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Die Liga freier Galaktiker im Rahmen aktueller kultureller Kontexte - Phanatsie und Realwelt im Gleichklang

1Die Liga freier Galaktiker im Rahmen aktueller kultureller Kontexte
Phantasie und Realwelt im Gleichklang

Fangen wir 'mal so an: Unter Scheer hätte es sicher keine LFG gegeben. Zur Zeit als der Erfinder der Serie schrieb, war die Terra-Terra-über-alles-Schiene der SF groß in Mode, auch in der internationalen SF. Natürlich gab es Fremdvölker im Solaren Imperium und sie waren auch demokratisch eingebunden, doch die erste Geige spielte eben immer der Terraner und seine Kolonialvölker wie Ertruser, Oxtorner, Rumaler etc..

Erst dann kamen Leute wie Ferronen, Matten-Willies  oder Tuglanten (Tuglaner?) ...

Unter Scheer waren also die Terraner immer vorne dran, die anderen galaktischen Völker kamen erst danach. Sie waren ja auch nicht so zäh, gerissen oder durchsetzungsfähig wie der Erdmensch. Selbst dann, wenn sie schon viele Jahrtausende die interstellare Raumfahrt betrieben, wurde ihnen von Perry&Co. oft eine lange Nase gedreht. Gerade die Springer (später mit dem Eigennamen Mehandor geehrt) oder die Arkoniden konnten ein Lied davon singen. Der Terraner (nicht nur im Singular des Band 1000!) war eben den anderen Völkern der Galaxis irgendwie überlegen. Das war in der Realwelt die Zeit, als die EU als EWG erst in der Gründungsphase war, die Nationalstaaten noch die allererste Geige spielten und es noch recht wenig intereuropäische Kooperation gab (Perry erschien ab 1961).

Kein Wunder also, dass auch die Serie den aktuellen kulturellen Stand widerspiegeln musste. In Deutschland lebten eben zur damaligen Zeit noch hauptsächlich ausschließlich Deutsche und „Fremdvölker“ (diesen Begriff bitte neutral und ohne Wertung auffassen, deshalb auch die Anführungsstriche) waren bis auf einige türkische Gastarbeiter noch recht unbekannt im Adenauerland. Soweit also der damals aktuelle, reale kulturelle Kontext. Mit zunehmendem Wohlstand durch das Erhardtsche Wirtschaftswunder fuhr auch der Deutsche wieder ins benachbarte Ausland (diesmal als friedlicher Tourist, also ohne Panzer …).

Die EWG bildete sich langsam aus in einem mühseligen Prozess der Agrarstreitereien und die Grenzen der Nationalstaaten wurden bereits durchlässiger. Dies zeigte sich auch im Perry. Nach Scheer begann ja die Voltz-Aera und das kompakte, terranische Solare Imperium, in dem die Erd- Menschen das Sagen hatten, wurde zerschlagen und nach der Larischen Interimsbesatzungszeit durch die Liga freier Terraner ersetzt. Es kommt uns so vor, als wäre das erst gestern geschehen, dabei gibt es die Liga nun etwa genau solange wie das Imperium. Beide haben etwa rund 1500 Jahre auf dem Buckel. Auch durch eine neue „galaktische“ Zeitrechnung wurde das ja honoriert.

Zunehmend verflochten sich also die Interessen der Terraner mit denen der übrigen galaktischen Völker nicht nur in der Gavök. Es gab Streitigkeiten, Konflikte und Konfrontationen, wenn ein galaktisches Volk `mal wieder einen eigenen Weg gehen wollte (Akonen). Es gab Interessenbünde und Zusammenschlüsse wie das Forum Raglund etc.

In der Realwelt bildete sich die EG zur EU um und die übrigen europäischen Handelssysteme wie EFTA und andere wurden von der eher erfolgreichen EG/EU angezogen. So traten noch einige Staaten ein und das politische Real-Europa wurde vielfältiger. Im Perry wurde das ebenso umgesetzt. Schon lange, auch ohne das Projekt von San propagiert die Person des Perry Rhodan die friedliche Koexistenz aller Völker und die Verständigung und Kooperation zwischen den Sternen. Nicht immer geht dieser Wunsch konfliktfrei vonstatten. Das macht eben auch den Reiz einer kosmischen Abenteuerserie aus.

