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Zelten, Fische, Beethoven und Stafetten

Teestunde mit Rolf...Moin Rolf, ich nehme an weiter geht’s mit den Erinnerung rund um Helleb, die Stafetten und dem Zelten. Bin gespannt, worum es heute geht. Diejenigen, die auf die Geschichte des Islam oder die Reiseerlebnisse warten, bitten wir wohl weiterhin um Geduld, oder? Jedenfalls: Der Tee ist serviert...

Zelten, Fische, Beethoven und Stafetten

Bevor ich mit den Ereignissen der Blumenstafette beginne, muss ich noch auf eine Bemerkung aus einem der letzten Leserbriefe zur Teestunde eingehen.

 

Und zwar zu dem ›geliehenen Fisch‹. Asterix-Leser wissen was ich meine. Wenn sich nämlich Automatix, der Schmied des gallischen Dorfes, bei Verleihnix, dem Fischhändler, einen Fisch ›leiht‹, um ihn seinen Gegnern um die Ohren zu hauen. Den einen Fisch kaufen würde der Schmied natürlich nicht.

Ich sagte schon, dass jeder unserer Helleböhner Kern-Truppe, die im kleinen, beschaulichen Ort Wallenstein im Knüll des öfters am Fuß der Burgruine die Zelte aufgeschlagen hatten, mit einer der Asterix-Figuren identifiziert werden konnte. Den Schmied Automatix stellte ein gewisser ›Jupp‹ dar, dessen bürgerlichen Namen ich hier nicht nennen möchte, weil er sich schon vor vielen Jahren zurück gezogen hat und braver Familienvater geworden ist. Allerdings solltet ihr den Namen nicht vergessen, weil von ihm auch noch andere Stücklein erzählt werden müssen.

Dieser Jupp glich rein von der Optik her mit seinem Vollbart einem gewissen Bud Spencer und dass ein gewisser ›Joe‹ den Verleihnix darstellte, brauchen wir nur am Rand zu erwähnen. Vielleicht noch, dass Jupp und der Herausgeber des Zauberspiegels die besten Freunde waren und auf weitere Entfernung gesehen an zwei Grizzlybären erinnerten. Auch heute haben die beiden inzwischen in Ehren ergrauten Herrn, was Körperform, Vollbärte und Gewichtsklasse angeht, sich nicht wesentlich verändert. Nur haben sie an einer Körperstelle beträchtlich abgenommen und können so im Chor singen: »Auch ich war ein lockerer Jüngling mit Haar!« Natürlich sollte, wer im Glashaus sitzt, nicht mit Steinen werfen, hat doch auch an meinem Haupt der Zahn der Zeit genagt und die Fliegen, die auf meinem Oberdeck landen, erinnern sich vielleicht, dass hier einst dichter Dschungel war, der vermutlich durch eine Öko-Katastrophe immer mehr dahin schwindet.

Aber wir wollten ja über den ›geliehenen Fisch‹ reden – und diese Sache ist sogar durch den Super-Acht-Film dokumentiert, den ich damals drehte und den ich jetzt auf DVD habe. Erinnerungen an die guten alten und die besten Zeiten. Oh, dass mir Zeus zurück gäbe die vergangenen Jahre.

Es war Pfingsten und in Wallenstein war die Fahne des Schwalm-Eder-Kreises gestrichen worden und die Rebel-Flag, die Fahne der alten amerikanischen Südstaaten aufgezogen worden. Das bedeutete für Camper und Einheimische, dass die wilde Meute aus Kassel wieder da war und es garantiert wieder lustig wurde.

Der Morgen war schon sehr warm und weil gegen 10 Uhr die Gaststätte des Schwimmbades aufmachte kamen die Herren der Schöpfung überein, auf den Genuss von Flaschenbier zu verzichten und lieber den Tag mit einem frisch gezapften Pils zu beginnen. Frühschoppen nennt sich das bei uns – und konnte in jenen Zeiten schnell zum ›Deckel rund trinken‹ ausarten. Was das ist? Nun, wer es schafft, dass das ganze Rund des Deckels mit Strichen ausgefüllt ist, die jeweils ein Bier dokumentieren, der hat gewonnen und ist Deckel-König. Aber das gelingt nur wenigen – und es sei gestanden, mir ist es nie gelungen. Und Werner auch nicht.

