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Das Tal des Wurms (3/3)

StoryDas Tal des Wurms
(Teil 3 von 3)

Was bisher geschah:
Nach der fürchterlichen Schlacht zwischen Asen und Pikten wird dank der Vermittlungen des Pikten Grom Frieden geschlossen. Reger Austausch der Kulturen beginnt, speziell unser Asenheld Njörd und Grom befreunden sich und gehen gemeinsam auf die Jagd. Ein Teil Njörds Stammes spaltet sich unter der Führung Bragis vom Clan ab und wird im Steinbrockental sesshaft, sehr zum Entsetzen der Pikten, die von einem grauenhaften Fluch berichten, mit welchem jenes Tal belegt sein soll.
Bald darauf stattet Njörd Bragis Gruppe einen Besuch ab und findet seine Asengeschwister erschlagen und verstümmelt. Grom erzählt Njörd zögerlich Genaueres über den Schrecken, der das Tal heimsucht, und die Rachsucht Njörds treibt ihn dazu, Feuer mit Feuer zu bekämpfen, indem er mit Grom auszieht, einen Schrecken mithilfe von einem anderen Schrecken zu bannen ... 

 

Auf einem natürlichen Trampelpfad, der sich durch die dicht stehenden Bäume wand, legte ich eine Falle. Ich fand einen Urwaldriesen mit mächtigem Stamm, dessen Holz schon weich und schwammig geworden war, und mit meinem großen Schwert hackte ich ihn knapp über dem Boden um, die Fallrichtung lenkend, sodass seine Krone sich in den Ästen eines kleineren Baumes verfing und er quer über den Pfad lehnte, das eine Ende auf der Erde ruhend, das andere in dem kleinen Baum. Dann schnitt ich die Äste an seiner Unterseite ab, holzte ein kleines Bäumchen um, das ich zurechtschnitt und senkrecht unter den gefällten Baum steckte wie einen Stützbalken. Danach, als ich auch den kleineren Baum umschnitt, fand der große Baumstamm eine unsichere Balance auf der Stütze, an welche ich nun eine lange Ranke band, dick wie mein Handgelenk.

Dann ging ich allein durch den dämmrigen Urwald, bis ein überwältigend übler Geruch meine Nase angriff, und aus der satten Vegetation vor mir erhob Satha ihr hässliches Haupt, tödlich von Seite zu Seite pendelnd, während ihre gespaltene Zunge aus- und einfuhr und ihre riesigen, schrecklich gelben Augen mich eiskalt musterten, mit all der bösartigen Weisheit einer finstren, älteren Welt vor dem Zeitalter des Menschen. Ich trat zurück ohne Angst zu empfinden, bloß mit einem eiskalten Schauer mein Rückgrat entlang, und Satha kam hinter mir her geschlängelt, ihren glänzenden 80 Fuß langen Leib in beängstigend-fesselnd lautloser Art über das verottende Laub schiebend. Ihr keilförmiger Schädel war größer als der des größten Hengstes, der Durchmesser ihres Körpers stärker als eines Mannes Schulterbreite, und ihre Schuppen schimmerten in tausend stetig wandelnden Farbreflexen. Ich war vor Satha wie eine Maus vor einer Königskobra, aber wie keine Maus zuvor war ich gewappnet. So flink ich auch sein mochte, ich wusste, dass ich dem blitzschnellen Zustoßen ihres dreieckigen Schädels nicht ausweichen würde können, so wagte ich es nicht, sie zu viel Boden gut machen zu lassen. Ich lief den Trampelpfad hinab und hinter mir hörte sich das Dahingleiten ihres kraftvollen Körpers an wie Wind, der Gräser bog.   

Sie war nicht weit hinter mir, als ich unter dem Baumstamm des Urwaldriesen hindurch hetzte, und sobald ihre große, glänzende Länge unter der Falle war, griff ich mit beiden Händen nach der Ranke und riss verzweifelt daran. Mit einem Krachen fiel der Baumstamm auf Sathas geschuppten Rücken, gute sechs Fuß hinter ihrem keilförmigen Haupt.

