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Der Zauber des Nichterklärten - Perry und die Pseudowissenschaft der SF

1Der Zauber des Nichterklärten
Perry und die Pseudowissenschaft der SF

Echte Wissenschaft im Sinne empirischer Naturuntersuchungen, die sich an reale physikalsiche Gesetze hält, gibt es ja nur noch selten in der SF. Eine heute von den meisten Leuten/Lesern verpönte, weil als überholt angesehene, rein technische Richtunbg dr Phanatstik wie  unter Hugo Gernsback entstanden und von Campbell als Herausgeber, Förderer und Autor forciert, gibt es nur noch selten.

Mitunter findet man einzelne Bände technisch versierter Autoren wie Baxter, die wenigstens kosmische oder kosmologische Ereignisse halbwegs logisch in ihre Geschichten einbauen. SF, die rein real physikalische daherkommt, wie etwa Mark Brandis, wird als altbacken empfunen. Heutzutage muss jeder Autor seinen Hyperraum haben. Damit sind wir schon beim Thema: Wir unterscheiden jetzt zwei Spielarten dieser herbei gesponnenen SF, die ja jeglicher realen Grundlage entbehrt (was sie nicht unbedingt schlecht machen muss).

In der ersten Version werden, natürlich in der realen Welt  0.1. nicht haltbare, Pseudoerklärungen herbeigeliefert. D.h. die phantastischen Begriffsbildungen werden zumindest erklärt, logisch abgeleitet aus den Rahmenbedingungen der Handlung, der Erzählung. Der SF-Leser weiß damit, wie das Gerät in der inhärenten Logik der phantastischen Story funktioniert. Da es Phantastik ist, vielleicht sogar Science Fistion, kann er das Gerät natürlich nicht nachbauen in der Wirklichkeit, es ist eben ein „gadget“. Die Handlung benötigt es. Aber die Erklärung ist zumindest mitgeliefert worden. Auch im frühen Perry ist das so: „Aha, die Transformkanone jagt ein Geschoss durch den fünfdimensionalen Hyperraum mit Hilfe von Zustandswandler, Zielmaterialisator und anderem technischen Kleinkram!“ Diese Geräte existieren natürlich nicht, aber in der SF-Handlung. Das macht die Geschichte spannend, überzeugend, rundet die inneren Ambiente der Geschehnisse ab. Solche Erklärungen, mögen sie auch in der realen Welt reine Augenwischerei sein, verdichten die Geschichte; sie kommt dadurch überzeugender herüber.

Werden hingegen die pseudowissenschaftlichen begriffe der inneren Handlungslogik nicht erklärt, so sprechen wir gern von Science Fantasy. Dann wird eben nur eine Geschichte erzählt: Im Weltraum, in der Zukunft oder sonstwie und die utopischen begriffe sind nur Schmuckwerk, Zierrat, Zubehör der jeweiligen Liebesgeschichte, Familienstory oder Dramatischen Geschehnisse, die auch ohne SF-Ambiente auskommen könnten. Beispiele dafür sind etwa Zimmer-Bradleys Darkover oder Mc Caffreys Drachenwelt Pern.

Der Perry hingegen hatte schon früh mit dem echten Physiker Klaus Mahn alias Kurt Mahr (Echtname und Autor-Pseudonym) und dem „Pseudo“-Physiker Walter Ernsting, der gern über kosmische Geschehnisse und fremde Dimensionen fabulierte, zwei Enthusiasten, die eine eher technische Richtung der Serie forcierten. Nicht zu vergessen sei auch K.H. Scheers damals sehr beliebte Gigantomanie der Riesenschiffe. Ohne Zweifel war er ein Technikfreak. Solche Geschichten las ich gern, sie überzeugten immerhin  durch stringente Ablauffolgen der technischen Beschreibungen. Mit Rainer Castor später, der vielen Dingen auch aus diesem Gebiet den letzten schliff gab, verdichteten sich die Begriffsbildungen noch einmal … und die Handlungen blieben zumindest in dieser Hinsicht stringent und überzeugend. Das Gegenteil etwa war Kurt Brand, der ebenso wie Willi Voltz nicht allzuviel Techno-Gebabbel in seine Stories einbrachte, weil er zu wenig davon verstand. Aber die Außenhandlungen und die Charaktere waren eben immer gut durchdacht. Das war seine Stärke. Bei Voltz war es ja sowieso eher eine inner-space-Beschreibung, also Psycho-SF.

Dann kam die große Retardierung, der Schnitt der Hyperimpedanz, als die Schiene des höher-schneller-weiter nicht mehr funktionierte. (Das Dimesextatriebwerk etwa …). Die Begriffe hatten sich zu stark ausgeweitet, manche Autoren, die nicht aus dem technischen Bereich kamen, konnten die Pseudonaturwissenschaft der Serie nur noch mühsam erfassen und nicht ausreichend bändigen (Trotz der herausgegebenen Lexika und dem  beginnendem Aufbau der Perrypedia durch einige Enthusiasten im WWW; diesen sei hier auch einmal dafür gedankt!!!).

Also brachen die Beschreibungen in diesem Bereich ein; es wurde die Begriffswelt etwas zurückgefahren. Doch oft wurden herausragende Naturwissenschaftler beschrieben,. Das begann schon mit  van Moders, Leyden, Kalup und Waringer. Später gab es viele andere. Es seien nur Hamiller und Kantor aufgezählt. Jüngst wird die weibliche Seite beschrieben: Sichu Dorksteiger.