Also, schon beim Frühstück, als der Kaffee aus der traditionellen Cowboy-Blechtasse den Kater des vergangenen Abends verscheuchte, hatte der „Herrscher“ verkündet, dass er mal ein ›kühles Frischgezaptes‹ trinken wolle. Gesagt – getan. Und zu einem Frühschoppen brauchte er seine Mannen nicht zur „Heerfolge“ aufzurufen. Kurze Zeit später saßen eben jene Mannen um einen runden Tisch im Biergarten und ließen es sich wohl sein.

Dass Willibald auch dabei war, erwähne ich hier mal nur am Rande – weil es auch im Film dokumentiert ist. Wie bekannt war Willibald das Skelett, das Werner mal gekauft hatte und immer mit dabei hatte, wenn es irgendwo rund ging – in Wallenstein war das schon bekannt. Auch, dass wir ihn grundsätzlich mit in die Kneipen nahmen, was immer für etwas Aufmerksamkeit sorgte.

Willibald, der Knochenmann, war ständig mit halb zerrissenen Western-Sachen bekleidet und trug natürlich auch einen von Werners Hüten. In dieser Runde im Biergarten vom Schwimmbad saß er ganz friedlich neben Werner und mir. Und während wir Mannersleute und alle schon die nackten Oberkörper von der Frühsommersonne küssen ließen, behielt Willibald das Hemd an. Dafür konnten wir das Bier, das er immer bekam, der Reihe rum austrinken – denn bei Willibald wäre ja alles durchgelaufen. Aber er gehörte eben dazu, war ein ›Kumpel‹ und hatte deshalb Anrecht auf ein Bier. Und wer es trank, der musste Willibald die nächste Lage ausgeben.

Unsere Mädels waren nebenan Schwimmen und natürlich schweifte der Blick in der Runde nicht nur über sich immer wieder rasch leerende Biergläser, sondern auch hinüber zum Schwimmbecken – weil Mädchen im Bikini ja ein Anblick sind, der das Männerherz erwärmt. Irgendwann wurde es den Girls dann zu kalt und sie kamen zu uns an den Biertisch. Natürlich im Bikini, es war ja schön warm. Und so konnten wir an einigen wohlgeformten, weiblichen Körpern Architektur studieren.

Jupp dagegen beobachtete vom Biertisch her einen Angler am See. Denn der Fischteich liegt unterhalb des Schwimmbades und vom Biergarten aus kann man gut beobachten, wie dort Würmern das Schwimmen beigebracht wird. Ja, und dann hatte Automatix-Jupp einen besonderen Einfall.

»Ich gehe jetzt und leihe mir einen Fisch!« erklärte er und verschwand. Nun ja, es hätte ja auch bedeuten können, dass er dorthin ging, wo schon seine Majestät, der selige Kaiser Wilhelm zu Fuß hin gegangen ist. Wenn man so ein Bierchen nach dem anderen in sich rein zieht, ist irgendwann ein solcher Gang notwendig.

Aber dann kam Jupp wieder. Und zwar, für ihn sehr ungewöhnlich, im Laufschritt. Und er hatte was in der Hand, das sich bewegte.

»Ich habe mir einen Fisch geliehen!« trompetete er schon von weitem. »Wollt ihr mal sehen, wie glitschig der ist!«

Sofort begannen unsere Girlys loszuquietschen. Ein glibberiger Fisch – in der Hand eines Spaßvogels wie Jupp ... und sie hatten ja nur ihre knappen Bikinis an. Doch bevor sie flüchten konnten, griffen Männerfäuste zu. Selbst mit einem gewissen Alkoholpegel war es noch möglich, die kreischenden Mädchen festzuhalten, als der Jupp mit dem zappelnden Fisch kam.