Ich hatte gehofft ihr Rückgrat zu brechen, aber ich glaube nicht, dass es brach, denn der gewaltige Körper rollte sich zusammen und krümmte sich, der mächtige Schwanz schlug peitschend umher, mähte das Buschwerk nieder wie ein gigantischer Dreschflegel. Noch im gleichen Moment als der Stamm fiel, war der riesige Kopf herum gezuckt und mit beängstigender Wucht gegen den Baum geschlagen, wobei die mächtigen Fänge sich durch die Rinde gebohrt hatten und wie Krummsäbel in das Holz darunter gedrungen waren. Nun, als ob ihr bewusst geworden war, dass sie einen leblosen Gegner angriff, drehte sich Satha zu mir um, der ich außerhalb ihrer Reichweite stand. Der geschuppte Hals wand sich und bog sich, die mächtigen Kiefer klafften auseinander, Fangzähne einer Länge eines Fußes freilegend, von welchen Gift tropfte, das sich durch festen Stein ätzen können mochte.

Ich glaube, dass sich Satha aufgrund ihrer enormen Stärke von unter dem Stamm hervorgewunden hätte, wäre sie nicht von einem Aststumpf, der sich tief in ihre Flanke gebohrt hatte, wie von einem Widerhaken festgehalten worden. Das Geräusch ihres zornigen Zischelns erfüllte den Dschungel und ihre Augen starrten mich mit solch konzentrierter Bösartigkeit an, dass ich nicht anders konnte als am ganzen Leib zu zittern. Oh, sie wusste, dass ich es gewesen war, der sie gefangen gesetzt hatte! Nun kam ich so nahe, wie ich mich nur traute, und mit einem unvermittelten, mächtigen Speerwurf durchbohrte ich ihren Hals direkt unter den klaffenden Kiefern, spießte ich sie gegen den Baumstamm. Dann ging ich ein großes Wagnis ein, denn sie war noch lange nicht tot, und ich wusste, dass sie jeden Moment den Speer aus dem Holz ziehen und mich ungehindert angreifen würde. Doch genau jenen einen Moment nutzte ich dazu, an sie heran zu rennen, mein Schwert mit all meiner großen Kraft zu schwingen und ihr den schrecklichen Kopf ab zu hauen. 

Das Aufbäumen und die Verrenkungen Sathas lebendig gefangener Form waren nichts im Vergleich zu den Zuckungen ihres sterbenden kopflosen Leibes. Ich zog mich zurück, zerrte den gigantischen Schädel an einer gekrümmten Stange hinter mir her, und in sicherer Entfernung von dem durch die Luft peitschenden Schwanz machte ich mich an die Arbeit. Ich arbeitete im Angesicht des Todes, und kein Mann mühte sich je vorsichtiger ab, als ich es tat. Denn ich schnitt die Giftsäcke an den Ansätzen der Fänge heraus, und in jenes schreckliche Schlangengift tunkte ich die Enden von elf Pfeilen, sorgsam darauf achtend, dass bloß die bronzenen Pfeilspitzen in die Flüssigkeit ragten, welche sonst das Holz der Pfeile zerfressen hätte. Während ich damit beschäftigt war, kam Grom – angetrieben von Kammeradschaft und Neugier – nervös durch den Dschungel geschlichen, und sein Mund klaffte weit auf, als er den Kopf Sathas erblickte.

Stundenlang ließ ich die Pfeilspitzen in dem Gift, bis sie mit einer üblen grünen Kruste umgeben waren und kleine Sprenkel der Korrosion zeigten, wo das Gift sich in die solide Bronze geätzt hatte. Sorgsam wickelte ich sie in breite, dicke Blätter eines Gummibaumes, und hernach, obgleich sich die Nacht schon herab gesenkt hatte und ihre Raubtiere rundherum bereits brüllten, machte ich mich mit Grom auf den Rückweg durch den hügeligen Dschungel, bis wir gegen Tagesanbruch erneut an die hohen Klippen über dem Steinbrockental kamen.

