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Ein Abend bei Gaisbauers (Teil 11)

Teestunde mit Rolf...Moin Rolf, und es steht eine weitere Folge des Gesprächs im Hause Gaisbauer an. Der Tee ist serviert …

Ein Abend bei Gaisbauers (Teil 11)

Die Zeit zwischen den Jahren hat immer was Besonderes. Wir denken noch mal nach über alle guten Sachen, die uns passiert sind - oder die wir haben für andere passieren ließen - und auch an die anderen Dinge, die man eigentlich ganz gerne vergessen oder ungeschehen machen möchte.

Und dann kommen sie, die ›‹guten Vorsätze‹. Ich habe nie welche gefasst, schon gar nicht früher, dass ich mir das Rauchen abgewöhne oder das Bier trinken.


Wenn man so was will, muss das spontan kommen. Also genießt einfach den Übergang ins neue Jahr - das auch nichts anderes ist wie das Alte - und lasst es einfach locker angehen. Die Tage werden langsam länger. Spätestens ab Anfang Januar findet man im Aldi die ersten Osterhasen und zwischendurch gibts noch Karneval. Dann ist schon wieder das Ostara-Fest und für Kinder ist die Zeit zwischen den Weihnachts- und Osterferien eine sehr lange Strecke.

Also dann wünsche ich euch allen einen guten Jahreswechsel - denn einen ›guten Rutsch‹ zu wünschen würde Glatteis bedeuten - darauf kann ich verzichten. Ich werde das Feuerwerk genießen, das Leute im Dorf, die zu viel Geld haben, für mich abbrennen. Und dann gehts wieder zur Tagesordnung. Teestunden, Visionia und was ich sonst noch so treibe.

Dazwischen hat Lisa jetzt alle vier Wochen ein ›Opa-Wochenende‹, an dem sie mal das machen kann, was sie will und die Sendungen sehen kann, worum sie zu Hause mit Papa und Mama lange kämpfen muss, weil die eben was völlig anderes interessiert als ein Mädchen mit neun Jahren. Und die ihr auch immer wieder erklären, dass man Pizza mit Messer und Gabel zu essen hat und nicht, ›wie bei den alten Germanen‹, mit den Fingern - wie das eben bei ›Opa‹ so der Fall ist. Man muss auch nicht im Sitzen essen, wenn die römische Art im Liegen zu Essen einfach angenehmer ist - das Liegebett steht natürlich Richtung Fernseher. Und wenn man bei der Wurst das Brot als ›Sättigungs-Beilage‹ als völlig unnötig ablehnt, dann wird auch das akzeptiert. Der Opa schneidet die Wurst einfach in der Mitte durch... hmmm... das schmeckt...

Im Wohnzimmer, wo Lisa mit dem Gästebett residiert und was jetzt inzwischen ›Lisas Zimmer‹ geworden ist, sieht es dann immer aus wie in Pompeji am Abend des 24. August 79 n.Chr. Zwischen Bonbons und Schokoladen-Riegel, Pferdeillustrierten mit Fotoroman, meinen Katzen, Kuscheltieren, abgelegten Kleidungsstücken, Nintendo, Büchern, Cola-Flaschen und allen Sachen, die Kinder lieben aber eigentlich nicht dürfen fühlt man sich als ›Pre-Teen‹ bei laufendem Fernseher so richtig wohl.

Das einzige Ärgerliche für ein kleines Mädchen ist, dass der Opa dann gnadenlos verlangt, dass all das Bonbon- und Schokoladen-Papier und was sonst so rumliegt, wieder eingesammelt wird, bevor sie zurück gefahren wird. Das der Fernseher nur dann ausgeschaltet wird, wenn wir am Samstag ins Kino gehen oder in den Wildpark fahren - natürlich mit Andocken bei McDonalds, dürfte klar sein. Aber am Sonntagmorgen sind dann Lisas Buchbesprechungen dran und sie findet es gut, dass sie selbst von ihnen Büchern aussuchen kann, welche sie vorstellt. Und - dass ich jetzt genau wortwörtlich schreibe, was sie diktiert. In der Woche in den Weihnachtsferien hofft sie, da etwas ›Vorlauf‹ zu bekommen.

