Ein Abend bei Gaisbauers (Teil 12)
Ein Abend bei Gaisbauers (Teil 12)
Ein Kometen-Treffer wird die Pole verschieben und das Aussehen der Welt völlig verändern - ist da zu lesen. Beliebtes Thema von SF-Romanen und Filmen - absolut nichts Neues. Und es gibt irgendwo fünftausend Auserwählte, denen angeblich nichts passieren soll. Auch nichts Neues. So ein Limit hat Johannes schon in der »Geheimen Offenbarung« angegeben. Der Aufprall des Kometen soll irgendwann zwischen Mai und September erfolgen. Da die Aufprallzonen dort angegeben sind, könnt ihr schon mal den Urlaub so planen, dass ihr nicht gerade in der Nähe seid.
Weltuntergang - wer glaubt, wird selig. Und wer nicht glaubt, kommt auch in den Himmel. Natürlich - passieren kann alles und Filme die damals »Meteor«, »Deep Impact« oder »Armageddon« liegen ja von dem, was uns bevorstehen kann, nicht allzu weit weg. Nur das wir eben Bruce Willis noch nicht mit seinem Bohr-Team ins All schießen können. Aber nach dem, was ich so gelesen habe, arbeiten Wissenschaftler an einem Projekt, wie man einen ›Wanderer aus dem All‹ wie im Film »Meteor« aus der Bahn lenken kann. Wenn der Brocken zu groß ist oder die NASA dann zu viel Zielwasser getrunken hat, werden einige Leute einige Tage noch feststellen, dass ihnen all ihr Geld nichts nützt, weil es eben nur Papier oder Metall ist. Die krepieren dann genau so wie alle anderen auch ... und sie können wir alle nichts mitnehmen.
Doch jetzt am Beginn des neuen Jahres keine trüben Gedanken. Lassen wir uns einfach mal überraschen, was kommt ... und nehmen wir bis dahin noch einen Tee ... oder zwei ... oder mehrere ...
Damit wir bis zum ›Weltuntergang 2013‹ wenigstens mit dem Interview durchkommen - ahem - wollen wir gleich loslegen ... wir waren bei so genannten ›Schreib-Blockaden‹ ...
Gustav Gaisbauer: Das bedeutet, dass sie Gefahr, sich leer zu schreiben, viel geringer ist, wenn man in mehreren Serien arbeitet.
W. K. Giesa: Davon bin ich absolut überzeugt.
H. H. v. Allwörden: Ich kenne Autoren, die in einem Monat sechs, sieben Objekte schrieben - allerdings lauter verschiedene Objekte.
W.K.Giesa: Nur deshalb konnten sie es schaffen, weil es unterschiedliche Romane waren.
Gustav Gaisbauer: Ich habe den Eindruck, dass manche Serien-Autoren nur fürs Geld schreiben und sich selbst überhaupt nicht in die Erzählung einbringen.
W.K. Giesa: Jeder Autor schreibt fürs Geld. Wer das verleugnet, lügt!
Einspruch, Eure Ehren. Jeder, der etwas schreibt, sei es eine Kurzgeschichte, eine Roman oder selbst ein Gedicht, hat das Recht, sich Autor oder Schriftsteller zu nennen. Denn er hat ja kreativ was geschaffen. Ob er es fertig bringt, die Sachen zu veröffentlichen, ist eine ganz andere Sache. Aber Autor eines kreativen Textes ist er - auch wenn er erst mal mehr für sich selbst geschrieben hat - weil es einfach raus musste ... für Freunde ... vielleicht auch für ein Fanzine ...
Einer meiner Erkenntnisse ist - Schreiben ist ganz einfach. Den Text verkaufen, das ist schwierig. Werner konnte da ein Liedchen von singen - bis zu dem Tag, als er durch einen gewissen Herrn Zielschott an die Roman-Agentur Grasmück empfohlen wurde. Wäre das nicht gewesen - W.K.Giesa hätte vermutlich in den Tagen seines Lebens Kinder in der Schule unterrichtet. Und ich bin sicher, er wäre auch ein guter und verständnisvoller Lehrer geworden.
Was Werner im Interview meint, ist natürlich der professionelle Autor, der alle anderen Brücken zu seinem früheren bürgerlichen Beruf abgebrochen oder wie er selbst und einigen anderen Autoren das Studium beendet haben - und deshalb dann zum Schreiben gezwungen werden, wenn sie nicht Kunde beim Sozialamt werden wollen. Gerade in der Heft- und Taschenbuch-Branche kann das sehr rasch passieren.
