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# 113: Ohne Gnade...

As Time Goes By# 113: Ohne Gnade...

Rolf Michael hat eine Lieblingsidee. Einen biographischen Roman, um Petronius. Eben jener Petronius, der in dem Film „Quo Vadis“ von Leo Genn (Moby Dick, The Longest Day, Die Todesstrahlen des Dr. Mabuse) meisterhaft dargestellt. Petronius beging Selbstmord, aber nicht so bei Rolf. In dem Roman sollte er seinen Tod nur vorgetäuscht haben und seine Memoiren in einer Villa auf dem Monte Cassino oder einem anderem Berg schreiben.

Aber wer erinnert sich nicht an die Szene, in der Nero (Peter Ustinov – Tod auf dem Nil, Spartacus, Luther) den Abschiedsbrief des Petronius und einen Wutanfall bekommt, weil sein bester Freund so wenig Schmeichelhaftes über den Kaiser zu sagen hat. – Eine Szene, die sich wiederholen sollte, aber ohne Wutausbruch.

Rolf war verliebt in die Idee diesen historischen Roman in mehreren Bänden zu schreiben und das Leben dieses Mannes nachzuzeichnen. Jahrelang spukte die Idee in seinem Kopf herum. Schon zu Zeiten, da er Professor Zamorra zu Zeiten der ersten Cäsaren durch Rom jagte, hatte die Idee, das Leben des Petronius in einen historischen Roman umzusetzen. Und mit jedem Mal, da er davon sprach, entwickelte sich die Idee immer ein Stückchen weiter.

Irgendwann gegen Ende der Achtziger begann er dann zu schreiben und nach etwa 200 Seiten, beschlossen der Autor und sein damaliger Agent (der ich war) einmal fachmännischen Rat einzuholen. Daher bat man den gemeinsamen Freund Helmut Pesch, sich einmal das bisher geschriebene anzusehen.

Helmut stimmte zu und man vereinbarte ein gemeinsamen Termin in Bergisch Gladbach, um Helmuts Manöverkritik zur Kenntnis zu nehmen. An Tag davor reiste ich nach Kassel und musste erleben wie Rolf sehr positiv gestimmt war, was den Roman und Helmuts Urteil darüber anging.

Am nächsten Morgen wurde meine Reise in Richtung Bergisch Gladbach fortgesetzt. Ich persönlich freute mich (wen mag es wundern) auf das gemeinsame Essen im Anschluss an die Besprechung. Zu dieser gab es nahe dem Verlagsgebäude ein griechisches Restaurant, welches nicht allzu teuer war, aber dafür ansehnliche Portionen servierte. Für Helmuts Urteilen rechnete ich mit nützlichen Hinweisen von Helmut, denn er ist nicht nur ein guter Lektor, der sich in Stoffe einfühlen kann, sondern denkt auch in Konzepten und Stoffen, so dass Verbesserungen allemal zu erwarten waren.

Tatsächlich erreichten wir den Verlag pünktlich und wurden von Helmut empfangen. Helmut begrüßte uns ausgesprochen freundschaftlich, sorgte für Kaffee und dann begann es.

Helmut lächelte Rolf an. Er sagte: „Aber eines, Rolf, werde ich Dir nie verzeihen: Du hast mich gelangweilt.“ ... und er nutzte damit die Worte des Petronius aus seinem Abschiedsbrief des Petronius in Quo Vadis, der Peter Ustinov in rage brachte.

Für Rolf begannen nun neunzig äußerst unangenehme Minuten. Helmut zerpflückte bis ins Detail den begonnenen Roman und das zugrunde liegende Exposé. Er nahm es Stück für Stück auseinander, sezierte es mit Worten, suchte jeden nur denkbaren Schwachpunkt heraus, hinterfragte dies und verdammte jenes. Es war ein Schlachtfest.

Rolf versank in seinem Stuhl und seine Miene war erstarrt. Er trug es wie ein Mann. Von Zeit zu Zeit wagte er einen Einwand, aber Helmut nahm diesen auf, um das Schlachtfest fortzusetzen. Das beste daran: Helmut wurde zu keinem Zeitpunkt laut, vulgär oder hässlich. Seine Worte waren voller Freundlichkeit, aber ihr Sinn war niederschmetternd.

Rolf hat Wochen, Monate und Jahre gebraucht, bis er sich hiervon erholt hat und wieder an den Petronius zu denken wagt. Aber man konnte an diesem Vormittag verdammt viel lernen.

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