Denn diesmal ist Lisa schon ab Silvester hier und weiß jetzt schon ganz genau was sie dann im Fernsehen sehen will, während Papa und Mama wieder mal mit Freunden feiern können. Ansonsten hat Lisa noch keine Planung für die Opa-Woche - außer dem Film "Vampir-Schwestern" natürlich.

Also, die erste Jahreswoche wird bei mir absolut nicht langweilig. Und deswegen schreibe ich diese Teestunde auch heute schon einen Tag vor Sonnenwende - oder dem von cleveren Geschäftsleuten angedachten Weltuntergang. Denn wenn Lisa hier ist komme ich nicht dazu, viel zu schreiben - und muss deshalb etwas vor arbeiten.

So, und jetzt weiter zu unserem Interview, das uns noch einige Zeit beschäftigen wird. Weil es ein echtes Zeit-Dokument ist bringe ich auch die Fragen und Antworten mit hinein, die nicht unbedingt direkt mit der Schreibe zu tun hatten. Und danach gibt es eigentlich über die ›alten Zeiten‹ nicht mehr viel zu erzählen und wir können und Themen widmen, die ich lange aufgeschoben habe.

Gustav Gaisbauer:  Lieber Werner, du schreibst jetzt Professor Zamorra allein. Hast du nicht Angst, eines Morgens aufzuwachen und festzustellen, dass dir nichts mehr einfällt?
W.K.Giesa: Nein! Jede Idee zieht einen Rattenschwanz neuer Ideen nach sich. Und wenn ich wirklich einmal nicht mehr weiter weiß, dann greife ich Ideen von Fans auf oder lasse mir Inspirationen von meiner Frau oder von Rolf geben. Heike hat beispielsweise einige Figuren entwickelt, die ich in der Serie verwende.

Einspruch! Seit Werner mit Heike zusammen ist hat er zwar meine Ideen, die ja durch die Verkaufsverträge Eigentum das Bastei-Verlages wurden, recycelt - aber ›wie es weiter gehen kann‹ oder nach neuen Ideen hat er mich niemals gefragt. ›Ideen von Fans aufgreifen‹ - speziell der Leute, die ihn an den Wochenenden besucht haben, das habe ich schon öfter erwähnt, weil ich das von eben jenen Fans auf Cons mündlich erfahren habe.

Wobei das aber gewiss kein Einzelfall ist, das aus reinen Gesprächen Ideen entstehen, die in einer Serie mal tragende Rollen spielen können. Wie ich bei den Teestunden-Plaudereien um meine Fantasy-Romane ja schon oft gesagt habe, kommen einige wirklich gute Ideen aus der ehemaligen »BasteiFantasy« und heutigen »Chrysalitas« von meiner damaligen Ehefrau. Sie war ein besonderer Fan von Stephen King, Tanith Lee und anderen moderneren (bzw. damals modernen) Autoren und las Dinge, die eben Autoren die Howard, Moorcock, Leiber, Norman oder auch Tolkien völlig fremd waren. So kamen Ideen in die Fantasy, die sich wie die ›Traumweberinnen‹ noch bis ›Visionia‹ hinein ziehen werden - wenn auch in recht veränderter Form.

Aber mit Heike als Ehefrau hat Werner das große Los gezogen. Heike hat ihn in seiner Arbeit unterstützt und ihn nach vorn geschoben - bei mir was das dann genau das Gegenteil. Nachdem meine damalige Frau aus dem Regalbrettern des Wohnzimmerschrankes meine Taschenbücher raus nahm um Bücher von Wolfgang Hohlbein an den Platz zu stellen war ich lange nicht mehr fähig, auch noch eine einzige Zeile zu schreiben. Das war das erste glühende Schwert in meiner Seele.