Ja, es muss für die Girls ein absolut ›erotisches Gefühl‹ gewesen sein, die kalten, glitschigen Schuppen des ›geliehenen Fisches‹ auf der nackten Haut zu spüren. Sie wandten sich den Griffen und ihr Quietschen kam sicherlich nicht nur durch die Berührung mit dem Fisch sondern auch daher, dass ihre zappelnden Körper auch mal versehentlich da berührt wurden, wo Mädchen besonders empfindlich sind.

Die Sache ging allerdings sicher schnell und kaum ein oder zwei Mal spürten die Girls die Schuppenhaut – dann rannte Jupp zurück und warf den Fisch zurück ins Wasser. Immerhin zappelte er noch und kam so nicht in die Bratpfanne des Anglers – es sei denn, er biss noch mal bei ihm an. Im nüchternen Zustand oder gar heute würden wir so was nicht mehr machen -  es ist echte Tierquälerei – aber damals hat keiner von uns an so was gedacht und nach fast 30 Jahren wird man in vielen Dingen reifer. Aber als ich unlängst eins der Mädchen wieder traf und ihr den alten Film auf DVD zeigte, konnte sie sich noch lebhaft an die Episode erinnern. Zumal ich der Spitzbube war, der sie damals fest hielt.

Ja, von Wallenstein werde ich im Verlauf der Teestunden noch eine ganze Reihe von Episoden erzählen. Und wenn ich den Film so ansehe, dann kommen die Erinnerungen wieder – vor allem an Werner Kurt Giesa, wie er damals war, als er die vermutlich beste Zeit seines Lebens hatte. Wer ihn in den letzten zehn Jahren gesehen hat, der wird kaum vermuten, dass jene schlanke und ranke Gestalt und der „Überschwere“, der er im Verlauf der Jahre wurde, ein und dieselbe Person sind.

Aber jetzt zur Blumenstafette. Wie ich in der letzten Teestunde schon erzählt habe, ging es darum, im Jahr 1981 einen Blumenstrauß von Bonn, der Stadt der letzten Bundesgartenschau, nach Kassel zu bringen, wo nach der Gartenschau in den 50ern im Jahr meiner Einschulung die zweite Buga stattfinden sollte. Die Idee hatte Hans Klipp und er wollte eine sportliche Leistung, dass eben die Stafette Tag und Nacht lief, um den Blumenstrauß pünktlich zu Eröffnung dem Bundespräsidenten zu überreichen.

Das war alles sehr gut gedacht – nur lag das ›Management‹ in den Händen des Vereins-Vorstandes. Wir Läufer sollten uns lediglich um unsere Kondition kümmern. Was wir ja auch taten. Drei bis vier mal die Woche wurde trainiert und das Streckenmaß waren immer 15 bis 20 Kilometer. Das sollte auch die strecke sein, die während der Stafette in schätzungsweise zwei Stunden gelaufen werden sollte. Es kam da immer drauf an, wie bergig die Strecke war. Und da waren einige ganz interessante Konditionshügel dabei.

Diesmal war ich auch im Läufer-Team – genau so wie mein Bruder Peter, der auf normalen Strecken besser lief als ich. Nur ein Jahr drauf auf der der Marathon-Strecke konnte ich ihn abhängen, weil ich eben durch meinen Körperumfang ›mehr Energie‹ mit mir rumtrage und nicht so ab Kilometer 32 die Umstellung des Körpers habe. Denn ungefähr zu diesem Zeitpunkt sind die überschüssigen Energien des Körpers verbraucht und es geht dann an die Substanz, was automatisch eine gewisse Schwächung mit sich bringt. Aber ich trug ja meine ›eiserne Reserve‹ auch damals schon ständig ›mittschiffs‹ mit mir rum - wenn damals auch noch nicht in dem Maß wie heute.

