# 94: Der Rechtsausleger unter den Horrorfans...
# 94: Der
Rechtsausleger unter den Horrorfans...
Martin
hielt Vorträge auf Cons und auch auf den Phantastischen Tagen in Wetzlar, gab
Fanzines heraus und versuchte während seines Germanistikstudiums in seiner
Heimatstadt Marburg nach eigenen Angaben dem Heftroman ein höheres Ansehen (in
Neudeutsch Standing) zu verschaffen.
Allerdings
versuchte er das mit den konventionellen Werkzeugen der Literaturwissenschaft
zu erreichen. Das klappt nicht, weil diese für die Goethes, Büchners und Grass
dieser Welt erschaffen wurden. Ich wiederhole mich gern, wenn ich sage, dass
man mit Feinmechanikerwerkzeugen keinen Panzer reparieren kann. Aber er hats
immerhin versucht.
Er
interessierte sich für diverse Bereiche der Mystik, was ihn auch mal Ärger
einbrachte. Dazu später mehr.
Insgesamt
komme ich mit Martin ganz gut aus. Denn auf einem Horrorcon unterhält man sich
nicht über Politik (nicht weil wir unpolitische Menschen wären, wie die gängige
These der 68er das sieht, sondern weil das nicht der Ort und die Zeit dafür
ist).
Aber
als er mich Anfang der 90iger Jahre einmal besuchte, trat dann doch
Konfliktpotential auf. Nicht etwa, weil er John Sinclair mochte und ich nicht.
Das war nicht so banal. Martin entpuppte sich als rechts, sehr rechts. Das
hörte auch meine Mutter und die sagte mir, sie schulde meinen Gästen
Höflichkeit, aber wenn er mit seinen Sprüchen zu weit ginge, würde er sich eine
fangen.
Dazu
muss man sagen, meine Mutter ist Jahrgang 1920, mein Vater 1907 und beide waren
keine Freunde des Regimes, aber auch nicht im Widerstand (obwohl mein Vater mal
fast etwas getan hätte, dass ihn vor einen Standgericht gebracht hätte).
Dennoch, die Erinnerungen an die Zeit der Nazis lösten in meiner Mutter viel
Negatives aus.
Wir
diskutierten bei einem Kumpel (der sich als Hobbyhistoriker mit der Zeit des 3.
Reiches befasst) von mir, eine ganze Nacht. Dabei trafen Weltsichten
aufeinander. Martin stritt heftig ab, dass die Thesen von Karl Marx zum
Wohlstand nicht von der Hand zu weisen sind.
Danach
verschwand Martin so nach und nach und auch ich wandte mich FOLLOW zu. Man
hörte aus der Ferne voneinander. Martin hatte sich den Republikanern und dann
der NPD zugewandt.
Er
ist da nicht der erste Rechte oder auch Nazi, der sich im Fandom rumtreibt.
Christian Worch ist auch mal überall rausgeflogen, als ruchbar wurde, dass er
Neonazi ist. Dazu gibt es eine schöne Dokumentation von Klaus N. Frick und
Hermann Ritter.
Irgendwann
sah ich dann mal wieder extra-3, das Satiremagazin des NDR und sah Martin
Dembowsky am Rednerpult. Dazu der Text, dass der stellvertretende
Landesvorsitzende der NPD Hamburg und gleichzeitig Kreisvorsitzender Harburg
wäre aus der NPD geflogen bzw. zum Rücktritt von allen Ämtern gezwungen worden
war, weil da irgendwas mit Teufelsglaube war. Erst dachte ich, dass wäre auf
seine Vergangenheit als Horrorclubleiter zurückzuführen, aber es soll wohl der
Kontakt zu einer der Zahlenmystik verhafteten Freimaurerloge gewesen sein.
Distanziert
hat sich Martin nie (und er ist möglicherweise noch Parteimitglied). Immerhin
widerlegt Martin die These, dass jeder ganz Rechte per se unsympathisch ist. Er
ist und bleibt der nette Junge von Nebenan, wenn man nicht über Politik
spricht. So werden wir uns, wenn es kein Zoff geben soll, besser über
Heftromane, alte Zeiten und Cons unterhalten, als über Politik. Dafür gibt es
andere Orte und Zeiten.
Mal
schauen, Martin kehrt nach und nach ins Fandom zurück. Vielleicht sie Zeit bei
den sehr Rechten ja vorbei. Vielleicht mutiert er ja noch stinknormalen
Konservativen.
Wer
weiß... Man soll die Hoffnung nie aufgeben...
Kommentare
Rechtsradikale propagieren zum Beispiel, dass Probleme nur durch Kampf gelöst werden können. Dass der Stärkere nicht nur das Recht, sondern praktisch auch die Pflicht hat, den Schwächeren zu vernichten. Usw. usw.
Gerade mit dieser Kampfbetonung und -verherrlichung kommen sie dem Geschmack einiger Heftromanleser sehr entgegen. Und nebenbei wird dann die ganze übrige braune Soße untergeschoben.
Aber: wenigstens bekämpfen sich die Menschen nicht mehr untereinander. Und irgendwo im letzten Drittel enthüllt der Protagonist sogar ganz beiläufig, dass er gar kein WASP ist, und es hat überhaupt keinen Unterschied gemacht ... Jude, Araber, Arier, Christ, Muslim, Buddhist, das ist bei Heinlein ganz egal. Hauptsache homo sapiens.