Brauchts das? - Etwas andere Memoiren - John Irving - My Movie Business
Etwas andere Memoiren
John Irving - My Movie Business
John Irving - My Movie Business
Es ist John Irvings bisher einziges realisiertes Drehbuch. Und er selbst gibt Einblicke, warum das so ist.
Zum Kinostart von GOTTES WERK & TEUFELS BEITRAG erschien rechtzeitig ein neues Buch von John Irving mit dem verheißungsvollen Titel MY MOVIE BUSINESS. Irving, sonst ein Schreiber, der vor hohen Seitenzahlen nicht zurückschreckt, gibt mit BUSINESS ein relativ bescheidenes Werk ab. Es ist ein Ansatzpunkt, der einige Kritiker auf den Plan ruft, die das Buch als Klingelbeutel abtun, der lediglich wegen des erhofften Erfolgs des Films herumgereicht wird. Dem kann man schlecht widersprechen, weil genau das die Absicht des Verlages war. Ausgerechnet dieselben Kritiker geben zudem an, dass es kein sonderlich gutes Buch sei. Dem kann getrost widersprochen werden.
Natürlich verwirrt anfangs der Titelzusatz, BUSINESS wären Irvings Memoiren. Aber die Verwirrung rührt nur daher, dass man den Begriff Memoiren im Allgemeinen mit komplettierten Lebensgeschichten in Verbindung bringt. Der Vater von Garp und Bauherr des Hotels New Hampshire beschreibt mit BUSINESS lediglich seine Erlebnisse, Erfahrungen, Ideale und Enttäuschungen vom ersten Drehbuchentwurf bis zu den ersten Schnittfassungen von GOTTES WERK & TEUFELS BEITRAG.
Es ist ein sehr witziges Buch, das gleichzeitig sehr nachdenklich stimmt. Es ist eben ein typischer Irving, der, wenn es nicht wirklich passiert wäre, nur von ihm erfunden sein müsste. Er erzählt von den Tücken der Filmwelt, dem Für und Wider unterschiedlicher Regisseure, und er erzählt von den Befindlichkeiten seiner eigenen Person. Er hat bereits Verfilmungen anderer Romane erlebt, und mit GOTTES WERK die Möglichkeit ergriffen, selbst Einfluss auszuüben.
Irving erzählt über seine Erfahrungen sehr offen. Seine große Kunst ist es allerdings, dass er eventuellen Unmut gegenüber anderen Personen sehr charmant umschreiben kann und niemals jemandem auf die Füße tritt. Es ist auch keine Abrechnung mit dem Filmgeschäft oder den Menschen, die damit zu tun haben. Irving stellt sich in den Mittelpunkt, lässt aber jede Spur von egoistischem Gehabe vermissen. Es sind eben seine Augen, durch die der interessierte Leser dem Geschäft eines entstehenden Filmes sehr nahe kommt. Immer wieder hadert er mit seinen verschiedenen Drehbuchentwürfen. Hadert er mit den Wünschen oder Forderungen der verschiedenen Regisseure. Und manchmal zweifelt er an der Realisierung des Projekts.
Gleichzeitig nutzt Irving das Buch auch als leidenschaftliches Plädoyer für Selbstbestimmung und Abtreibung. Es ist das eigentliche Kernstück in GOTTES WERK, dass die beiden Protagonisten das Pro und Contra der selbstbestimmten Abtreibung darstellen. Oft witzig, manchmal zornig, aber auch gelegentlich ängstlich beschreibt der Autor, wie wichtig ihm nicht einfach nur das Thema selbst ist, sondern dass es in der extrem gestrafften Form einer Verfilmung auch richtig behandelt wird. Was in GOTTES WERK ausführlich behandelt wird, könnte in der Verfilmung verwässern. BUSINESS wird von Irving auch dahingehend genutzt, nochmals eindringlich und sehr eindeutig Stellung zu beziehen. Und wer an Polemik glaubt, sollte sich was schämen. Irving verdeutlicht auch faktisch, dass er über sein Anliegen bestens informiert ist. In diesen Passagen wird der Autor besonders emotional, aber nie langweilig und erst recht nicht polemisch.
MY MOVIE BUSINESS kommt einer Wundertüte gleich, in der sehr viel mehr steckt, als man zuerst vermuten möchte. Es funktioniert wie ein spannend erzählter Roman, dient als unverkünsteltes Sachbuch, ohne eventuelle Film-Laien zu verschrecken, präsentiert sich als leidenschaftliches Plädoyer und könnte in seiner Kürze den einen oder anderen Leser dazu verführen, tiefer in die geistigen Ergüsse eines John Irving vorzudringen. Viel grandioser ist allerdings, dass BUSINESS auch von Lesern genossen werden kann, die an seinen Romanen gescheitert sind.
