Und?
Und?
Nach einer Idee von meinem Sohn Michael
Lars´ Freundin Hermine war die hässlichste, okay, Holgers Elfriede war beleibter, doch Hermine hatte diesen Bartschatten. Kein Wunder, dass mit Lars niemand Partnertausch machen wollte. Lars war müde vom Mittagessen. Das Backrohr war eingeschalten, weil drinnen Marihuana trocknete, selbstgezogenes, von im umliegenden Wald versteckten Pflanzen. Morgen war Markttag in der Landeshauptstadt. Egon und Chiara würden wieder mit dem VW-Bus dort hinfahren und versuchten, selbst produzierten Ziegenkäse und selbstgebackenes Brot unter die Leute zu bringen. Oftmals reichte deren Ertrag gerade für die Fahrtkosten. Die Ziegen meckerten dauernd, außerdem stanken sie. Und das Pferd, das auch dazugehörte, war zu gar nichts nütze. Lars hätte es am liebsten zu Salami verarbeitet. Es war ja wohl ein malerischer Flecken Erde, auf dem sie hier lebten, in einem alten Bauernhaus auf einem knapp tausend Meter hohen Berg, der sich über das Seitental eines Seitentales aufrichtete. Ringsherum nur Wald, Wiesen und Felder. Und wenn es Nacht war, konnte man die Milchstraße noch klar als solche erkennen. Dafür hatte Lars seinen gutbezahlten Job in einer Tradingfirma in Malmö eingetauscht. Da alle sechs kaum Einkünfte und niemand außer Lars etwas an Vermögen hatte, lebten sie hauptsächlich von seinen Ersparnissen. Die allerdings schon bald gänzlich aufgezehrt sein würden. Erst mal etwas relaxen, sagte sich Lars. Das Marihuana war bereits trocken. Lars rollte sich einen ersten Joint. Dem ein zweiter folgen sollte. Und ein dritter. Und ein vierter. Lars saß am Küchentisch. Er schloss die Augen.
Und.
Als er sie wieder öffnete, befand er sich ein einem Großraumbüro. Einfach so, ohne dass er bewusst einen Ortswechsel vorgenommen hatte. Es ging sehr hektisch zu. Pausenlos liefen Kopierer. Das Papier, das geshreddert wurde, entsprach an Fülle der Klageschrift gegen Saddam Hussein. An geschätzten zwanzig Arbeitsplätzen flimmerten zwei bis drei Bildschirme je Schreibtisch. In einer Ecke stand ein Raumteiler, dahinter war vermutlich der Platz des Bosses, nicht mal der hatte es viel besser als der Rest der Belegschaft. Viele, viele Schuhpaare liefen emsig über den Laminatboden. Andauernd bimmelten Telefone. Ein Kauderwelsch von verschiedensten Sprachen wurde gesprochen. An den Wänden waren chinesische Schriftzeichen. Wo Lars sich nun befand, war definitiv nicht der Platz, an dem er gerne gewesen wäre. Und jetzt auch noch das: Ein gedrungener Asiate mit sehr weißem Hemd und einer geradezu scharfkantig gebügelten blauen Bundfaltenhose kam bedrohlich rasch auf ihn zu. In der rechten Hand wippte er mit einem Aktenordner auf und ab. Das Maß seiner Aufgebrachtheit entsprach der Korrektheit des Scheitels seiner gegelten schwarzen Haare. Kurz bevor er Lars´ Schreibtisch erreicht hatte und als dieser den Knoblauch in seiner Atemluft riechen konnte, schloss er die Augen.
Und.
Er war wieder in Malmö. Mit Arbeitskollegen stand er an der Theke ihres Stammlokales, das gerade neben dem Bürogebäude lag. Es war nach Dienstschluss eines wirklich einträglichen Arbeitstages. Allein an Provisionen hatte Lars heute mehr als ein nominelles Monatsgehalt verdient. Malmö, ja Malmö. Die kalten Tage des Winters waren vorüber. Die Schneeglöckchen versprachen den Frühling. Und wenn die Palmkätzchen sich zeigten, würde er mit seiner blonden Freundin mit Model-Maßen zu einem Kurztrip auf die Bahamas fliegen. Heute, heute wurde gefeiert, die Krawatten waren gelockert oder abgenommen. Die zig-te Runde war bereits gezecht. Vor Lars stand ein doppelter Wodka. In seinem Kopf begann sich ein Ringelspiel zu drehen. Er schloss die Augen.
Und?
(Foto: Durch das Fenster die Frauenbüros und das große Foto des Mannes am 21. September 2022.jpg von Bright Angel)