Im Realraum haben wir seit dem Schengener Abkommen und anderen EU-Verträgen einen Binnenmarkt ohne natuionalstaatliche Zwischengrenzen. Die Fluktuation zwischen den Staaten und ihren  jeweiligen Bürgern nimmt zu. Das ist die Freizügigkeit innerhalb der EU, solange die Außengrenzen gesichert sind. (Das ist allerdings ein ganz anderes Thema und wird daher hier nur am Rande berührt). Ganz folgerichtig wurde also der interkulturelle Austausch der Realwelt im Perry zur Liga freier Galaktiker umkonfiguriert, als nicht nur die Terraner agieren sollten, sondern alle galaktischen Völker gleichberechtigt nenebeinander stehen sollten. Dies klappt natürlich nur im erfundenen Spielraum einer Phatastik-Serie, da hier eine allgemein gleichartige, kulturelle, technische Nivellierung beschrieben werden kann und auch mehr oder weniger die gleiche soziologische, gesellschaftliche Grundstruktur vorherrscht, so dass die galaktischen Völker gemeinsame Interessen haben. In der Realwelt wäre das sicher ganz anders aufgrund der durch die Jahrtausende der Evolution  verschobenen , verschiedenen Entwicklungsstände realer galaktischer Völker.

Eine posttechnische Gesellschaft hat eben andere Interessen als eine noch technische. Aber zurück zum Perry. Mit der „Erfindung“ der LFG bzw. deren Umwandlung von der LFT aus, hält sich Perry nicht nur den Traum von San offen, sondern spiegelt auch die soziologische Struktur der Realwelt wieder einmal deutlich  wider. Schade, dass sich die SF-Serie nicht von Trends der Wirklichkeit abkoppeln kann, indem sie selbst welche setzt, aber das muss wohl so sein. Das liegt eben an der Gebundenheit von Autoren und Expokraten, die ja als auch-nur-Menschen eben den Realeinflüssen der wirklichen Welt  ausgesetzt sind und dadurch geprägt. Es ist nur schade, dass eine SF-Serie die reale Wirklichkeit zwar sozial transzendiert, indem sie auf eine höhere Ebene gehoben wird, aber nicht wirklich aus dem klassischen Schema der Realweltentwicklung ausbrechen kann, um eigene Vorstellungen zu generieren.

Das kann man aber auch Niemandem vorwerfen. Welche soziologischen Bezüge existieren denn? Es gibt ja nur Kooperation, Konflikt oder Ignoration. Da kann dann auch den Autoren als Kindern ihrer Zeit nicht viel Neues dazu einfallen. Das ist auch kein Vorwurf. Dahinter steht nur der Wunsch, einmal etwas wirklich Neues zu lesen. SF hat schon oft Trends erfunden oder beflügelt, im technischen Bereich ebenso wie etwa durch Utopien oder Antiutopien im gesellschaftlichen Umfeld. Hier könnte man also wieder einmal versuchen, neue Trends selbst zu kreieren, ohne sich durch allzustarke Einbindung an die soziologischen Umstände der Realwelt einzwängen zu lassen. Diese Forderung an eine SF-Serie  zu stellen, ist legitim. Hoffen wir, dass sie sich auch irgendwann irgendwie umsetzen lässt.