Ich habe 1986 selbst erlebt, wie schnell Ersparnisse aufgebraucht sind und es dann an den Kreditrahmen der Bank geht. Und hätte da nicht das Personalamt meiner Bank bestätigt, dass ab 1. Januar 1987 wieder regelmäßige Zahlungen aufs Konto kommen, weil das Jahr "Beurlaubung aus künstlerischen Gründen" abgelaufen war, dann hätte ich auch beim Sozialamt auf der Bank sitzen müssen. Gut, das ich mich damals nur für ein Jahr beurlauben ließ.
Denn ein vorzeitiger Wiedereinstieg war deshalb nicht möglich, weil das Gehalt im Haushaltsplan anders eingeplant wird. Wäre ich so närrisch gewesen, mich auf mehrere Jahre beurlauben zu lassen, wie es mir von Autoren-Kollegen vorgeschlagen wurde, dann hätte ich sehen müssen, wie ich in meinem alten Beruf als Möbelkaufmann die Zeit vielleicht hätte überbrücken können. Wenn ich da nach all den Jahren noch eine Chance gehabt hätte.
Autoren, die völlig frei nur davon leben, dass sie etwas für Geld veröffentlichen, die können es sich wirklich nicht leisten, außer vielleicht mal für ein Fanzine etwas zu schreiben, was keine Chance hat, je veröffentlicht zu werden. W.K.Giesa hätte, wenn er es gekonnt hätte, Romane im Stil des "Zauberberg" oder des "Ulysses" schreiben können - man hätte diese Arbeit bei den Verlagen nicht mal angesehen. Also war er gezwungen, eben das zu schreiben, was man von ihm verlangte - auch wenn er liebend gerne andere Sachen schreiben möchte, an denen mehr "Herzblut" hängt. Ich sage nur "Perry Rhodan" - Werners ewig unerfüllter Wunschtraum ...
Der wirkliche Profi-Autor der Unterhaltungs-Literatur muss ein "literarisches Chamäleon" sein - der Liebes-, Arzt- und Bergromane genau so schreiben kann wie Western, Krimi, Horror oder Science Fiction. Und davon gibt es in der Branche eine ganze Menge, denen es auch gelingt, im Geschäft zu bleiben, egal, was verlangt wird. Aber andere, und zu denen zähle ich mich auch, haben ihre "Spezialgebiete" - und wenn die nicht verlangt werden, sind sie draußen.
Wäre der Zamorra mit Bastei-Fantasy zusammen eingestellt worden oder hätte Dan Shocker das Angebot des Bastei-Verlages angenommen, die Serie zu schreiben, dann wäre Werner der Gang zur "Fürsorge" nicht erspart geblieben. Und das trotz seiner damals jungen Ehe. Das sind die harten und gnadenlosen Dinge im Leben eines Profi-Autoren, an die der Leser meistens nicht denkt. Auch nicht daran, dass man für ein halbwegs normales Leben pro Monat mindestens zwei bis drei Aufträge für Romanhefte braucht.
Das es Werner über so viele Jahre Co-Autoren in den Zamorra ziehen konnte kann ich mir nur so erklären, dass er nach dem Tod seiner Eltern das Haus in Lippstadt verkauft hat und von diesem Geld den Lebensunterhalt zuschießen konnte. Auch viele teure Kleidungsstücke aus der "Western-Zeit" hat er vermutlich verkauft. Sein Schwert habe ich damals für einen Hunderter erstanden - damit die Klinge nicht in unwürdige Hände kommt. Einige Monate später habe ich sie ihm wieder gegeben, da ja ein "Baron von Helleb" nicht ohne Schwert sein kann.
Ob die Klinge noch da war, als er starb, wage ich inzwischen zu bezweifeln. Manchmal kommt es mir vor, als ob er bewusst aufhörte, Medikamente einzunehmen, als das Geld vom Haus alle war und mit den wenigen Romanen, mit denen er noch beim Zamorra dabei war, kein halbwegs menschenwürdiges Leben mehr möglich war. Erfahren werden wir da sicher niemals - und das ist vielleicht besser so. Denn die Leute, die es vermutlich wissen, werden dieses Wissen nicht preis geben.