An der Talmündung zerbrach ich meinen Speer, auch entnahm ich meinem Köcher alle unvergifteten Pfeile und knickte sie entzwei. Mein Gesicht und meine Glieder bemalte ich, wie sich Asen nur bemalten, wenn es ihrem Schicksal zu begegnen galt, und der gerade über den Klippen aufgehenden Sonne brachte ich mein Todeslied dar, während der Morgenwind meine blonde Mähne zersauste.

Dann ging ich hinunter in das Tal, meinen Bogen in der Hand.

Grom brachte es nicht fertig, mir zu folgen. Bäuchlings lag er im Staub und jaulte wie ein krepierender Hund.

Ich passierte den See und das totenstille Lager, wo in der Asche des Scheiterhaufens noch die Glut glomm, und trat in den dichten Wald jenseits davon. Um mich herum ragten die Säulen auf, Steinbrocken, an deren Konturen äonenlanger Verfall genagt hatte. Die Bäume wuchsen hier noch dichter, und unter deren ausladenden, schwer mit Laub behangenen Ästen schien selbst das Tageslicht geschwächt und bösartig. Wie mit Schatten der Dämmerung verhangen sah ich den zerstörten Tempel, Zyklopenmauern türmten sich zwischen verfallenem anderen Mauerwerk und einzelnen, herausgbegbrochenen Steinquadern. Ungefähr 600 Meter davor erwuchs inmitten einer Lichtung eine gigantische Säule, 80 oder 90 Fuß hoch. Sie war so verwittert und von der Zeit vernarbt, dass jedes Kind meines Stammes sie hochklettern hätte können, und ich brachte eine Markierung an ihr an und änderte meinen Plan.  

Ich erreichte die Ruinen und sah riesige verfallene Mauern ein Kuppeldach stützen, aus welchem viele Steine heraus gefallen waren, sodass es den Anschein erweckte, als krümmten sich die moosüberwucherten Rippen eines mythischen Monsters Skelett über mir. Titanische Säulen flankierten einen Torbogen, durch welchen zehn Elephanten nebeneinander durchgepasst hätten. Einst mochten die Säulen und Wände Inschriften und Hieroglyphen aufgewiesen haben, doch sie waren lange schon verwittert. Ringsum an der Innenseite des größten Raums standen Säulen in besserem Erhaltungszustand. Auf jeder dieser Säulen war ein flacher Sockel, und irgendeine dämmrige, instinktive Erinnerung erweckte schemenhaft eine Szenerie der Schatten aus dem Vergessen, in welcher schwarze Trommeln im Wahn aufbrandeten und auf jenen Sockeln abscheuliche Wesen hockten, in unergründliche Rituale vertieft, die ihre Wurzeln in der schwarzen Dämmerung am Anbeginn des Universums hatten.

Es gab keinen Altar, nur die Mündung eines großen brunnenartigen Schachtes im Steinboden, eingefasst von seltsamen, obszönen Gravuren ringsum. Ich brach große Steinbrocken aus dem verfaulenden Boden und warf sie in den Schacht hinab, der sich schräg verlaufend in absoluter Finternis verlor. Ich hörte sie an den Wänden anschlagen, doch nicht auf dem Boden zerschmettern. Stein um Stein warf ich hinein, jeder von einem heftigen Fluchen begleitet, bis ich endlich ein Geräusch vernahm, das nicht bloß das Anschlagen der Steine an den Wänden war. Aus dem Quellenschacht drang ein eigenartiges dämonisches Flötenspiel, das einer Symphonie des Wahnsinns glich. Tief unten in der Finsternis erspähte ich dann den schwachen, angsteinflößenden Schimmer einer gigantischen weißen Masse. 