Da Peter und ich noch einen Monat vor der Stafette einen längeren Besuch bei der lieben Verwandtschaft in der englischen Grafschaft Dorset machten und die Eindrücke davon die Hintergründe für viele Zamorra- und Mitternachts-Romane bildeten, gingen auch die Laufschuhe und die Trainings-Sachen nach England mit. Und die braven Vorbilder für Tolkiens ›Auenland-Hobbits‹, die ländliche Bevölkerung von Dorset, konnten sich nicht genug wundern über zwei Läufer aus Germany, die über die grünen Hügel von Dorset hechelten, wo sie doch einen Mercedes zur Verfügung hatten. Denn dieser Wagen war dort schnell ›Auenland-Gespräch‹ geworden und die Kinder von Nettlecombe waren begeistert, wenn sie mal eine Runde um die Dörfer mitfahren konnten.

Dass dabei die Zahl der Insassen weit überschritten wurde, sieht man dort nicht so eng. Auf einer Fahrt zu einem alten Herrenhaus, das später Schauplatz eines Mitternachtsromans wurde, waren dann nicht nur Peter und zwei Frauen mit an Bord, sondern auch sieben Kinder im Alter zwischen fünf und acht Jahren. Was Peter mit seinem etwas eigentümlichen und eigentlich ziemlich britischen Humor sagen ließ: »Auf dass die Schrift erfüllt werde. Der Herr aber schickte sieben Plagen!«

Die Fahrt nach England mit einem Besuch der Steinkreise von Stonehenge und Avebury, diverser Herrenhäuser auf dem Land und der erste Besuch von London mit dem Tower, das wird mal eine extra Teestunde.

Weder Hans noch sonst einer von uns hatte sich also um die Organisation der Blumenstafette gekümmert. Und plötzlich trat ein Umstand ein, der das ganze als sportliche Leistung in unserem Sinne ad absurdum führte. Es durfte nämlich nicht nach Einbruch der Nacht gelaufen werden, weil es dann trotz Absicherung der Läufer durch Licht und Leuchtbänder keine polizeiliche Erlaubnis für die Aktion gab. Das bedeutete also, dass zwei Übernachtungen mit eingeplant werden mussten. Eine direkt in der Jugendherberge von Siegen und die zweite in der Gegend von Korbach, wobei ich den kleinen Ort leider vergessen habe – nicht jedoch, was dort ablief.

Nun ja, Hans musste die Kröte schlucken, dass aus einer sportlichen Leistung ähnlich wie dann beim Sänftetragen eine Show wurde. Gut, dass wir unseren Showmaster im weißen Anzug dabei hatten, der wie schon bei der Sänfte zu einer Art ›Minister des Fürstentums Helleb für Volksaufklärung‹ wurde, indem er mit Megaphon in den Dörfern und Städten der staunend herbeieilenden Bevölkerung erklärte, was die beiden Läufer mit dem Strauß Plastikblumen zu bedeuten hatten.

Dann natürlich war der eigentliche Blumenstrauß aus dem ehemaligen Buga-Gelände in Bonn ... ahem ... natürlich gekauft in einer Bonner Blumenhandlung ... in unsrem Touren-Bus im Wasser. Dass der Vereinsvorstand in Kassel dann einen neuen Blumenstrauß beschaffte, den der Bundes-Presi dann bekam, sei auch erwähnt. Die Original-Blumen nahm eins unserer Mädchen mit heim, die haben sich noch längere Zeit gehalten. Beim Lauf aber hatten wir einen Strauß Plastikblumen in der Hand, denn ansonsten wären sicher nach einer gewissen Zeit die Blütenblätter hinter uns her geweht als zöge die Göttin Flora über Land. 

Ja, unser Touren-Bus. Der war drei Tage so eine Art Zigeuner-Heimat für uns. Der Vereins-Vorstand hatte ihn gechartert, weil sie genug Sponsoren für das Unternehmen fanden. So liefen wir dann in verschiedenen T-Shirts für alle möglichen Firmen Reklame und hatten auch von einer Firma Laufschuhe bekommen, die wirklich noch die Treter mit den drei Steifen übertrafen, die Hans und ich damals bevorzugten.