Also - zusammenfassend - Ein Autor kann sehr wohl ohne Geld schreiben - für Ruhm, Ehre ... oder weil er sich und anderen Leuten eine Geschichte erzählen will. Schließlich haben außer Werner auch alle anderen mal so angefangen. Und er war ja noch viele Jahre offiziell Student in Paderborn bis man dort feststellte, das sie ein "Kartei-Leiche" hatten und ihn nahe legten, das Studium entweder zu beenden oder abzubrechen. Aber eigentlich hat sich W.K.Giesa von Anfang an als Profi-Autor gesehen - und den Abbruch des Studiums nur heraus gezögert, weil er dadurch diverse Vorteile hatte. Vermutlich hat man das in Paderborn erst bemerkt, als er nach Altenstadt gezogen ist.
Aber ein Profi-Schreiber - der ist gezwungen, für Geld zu schreiben - und somit auch das zu schreiben, was man ihm als Auftrag zuschiebt. So kann es dann kommen, dass viele Profi-Autoren "sich nicht einbringen", wie Gustav das so schön formulierte. Das ist nur natürlich. Wenn der Auftrag für einen Bergroman vorliegt, dann muss man eben so was schreiben - auch wenn man diese Art von Schreibe auf den Tod hasst. Es wäre mal interessant, von den Leuten im heutigen Zamorra-Team einen Arzt- oder Bergroman zu lesen. Ich müsste da passen - das ist nicht meine Welt. Das ist eben der Unterschied zum echten Profi-Autoren der Unterhaltungs-Branche wie beispielsweise mein Freund Walter Appel - der schreibt alles, wozu er einen Auftrag bekommt. Und deshalb ist er seit Jahrzehnten im Geschäft.
Das mit den spezialisierten Autoren ist wie bei den Musikern, die ein Eric Clapton oder Marc Knopfler in seiner Band akzeptieren würden - und die aus finanziellen Gründen gezwungen sind, im glitzernden Affenjäckchen die Tournee eines Schlager-Fuzzis zu begleiten und auch noch zu lächeln, obwohl man bei der Mucke, die man gezwungen ist zu spielen, kotzen könnte. Tut man es nicht - nun, es gibt zehntausend Geiger, wie man so schön sagt - dann verdient eben ein anderer die Kohle - und man selbst macht Nase. Kein Profi, egal ob Schreiber oder Musiker, kann sich das erlauben ... und das Interview geht mit dem Thema noch etwas weiter ...
Heike Giesa: Oder er hat einen sicheren Job.
Gustav Gaisbauer: Das stimmt. Aber bei manchen Autoren ist doch mehr im Spiel als nur das Geld verdienen.
W.K.Giesa: Mir macht das Schreiben natürlich auch großen Spaß. Ich reagiere auf Lesermeinungen und ich schreibe so, wie ich es möchte.
Franz Schröpf: Es gibt Serien, die in den Fan-Magazinen durchgehend vernichtende Kritiken haben, sich aber trotzdem hervorragend verkaufen. Wie ist das möglich.
W.K.Giesa: Das ist der BILD-Zeitungs-Effekt.
Werner meint, dass es hier eben einen "leicht verdaulichen Inhalt" gibt. Wie bei der Bild-Zeitung, die man nach einer Frühstückspause gelesen hat. Oder wo man einfach mitten rein guckt und sofort wieder in der Thematik drin ist. Genau so wie eben bei einem sehr einfach geschriebenen Heftroman - und gemeint war von Franz ja hier "John Sinclair", der von der Auflage her damals wie heute alle andere Phantastik-Serien des Bastei-Verlages überflügelt. Viel geschmäht - aber von der Verkaufs-Auflage von keiner der Super- und Kult-Serien auch nur im Entferntesten eingeholt, was den wirtschaftlichen Erfolg angeht. Jason Dark weiß schon, warum er die Serie immer noch alleine schreibt und Kritiken gleiten an ihm ab wie eine das Vorschiff überholende Woge am Südwester eines Seemanns.
Gustav Gaisbauer: Wie kommt es, dass die Leserbriefe bei Heftserien überwiegend Positiv sind. Wird da eine gezielte Auswahl getroffen?
H. H. v. Allwörden: Nein. Aber die Leserbrief-Autoren schmeicheln den Redakteuren gern ein wenig. "Ihre Romane gefallen mir besser als die von Stephen King. Die sind mit zu konfus!"
Gustav Gaisbauer: Und die Redakteure glauben das?