© 2018 by H. Döring

Kommentare  

#1 Larandil 2018-04-24 08:48
Also K.H. Scheer hatte schon selber das Solare Imperium mit der Baumschere gestutzt beim Tausend-Jahre-Zeitsprung von PR399 nach PR 400, wo dann plötzlich die Ertruser als Carsualscher Bund ihr eigenes Ding machten, neben der ZentralGalaktischen Union mit ihren Kalfaktoren und Imperator Dabrifa mit seinem gleichnamigen Imperium. Akonen, Mehandor und Jülziish schauten vonb der Seitenlinie aus zu, wie sich Terraner und Terranernachfahren befehdeten, und dachte sich vermuitlich: "Besser ihr als wir ...". Gegen übermächtige gemeinsame Gegner rückte man sogar damals schon ein bißchen enger zusammen; ausgerechnet ein Offizier des akonischen Energiekommandos ruft in PR495 die Galaxis auf, den Terranern im Kampf gegen die Takerer beizustehen ...
#2 Hermes 2018-04-24 11:20
Zitat:
„Fremdvölker“ (diesen Begriff bitte neutral und ohne Wertung auffassen, deshalb auch die Anführungsstriche) waren bis auf einige türkische Gastarbeiter noch recht unbekannt im Adenauerland.
Die ersten Gastarbeiter kamen 1955 aus Italien. Ab 1960 wurden sie auch in Griechenland und Spanien angeworben. Aus Türkei kamen die ersten im Jahre 1961.
#3 Hermes 2018-04-24 11:23
Zitat:
Es gibt ja nur Kooperation, Konflikt oder Ignoration.
Die können aber ganz unterschiedlich ausfallen. Symbiose, Ausbeutung, Unterdrückung, Dominanz etc.
#4 matthias 2018-04-24 12:06
Unter Scheer mag es die LFT nicht gegen haben bzw würde es nicht geben.
Aber die Scheer-Ära bei PR hat mir (und vielen anderen) wesentlich besser gefallen
#5 Larandil 2018-04-24 14:56
zitiere matthias:
Unter Scheer mag es die LFT nicht gegen haben bzw würde es nicht geben.
Aber die Scheer-Ära bei PR hat mir (und vielen anderen) wesentlich besser gefallen

Ernsthaft? Also ich fand die immer mächtigeren Gegner aus weiter Ferne und tiefer Vergangenheit, die es primär dem Solaren Imperium mal so richtig besorgen wollten und dann um fünf Minuten vor Zwölf von der Platte geputzt wurden, irgendwann mal nicht mehr spannend. Wäre das immer nur einfach so weitergegangen, PR wäre ein abgehaktes Kapitel meiner verschwendeten Jugend, Kapitel "Die wilden 70er".
#6 Laurin 2018-04-24 18:02
Zitat Larandil:
"Ernsthaft? Also ich fand die immer mächtigeren Gegner aus weiter Ferne und tiefer Vergangenheit, die es primär dem Solaren Imperium mal so richtig besorgen wollten und dann um fünf Minuten vor Zwölf von der Platte geputzt wurden, irgendwann mal nicht mehr spannend."

Ernsthaft? Hat sich daran wirklich was geändert? :lol:
O.K. das Solare Imperium ist schon lange Geschichte, aber sonst ... !
#7 Andreas Decker 2018-04-26 12:52
Zitat:
Dahinter steht nur der Wunsch, einmal etwas wirklich Neues zu lesen. SF hat schon oft Trends erfunden oder beflügelt Hier könnte man also wieder einmal versuchen, neue Trends selbst zu kreieren, ohne sich durch allzustarke Einbindung an die soziologischen Umstände der Realwelt einzwängen zu lassen. Diese Forderung an eine SF-Serie zu stellen, ist legitim. Hoffen wir, dass sie sich auch irgendwann irgendwie umsetzen lässt.
Wozu? Machen sie es, hagelt es noch 30 Jahre später Kritik. Genau das hat den ewigen Kritikern der Post-Scheer-Imperiumsära nicht gepasst.

Als Voltz 1978 in Band 854 die LFT als Nachfolger des Solaren Imperiums in die Handlung gebracht hat, hatte das nichts mit Ereignissen der Realwelt zu tun. Da gab es die EU in der heutigen Form noch lange nicht, das Schengener Abkommen auch nicht, die Mauer stand noch und der Kalte Krieg war in vollem Gange. Da mal ein liberales, nicht-militäristisches Staatsgefüge als Handlungsträger zu erfinden, WAR reine SF.

Also genau das, was hier gefordert wird.