Natürlich wäre es ergiebiger für den geneigten Leser gewesen, hätte Irving die Arbeiten an BUSINESS erst nach dem Kinostart von GOTTES WERK & TEUFELS BEITRAG und mit der Reaktion von Kritikern und Zuschauern abgeschlossen. Auf der anderen Seite ergibt sich dadurch noch eine weitere Ebene in den Ausführungen des Autors, wie er seine Befürchtungen äußert in Bezug auf Dinge, auf die er als Autor keinen Einfluss nehmen kann. Immer wieder beschwört er seine Angst vor dem Marketing des Films und seine Hoffnung auf die Gewichtung seiner Themen in der endgültigen Schnittfassung.
Wer John Irvings formulierte Ängste und Hoffnungen mit der späteren Wirklichkeit vergleicht, der versteht auch, warum MY MOVIE BUSINESS neben Eleanor Coppolas VIELLEICHT BIN ICH ZU NAH zu den besten Filmbüchern zählt. Selbst wenn es nur verlegt wurde, um am Erfolg des Films mitzuverdienen. Kommerz kann auch Gutes hervorbringen.
Gute Nacht ihr Prinzen von Maine, ihr Könige von Neu-England.
Daten zum Buch
Zum Kinostart von GOTTES WERK & TEUFELS BEITRAG erschien rechtzeitig ein neues Buch von John Irving mit dem verheißungsvollen Titel MY MOVIE BUSINESS. Irving, sonst ein Schreiber, der vor hohen Seitenzahlen nicht zurückschreckt, gibt mit BUSINESS ein relativ bescheidenes Werk ab. Es ist ein Ansatzpunkt, der einige Kritiker auf den Plan ruft, die das Buch als Klingelbeutel abtun, der lediglich wegen des erhofften Erfolgs des Films herumgereicht wird. Dem kann man schlecht widersprechen, weil genau das die Absicht des Verlages war. Ausgerechnet dieselben Kritiker geben zudem an, dass es kein sonderlich gutes Buch sei. Dem kann getrost widersprochen werden.
Natürlich verwirrt anfangs der Titelzusatz, BUSINESS wären Irvings Memoiren. Aber die Verwirrung rührt nur daher, dass man den Begriff Memoiren im Allgemeinen mit komplettierten Lebensgeschichten in Verbindung bringt. Der Vater von Garp und Bauherr des Hotels New Hampshire beschreibt mit BUSINESS lediglich seine Erlebnisse, Erfahrungen, Ideale und Enttäuschungen vom ersten Drehbuchentwurf bis zu den ersten Schnittfassungen von GOTTES WERK & TEUFELS BEITRAG.
Es ist ein sehr witziges Buch, das gleichzeitig sehr nachdenklich stimmt. Es ist eben ein typischer Irving, der, wenn es nicht wirklich passiert wäre, nur von ihm erfunden sein müsste. Er erzählt von den Tücken der Filmwelt, dem Für und Wider unterschiedlicher Regisseure, und er erzählt von den Befindlichkeiten seiner eigenen Person. Er hat bereits Verfilmungen anderer Romane erlebt, und mit GOTTES WERK die Möglichkeit ergriffen, selbst Einfluss auszuüben.
Irving erzählt über seine Erfahrungen sehr offen. Seine große Kunst ist es allerdings, dass er eventuellen Unmut gegenüber anderen Personen sehr charmant umschreiben kann und niemals jemandem auf die Füße tritt. Es ist auch keine Abrechnung mit dem Filmgeschäft oder den Menschen, die damit zu tun haben. Irving stellt sich in den Mittelpunkt, lässt aber jede Spur von egoistischem Gehabe vermissen. Es sind eben seine Augen, durch die der interessierte Leser dem Geschäft eines entstehenden Filmes sehr nahe kommt. Immer wieder hadert er mit seinen verschiedenen Drehbuchentwürfen. Hadert er mit den Wünschen oder Forderungen der verschiedenen Regisseure. Und manchmal zweifelt er an der Realisierung des Projekts.
