Ein Abend bei Gaisbauers (Teil 13)
Ein Abend bei Gaisbauers (Teil 13)
Wäre ich Frau Picard, ich würde die völlig überholte Idee »Dynastie der Ewigen«, die nie das wurde, was sie mal war und werden sollte, aus der Zamorra-Serie raus nehmen. Und dann - wenn es ihr Team schafft, so was zu gestalten - mal die Original-Idee der ›Dynastie‹ aus den Teestunden für die laufende Handlung rekonstruieren.
Da der Begriff ›Dynastie‹ ja damals vom Original-Titel der TV-Soap »Der Denver-Clan« kam, würde sich ein Begriff wie ›Clan der Unvergänglichen‹ oder ähnlich förmlich anbieten. Und wenn nicht die Original-Idee der ›Dynastie‹ - dann eine neue Idee, die in der geistigen Sichtweise des heutigen Autoren-Teams liegt. Ich bin sicher, die heutigen Autoren würden da eher den Kern der angedachten Sache treffen und mit diesen gestaltlosen Wesen einer anderen Bewusstseinsebene und eines anderen Lebens umgehen können als es W. K. Giesa konnte.
Die Grund-Idee der »Dynastie der Ewigen« hatte sich, was das Mysteriöse und Geheimnisumwitterte sein sollte, durch Werner ›Vermenschlichung‹ der Ewigen eigentlich schon überholt, bevor der 300er Zyklus geschrieben wurde. Ab dato ging es mir innerhalb des Acht-Teilers nur noch um Schadensbegrenzung, weil wir diese ›Gefahr aus den Tiefen des Kosmos‹ schon zu oft erwähnt hatten, als dass wir sie noch hätten durch eine richtige gute Idee dieser Art ersetzen können.
Aber nun ja, der Leser hat es ja alles so genommen und war zufrieden. Und nachdem ich im Dinosaurier- und Atlantis-Zyklus die ›Dynastie der Ewigen‹ mit der ›Straße der Götter‹ eine Vergangenheit gegeben habe, war die Dynastie mit ihren Dhyarras ohnehin nur noch eine Spielwiese für Werner. Eine SF-Handlung, wo Raumschiffe flogen und mit Blastern geballert wurde. Und wo durch die Wertigkeiten der Dhyarra-Kristalle jedes Duell oder jeder Krieg von vorn herein ein Rechenexempel war. Das war die Szenerie, in der sich W.K.Giesa wohl fühlte - sein Platz für ein Heimspiel.
Für spätere Zeiten hatte ich vorgehabt, mit einem anderen Volk aus der Tiefe des Kosmos die Zamorra-Handlung etwas mysteriöser zu gestalten. Das hätte direkt mit dem ›Namenlosen Alten‹ diesem »verfluchten Gezücht von den Sternen« zusammen gehangen. Die Chance dazu war dann nach Werners Änderungen am Schluss meines Textes vom 666er Zyklus endgültig vertan. So viel in Kurzform noch zu Rudis Artikel, was vielleicht hätte werden können.
Wir machen hier lieber weiter im Interview bei Gustav Gaisbauer...
Gustav Gaisbauer: Wie alt sind Heftromanleser im Durchschnitt?
W.K.Giesa: Etwa vierzehn bis 16 Jahre
R. Michael: Die steigen direkt um von Comics auf die Heftromane. Manche bleiben dabei, manche wechseln zu BILD-Zeitung über, manche suchen sich eine andere Literatur-Sorte. Ich selbst habe als Junge mythologische Erzählungen mit größter Begeisterung gelesen und bin dann zum Western umgestiegen. Mit etwa 13 oder 14 Jahren kam ich zu dem Schluss, das Western nur von Kindern gelesen werden. Erwachsene lesen Krimis. So fing ich an, Jerry Cotton zu lesen. Nicht etwa, weil ich ein Krimi-Fan war, sondern weil alle Welt Jerry Cotton las.
Aber natürlich waren diese Romane auch nicht besser als alle anderen Heftromane. Als ich dann auf Conan stieß, stellte ich fest, dass es auch andere Leute geben musste, die mythologische Erzählungen liebten. Jetzt brauchte ich mich nicht mehr für meine Lieblings-Lektüre zu schämen und sie heimlich unter der Bettdecke lesen.
W.K.Giesa: Helmut Pesch sagte auf der Podiums-Diskussion des zweiten Kongresses der Fantasy das schlaueste Wort. Dass wir Deutschen es lieben uns ein schlechtes Gewissen für unseren Hang zum Trivialen einzureden.
R.Michael: Und Jürgen Grasmück sagte einmal, dass wir Heftroman-Autoren doch nichts anderes wollten als die Leute zu unterhalten und ihnen ein paar frohe Stunden zu verschaffen.
W.K.Giesa: Darum geht es beim Schreiben. Und nach diesem Prinzip schreibe ich selbst. Ich schreibe so, dass es mir selbst gefällt. So habe ich die besten Aussichten, dass es die Leser anspricht.