Natürlich musste auf der Hinfahrt nach Bonn im Ort Waldbröl erst mal Station gemacht werden, der für Langstreckenläufer damals so eine Art Mekka war. Sogar Professor van Aaken, von dem es heißt, er habe die ›Jogging-Bewegung‹ ins Leben gerufen, war da. Ganz klar, dass Hans Klipp bei diesem Lauf dabei sein musste – und dass wir als die künftige Blumen-Stafette dort natürlich speziell von den Veranstaltern hervor gehoben wurden.

Nun ja, die 20 Kilometer wurden als letztes Trainings – Läufchen noch runter gespult und dann ging es weiter zu einem Ort in der Nähe von Bonn, wo wir für zwei Nächte in einer Jugendherberge unterkamen – obwohl wir alle von Alter her dieses Prädikat schon lange nicht mehr hatten. Für viele war dass in den Mehrbettzimmern mit Doppelbetten – nicht neben, sondern übereinander – wie eine Reise zurück in die Zeit, als man noch mehr oder weniger brav zur Schule ging.

Am nächsten Tag war dann großer Einsatz in Bonn. Immerhin war es ja einer der Zwecke der Aktion, für die Kassler ›Aktion für Behinderte‹ zu sammeln. Aus diesem Grund war dann auch unser bewährtes Girly-Team wieder mit von der Partie – der harte Kern dieser Girls waren sie, die später mit dem bereits erwähnten ›geliehenen Fisch‹ in Körperkontakt gekommen sind.

Natürlich hatten wir in unserem spät-jugendlichem Leichtsinn angenommen, dass jeder in Bonn über unsere Aktion Bescheid wusste und zum Marktplatz von Bonn kam, um uns zu bewundern. Aber die Leute hatten in der City von Bonn eben das zu tun, was wir heute im Neu-Deutsch oder Denglisch ›Shopping‹ nennen. Eine Sache, zu der keine Frau jemals ›zu müde‹ ist. Schon gar nicht, wenn es um Schuhe geht. Natürlich, Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel... und diese Ausnahme weiß schon ganz genau, dass sie gemeint ist... Miau, liebe Freundin und schon mal vorab Good Jul.

Also liefen wir in unseren knallroten Vereins-Trikots mit den Sammelbüchsen rum, damit wenigstens was für die behinderten Kinder in die Kasse kam. Denn von einer gewissen Lust am außergewöhnlichen Abenteuer ... und das waren all diese Aktionen ... war dies einer der Hauptgründe für die Blumenstafette. Werner war mitten dazwischen und erklärte den braven Bürgern der damaligen Bonn-deshauptstadt den Sinn, warum hier nicht nur damals im Plenarsaal des Bundestages sondern jetzt auch auf der Straße die ›Roten‹ in der Überzahl waren. Schon bei Volksläufen wurden wir wegen der knallroten Sachen die ›Roten Teufel‹ genannt.

Drei Stunden liefen wir bei Nieselregen über den Platz, während sich Werner mit dem Megaphon unter die Säulen eines Kaufhauses zurück gezogen hatte. Seine Stimme klang auch so über den Platz.. und so wurde der weiße Anzug samt Zylinder und Spazierstock geschont.

Nach den drei Stunden hatten wir noch etwas Freizeit, die Peter und ich zusammen mit Werner nutzten, uns Beethovens Geburtshaus anzusehen. Hier sind auch die Klaviere mit den Hämmerwerken zu sehen, mit denen der fast taube Beethoven die letzten akustischen Töne vernehmen konnte. Allerdings – als er die ›Neunte Sinfonie‹ schrieb, mit dem Gesang „Freude schöner Götterfunken“ im vierten Satz, da war Beethoven völlig taub. Die ganze Komposition hat er nie selbst hören können, sondern alles nur aus dem Inneren schöpfen.

