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# 94: Der Rechtsausleger unter den Horrorfans...

As Time Goes By# 94: Der Rechtsausleger unter den Horrorfans...

Martin Dembowsky ist der Gründer des Marburger Horror Clubs, was heute der Marburger Verein für Phantastik (MVP) e. V. ist. Er war ein netter Junge, dessen zweiter Vorname - im besten Sinne –naiver Fan sein könnte, denn er mochte, was er las und er mochte die Autoren, die das schrieben, was er las. Die von ihm veranstalteten Cons hatten was Heimeliges, Gemütliches – etwas, dass den Marburg Con bis heute (auch unter den neuen Veranstaltern und Thomas Vaterrodt) auszeichnet.


Martin hielt Vorträge auf Cons und auch auf den Phantastischen Tagen in Wetzlar, gab Fanzines heraus und versuchte während seines Germanistikstudiums in seiner Heimatstadt Marburg nach eigenen Angaben dem Heftroman ein höheres Ansehen (in Neudeutsch Standing) zu verschaffen.

Allerdings versuchte er das mit den konventionellen Werkzeugen der Literaturwissenschaft zu erreichen. Das klappt nicht, weil diese für die Goethes, Büchners und Grass dieser Welt erschaffen wurden. Ich wiederhole mich gern, wenn ich sage, dass man mit Feinmechanikerwerkzeugen keinen Panzer reparieren kann. Aber er hats immerhin versucht.

Er interessierte sich für diverse Bereiche der Mystik, was ihn auch mal Ärger einbrachte. Dazu später mehr.

Insgesamt komme ich mit Martin ganz gut aus. Denn auf einem Horrorcon unterhält man sich nicht über Politik (nicht weil wir unpolitische Menschen wären, wie die gängige These der 68er das sieht, sondern weil das nicht der Ort und die Zeit dafür ist).

Aber als er mich Anfang der 90iger Jahre einmal besuchte, trat dann doch Konfliktpotential auf. Nicht etwa, weil er John Sinclair mochte und ich nicht. Das war nicht so banal. Martin entpuppte sich als rechts, sehr rechts. Das hörte auch meine Mutter und die sagte mir, sie schulde meinen Gästen Höflichkeit, aber wenn er mit seinen Sprüchen zu weit ginge, würde er sich eine fangen.

Dazu muss man sagen, meine Mutter ist Jahrgang 1920, mein Vater 1907 und beide waren keine Freunde des Regimes, aber auch nicht im Widerstand (obwohl mein Vater mal fast etwas getan hätte, dass ihn vor einen Standgericht gebracht hätte). Dennoch, die Erinnerungen an die Zeit der Nazis lösten in meiner Mutter viel Negatives aus.

Wir diskutierten bei einem Kumpel (der sich als Hobbyhistoriker mit der Zeit des 3. Reiches befasst) von mir, eine ganze Nacht. Dabei trafen Weltsichten aufeinander. Martin stritt heftig ab, dass die Thesen von Karl Marx zum Wohlstand nicht von der Hand zu weisen sind.

Danach verschwand Martin so nach und nach und auch ich wandte mich FOLLOW zu. Man hörte aus der Ferne voneinander. Martin hatte sich den Republikanern und dann der NPD zugewandt.

Er ist da nicht der erste Rechte oder auch Nazi, der sich im Fandom rumtreibt. Christian Worch ist auch mal überall rausgeflogen, als ruchbar wurde, dass er Neonazi ist. Dazu gibt es eine schöne Dokumentation von Klaus N. Frick und Hermann Ritter.

Irgendwann sah ich dann mal wieder extra-3, das Satiremagazin des NDR – und sah Martin Dembowsky am Rednerpult. Dazu der Text, dass der stellvertretende Landesvorsitzende der NPD Hamburg und gleichzeitig Kreisvorsitzender Harburg wäre aus der NPD geflogen bzw. zum Rücktritt von allen Ämtern gezwungen worden war, weil da irgendwas mit Teufelsglaube war. Erst dachte ich, dass wäre auf seine Vergangenheit als Horrorclubleiter zurückzuführen, aber es soll wohl der Kontakt zu einer der Zahlenmystik verhafteten Freimaurerloge gewesen sein.

Distanziert hat sich Martin nie (und er ist möglicherweise noch Parteimitglied). Immerhin widerlegt Martin die These, dass jeder ganz Rechte per se unsympathisch ist. Er ist und bleibt der nette Junge von Nebenan, wenn man nicht über Politik spricht. So werden wir uns, wenn es kein Zoff geben soll, besser über Heftromane, alte Zeiten und Cons unterhalten, als über Politik. – Dafür gibt es andere Orte und Zeiten.

