Wortmagie in der »Schwangeren Auster«
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»Schwangeren Auster«
Sergej Lukianenko liest und antwortet
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Bei dem aus Kasachstan stammenden Autoren denkt man in Deutschland eher an den mehr düstern »Wächter der Nacht« und seine Folgebände, denn an Jugendbücher. Dabei hat Lukianenko schon 2007 den internationalen Buchpreis CORINE für das beste Jugendbuch für »Das Schlangenschwert« erhalten.
So heben sich auch nur sehr wenige Schülerhände, als die Moderatorin zu Beginn der Veranstaltung fragt, wer denn schon mal ein Buch von Sergej Lukianenko gelesen hat. Auf die Frage, wer schon mal in Kasachstan war, melden sich mehr. Gut 850 Schüler sind im Auditorium, das hat zwar eigentlich Platz für 1000 Leute, aber die 7-9 Klässler und die begleitenden Lehrer füllen es schon gut aus. Flöhe hüten ist sicherlich leichter, aber die muntere Bande machte durchaus einen neugierig-gespannten Eindruck und begrüßte Lukianenko mit einem kräftigen Applaus. Davon kriegen auch die Übersetzerin des Buches, Christiane Pöhlmann und der Sprecher der Hörbuchversion, Stefan Kaminski was ab.
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Auch im Multikulti Berlin hat sicherlich nur ein Bruchteil der Anwesenden den russischen Text verstanden, aber dafür ist dann auch Stefan Kaminski da, nun trägt er das erste Kapitel auf deutsch vor. Ein gelungener Einstieg in die Geschichte, denn dem Helden Trix Solier (14) wiederfährt etwas, das jeder nachvollziehen kann, der schon einmal in der Pubertät war: Er steht vorm Spiegel und hadert mit seinem Aussehen.
Dafür ihm bleibt im Buch allerdings nicht viel Zeit, denn das Co-Herzogtum, dessen Erbe er ist, wird überfallen. Nun Elternlos und gerade mal mit dem Leben davongekommen, schwört Trix Rache. Aber es ist nicht leicht, sich in der Welt zurechtzufinden, auch - oder gerade weil - er als Lehrling beim großen Magier Sauerampfer landet.
In der zweiten Leseprobe findet der konsternierte Meister bei der Rückkehr von einem sehr anstrengenden Magierkongress nicht nur seinen Lehrling vor, sondern auch ein paar Gefährten, die sich dieser aufgesammelt hat. Das ist jetzt die Gelegenheit für Kaminski sein stimmliches Wandlungstalent zu zeigen: Vom verkaterten Zauberer bis zur sirrenden Fee. Das ist ein leichtes für einen Schauspieler, auch schon mal auf der Bühne in der Walküre alle Rollen auf die Bretter legt. Nun ist es Sergej Lukianenko der wohl kaum ein Wort versteht, aber parallel in seinem Buch lesend verfolgt er den Vortrag und ist von der stimmlichen Personifizierung seiner Figuren wohl deutlich beeindruckt.
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Ob das nicht schwierig zu übersetzen sei, wird nun Frau Pöhlmann direkt gefragt. Nicht alles ließe sich wörtlich übersetzen, da müsse sie sich schon was ausdenken. Aber wenn das Buch gut ist und auch Humor hat macht es das einfacher. Alle Bücher von Herr Lukianenko wären vom Stil her etwas anders, das würde es auch spannender machen.
Wie witzig ist die russische Literatur, will man noch wissen und wie viel Humor denn die Fantasy vertrage? Es gibt da wohl sehr viel, aber sie ist schwer zu übersetzten. (Da dürfen wir wohl froh sein, das es mit Frau Pöhlmann eine Übersetzerin gibt, die sich gut auf den Autor Lukianenko versteht.) Und, so ist die Meinung von Lukianenko: Jedes Buch braucht eine Priese Humor!
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Kaminski packt nun richtig aus, wieder hat jeder Beteiligte seine eigene Stimme. Was man ja im Hörbuch nicht mitkriegt, ist die herrliche Mimik. Wie knautschfähig das Gesicht ist, wie sich die Brauen heben und das Kinn vorstreckt um Akzente zu setzen. Oder die Hände als Feenflügelchen zum Einsatz kommen. Besonders köstlich sind schnelle Wechsel zwischen dem bösen Vitamancer und der bssssst Fee Annette. Und die Kinder sind voll dabei, nach einem lautmalerischen 'plopp' von Kaminski gibt es viele kleine Echos im Publikum.
Auch wenn das junge Publikum nun etwas unruhiger ist und für die Moderatorin ein wenig schwerer zu bändigen, auch für die zweite Runde gibt es noch genug Fragen. Einfache Fragen, wie die nach der Familie (er hat eine Frau, zwei Söhne und zwei Hunde), wann er sein erstes Buch geschrieben habe (mit 18, herausgekommen ist das erste als er 21 war) und wie viele Bücher er überhaupt schon geschrieben hat (25).
Aber auch kniffeligere Fragen kommen: Ob er denn Vorbilder habe, denen er beim schreiben nacheifere. Nun, zu Beginn seiner Karriere schon, aber inzwischen würden andere ihn nachmachen. Und hat er einen Trick, wenn er keine Ideen mehr hat, es mit dem Schreiben nicht mehr weiter geht? In einer echten Schaffenskrise, verrät Lukianenko verschmitzt, könnte es sein, das er es einfach bleiben lasse und dann in den Garten gehe oder am Computer spiele. Der Tipp gefällt dem jungen Publikum, sicherlich denken sie daran, ihn auch auszuprobieren. Aber dann fügte der Autor ernsthafter hinzu, dass er sich meist hinsetze und weiterarbeite, bis die Geschichte weitergeht. Um sich zu entspannen kocht er auch und, so verrät er schmunzelnd, wie man vielleicht sähe, isst er auch gerne.
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Auch wenn es noch einige Fragen gab, wie die Rangelei um die Saalmikrophone zeigte: Die Veranstaltung war nun zu Ende, wie bei aller Begeisterung auch die Fähigkeit der Schüler stillzusitzen
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Eines ist sicher: Sollte man in einem Jahr die Frage vom Anfang, wer schon mal ein Buch von Sergej Lukianenko gelesen hat, wiederholen, dann werden sicherlich viel mehr die Hände heben.