Die Noten, die der alte Beethoven niederschrieb, hat er selbst nie gehört. Bei der Uraufführung der Sinfonie in Wien dirigierte Beethoven selbst... und was er nicht wusste war, dass hinter ihm ein anderer Dirigent stand, der das Orchester tatsächlich leitete. Denn mit Beethovens Taubheit wäre das schon vom Tempo her ein Fiasko geworden – von den Zeichen zu Einsatz verschiedener Instrumentengruppen ganz zu schweigen.

Der Musiker im Orchestergraben hat nämlich keine Monitor-Lautsprecher, wie bei einer Rock-Band, wo er den kompletten Sound hört, sondern immer nur den Klang seiner nächsten Umgebung. Von daher ist er unbedingt auf die Weisungen des Dirigenten angewiesen, die kaum ein Außenstehender versteht oder begreift. Man sieht den ›Maestro‹ nur mit dem Stab in der Luft herum fuchteln. Für die Musiker im Orchester aber ist das wie eine Befehlsausgabe.

Und – die Tragik eines Künstlers – am Schluss der Sinfonie stand Beethoven weiterhin dem Orchester zugewandt, während hinter ihm der Beifall los brach und sich der Kaiser von Österreich persönlich als erster erhob. Erst als eine Frau aus dem Parkett aufstand und Beethoven an den Schultern umdrehte, sah der Meister, das ihm ganze Haus mit dem Kaiser selbst stehende Ovationen gab. Doch Beethoven konnte den Beifall nur sehen – nicht hören. Das ist die Tragik eines musikalischen Genies, das vom Schicksal geschlagen wurde – und vielleicht erst dadurch fähig war, eine so gewaltige Musik wie die Neunte Sinfonie zu schreiben.

Bleibt aber noch zu sagen, dass ich persönlich von Beethovens Sinfonien der Sechsten, der Pastorale, den Vorzug gebe. Hört gelegentlich mal rein, wenn ihr wissen wollt, warum. Markante Passagen davon hört man auch oft in Werbesendungen.

Danach hatten wir dann noch alle zusammen eine Besichtigung der Bundeshauses mit dem damals noch existierenden alten Plenarsaal, wo sich noch Leute wie Konrad Adenauer, Kurt Schumacher, Carlo Schmidt und die ganze Riege der Politiker bis in die achtziger Jahre Rededuelle geliefert haben. Ein Abgeordneter nahm sich etwas Zeit für uns und so kamen wir auch in den Saal der Pressekonferenzen und in die Fraktionsräume.

Ja, das war also der erste Tag in Bonn und für uns und wenn man von dem Frust auf dem Marktplatz bei der Sammelaktion absieht, war durch die Besichtigungen unsere Stimmung schon wieder im Aufwind. Jetzt fieberten wir natürlich dem nächsten Tag entgegen. Dem Start der Blumenstafette. Es wurde sogar ein namhafter Politiker angekündigt, der uns den Startschuss geben würde.

Der kam dann auch und sein Name war bekannt … wenn auch nicht gerade durch rühmliche Dinge ... doch die waren damals schon wieder politisch gesehen Vergangenheit und allgemein vergessen.

Aber wer das war, und wie die Blumenstafette startete und verlief ... und vor allem, wie es gerade noch gelang, in der Hektik des ersten Buga-Tages die Sache einigermaßen ordentlich zum Abschluss zu bringen, damit der Bundespräsident doch noch seine Blumen bekam ... das erzähle ich nächste Woche.

Alsdann.. immer schön fröhlich bleiben ...

Kommentare  

#1 Mikail_the_Bard 2011-12-15 22:38
Zitat:
muss ich noch auf eine Bemerkung aus einem der letzten Leserbriefe zur Teestunde eingehen.
Und zwar zu dem ?geliehenen Fisch?. Asterix-Leser wissen was ich meine. Wenn sich nämlich Automatix, der Schmied des gallischen Dorfes, bei Verleihnix, dem Fischhändler, einen Fisch ?leiht?, um ihn seinen Gegnern um die Ohren zu hauen. Den einen Fisch kaufen würde der Schmied natürlich nicht.
Wer nur diese ominöse Leserbriefschreiber war? :-*

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