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Perry als Identifikationsfigur - Das Ich und der Andere …

1Perry als Identifikationsfigur
Das Ich und der Andere …

Der Leser möchte SF … aber nicht nur das. Er möchte natürlich Helden (und heutzutage auch Heldinnen). Schon der frühe Perry verkörpert den »Terraner«, indem er sich von der Nationalität löst und seine militärischen Schulterabzeichen ablegt, die ja auch seine Zugehörigkeit zu einer Nation mitbestimmten. Damit verabschiedet er sich vom kurzsichtigen, irdisch-territorialen Denken und wird wirklich der »erste« Terraner.

Das kann daran liegen, dass er als erster Mensch (in der Serie natürlich) definitiv Kontakt mit exorbitalen Wesen hat, also Fremden, Außerirdischen, Xenos und was der Bezeichnungen da noch mehr sind. Die Arkoniden sind da. Zum Glück sind sie menschenähnlich von der Physiologie her. Das erleichtert die Identifikation mit ihnen.

Perry will also die Erde einen … und dann ein Sternenreich für und mit der Menschhheit errichten. Das sind große Pläne, die sich allein nur schwer durchführen lassen. Es gibt aber nicht nur Bull, der dabei hilft (auch ES taucht ja bald auf). Viele Menschen träumen den gleichen Traum von der überstaatlichen Gemeinschaft, die im Interesse aller Menschen handelt. Wie ein paar arkonidische Roboter und etwas Antigrav-Technologie die weltweiten Hungersnöte lösen oder die gravierenden sozialen Besitzunterschiede zwischen erster und dritter Welt, wird allerdings nicht wirklich in der Serie beschrieben. Zwischen Band 49 und Band 50 geschieht das irgendwie (oder schon automatisch vorher). Erstaunlich auch, dass alle bald einer Meinung sind auf diesem Vielvölkerplaneten Erde mit seinen dickköpfigen und sturen Bewohnern. Eigentlich sind die Menschen ja eingefahren in ihren Denkschemata.Aber naja ...

Es braucht lange, bis ein neues Paradigma sich in den Köpfen verankert. (Aktuell: Plastikmüll im Meer). Der Mensch möchte ja vernünftig handeln, aber er tut es nicht (immer). Um mit Brecht zu reden: erst kommt das Fressen und dann die Moral. Das „Fressen“ moralisch begleitend  zu gestalten, ist also Perrys Aufgabe. Die sozialen Unterschiede auf der Erde müssen nivelliert werden … das ist sicher nicht einfach. Dafür ist eigentlich ein Langzeitplan notwendig. Es ist auch nicht Perry, der dieses Vorhaben durchführt, denn er muss sich ja im Weltraum herumtreiben (damit der Leser sich amüsieren kann). Wahrscheinlich wird Homer G. Adams diese undankbare (?) Aufgabe übertragen. Von einem irdischen Entwicklungsminister habe ich jedenfalls nie gelesen. Aber ob die GCC, die ja nach Gewinnertrag orientiert ist, dieses Vorhaben überhaupt stemmen könnte? Darauf gibt die Serie keine Antwort, diese Dinge geschehen einfach unsichtbar im Hintergrund. Die Erde ist jedenfalls geeint, allen geht es gut, am Freitag gibt es Fisch und am Sonntag Schokolade. So weit so gut. Perry forciert die Kolonialpolitik, um die Menschheit in den Weltraum zu bringen.

