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Die ersten Jahre des Science Fiction Club Deutschland

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...Science Fiction Club Deutschland

1955 waren in Deutschland noch lange nicht alle Spuren des Zweiten Weltkriegs getilgt. Immer noch lagen ganze Häuserzeilen in Trümmern, lebten viele Menschen in Notunterkünften wie Baracken und Bunkern und die letzten Kriegsgefangenen waren noch in sowjetischen Lagern. Der greise Konrad Adenauer residierte als Bundeskanzler in Bonn, die westlichen Besatzungsmächte hatten sich gerade aus der Tagespolitik zurückgezogen, waren aber immer noch bestimmend für die junge Bundesrepublik.

Das LogoBei den Romanheften und Leihbüchern dominierten Western und Krimis unangefochten den Markt. Es gab aber auch Abenteuer- und Piratenromane. Fernsehen und Taschenbücher spielten nur eine untergeordnete Rolle. Engländer und Amerikaner hatten eine neue Literaturgattung mit nach Deutschland gebracht, die Science Fiction. Dahinter verbarg sich mehr als der angestaubte alte utopische Roman nach Prägung von Hans Dominik. Neben literarischen Perlen von Asimov, van Vogt und anderen, bildete die Space Opera das Kernstück der neuen Richtung. Eine Gruppe von Deutschen, die meist über Kontakte zu Amerikanern und Briten SF kennengelernt hatte, schickte sich an, unter Förderung des dynamischen Verlegers Pabel einen neuen Verein aus der Taufe zu heben: den Science Fiction Club Deutschland (SFCD). 

Dieser neue Verein, am 5.8.1955 ins Leben gerufen, war nicht einfach ein Zusammenschluss von Leuten, die SF lesen, sondern er hatte hehre, weit darüber hinaus gehende  Ziele:

"Der Verein bezweckt die kritische Auseinandersetzung mit Science Fiction, Phantastik und artverwandten Gebieten, besonders im Bereich der Literatur sowie in anderen Medien wie Film, Theater, Fernsehen, Musik und bildender Kunst, und fördert die Bildung auf diesem Gebiet durch den Zusammenschluß daran interessierter Personen. Er erstrebt die Förderung der Wissenschaften sowohl geistes-, natur-, wie auch gesellschaftswissenschaftlicher Art, die alle die Grundlagen der Science Fiction bilden, verbunden mit der Förderung einer friedlichen, humanen und toleranten Gesinnung. Hierzu dienen auch Kontakte zu gleichartigen ausländischen Vereinen. Der Gedankenaustausch der Mitglieder dient der Pflege dieser Kunst- und Literaturgattungen auf möglichst hohem Niveau."

lautet die heute gültige Beschreibung des Vereinszweckes, die sich auf der entsprechenden Internetseite findet, versehen mit dem Kommentar, dass sich das Vereinsziel im Verlauf seiner Geschichte nur relativ geringfügig verändert hat. Kann man sich vorstellen, dass ein Horror- oder Westernfanclub eine ähnlich ambitionierte Zielsetzung aufweist? Betrachten wir doch einmal drei Punkte:

Frieden und Internationale Kontaktpflege:
Vor dem Hintergrund des übersteigerten Nationalismus in der NS-Diktatur und des verlorenen Zweiten Weltkriegs war die friedliche Zusammenarbeit mit anderen Nationen ein wichtiges Ziel des Vereins, das sich ja nicht unmittelbar aus der Beschäftigung mit SF ergibt. In der Zeit in der die EU noch ein fernes Ziel war, durchaus eine politische Aussage. Demgemäß waren unter den fünf Gründungsmitgliedern auch mit Julian Parr ein ehemaliger britischer Besatzungssoldat und mit Raymund Z. Gallun ein Amerikaner vertreten. Dazu passt die Förderung einer "friedlichen, humanen, toleranten Gesinnung".

Aber: Verträgt sich so etwas mit der ausschweifenden Darstellung von Krieg im Weltraum?

Wissenschaft:
Und auch die Förderung der Wissenschaften ist eine Zielsetzung, die sich nicht unmittelbar aus der Beschäftigung mit SF ergibt. Aber schon in den 50er Jahren waren die meisten der aktiven SF-Fans am technologischen Fortschritt stark interessiert. Dies betraf natürlich in erster Linie die Raumfahrt, aber auch die neue Atomtechnologie wurde anfangs positiv aufgenommen. Kurzum der Glaube, dass der technologische  Fortschritt der Menschheit gut tut, war damals unter den Fans fast unbestritten.

Wieviel Wissenschaft ist also "Pflicht" für einen SF-Roman?