Zwischendurch aber gab es auch immer wieder Phasen, in denen begriffe verwendet wurden, die erst lange nachträglich (oder gar nicht) erklärt wurden. Dann rutschte die Serie aus der SF in die Science-Fantasy ab. Auch das muss ja nicht schlecht sein. Ein sehr schönes Beispiel dafür ist Jack Vance, dessen bunte Abenteuer ich auch heute noch sehr gern lese. Das hängt eben immer davon ab, welchen Anspruch die reihe an sich selbst stellt, an ihre Leser … und natürlich auch davon, wie der gerade herrschende Zeitgeist  der Leser Erklärungen wünscht, fordert oder ignoriert.Auch die Leser entwickeln sich ja, die soziologischen Bedingungen der Gesellschaft verändern sich, damit auch die Anforderungen an die Serie. Dennoch halte ich auch heute noch die von mir auch weiterhin gewünschten (na ja, ich möchte beinahe sagen; geforderten) pseudowissenschaftlichen Scheinerklärungen in der Serie für eine wichtige Untermauerung.

Ich kann nur hoffen, dass sie erhalten bleiben ...und auch wieder stärker ausgearbeitet. Schließlich sind ja nicht alle Autoren, so gut ihre Fabulierkunst auch sonst  sein mag, von der Physik und den Naturgesetzen unbeleckt.Ein bisschen Hintergrund aus diesem Gebiet schadet nie, stärkt den inneren Zusammenhang und verdichtet das Handlungsambiente.Das war für mich jahrelang einer der beiden Hauptpunkte, welche die Faszination der Serie ausmachen.

© 2018 by H. Döring

Kommentare  

#1 Heiko Langhans 2018-02-06 08:08
Sorry, aber Deine Charakterisierungen der Arbeiten von Clark Darlton, William Voltz und Kurt Brand entbehren jeder Grundlage, weil Du einmal mehr Deine Definition der Wissenschaften (und damit die der Science Fiction im weiteren Sinne) viel zu eng fasst.

Darltons naturwissenschaftliches Verständnis beschränkte sich auf die Auswirkungen relativistischer Geschwindigkeiten und der damit verbundenen Effekte. Er hatte einen ausgeprägten Sinn für die Unendlichkeit - mehr nicht, aber das war damals schon viel, weil es ihm ermöglichte, daraus einen anständigen Sense of Wonder zu generieren.

Voltz´ Meisterschaft bestand darin, das (von Dir verschmähte) Innenleben von Figuren zu schildern, die von ihrer Welt überwältigt werden und sich trotzdem in ihr behaupten müssen. Und er hatte ein Gespür für seltsame Sitten und Gebräuche und die Gabe, sie als selbstverständlichen Bestandteil seiner fiktiven Kulturen zu schildern. Seine "Science " streift den anthropologischen Bereich (sofern es um seltsame Terraner geht) und sein Sense of Wonder hat mit dem Erfassen einer fremdartigen Größe zu tun, innerhalb derer der Mensch eine Verständnisnische finden muss, wenn er seelisch überleben will. Im Gegenzug schildert er Alltagsmenschen mit festen Gewohnheiten, die Schwierigkeiten haben, den Aufbruch ihres Weltbildes zu verarbeiten; interessanterweise kommen die weiblichen Partner damit oft besser zurecht. Das machte Voltz nicht zum Feministen, aber zu einem Einsichtigen.

Kurt Brands SF lebte von Bildern. Er hatte dsurch seine zeitweilige Tätigkeit als Pharmavertreeter ein unsystematisches medizinisches Wissen (übrigens ebenso wie K.H. Scheer, der m.E. nicht einen Roman geschrieben hat, in dem medizinische Themen nicht wenigstens gestreift werden). Seine Bildersprache kam gerade in der Beschreibung fiktiver Techniken zum Tragen, an denen Figuren wie Tyll Leyden, Van Moders oder Arc Doorn herum werkelten und die Umgebung dabei mit einem steten Strom absurder "Fachbegriffe" zutexteten. Scheer hat die PR-Terminologie erfunden und geprägt, aber der Meister des Technobabbelns war Brand. Damit kreierte er die Illusion von "wissenschaftlicher" Stimmigkeit - mit ein Grund für die anhaltende Beliebtheit der klassischen Ren Dhark-Serie.

Du glaubst immer noch, dass es bei SF um Naturwissenschaften geht, und das trifft eben nicht in allen Fällen zu. Es geht um das plausibel geschilderte Was-wäre-wenn-Gedankenspiel mit einer sauber abgesteckten Prämisse und ihrer kurz- und langfristigen Auswirkungen. Besagte Prämisse muss dabei nicht purer Naturwissenschaft entsprechen , wie wir sie heute kennen. Sie muss nur durchdacht sein, kann sich aber aus den verschiedensten Wissenschaften speisen. Und damit die Auswirkungen klar beschrieben werden können, muss dabei auch das Innenleben der Figuren eine Rolle spielen. Über die Intensität dieser Schilderungen lässt sich diskutieren; sie komplett zu ignorieren macht eine Story zunichte. Genauer gesagt hat man dann keine Story mehr.
#2 AARN MUNRO 2018-02-08 10:54
Heiko: Irgendwie ist das kein Gegensatz, was Du hier sagst zu obigem Artikel, finde ich ... Du hast natürlich einige Dinge, die dort nur kurz mit einem schnellen Wort erwähnt werden, etwas pointierter gefasst.
#3 Advok 2018-02-08 17:08
Aarn: Kein Gegensatz von Heikos Kommentar zum "Artikel"? Nun ja, diese Feststellung erklärt einiges ...

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