R. Michael: Natürlich.
Ich durfte das sagen, weil ich aus Unterhaltungen mit Jason Dark, den dieser zitierte Leserbrief betraf, tatsächlich dieser Meinung war. Und warum auch nicht. Jeder fühlt sich von einer anderen Art Literatur oder dem Stil eines Autoren angezogen. Ein Dr. Helmut Pesch schwelgt in den Formulierungen in Tolkiens Werken. W.K.Giesa hat Tolkien als absoluten Langweiler bezeichnet.
Stephen King ist zwar eine Ikone des neuen Horror-Romans - aber für mich persönlich ist mindestens die Hälfte seiner Romane (jedenfalls der früheren, die ich gelesen habe) Zeilenschinderei, die nichts mit der Handlung zu tun hat und sie nicht voran treibt. Amis mögen da ihre eigene Welt, in denen sie in den 50ern und 60ern gelebt haben, gut beschrieben sehen. In einem Romanheft wurden solche Passagen gnadenlos raus fliegen.
In Deutschland wäre von Stephen King kein Roman gebracht worden, wenn er nicht in den USA ein Riesenerfolg gewesen wäre. Allerdings - King selbst wollte schon nach unheimlich vielen Absagen aufgeben, als seine Frau Tabitha das Manuskript von "Carry" nicht aus dem Papierkorb gefischt und noch mal einem Verlag vorgelegt hätte. Die haben es dann genommen - die Story wurde sehr schnell verfilmt (Carry - Des Satans jüngste Tochter) und danach war der Erfolg unaufhaltsam - zumal Stephen King ja dann nichts Neues schreiben brauchte, sondern nur alle die abgelehnten Projekte wieder vorlegen musste.
Also bin ich sicher, das es der damalige Leserbrief-Schreiber mit seiner Meinung völlig ehrlich meinte und Jason Dark nicht nur Honig um den nicht vorhandenen Bart schmieren wollte, damit sein Leserbrief abgedruckt wurde. Jason Dark hat zwar von allen Dingen, was Magie, Esoterik angeht keine und von Historie sehr wenig Ahnung und eine Bibliothek von Sachbüchern, wie sie beim Dan Shocker im Regal stand (und heute noch steht) sucht man dort vergeblich. Ja, ich hatte mal die Ehre, das Innere von Jason Darks Haus samt seinem Arbeitsraum unter dem Dach zu sehen - es war ein gemütlicher Nachmittag. Aber das, was er sich selbst aus Heften angelesen oder in Filmen (speziell alten Hammer- und sonstigen B-Produktionen) gesehen hat, bildet bei John Sinclair das Fundament, auf dem er alles aufgebaut hat.
Die organisierten Fans hatten damals und heute auch noch in Sachen Magie, Religionen und Esoterik ein ganz anderes Grundwissen und sahen alles das, was in dieser Hinsicht im Sinclair kam, als reine Lach-Nummer an. Aber der normale Leser - also der 12 bis 13jährige Junge, der seine Comics beiseite legt, um endlich "Erwachsenen-Literatur" zu lesen - der hat dieses Wissen nicht. Er liest nur die für ihn spannenden Geschichten und wird Fan - vom einfachen Freund der Serie bis zum Hard-Core-Fan. Kommt er dann in Kontakt mit dem Fandom, wechselt er im allgemeinen dann auf andere Serien. Früher haben die 12 Jährigen 4 Jahre Sinclair gelesen und kamen dann mit 16 oder 17 zum Zamorra.
Aber da war dann schon die nächste Generation nachgewachsen, für die Jason Dark seinen John Sinclair schreibt. Und so geht das eben immer weiter ... wie die "Bravo" so hat auch "John Sinclair" ganze Generationen durch Pubertät und Jugend begleitet. Und - sie tun es bis auf den heutigen Tag. Es sieht nicht so aus, als ob sich Helmut aufs Altenteil setzen wollte. Und ein Heft pro Woche kann er immer noch schreiben - was das angeht ist Jason Dark der absolute Großmeister eisenharter Disziplin.
Womit wir unsere erste Teestunde im neuen Jahr schon wieder rum haben. Die Thematik des Interviews bleibt uns noch etwas erhalten. Zumal ich feststellen muss, das ich in einigen Kommentaren auch Sachen anspreche, an die ich in früheren Teestundenberichten nicht gedacht habe. Wenn ich die Sachen der damaligen Unterhaltung heute nach fast 25 Jahren lese kochen noch so manche Erinnerungen hoch.
Also bis dann nächste Woche ...