Niveau:
Bleibt noch das "hohe Niveau" der Science Fiction. Über Geschmack lässt bekanntlich vortrefflich streiten. Und wo findet man objektiv bestimmbare Kriterien dafür? Im Hintergrund bleibt auch die Frage offen, was genau macht Science Fiction aus? Und wieder, wie hoch muss der Anteil von Wissenschaft (=Science) sein? 

Unabhängig von diesen drei Fragen gab es damals aber noch weitere Konfliktpunkte grundsätzlicher Art. 

Werbung:
Der Pabel Verlag war damals auf dem Heftemarkt der absolute SF-Monopolist und versprach sich vom SFCD eine verkaufsfördernde Wirkung.  Walter Ernsting, der erste Vorsitzende, war festangestellter Mitarbeiter des Verlages. Die im SFCD organisierten Autoren wiederum hofften auf eine generelle Förderung der SF in Deutschland, um selbst besssere Absatzchancen für ihre Romane zu bekommen.

Buchclub:
Von Anfang an beschäftigte sich der Club auch mit dem Verkauf von Büchern, die zu besonders günstigen Konditionen an die Mitglieder abgeben wurden.

Lag es da nicht nahe, das Ganze in einen Buchclub zu überführen?

Fans/Profis:
Im SFCD sollten alle deutschen Fans zusammengeschlossen werden. Tatsächlich befanden sich unter den Mitgliedern Autoren, Redakteure, Übersetzer, Literaturagenten und Autoren und diese gaben auch den Ton im Verein an. Waren diese wirklich noch unter dem Begriff Fan zu führen? Und konnte ein von diesen Profis dominierter Club noch als "Fan-Club" bezeichnet werden bzw. die Interessen der eigentlichen Fans wahrnehmen?

Dazu kamen dann wie üblich auch noch persönliche Differenzen und Animositäten. Vier Personen prägten die ersten Jahre entscheidend: Walter Ernsting, Heinz Bingenheimer, Wolf Detlef Rohr und K.H. Scheer.

Beginnen wir mit dem Clubgründer Walter Ernsting. Er kam gezeichnet aus langjähriger sowjetischer Kriegsgefangenschaft und arbeitete danach für die Besatzungsmacht. Dann hatte er eine Idee und initiierte bei Pabel die Utopia Großbände. Im Gegensatz zu den schon vorhandenen Kleinbänden sollten dort nur Übersetzungen angloamerikanischer Autoren erscheinen, um so ein höheres Niveau zu erreichen. Darüber hinaus widmete er sich der Mission, alle deutschen SF-Fans in einem Club zu vereinigen, die Science Fiction Literatur einem großen Publikum bekannt zu machen und damit auch die Raumfahrt populär zu machen. Er verstand sich dabei zunächst als Fan und schrieb z.B.: "SF ist mein Hobby, aber es ist auch mein Leben. Ich lebe nicht von, sondern für SF." Dabei war er zunächst Redakteur bei Pabel, der eine SF-Reihe zusammenstellte. Dann übersetzte er und erst danach (etwa gleichzeitig mit der Clubgründung) begann er auch zu schreiben.  

Sein Stellvertreter war zunächst Heinz Bingenheimer. Dieser verdiente seinen Lebensunterhalt als Vertreter. Dazu gehörten auch Leihbücher. Bingenheimer kümmerte sich zunächst um den Buchclub, der den Mitgliedern einen Rabatt von 20 Prozent beim Bezug deutscher Romane einräumte. Beruflich, aber auch als Leiter des Buchclubs pflegte er enge Kontakte zu den Leihbuchverlagen. 1956 veröffentlichte er seinen ersten eigenen Roman.

Der dritte starke Mann war Wolf Detlef Rohr. Er gehörte in den fünfziger Jahren zu den bekanntesten Leihbuchautoren Deutschlands. Ihm hatten es besonders Kriminal- und SF-Romane angetan. Die Reihe Utopia-Kriminal des Pabel Verlages ging auf seine Initiative zurück und war ganz auf seine Werke zugeschnitten. Ausserdem betrieb er eine Buch- und Presseagentur und versorgte zum Beispiel die Reihen Luna und Terra mit Romanen. Rohr war zunächst Beisitzer und gehörte dann seit 1957 als Geschäftsführer zum Vorstand des SFCD.

Vierter im Bunde war schließlich Karl Herbert Scheer. In den fünfziger Jahren war er, wenn man alle Genres zusammennimmt, der meistgelesene deutsche Leihbuchautor. Und auch im Bereich Science Fiction war ganz vorne mit dabei. 1957 wurde er Beisitzer im SFCD.

Kommentare  

#1 G. Walt 2010-11-06 06:49
Interessant. Die Nachkriegszeit also eine Wegebnung für die phantastsiche Literatur in Deutschland.
Schöner Artikel.

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