Gleichzeitig nutzt Irving das Buch auch als leidenschaftliches Plädoyer für Selbstbestimmung und Abtreibung. Es ist das eigentliche Kernstück in GOTTES WERK, dass die beiden Protagonisten das Pro und Contra der selbstbestimmten Abtreibung darstellen. Oft witzig, manchmal zornig, aber auch gelegentlich ängstlich beschreibt der Autor, wie wichtig ihm nicht einfach nur das Thema selbst ist, sondern dass es in der extrem gestrafften Form einer Verfilmung auch richtig behandelt wird. Was in GOTTES WERK ausführlich behandelt wird, könnte in der Verfilmung verwässern. BUSINESS wird von Irving auch dahingehend genutzt, nochmals eindringlich und sehr eindeutig Stellung zu beziehen. Und wer an Polemik glaubt, sollte sich was schämen. Irving verdeutlicht auch faktisch, dass er über sein Anliegen bestens informiert ist. In diesen Passagen wird der Autor besonders emotional, aber nie langweilig und erst recht nicht polemisch.
MY MOVIE BUSINESS kommt einer Wundertüte gleich, in der sehr viel mehr steckt, als man zuerst vermuten möchte. Es funktioniert wie ein spannend erzählter Roman, dient als unverkünsteltes Sachbuch, ohne eventuelle Film-Laien zu verschrecken, präsentiert sich als leidenschaftliches Plädoyer und könnte in seiner Kürze den einen oder anderen Leser dazu verführen, tiefer in die geistigen Ergüsse eines John Irving vorzudringen. Viel grandioser ist allerdings, dass BUSINESS auch von Lesern genossen werden kann, die an seinen Romanen gescheitert sind.
Natürlich wäre es ergiebiger für den geneigten Leser gewesen, hätte Irving die Arbeiten an BUSINESS erst nach dem Kinostart von GOTTES WERK & TEUFELS BEITRAG und mit der Reaktion von Kritikern und Zuschauern abgeschlossen. Auf der anderen Seite ergibt sich dadurch noch eine weitere Ebene in den Ausführungen des Autors, wie er seine Befürchtungen äußert in Bezug auf Dinge, auf die er als Autor keinen Einfluss nehmen kann. Immer wieder beschwört er seine Angst vor dem Marketing des Films und seine Hoffnung auf die Gewichtung seiner Themen in der endgültigen Schnittfassung.
Wer John Irvings formulierte Ängste und Hoffnungen mit der späteren Wirklichkeit vergleicht, der versteht auch, warum MY MOVIE BUSINESS neben Eleanor Coppolas VIELLEICHT BIN ICH ZU NAH zu den besten Filmbüchern zählt. Selbst wenn es nur verlegt wurde, um am Erfolg des Films mitzuverdienen. Kommerz kann auch Gutes hervorbringen.
Gute Nacht ihr Prinzen von Maine, ihr Könige von Neu-England.
Daten zum Buch
Kommentare
Ich muss zugeben, das mir BIS ICH DICH FINDE viel
zu anstrengend wurde, und es eines der ganz wenigen
Bücher war, die ich nicht zuende gelesen habe. Doch
bei DIE VIERTE HAND habe ich Tränen gelacht. Ein
wahnsinnig intelligentes Buch. OWEN MEANY habe ich
mir als nächstes vorgenommen.
Das mit den von dir angesprochenen Charakterisierungen
kommt eben bei MY MOVIE BUSINESS sehr gut heraus.
Man liesst immer ein Stück Verzweiflung mit heraus, weil
er fürchtete, Regisseur oder Studio würden seine Figuren
ändern wollen.
Garp und das Hotel New Hampshire waren passabel, aber eigentlich sind Irvings Bücher zu ausufernd und breit angelegt, als daß 120 Minuten Verfilmung ausreichten, um Atmosphäre und Charaktersierung auch nur annähernd zu erreichen - eine Fernsehverfilmung in Miniserienformat wäre da weit angemessener (und ich bin auch wirklich dankbar, daß man Martins A GAME OF THRONES nicht in 120 Minuten quetscht, sondern eine feiner HBO-Serie daraus macht)
S C H E I S S E ! Simon Birch habe ich ja total vergessen.
War aber ein prima Film. Kann ich mich wenigstens auf das
Buch umso mehr freuen.
Bei WITWE FÜR EIN JAHR ging man geschickter vor und
wählte für die Verfilmung nur das letzte Drittel des Romans,
das Ergebnis war ein sehr ansehnlicher DOOR IN THE FLOOR.
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auch Garp war nicht schlecht. Dann hörts aber auch schon auf.
"Simon Birch" soll ja keine offizielle Verfilmung, sondern nur "inspiriert" nach der Vorlage entstanden sein...
"Gottes Werk und Teufels Beitrag" ist und war immer mein Lieblingsroman von Irving. Den Film habe ich nach einer halben Stunde ausgemacht und ganz schnell vergessen.