So kam es, dass ich, als ich nach dem verkorksten Jahr ›Freiberufler‹ 1986 zum Ordnungsamt kam, mich voll in den Beruf gestürzt um mich wenigstens da profiliert und etwas Anerkennung zu finden. Erst als ich am Ende des Jahres 1989 wieder für mich alleine war, konnte ich mich wieder auf die Dinge besinnen, die ich früher mit Leidenschaft gemacht hatte. Aber mit der Musik hatte ich aufgehört und - weil die Frau es forderte - mein Schlagzeug verkauft, wobei ein Teil meiner ›Seele‹ dahin gegangen ist - und in der Schreiberei war ohne meine Agentur kein Einstieg mehr möglich. Und so hatte eben mein Beruf als Beamter ab da für mich eine höhere Priorität als andere Dinge, die mir so am Herzen lagen. Erst jetzt im Ruhestand kann ich mir und euch noch mal Geschichten erzählen - die Traumwelt ›Visionia‹ eben...

Gustav Gaisbauer: Ohne jetzt auf dich anspielen zu wollen. Es gibt aber eine ganze Reihe Serien-Autoren, die bereits leer geschrieben sind ohne es zu merken.
W.K.Giesa: Um ehrlich zu sein, auch bei mit gibt es Tage, an denen nichts mehr läuft. Dann sage ich mir - Schluss! Feierabend!
R.Michael: Manchmal erzählt mir Werner einen Handlungsablauf und sagt, dass er sich verrannt hat und nicht mehr weiter weiß. Wir reden darüber und ruck-zuck haben wir ein oder zwei plausible Lösungen, die nicht nur der Leser, sondern auch der Redakteur akzeptiert. Und dann gibt es immer noch die Möglichkeit, mit einer festgefahrenen Geschichte einfach aufzuhören und an einer anderen weiter zu schreiben und später, wenn die Blockade weg ist, mit der Ersten weiter zu machen.

Nun ja, in den Zeiten vor Heike war es so, dass mich Werner manchmal anrief, wenn er sich in eine Situation verfahren hatte. Aber das kam sehr selten vor - meistens behielt er diese Sachen bis zum Wochenenden, wo er ja bis auf wenige Ausnahmen Freitags anrollte.  Da konnten wir dann in Ruhe drüber reden und nach einer Lösung suchen, die auch in das angedachte große Konzept passte.

Da Werner ja alle zwei Wochen einen Roman schreiben musste, konnte er schon mal einige Tage was liegen lassen - und wir haben dann bei beiden Romanen überlegt, die sie ins Große und Ganze einzupassen sind. Der Leser merkt bei einigen Romanen,  die so abseits des Serien-Geschehens stehen, dass man fast einen anderen Autoren vermuten könnte - das sind die von Werner in solchen ›Blockaden‹ nebenher geschriebenen. Die wurden dann irgendwann eingepasst. Aber außer dem ›Dämonenschneider‹ fällt mir heute kein anderer Titel dieser ›Füller-Bände‹ mehr ein.

Festschreiben kommt schon mal vor. Heute ist das einfach mit dem Computer. Entweder man löscht den Text ab einer gewissen Stelle oder man ändert ihn so ab, dass es für die vertrackte Situation eine Lösung gibt. Früher ging das nicht so einfach. Es sei denn man wollte viele Seiten neu schreiben. Und dann ging das große Nachdenken los. Und da hat jeder so seine eigenen Methoden.

Von Werner weiß ich, dass er zu Hause in Lippstadt in den Garten ging und mit Lady und Nicky, seinen beiden Katzen spielte und so auf neue Gedanken kam. Das mit den Katzen fiel dann aus, als Werner mit Heike zusammen kam, die ihm zur Bedingung machte: Keine Katzen oder sonstigen Haustiere. Das war einer der Preise, die Werner für ein glückliches Eheleben zahlen musste.