Gustav Gaisbauer: Wie sieht es mit den bestehenden Heftromanserien aus? Sind noch weitere einstellungsgefährdet?
W.K.Giesa: Zamorra läuft gut. Trucker-King läuft auch. (Hier hat sicher der Klabautermann ein unhörbares: "Hey lücht!" gerufen)
Franz Schröpf: Dämonenland verkauft sich offenbar auch nicht schlecht. Es gibt auch eine neue Serie. "Die Abenteurer". Wobei noch nicht abzusehen ist, wie sich diese entwickelt.
W.K.Giesa: "Die Abenteurer" ist eine schöne Serie. Aber sie hätte schon drei Jahre früher auskommen sollen. Etwa beim letzten Indiana-Jones-Film.
Vor diesem Film hatte ich ja aus aktuellem Anlass das Serien-Konzept für »Michael Masters - Weg ins Abenteuer« bei Bastei abgegeben - was damals auch schriftlich bestätigt wurde. Das Konzept war weitgehend identisch mit dem Rahmen-Exposè der »Abenteurer«. Doch wie üblich hat Bastei - analog »Ritter Roland« oder später »Peter Mattek«, Termine verpennt oder das Falsche in Serie gebracht. Als ich dann den »Michael Masters« zurück forderte - und auch bekommen habe - weil der damalige Milton-Verlag Interesse an einem Abenteuer-Konzept hatte - kam die Serie »Die Abenteurer« rund 9 Monate später - der übliche Vorlauf bei Bastei. Die ersten drei Bände habe ich gelesen und festgestellt, dass man mein Grundrezept beibehalten hatte.
Weil die Romane so ›spannend‹ geschrieben waren, kann ich nach dem dritten Roman nicht mehr sagen, wie sich das Konzept weiter entwickelte. Nur höre ich noch W. K. Giesas ständiges Jammern, bei den ›Abenteurern‹ würden sie ihm die Ideen aus dem ›Zamorra‹ raus klauen. Aber wie gesagt, dazu kein Kommentar.
Ein ›Ron Kelly‹, wo ich jeden einzelnen Roman förmlich verschlungen habe, ist nicht draus geworden.
Übrigens hat an diesem Teil des Interviews W.K.Giesa meine Erzählung über die angedachte und eben noch mal erzählte »Michael Masters-Serie« rausgekürzt. Das wäre denn damals für den Bastei-Verlag etwas peinlich geworden. Heute stört das keinen mehr...
Es geht weiter mit W.K.Giesas Ausführungen...
Ich schrieb übrigens selbst einmal einen Roman über Atlantis. Es war mein allererster SF-Roman, den ich an einen Verlag geschickt habe mit dem Titel "Atlantis". Das war ein Bumerang. Mir blieb kein einziger Manuskriptdurchschlag. Ich schrieb diesen Roman, als ich vierzehneinhalb Jahre war. Das war ein toller Roman. Das war ein toller Roman.l Spitzenklasse! Ein Raumschiff! Unterwasserfunk! Ein Kommandant, der unter Schnupfen leidet - mit Grusel-Elementen. Ich hab ihn nicht mehr und die Verlage nahmen ihn gottseidank nicht an.
Franz Schröpf: Die Abenteurer erinnern aber ebenso stark an die "Sun-Koh"-Serie wie an die Indiana-Jones-Filme. Man fühlt sich direkt wieder in die Vorkriegszeit zurück versetzt, wenn man "Die Abenteurer" liest.
W.K.Giesa: Sie erhält auch einige Elemente der Zamorra-Serie.
Heike Giesa: Was könnte man auch schon Neues machen?
Oh, man könnte eine ganze Menge Neues machen, wenn man mal richtig nachdenkt und den Mut hat, völlig neue Wege zu gehen. Hugh Walker hat mir mal den Original-Anfang von »Mythor« zu lesen gegeben - wie er es eigentlich haben wollte. Hubert ist damals völlig neue Wege gegangen - richtige ›Fantasy‹ eben. Hubert wollte ein ›sechsgängiges französisches Menü‹ der Fantasy servieren - dank der Verantwortlichen im Pabel Verlag sind kalte Schnittchen und Currywurst mit Pommes draus geworden.
Dankt es ihnen, ihr Freunde der Fantasy - denn die Verantwortlichen des Pabel-Verlages haben euch vor dem Einblick in Wunder-Welten bewahrt, die sich vermutlich nicht mal einem Wolfgang Hohlbein öffnen. Klar, das Hubert danach kein besonderes Interesse mehr an Mythor hatte. In dieser vom Verlag abgesegneten ›Standard-Welt‹ eine Handlung aufzubauen und Figuren agieren zu lassen, das können andere auch. Also macht Hubert Straßl lieber Übersetzungen und träumt sich in seine Welten, die in die er niemanden mitnimmt ...