Dabei lässt er den einzelnen Kolonien je nach den lokalen Umständen auf den Planeten recht viel innenpolitische Freiheiten, die bis zu übersteigert bunten Uniformen reichen, solange die jeweilige Kolonie keine Außenpolitik machen will.Ob der jeweilige planetare Administrator  nun ein Demokrat, ein Räte-Vertreter oder ein Autokrat ist, wird nicht immer klar herausgearbeitet. Aber die große Perry-Vision der geeinten Menschheit ist nun erfüllt. Für einen Unsterblichen ist es auch egal, wenn sich bei den Terranern fünfhundert Jahre lang ein paar Zwischenreiche abspalten wie Carsual, die ZGU oder das Imperium Dulaimon/Dabrifa, dass sich später in die Föderation Normon umwandelt (… und Beitritt zum Solaren Imperium beantragt). . Die langfristige Vision ist der Frieden im All, wofür Perry (paradoxerweise) kämpft. Jedoch werden auch immer mehr Völker von dieser Vision angesteckt. Schon das Vereinte Imperium in seiner brüchigen Stabilität ist ein erstes Zeichen für wirklich interstellare Kooperation, trotz aller Widerhalte der damaligen Akonen.  Fast tausend Jahre später nach der Lareninvasion wird die GAVÖK aus der Taufe gehoben, die ebenso brüchig agiert wie  der einstige Völkerbund auf Erden.

Den Expokraten gefällt es, die Galaxie Milchstraße wieder in verschiedene Interessenbünde zerfallen zu lassen, wobei die kristallenen Arkoniden  mit ihrem Imperator eine nicht unerhebliche Rolle dabei spielen.Mit dem vorübergehend existierenden Forum Raglund vereinigen sich die Interessen einiger, verschiedener Völker  (der galaktischen Eastside wie den Blues/Yülziish) zumindest auf gleicher politischer Interessenlage.Aber auch dieser Bund bleibt instabil und zerbricht an den zunehmend differenzierten Machtvorstellungen der einzelnen Völker. Die Liga freier Terraner, die sich aus dem ehemaligen Solaren Imperium gebildet hatte, trägt ihren Namen eigentlich zu unrecht, denn es sind auch viele ehemalige Lemuriakolonien darin enthalten wie z. B. Ferrol. Kein Ferrone würde sich als Terraner bezeichnen … aber lassen wir das einmal dahin gestellt sein.

Die neueste Umwandlung der Perry-Vision ist nun die LFG, die Liga freier Galaktiker. Im Sinne dieser Vision möchte Perry, dass alle Völker der Milchstraße (und darüber hinaus auch inergalaktisch eine Zusaammenarbeit mit Völkern anderer Galaxien der lokalen Gruppe und mehr ist selbstverständlich langfristig strategisch bereits angeplant) zusammenarbeiten. Gemeinsame Kooperation. Manchmal gibt es das innerhalb  der Serie  schon gegen einen größeren Gegner. Die Kooperation der verschiedenen galaktischen Völker wird zumindest auf den terranischen Schiffen zunehmend gepflegt, wenn Mehandor neben Akonen und Yülziish sitzen und gemeinsam eine Aktion im Interesse der (galaktisch definierten) Menschheit durchführen. Das Projekt von SAN wird Perry also weiterhin als Vision vorschweben.

Perry dient also noch immer als Identifikationsfigur für den Leser. War er in der frühen Serie auch als harte Führungskraft an der Spitze beschrieben (Scheer), so zeigte er doch Gefühle (etwa bei Thoras Tod). Er war und ist der Mann mit der strategischen Übersicht (im Laufe der Serie aber zunehmend herumgeschubst und weniger selbst agierend, von Fall zu Fall expokratenabhängig).

In den letzten Jahren wird er zunehmend emotional oder als gewöhnlicher Mensch gezeigt, in seinen persönlichen Beziehungen oder jedenfalls auf derselben Ebene wie jeder Mensch. Natürlich soll Perry auch weiterhin für den Leser als diejenige Führungsperson agieren, die den gemeinsamen Traum von Frieden und Kooperation aller kosmischen Völker vorantreibt. Interessant wäre einmal eine soziologische Untersuchung, die zeigen könnte, ob die Perry-Vision die (zumindest die deutsche) Menschheit in der politischen  Realität durch ihr Wirken in irgendeiner Weise visionär beeinflusst hat. Erinnert sei an die frühen Perry-Clubs der „Söhne des Lichts“, die damals haufenweise auftraten. Wieviel von diesen Visionen aus der SF-Serie ist denn in uns Menschen hängen geblieben … und wieviel davon wird tatsächlich tagtäglich politisch umgesetzt? Das zu sehen, wäre eine interessante Tatsache.