Aber dafür hatte er dann ja auch jemanden, der für ihn seine persönliche Nicole Duval - das Zusatzgehirn - war. Ich erzähle ja auch nur Sachen aus den Zeiten vor Heike. Und in dieser Zeit brauchte Werner Kurt Giesa zum Überlegen eben die Ruhe des Gartens hinter dem Haus in Lippstadt und die beiden Katzen, an denen er hing wie an kleinen Kindern. Sein erster Super-Acht Film hieß denn auch »Alles für die Katz'« und hatte seine Katzen Lady und Nicky zum Inhalt und viele unbekannte Katzen in altrömischen Ruinen, die er während einer unserer gemeinsamen Fahrten nach Italien in Paestum, Positano und Rom aufnahm. Irgendwo in verschiedenen alten Teestunden habe ich über diese Fahrten schon mal das eine oder andere lustige Stückchen erzählt.

Ich selbst brauche mich bei einer ›Blockade‹ normalerweise nur zurück zu lehnen, die Augen zu schließen und ich sehe in meiner Tagtraum-Phantasie wie im Film, wie es weiter geht. Beim Zamorra war das immer so. Bei den Fantasy-Romanen, wo ich eine Situation zwar mit ›Magie‹ hätte klären können, bin ich aber mit meinem Hund Charly los lange draußen rum gelaufen, bis ich eine bessere Lösung hatte, als die Handlung mit einer als ›deus ex machina‹ eingesetzten Zauberei auf primitive Art zu beenden.

Heute mit meinem Asthma kann ich persönlich nicht mehr rum laufen. Wenn ich heute solche Situationen habe, nehme ich mir im Computer-Spiel einen Avatar, den keiner kennt und gehe irgendwo an einen Strand, einen Dschungel, eine Burg oder sonst was. An einen Ort, wo gerade keiner ist. Da treibe ich mich dann rum und grübele so lange, bis ich weiß, wie ich die Situation löse.

Aber meistens ist das gar nicht nötig. Denn die ›unlösbaren Situationen‹ jetzt in ›Visionia‹ sind meistens auch die ›Cliffhanger‹ am Schluss eines Kapitels. Nicht nur für den Leser, sondern für mich auch.

Ich weiß zwar, wie das Buch ausgeht - aber nicht, wie ich meine Helden aus der momentanen Situation raus hole. Doch darüber nachzudenken habe ich ja dann ein paar Tage Zeit. Und irgendwann kommt mir der Einfall, den ich unter den gegebenen Umständen einer Fantasywelt für geeignet halte. Notfalls hätte in der derzeitigen Handlung Sabrina immer die Möglichkeit, eine der ›Zauberhilfen‹ in Anspruch zu nehmen. Aber gerade weil das begrenzt ist, versuche ich, dass sie so wenig wie möglich von dieser Art Magie Gebrauch macht. Und da muss man dann schon mal etwas nachdenken. Aber genau das ist es, was mir jetzt beim Schreiben wieder Freude macht - ich kann mir und euch eine Geschichte erzählen.

Im Interview geht es mit dem Thema ›Heftroman‹ noch sehr lange weiter - doch das heben wir uns bis nächstes Jahr auf. Wegen der ›Opa-Woche‹ mit Lisa muss ich in den nächsten paar Tagen noch eine Teestunde und ein ›Visionia-Kapitel‹ machen - was schon wieder echte Vollbeschäftigung ist. Die Rentner haben eben alle keine Zeit. Früher habe ich drüber gelacht - es ist aber wirklich so.

Dann wünsche ich euch allen noch mal einen angenehmen Jahreswechsel. Wir finden uns dann nächstes Jahr hier wieder zur Teestunde. Und jetzt spannende Lesestunden in ›Chrysalitas‹ und bei den »Wölfen des Nordens« ... da ich die ›Wölfe‹ seit fast 15 Jahren nicht mehr angerührt habe, lese ich jetzt sogar selbst noch mal mit.

Schade, dass damals keiner diese Saga haben wollte. Die hätte ich damals, wo ich voll drin war, gern fertig geschrieben - und hätte auch die Zeit gehabt. Aber wenigstens der erste Band ist ja vollendet. Und auch wenn der Stil nicht mehr dem ›modernen historischen Roman‹ entspricht, gibt es vielleicht doch ein paar Leute, die sich die ›Wölfe‹ dann als E-Book nehmen. So habe ich die Saga von Lars Wolfsohn wenigstens nicht vollständig für den Computer geschrieben ...

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