicht, sitzt in deinen Knochen auch die Gicht, verlierst du deiner Augen Sicht? Wird deine Zunge trocken und schal, versetz ich dir ein Muttermahl."

Eismann schaute verwirrt wie immer in die Runde. Wer war Okthur und wer war Vario? Er konnte sich nur raushalten, weil sonst könnte er ja (nicht daß ihm das was ausmachen würde) Vario treffen.

Okthur war angeschlagen, aber noch nicht vollkommen hilflos. Ein letzter Rest war in ihm, der sein Leben retten wollte. Er war ein angeschlagener, verwundeter Tiger, der sich bis auf den letzten Blutstropfen wehren würde, wenn es denn nötig war.

Aber dazu sollte es nicht kommen.

Der Schwarzmagier fiel in sich zusammen, ein Lachen erfüllte den Raum, und was von ihm übrig blieb, war nur sein Gewand. Ein letztes Mal hörten sie seine Stimme: "Heute ist nicht alle Tage, wir sehen uns wieder, keine Frage!"

Sunbeam nahm das Gewand vom Boden auf. Darunter war nichts, nur der blanke Steinfußboden. "Er ist fort, aber wie verlassen wir diesen Ort", sagte sie, von Okthurs Reimen angesteckt.

"Das laß mal meine Sorge sein", machte sich Willi bemerkbar. "Mir ist es ein Leichtes, uns alle sicher nach Hause zu bringen."

"Nach Hause...?" Motte war wieder aufgewacht und schaute sich verwirrt um. "Sind wir denn nicht zu Hause?"

*

Sturmböen fegten über das Anwesen des Millionärs Willi Lüders hinweg, die Bäume des umliegenden Parks schwankten wie angetrunkene Männer im Wind. Aber innerhalb der Villa saß man im Trocknen.



Eine anheimelnde Atmosphäre herrschte in dem weitläufigen Living-room. Im Kamin prasselte das Feuer, während die gut bestückte Bar den gierigen Händen der Superhelden ausgesetzt war. Michael hatte wieder sein Alkoholproblem, und Ralf saß müde in einem Sessel.

"Laßt uns anstoßen!" Der Magier hob sein Champagnerglas.

"Worauf?" lallte Michael mit schwerer Zunge. Er stieß auf alles an, solange es mit hochprozentigem Alkohol gewürdigt wurde.

"Auf die RUM AG!"

"Auf wen?"

"Oh, da bin ich wohl in die falsche Geschichte geraten. Die RUM AG interessiert ja keine Sau."

Und so stießen sie auf sich an, und es sollte noch so mancher gemeinsamer Abend vergehen, an dem sie ihren Hang zur Geselligkeit pflegten. Den Ruhmreichen Fünf aber war nur noch eine kurze Zeit beschieden. Bald würde jeder seine eigenen Wege gehen. Aber das ist eine andere Geschichte, die Michael erzählen wird...

DIE RUHMREICHEN FÜNF
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August 1994

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