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# 104: Die SPD regiert: Suffe, Poppe, Danse

Diesmal der erste Gastbeitrag. Rainer Osenberg (ehemaliger  Fanzineherausgeber und Clubleiter) erzählt uns was über das Ende der Unschuld... des Horrorfandoms. Aber lest selbst...

As Timee Goes By - Gastkolumnist Rainer Osenberg# 104: Die SPD regiert: Suffe, Poppe, Danse

1985: Gorbatschow war in der Sowjetunion an die Macht und Sat.1 ins Fernsehen gekommen. Das Horror-Fandom dagegen in die Jahre. Mehr als fünf Jahre war es nun her, das Manfred Feuerriegel und sein Sozius Frank Nesemann das Horror-Fandom in der damaligen Definition gegründet und viele auf diesen Zug aufgesprungen waren. Den Clubchefs dieser ersten und zweiten Generation war inzwischen der erste Flaum auf der Oberlippe gewachsen, und der eine oder andere hatte gelernt, wie man seine dicken Eier, die man zunächst in diversen Hahnenkämpfen zur Schau gestellt hatte, auch sinnvoller nutzen konnte.

Man war „erwachsen“ geworden (abgesehen vielleicht vom Ältesten im Bunde der Fans), Erwachsen sein hieß damals, nicht mehr solchen Kinderkram wie Heftromane zu lesen, sondern die Pornohefte, die beim großen Bruder in der Schublade steckten. Manch einer mag sogar das Foto seiner rechten Hand in seiner Brieftasche mitgeführt haben, aber das ist nicht belegt.


Belegt hingegen ist, dass die heiße Phase der Pubertät bei allen Fandom-Größen ziemlich zeitgleich eingesetzt haben muss. Eben noch hatte man Helmut Rellergerd und Fritz Tenkrat angehimmelt, nun starrte man auf, unter oder in Tinas viel zitierte und mehr oder weniger vorhandene Bluse. Viele beließen es letztlich nicht bei einem Blick.

Doch zunächst einmal galt es, sich ein wenig Mut anzutrinken. Die meisten von uns waren es ja gewohnt, ihre Männlichkeit über die Anzahl der akquirierten Mitglieder zu definieren. Aber Hand aufs Herz: Ich war zweimal verheiratet, aber ich habe niemanden mit meinem 100. Mitglied wuschig gemacht – und selbst Dieter ist geschieden.

Nun also galt es, seine Männlichkeit unter Beweis zu stellen! Okay, Mädels musste man erobern, Bier konnte man sich bestellen. So wurde 1985 aus dem rührigen Fandom (oder genauer gesagt: aus dem Clan der vorwiegend rheinländisch und westfälischen Sinclair-Fans) eine frühe Form der Horror Parade.

Ich selbst hatte mir seinerzeit die Mühe gemacht, meine Zines mit Fotosatz und Offsetdruck herzustellen und war stolz darauf, den einen oder anderen fehlenden Inhalt durch professionelles Design ersetzen zu können. Doch nun war es an der Zeit für „Hirnik“ und „Donnerbalken“. Wir haben einfach veröffentlicht, was wir wollten, und das hatte nur noch wenig mit Horror zu tun. Ingo huldigte gar Madonna, Volker gab ein Zine mit dem Namen „Ich“ heraus. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich Horsts Blutdruck von ca. 250:180 spürte, als er nicht nur den Donnerbalken las, sondern als Gegenpol auch noch mein sauber gesetztes Pamphlet über den von mir erfundenen „Nord-Süd-Konflikt“ des Fandoms (es gab ja sonst keine Nachrichten).

Wir hatten Helden wie Helmut, Jürgen und Fritz nicht mehr nötig, wir waren unsere eigene Helden. Und so zogen wir aus, Party zu machen. Angesagt war im Juli 1985 das Zeltcon am Möhnesee. Frank Göpfert, Martin Pick, Jörg Künnmann und ich hatten uns erst einmal zum „Anglühen“ in Wuppertal getroffen. Den Wettbewerb im Laternen austreten habe glaube ich mal wieder ich gewonnen. Und Boris Becker gewann an diesem Wochenende zum ersten Mal in Wimbledon. Dann fuhr uns Franks Mutter zum Möhnesee – all unsere Männlichkeit hatte noch nicht zu Führerschein und Auto gereicht.

Dort fand gewissermaßen der Umbruch statt. Alte Traditionen wurden gepflegt – so traten Dieter Hoven und ich im Duell gegeneinander an, diesmal im Minigolf (muss ich sagen, wer gewonnen hat *g*) – und neue erschaffen. Es versteht sich wohl fast von selbst, dass ich den größten Bierkrug am Möhnesee mein eigen nennen durfte, oder? Auf dem Zeltplatz selbst gelang es einem selbsternannten „Verdammten Österreichers“ nicht, Plastiktüten zu beschaffen (am Möhnesee war man anscheinend schon damals sehr umweltbewusst), was den Verlust seiner Jungfräulichkeit unerfreulicherweise hinauszögerte. Volker Sorge erging es besser. Des Nachts, des Morgens, des Abends und auch des Mittags und des Nachmittags wurde der Zeltplatz von einem rhythmischen, nicht unmelodiösen, vor allem aber ziemlich unerträglich lauten Geräusch erfüllt. Die Herkunft ließ sich unter Gentleman nicht eindeutig feststellen, doch erklärt es sich wahrscheinlich so, dass so viele Fandomler im Laufe der Zeit versuchten, eben jenes Geräusch im geradezu aufopferungsvollen Selbstversuch zu verifizieren.

Es war ein Aufbruch in eine neue Zeit. Dem Fandom hat es zweifellos geschadet, aber für das Ego war es besser als jede veröffentlichte Kurzgeschichte. Drei Monate später stand beim Halloween-Fest in Darmstadt die nächste Party an, doch davon und den Folgen soll ein andermal die Rede sein.

Kommentare  

#1 Andreas Wantjer 2008-09-18 15:04
Willkommen Herr Osenberg.....
jetzt kommen wohl oder übel sämtliche Schandtaten der "alten Zeit" ans Licht..... Ich zieh am besten schon mal den Kopf ein und warte darauf was noch kommt :-*
Gruß
Wanne
#2 Psycho-Krüppel 2011-05-05 20:26
Ob Rainer O. wohl heute noch Kontakt zu Dieter H. pflegt?
#3 Claudia 2013-06-03 18:22
Was soll das heißen, die Jungs beließen es nicht bei einem Blick? Ist hier etwa jemand "handgreiflich" geworden? :P
#4 Ronald 2021-06-11 16:08
Ich hab hier eben den Namen Dieter Hoven gelesen... Er hat mich vor x Jahren (als ich 'ne Menge gesundheitlichen Stress hatte) telefonisch so heftig genervt, dass ich SEHR unfreundlich u ihm geworden bin. Seitdem plagt mich das Gewissen. Falls jemand weiß, wo er steckt, sagt ihm, dass ich mich entschuldige. Aber er soll mir bloß nicht noch mal auf den Senkel gehen.
#5 Harantor 2021-06-11 19:42
Mittlerweile ist Dieter verstorben und ihn deckt der grüne Rasen
#6 Ronald 2021-06-20 16:29
O, mei

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