Meistens ist das ›Neue‹ bei den Verlagen ja nicht gewünscht. Da entdeckt man plötzlich einen allgemeinen Trend. Und schon heißt es: »Schreiben Sie mal was wie …« Dahinter dann der Begriff dessen, was gerade in anderen Büchern und Filmen der Renner ist.
Damals war das jedenfalls so. Vermutlich hat sich bei Bastei durch Monster-Mike Schönenbröcher einiges da verändert, der mit »Maddrax« gezeigt hat, das man auch mal völlig neue Wege gehen kann - und auf diese Art in (fürs Heft) ›unbekannte Gebiete‹ vordringt, in denen noch kein anderer Autor bisher zu denken wagte.
Maddrax - das ist eine Idee, die eines Dan Shocker würdig ist. Auch die ›Abenteurer‹ hätten aus den ›Indiana-Jones‹-Vorgaben ausbrechen können. Aber damals haben sich die Verantwortlichen in den Redaktionen eben noch nicht getraut.
Auch der Zamorra geht heute schließlich Wege, die weder W.K.Giesa von Volker Krämer angedacht haben - von mir mal nicht zu reden, meine Welt ist das nicht mehr. Dennoch - es sind völlig neue Wege, die sich da auftun.
Also, man könnte schon viel Neues machen - man muss es nur wollen oder die Chance bekommen. Oder es so machen, wie ich jetzt bei ›Visionia‹ - ohne alle Zwänge schreiben und sich treiben lassen. Es wundert mich manchmal selbst, wie sich Situationen, in denen ich meine Helden um Schluss eines Kapitels zurück lasse, nach ein paar Tagen Abstand auflösen. Kein Verlag würde das mitmachen. Das erste Buch ›Schatten der Traumwelt‹ hatte ich vorsichtig auf 500 Seiten abgesetzt - inzwischen sind wir bei rund 600 Seiten und es ist noch kein Ende abzusehen - wenn mir das Ende des Buchs natürlich bekannt ist.
Bei allen sieben Büchern weiß ich die Ausgangssituation und das Ziel - aber nicht den Weg dorthin und nicht die Gefahren, die auf Sabrina und ihre Freunde lauern. Und auch nicht, ob sie Gewalt brauche müssen um weiter zu kommen, List anwenden oder geschickte Diplomatie. Alles ist möglich, weil ich hier beim Zauberspiegel eben die Zügelfreiheit habe, die ich immer haben wollte. Und sie auch notwendig ist, wenn man versuchen will, etwas wirklich Neues zu schaffen. Ich bin selbst mal gespannt, wie sich Visionia entwickelt hat, wenn ich unter Band Sieben das Wort ›Ende‹ setze. Nur eins ist klar. Keine der Hauptfiguren - egal ob in Visionia oder seiner Realwelt, wird am Ende noch so sein, wie am Beginn.
Allerdings - die Zentral-Figur ist Sabrina Brandner, die sich eben vom kleinen Duckmäuserchen zur selbstbewussten Frau in ihrer Realwelt wandelt, die ihr Leben danach selbst in die Hand nehmen kann. Es gibt sie viele ›Sabrinas‹ - vielleicht nimmt sich die eine oder andere an der ›Sabsi‹ ein Beispiel und geht ihren Weg....
Beim Zamorra waren wir immer gezwungen, spontane Ideen so einzubauen, dass aus einem geplanten Einteiler plötzlich ein Doppelband oder eine Trilogie wurde. Mit der Zeit konnte man da ein gewisses Geschick entwickeln. Was mich anbetraf sogar noch ein besonderes Geschick. Denn es konnte wie beim Dinosaurier-Atlantis-Zyklus passieren, dass nach zwei Romanen der Folgeband für drei, vier oder noch mehr Bände geschoben werden musste, weil Werner diese Romane brauchte. Dann galt es, einen logischen Schluss zu finden, warum die Handlung ›abgehüttet‹ werden musste - um einige Wochen später wieder aufgegriffen zu werden. Das ging eben nur durch unsere wirklich sehr enge Zusammenarbeit. Aber schließlich war W. K. Giesa damals ja fast an jeden Wochenende bei mir in Ahnatal - so war das eben möglich.
Das Interview geht wieder an den größeren Komplex »Ren Dhark« und das heben wir uns mal für die nächste Woche auf. Es ist noch einiges ›Schriftstellerisches‹ dabei - aber auch diverses ›Privates‹ und ›Hellebisches‹. Das wird uns also noch ein paar Wochen beschäftigen. Aber danach sind auch soweit alle Dinge von damals erzählt - sei es hier in den neuen Teestunden noch mal aufgewärmt oder bereits im Verlauf der Jahre in epischer Breite erzählt.
Also dann ... wir lesen uns nächste Woche. Jetzt schmökert erst mal das letzte Kapitel vom »Drachen-Blut« ...