Dass Voltz' Nachfolger aus dramaturgischen Gründen die LFT dann wieder schwer hochgerüstet haben, ist ein ganz anderes Thema. Da kamen Utopien eben aus der Mode.

Zitat:
Mit der „Erfindung“ der LFG bzw. deren Umwandlung von der LFT aus, hält sich Perry nicht nur den Traum von San offen, sondern spiegelt auch die soziologische Struktur der Realwelt wieder einmal deutlich wider. Schade, dass sich die SF-Serie nicht von Trends der Wirklichkeit abkoppeln kann, indem sie selbst welche setzt, aber das muss wohl so sein
Das ist doch nur Interpretation und Spekulation. LFG ist bis jetzt nur ein Platzhalterbegriff. Korrigiert mich bitte, falls ich den Absatz im betreffenden Roman überlesen habe, aber auch nach 57 Romanen ist letztlich völlig offen, wie die LFG funktioniert, wer Mitglied ist, wer was zu sagen hat. Solider und stimmiger Fundamentbau steht zurzeit nicht weit oben auf der Prioritätsliste der Expokraten. Was das Projekt San auch so sinnfrei und widersprüchlich macht.

Zu beklagen, dass sich die Autoren zu sehr von der Realität beeinflussen lassen, ist zumindest bei diesem speziellen Thema durch nichts belegt.
#8 AARN MUNRO 2018-04-27 08:30
Die LFT ist ein klarer Ideen- Abklatsch der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland im Gegensatz zum etwas autoritären Solaren Imperium. Die LFG ist sehr analog zur EU als Staatenbund.
#9 Heiko Langhans 2018-04-27 10:56
Kann man so sehen. Muss man nicht.
#10 Andreas Decker 2018-04-27 12:06
zitiere AARN MUNRO:
Die LFT ist ein klarer Ideen- Abklatsch der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland im Gegensatz zum etwas autoritären Solaren Imperium.


Also mit anderen Worten: das SI war kein "Abklatsch der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der BRD"? Was war es dann außer "etwas autoritärer"? Und wie kann ein vorgeblich demokratischer Staat "etwas autoritärer" als sein Nachfolger sein? Wir schicken erst mal die Flotte und dann die Diplomaten? Genau das ist nämlich die Bruchstelle.

Das wirst du nirgendwo in der Serie am Text beweisen können. Die Autoren haben grundsätzlich egal in welcher Dekade unterstrichten, dass das SI ein in jeder Hinsicht demokratischer Staat ist. (Wie unrealistisch es ist, dass in einer Demokratie dieselbe Person 1500 Jahre hintereinander zum Bundeskanzler gewählt wird, lassen wir jetzt mal beiseite.) In diesem Punkt gibt es keinen faktischen Unterschied zwischen der LFT und dem SI. Jedenfalls nicht nach dem Selbstverständnis der Macher. Es wollen beides parlamentarische Demokratien sein.

Zitat:
Die LFG ist sehr analog zur EU als Staatenbund.
Wo steht das? Es ist bis jetzt in der Handlung überhaupt nicht definiert worden, wie die LFG funktioniert. Wie wird sie verwaltet? Ist Terra der Leithammel und alle Konflikte der Vergangenheit sind vergeben und vergessen? Was ist aus dem Galaktikum geworden? Wenn man schon ein Strategiespiel entwickelt, sollte man zumindest die Grundregeln durchdenken.
#11 Laurin 2018-04-28 18:23
Die Änderung weg vom "Solaren Imperium" und hin zur "Liga freier Terraner" war nie eine Frage eines autoritären Systems. Im Grunde wollten die Macher der Serie die eher "autoritär" klingende Bezeichnung "Imperium" zu den Akten legen. Das System war und blieb bei beiden demokratischer Natur. Und um die anderen Völker gleich mit ins Boot zu nehmen, wechselte man dann einfach von der LFT zur "Liga freier Galaktiker" (LFG).
Mit der Funktionsweise aller drei Gebilde in Sachen Politik, Bürokratie, Verwaltung, Wirtschaft usw. hat man sich meines Wissens nach nie wirklich erhellend in der Handlung der Romane auseinandergesetzt,

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