© 2018 by H. Döring

Kommentare  

#1 Hermes 2018-05-01 11:34
Zitat:
Interesant wäre einmal eine soziologische Untersuchung, die zeigen könnte, ob die Perry-Vision die (zumindest die deutsche) Menschheit in der politischen Realität durch ihr Wirken in irgendeiner Weise visionär beeinflusst hat.
Mein Gott! Endlich wird aufgedeckt, dass Perry Rhodan die Deutschen in den letzten 50 Jahren systematisch umerzogen hat! Oder begann das erst mit der Ära Voltz?
#2 Laurin 2018-05-01 13:43
Nun frage ich mich allerdings auch, ob da nicht von einer Romanheftserie ins reale Leben zu viel hineininterpretiert wird. Da verstehe ich dann auch jetzt irgendwie das stetige ziehen von Vergleichen zwischen den Regierungsgebilden aus der Heftserie mit z.B. der Europäischen Union usw.!
Das mag durchaus ein interessanter Denkansatz sein, führt aber leider völlig ins leere. Weder PERRY RHODAN noch Roddenberrys STAR TREK als SF-Serie (egal welches Medium) zeitigten irgendwelche Einflüsse auf die politische, soziale oder humanistische Realität des Menschen. Vielmehr assimilierten sie die in den jeweiligen Zeitabschnitten vertretenen gesellschaftlich-politischen Visionen, welche breit z.B. diskutiert wurden. Voltz als bekennender Humanist hat also viele Elemente dieser öffentlich diskutierten Visionen gerade als Chefautor in die Romanserie einfließen lassen und sie damit auch nachhaltig geprägt. Nur umgekehrt wurde da kein Schuh draus, denn der Einfluss der Romanserie auf die Gesellschaft (z.B. und gerade in Deutschland) beläuft sich geradezu auf Null. Solche Medien wie etwa SF-Romane nehmen nämlich nur bereits bestehende politische Verhältnisse und gesellschaftliche Diskussionen auf und verarbeiten diese in ihren Handlungen, sind aber mitnichten ernstzunehmende Träger solcher Elemente.
Die Hoffnung (und sei sie noch so klein), ein Unterhaltungsmedium hätte in den Punkten Politik, Solidarität oder Humanismus also einen möglichen, nachhaltigen Einfluss auf die reale Gesellschaft, dürfte sich - da reine Utopie - schon von selbst als Absurdum führen.

Wie gesagt, ich will das jetzt hier nicht niedermachen, da der Denkansatz durchaus interessant ist. Aber so dreht sich die Welt nun mal leider nicht. Das wäre nämlich geradezu so, als würden sich Elefanten von Mäusen belehren lassen.
#3 Kaffee-Charly 2018-05-01 23:26
zitiere Laurin:

(...)
Weder PERRY RHODAN noch Roddenberrys STAR TREK als SF-Serie (egal welches Medium) zeitigten irgendwelche Einflüsse auf die politische, soziale oder humanistische Realität des Menschen.
(...)
Die Hoffnung (und sei sie noch so klein), ein Unterhaltungsmedium hätte in den Punkten Politik, Solidarität oder Humanismus also einen möglichen, nachhaltigen Einfluss auf die reale Gesellschaft, dürfte sich - da reine Utopie - schon von selbst als Absurdum führen.
(...)

Science Fiction war und ist in erster Linie reine Unterhaltungsliteratur.
Sie hatte und hat nicht einmal annähernd den gesellschaftspolitischen Einfluss, den so manche SF-Fans ihr andichten wollen.
Selbst das berühmte "1984" (das so gern als Gegenbeispiel aufgeführt wird) hat nicht das Geringste bewirkt, denn sonst würden sich die Menschen solchen Datenkraken wie Facebook und Co. nicht so gedankenlos ausliefern.
Dass eine SF-Heftserie tatsächlich irgendeinen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben könnte, ist nur eine naive Wunschvorstellung und wird immer eine Utopie bleiben.

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