Ich habe einen Freund verloren
Ich habe einen Freund verloren.
8.8. Karin und Constanze Geburtstag. So steht es auf meinem Tischkalender. Seit Jahren schon. Karin, Jürgens Frau. Constanze, seine Tochter. Dieses Datum war wieder einmal ein Anlass für mich, an die Grasmücks zu denken. Und meine Frau sagte einmal mehr: "Du solltest dich mal wieder bei ihnen melden." Das wollte ich auch tun. Warum ich es dann doch nicht getan habe (wie all die Jahre davor auch nicht), weiß ich nicht. Vermutlich deshalb nicht, weil ich ein Telefon-Muffel bin. Ich möchte die Leute sehen, mit denen ich rede. Nicht nur hören.
Als ich Jürgen zum ersten Mal sah, nannte ich ihn den "Grusel-Papst", und das ist er für mich immer geblieben. Wer weiß, ob es uns – all die vielen Nachzügler – je gegeben hätte, wenn er nicht den allerersten deutschen Grusel-Heftroman geschrieben hätte. Jürgen war für uns der Wegbereiter, der Mann, der eine Schiene schuf, die es vor ihm nicht gegeben hatte, und auf der wir, dank ihm, noch immer unterwegs sind.
Als ich erfuhr, dass Jürgen am 7.8., einen Tag vor dem Geburtstag seiner Frau und seiner Tochter, gestorben war, war ich geschockt und betroffen. Gedanken an unsere gemeinsame Vergangenheit schwirrten mir durch den Kopf. Wir hatten viel Spaß zusammen. Ob in Frankfurts Sachsenhausen, in der Düsseldorfer Altstadt oder bei den "Mückes" – wie ich sie immer nannte – zuhause. Wir waren miteinander in Grinzing beim Heurigen, in Schönbrunn, im Prater... Sogar bis nach Budapest sind wir gekommen. Es war eine Zeit, an die ich gerne zurückdenke und die ich nicht missen möchte. Wir waren die drei Musketiere: Jürgen, Jason und ich. Trafen einander immer wieder hier, da und dort. Dass wir mit der Zeit etwas auseinanderdrifteten, hatte wohl in erster Linie mit Jürgens fortschreitender Krankheit zu tun. Er hörte auf zu schreiben, begann Esoterik-Bücher zu verkaufen. Einmal waren wir noch in seinem Buchladen. Ein andermal begegneten wir einander auf einer Veranstaltung (ich weiß heute nicht mehr, wo), und die Mückes sagten, wenn wir mal wieder nach Deutschland kämen, müssten wir unbedingt einen Tag länger einplanen und zu ihnen kommen. Es kam leider nie dazu.
Und nun hat Jürgen uns für immer verlassen. Mir will es noch immer nicht ganz in den Kopf. Für mich war Dan Shocker ein Vorbild, einer der ganz Großen - wird es immer sein. Er wird, davon bin ich überzeugt, in seinem Werk weiterleben, hat durch sie eine gewisse Art von Unsterblichkeit erreicht.
Ich werde seine Frau anrufen und mit ihr um meinen Freund trauern. Und vielleicht wird es ein Trost für sie sein, wenn ich ihr sage, dass er da, wo er jetzt ist, mit Sicherheit gut aufgehoben ist und endlich keinen Rollstuhl mehr braucht.
Fritz Tenkrat