Ich zog mich langsam zurück, je lauter das Flötenspiel wurde, bis zurück durch den breiten Torbogen trat ich. Ich hörte kratzende, schabende Geräusche, und aus dem Schacht und durch den Torbogen inmitten der gigantischen Säulen kam eine unglaubliche Gestalt getänzelt. Sie ging aufrecht wie ein Mensch, doch war sie bedeckt mit Fell, das am zotteligsten wuchs, wo das Gesicht hätte sein sollen. Falls es Ohren, Nase und Mund hatte, konnte ich diese nicht erkennen. Bloß ein Paar starrender roter Augen funkelte bösartig aus der pelzigen Maske. Ihre  missgestalteten Klauen hielten eine eigenartige Flöte, auf der die Erscheinung seltsame Töne spielte, während sie grotesk herumhüpfend auf mich zu kam.

Von hinter ihr hörte ich ein abschreckend und obszönes Geräusch, als hievte sich eine bebende, unstabile Masse aus der Quelle empor. Dann legte ich einen Pfeil an, zog die Sehne durch und sandte den Schaft pfeifend durch die pelzige Brust der tanzenden Monstrosität. Sie ging nieder wie vom Blitz getroffen, doch zu meinem Entsetzen heilt das Flötenspiel an, wenngleich die Flöte dem Ding aus den unförmigen Händen gefallen war. Dann wandte ich mich ab und eilte hin zu der Säule, die ich hastig erklomm, ohne mich umzusehen. Erst als ich die Spitze erreicht hatte sah ich wieder zurück, und was ich erblickte war so erschreckend und überraschend, dass ich beinahe von meinem luftigen Standpunkt gestürzt wäre. 

Das monströse Etwas aus der Dunkelheit war aus dem Tempel gekommen, und ich, der ich einen Schrecken zumindest entfernt irdischer Form erwartet hatte, blickte auf die Ausgeburt eines Albtraums. Ich weiß nicht, aus welcher unterirdischen Hölle es in grauer Vorzeit gekrochen sein mochte, noch welch schwarzes Zeitalter es repräsentierte. Doch war es keine Bestie entsprechend menschlicher Vorstellung von Bestien. Ich nenne es einen Wurm, in Ermangelung eines besseren Ausdrucks. Keine Sprache unserer Welt hat Wort oder Namen für es. Ich kann nur sagen, dass es noch am ehesten einem Wurm glich denn einem Oktopus, einer Schlange oder einem Saurier.

Es war weiß und breiig, und zog seine bebende Masse über den Boden wie ein Wurm. Aber es hatte breite flache Tentakel, fleischige Fühler, und andere Auswüchse, deren Verwendungszweck ich nicht erklären könnte. Und es hatte einen langen Saugrüssel, den es zusammenrollte und entrollte wie Elephanten es mit ihren Rüsseln taten. Seine vierzig Augen waren in einem schrecklichen Kreis angeordnet, jedes davon aus tausend Facetten bestehend, in nie endendem Farbenspiel schimmernd. Doch durch alle Farbtöne und durch alles Glitzern hindurch behielten sie ihre bösartige Intelligenz. Intelligenz lag tatsächlich hinter diesen Facetten, nicht menschlich oder tierisch, sondern die dämonische Intelligenz einer Ausgeburt der Nacht, wie Menschen sie in Träumen vage wahrnehmen, als Hintergrundpochen von außerhalb unseres materiellen Universums. Es war ein Berg von einem Monstrum; seine Größe hätte ein Mastodon zwergenhaft wirken lassen.

Aber selbst als ich erzitterte vor dem kosmischen Schrecken jenes Dings, zog ich das gefiederte Ende eines Pfeiles bis an mein Ohr und entließ ihn singend auf seine gekrümmte Flugbahn. Gras und Buschwerk wurde niedergewälzt, als das Monster wie ein wandelnder Berg auf mich zu kam, und Pfeil um Pfeil schoss ich ab, mit fürchterlicher Wucht und tödlicher Präzision. Ein so großes Ziel konnte ich gar nicht verfehlen. Die Pfeile versanken in der weichen Masse bis zu den Federn, oft auch zur Gänze, jeder von ihnen mit genug Gift versehen, einen Elephantenbullen tot umfallen zu lassen. Und doch kroch es immer weiter heran, schnell, abstoßend, offenbar unbeeindruckt von sowohl den Geschoßen wie auch dem Gift, in das sie getunkt worden waren. Und die ganze Zeit über spielte die schreckliche Musik als Begleitung, dünn wimmernd aus der Flöte dringend, die unberührt am Boden lag.