Mal schauen, Martin kehrt nach und nach ins Fandom zurück. Vielleicht sie Zeit bei den sehr Rechten ja vorbei. Vielleicht mutiert er ja noch stinknormalen Konservativen.

Wer weiß... Man soll die Hoffnung nie aufgeben...

Kommentare  

#1 Thomas 2010-07-22 18:56
Auch Nazis sind Menschen, das wird auf Seiten der Antifa oft vergessen. Eine Verteufelung des politischen Gegners bringt wenig. Man sollte besser ein gesellschaftliches Klima schaffen, in der rechtsradikale Haltungen keine Chance mehr haben. Dieses Klima könnte z. B. dann bestehen, wenn alle Menschen Arbeit haben.
#2 c.r.hays 2010-07-23 13:55
Linksradikale Haltungen sollten aber ebenso keine Chance haben. Linke und rechte Extremisten stehen auf der gleichen Stufe.
#3 Laurin 2010-07-23 20:11
Leute, mir ist eigendlich völlig Wurscht wo wer in welcher Partei ist oder was er/sie wählt. Das ist jedem sein privates Bier solange nicht jemand meint hier den Zauberspiegel als Plattform für seine politische Propaganda nutzen zu wollen. Wir sind schließlich kein Politmagazin. Und da schließe ich alle Parteien mit ein!
#4 Thomas 2010-07-23 20:43
Letztlich ist jede Form von Extremismus schädlich, wozu ich auch religiösen Fanatismus zähle.
#5 Thomas 2010-07-27 19:23
Ich lehne jede Form von Extremismus als gefährlich ab, wozu ich auch religiösen Fanatismus zählen muss.
#6 Martin Flußner 2010-07-28 10:23
Da die Ansichtren von Extremisten (egal welcher Couleur) in der Regel von keinerlei Sachkenntnis getrübt sind, ist die beste "Waffe" gegen sie Sachkenntnis und entsprechende Diskussionen. Dazu muss man aber mit ihnen im Dialog sein/bleiben. Das Problem ist, dass man selbst dabei sachlich bleiben muss, auch wenn einem bei manchen geäußerten Meinungen die Haare zu Berge stehen und man sich fragt, wo der diese Meinung Äußernde wohl seinen Verstand gelassen hat. Ansonsten gilt für mich die Prämisse "Leben und leben lassen." Jeder hat schließlich ein Recht auf seine Meinung und Ansichten, auch wenn ich die subjektiv für total falsch halte. Allerdings endet meine diesbezügliche Toleranz dort, wo anderen Menschen Schaden zugefügt wird. Da ist für mich Schluss mit Lustig.
#7 Hermes 2010-07-28 11:51
Wir haben ja zur Zeit in der SF den Fall, dass ein bestimmter Verlag Produkte auf den Markt wirft, die unter dem Label Military-SF vertrieben werden. Tatsächlich wird dort aber eine Plattform für rechtsradikale Positionen geboten.

Rechtsradikale propagieren zum Beispiel, dass Probleme nur durch Kampf gelöst werden können. Dass der Stärkere nicht nur das Recht, sondern praktisch auch die Pflicht hat, den Schwächeren zu vernichten. Usw. usw.

Gerade mit dieser Kampfbetonung und -verherrlichung kommen sie dem Geschmack einiger Heftromanleser sehr entgegen. Und nebenbei wird dann die ganze übrige braune Soße untergeschoben.
#8 Larandil 2010-07-28 12:13
Robert Heinleins Gesellschaft der Zukunft in "Starship Troopers" ist straff "rechts": erst der abgeleistete Militärdienst macht einen Menschen zum Vollbürger mit aktivem und passivem Wahlrecht, die Auspeitschung als Strafe für kleinere Vergehen ist an der Tagesordnung und wird öffentlich vollzogen, und die Todesstrafe ist zumindest unter den Vollbürgern völlig unstrittig.

Aber: wenigstens bekämpfen sich die Menschen nicht mehr untereinander. Und irgendwo im letzten Drittel enthüllt der Protagonist sogar ganz beiläufig, dass er gar kein WASP ist, und es hat überhaupt keinen Unterschied gemacht ... Jude, Araber, Arier, Christ, Muslim, Buddhist, das ist bei Heinlein ganz egal. Hauptsache homo sapiens.

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