Meine Zuversicht schwand; selbst das Gift Sathas schien nutzlos gegen jenes unheimliche Wesen. Meinen letzten Pfeil jagte ich fast lotrecht hinab in den bebenden weißen Fleischberg, so nahe war das Monster schon unter meinem Sitzplatz. Doch plötzlich veränderte sich seine Farbe. Eine Welle seltsamen Blaus zog sich über es hinweg, und die riesige Masse erging sich in erdbebenartige Zuckungen. Mit einem entsetzlichen Hieb schlug es gegen den unteren Teil der Säule, welche zu herabstürzenden Steinsplittern zerbarst. Doch noch währenddessen machte ich einen vezweifelten Satz und stürzte im freien Fall genau auf den Rücken des Monsters.

Die schwammartige Haut gab unter meinen Füßen nach, und ich trieb mein Schwert bis zum Heft tief hinein, zog es durch das matschige Fleisch, schnitt ihm eine schreckliche, meterlange Wunde, aus welcher hervor grüner Schleim quoll. Dann schnalzte mich ein peitschender Hieb eines der kabelartigen Tentakel vom Rücken des Titanen und wirbelte mich 300 Fuß weit durch die Luft, bis ich in eine Gruppe Baumriesen krachte. 

Der Aufprall musste mir die Hälfte aller Knochen meines Gerippes gebrochen haben, denn als ich mein Schwert erneut zu fassen und zurück in den Kampf zu ziehen versuchte, konnte ich weder Hand noch Fuß bewegen, mich mit gebrochenem Rückgrat lediglich hilflos winden. Doch ich konnte das Ungetüm sehen und wusste, dass ich gewonnen hatte, selbst in meiner eigenen Niederlage. Die gewaltige Masse pulsierte und blies sich auf, die Tentakel schlugen unkontrolliert umher, die Fühler krümmten und verknoteten sich, und das ekelerregende Weiß hatte sich zu einem fahlen, grausigen Grün hin verändert. Schwerfällig warf es sich herum und kroch zurück zum Tempel, unsicher wogend wie ein mastloses Schiff auf stürmischer See. Bäume fielen und zersplitterten, als der Wurm sie niederwälzte.

Ich weinte aus reinem Zorn darüber, nicht mein Schwert ergreifen und ihn meine Berserkerwut mit mächtigen Streichen spüren lassen zu können. Doch der Wurmgott war todgeweiht, und es bedurfte nicht meines nichtigen Schwertes. Die am Boden liegende Dämonenflöte hielt ihre infernales Spiel aufrecht, und es erschien mir wie der Abgesang auf meinen Feind. Dann, als das Monster zappelnd abdrehte, sah ich es nach der Leiche seines behaarten Sklaven schnappen. Einen Augenblick lang hing die affenartige Gestalt in der Luft, umschlungen von einer Art Rüssel des Wurms, bis sie mit einer solchen Wucht gegen die Tempelmauer geschmettert wurde, dass von dem behaarten Körper nichts als formlose breiige Masse blieb. In jenem Moment gab auch die Flöte ihre letzten schrecklichen Töne von sich und verstummte für immer.  

An der Kante des Schachts taumelte der Titan; dann vollzog sich eine weitere Veränderung – eine furchteinflößende Verwandlung, deren Natur ich immer noch nicht zu beschreiben vermag. Selbst wenn ich nun versuche, mich klar daran zu erinnern,  bin ich mir bloß chaotisch einer blasphemischen, unnatürlichen Verformung von Gestalt und Substanz bewusst, erschreckend und unbeschreiblich. Dann stürzte die seltsam verwandelte Masse in den Schacht, um hinab zu rollen in jene vollkommene Finsternis, welcher sie entstammte, und ich wusste, dass sie tot war.Und als dieses Etwas in das Loch verschwand, erbebten die Ruinenmauern mit einem lauten, mahlenden Ächzen von Fundament bis Krone. Sie neigten sich nach innen und stürzten mit ohrenbetäubenden Echos ein, die Säulen zersplitterten, und mit unheilvollem Krachen donnerte die Kuppel herab. Für einen Moment schien die Luft verschleiert mit Schutt und Steinstaub, durch welchen man die wie vom Sturm gepeitscht oder vom Erdbeben erschüttert wirkenden Baumwipfel ringsum erkennen konnte. Bald war die Luft wieder klar und ich starrte auf die Szenerie, schüttelte das Blut aus meinen Augen. Wo einst der Tempel gestanden hatte, war nunmehr ein kolossaler Haufen zerstörten Mauerwerkes und zerbrochener Steine, und jede einzelne Säule im Steinbrockental war umgekippt, lag nun zersplittert und zerbröselt da.   

In die folgende Stille hinein hörte ich Grom ein Klagelied für mich anstimmen. Ich bat ihn, mir mein Schwert in die Hand zu drücken, was er tat, sich näher zu mir beugend, damit er meine letzten Worte hören konnte, denn mein Ende kam nun schnell. 

"Lass meinen Stamm sich erinnern", meinte ich langsam sprechend. "Lass Kunde geben von Dorf zu Dorf, von Lager zu Lager, von Stamm zu Stamm, auf dass man weiß, dass weder Mann noch Biest noch Teufel ungeschoren auf das güldenhaarige Volk Asgards Jagd machen können. Hier, wo ich liege, sollen sie mir ein Hügelgrab errichten, mich darin betten mit Schwert und Bogen in der Hand, auf immer Wächter dieses Tals zu sein; damit, wenn jemals wieder der Ungeist des Gottes, den ich hier erschlug, aufs Neue auferstehen sollte, mein eigener Geist allzeit bereit ist, ihm im Kampf die Stirn zu bieten."

Und während Grom wild aufheulte und auf seine haarige Brust trommelte, ereilte mich der Tod im Tale des Wurms.

ENDE
 

Kommentare  

#1 Larandil 2011-03-02 14:49
Der Comic-Zeichner Richard Corben hat sich von dieser Geschichte inspirieren lassen und sie (mit ein paar kreativen Änderungen) unter dem Titel "Bloodstar" in Bilder gefaßt. Die erschienen hierzulande erst im Magazin "Schwermetall" und 1980 dann als Album.
#2 Wolfgang Trubshaw 2011-03-02 19:12
Danke für den Hinweis, wusste ich noch nicht.

Chris Achilleos hat mal das Titelbild zu einer Howard-Sammlung gemalt:

www.chrisachilleos.co.uk/main/bookcovers/fantasy/images/valley_worm.jpg
#3 Carn 2011-03-02 21:10
Corben hatte damals wirklich eine seiner besten Arbeiten in seiner Karriere mit BLOODSTAR gepinselt.
Gleichzeitig in den Actionszenen ungeheuer kraftvoll und in den emotionalen Szenen (Bloodstars Tod) graphisch sehr sensibel. Ich liebe dieses Album (damals noch vom guten alten Volksverlag verlegt).

Das Titelbild von Achilleos gefällt mir so gar nicht. War wahrscheinlich noch aus der Anfangszeit seiner Karriere. Was für ein Cover hätte wohl Frazetta zu diesem Buch gemalt (hm, bestimmt wieder ein Meisterwerk).
#4 Wolfgang Trubshaw 2011-03-02 21:21
Und 1972 haben Roy Thomas und Gil Kane sich des Stoffes schonmal im Comic angenommen:

www.comics.org/issue/26154/cover/4/
#5 Mikail_the_Bard 2011-03-03 23:15
Kompliment, stimmig und flüssig. Dolle Leistung diese Übersetzung.
#6 AARN MUNRO 2020-09-15 09:23
Da kann ich nur zustimmen. Kraftvolle Adjektive.

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