Early Sketches From Middle Earth…

Early Sketches From Middle Earth…
Bo Hansson Musik zum Herrn der Ringe

Im Jahre 1969, als die Uhren der Welt, speziell jene Skandinaviens noch etwas anders tickten, trug es sich zu, dass zwei junge Schweden sich zwecks musikalischen Schaffens in ein Sommerhäuschen auf eine Stockholm vor gelagerte Insel zurück zogen, wo sie den kompletten Herbst und Winter 1969 hinweg Tolkiens Werk lasen und auf Schwedens erstem (und damals einzigen) 8-Spur-Rekorder, den sie sich eigens dafür ausgeliehen hatten, die Musik dazu komponierten und aufnahmen.

Der eine war Anders Lind, dessen Häuschen es war, das da ein halbes Jahr lang musisches Umfeld war. Er war der Aufnahmeleiter und Tontechniker des Projekts.

Der andere, der die Musik komponierte, arrangierte und die meisten Instrumente selbst einspielte, war der 1943 in Göteborg geborene Bo Hansson.

Gelegentlich verirrten sich Freunde und Bekannte der beiden hinzu. So etwa Rune Carlsson am Schlagzeug, Gunnar Bergsten am Saxophon, Sten Bergman an der Flöte und weitere anonym verbliebene Musiker, die an "Sagan om ringen" (schwedischer Titel von "Der Herr der Ringe"), wie das Projekt bei dessen Veröffentlichung 1970 schlicht genannt wurde, ebenfalls mitwirkten.

Gleich bei Veröffentlichung gelang der Platte (primär in Europa ab 1972, etwa die Deutschland-Version von Charisma) ein Achtungserfolg, spätestens durch eine mit neuesten technischen Mitteln durchgeführten Remastered-Edition 1988 folgte dann der weltweite Erfolg.

Seit den Siebzigern war das Album beinahe durchgehend erhältlich, manchmal vielleicht temporär vergriffen. Seit den Erfolgen der Film-Trilogie von Peter Jackson und der Filmmusik dazu ist interessanterweise auch das viel ältere Konzeptalbum Bo Hanssons wieder problemlos erhältlich.

Zu diesem Artikel liegt mir die 2002 erschiene CD-Version vor. (Silence Records AB/Virgin Records Ltd.)

Tracks:

1      03:30        Leaving Shire
2      03:43        The Old Forest & Tom Bombadil
3      02:31        Fog on the Barrow-Downs
4      04:07        The Black Riders & Flight to the Ford
5      04:42        At the House of Elrond & The Ring goes South
6      01:12        A Journey in the Dark

---------------------------------------------------------------------------(Ende LP Seite 1)
7      04:00        Lothlorien
8      00:50        ShadowFax
9      04:00        The Horns of Rohan & The Battle of the Pelennor Fields
10     01:58        Dreams in the House of Healing
11     02:56        Homeward Bound & The Scouring of the Shire
12     05:07        The Grey Havens

--------------------------------------------------------------------------(Ende LP Seite 2)
13     08:50        Early Sketches From Middle Earth (CD-Bonustrack)

Die CD-Version bringt als Bonus gegenüber der LP-Edition einen 13. Track, satte 08:50 lang, mit Titel "Early Sketches from Middle Earth". Dieser Track bringt Teile aus der Anfangszeit des Projekts, teils mit anderem Tempo und Rhythmus, teils gänzlich anders orchestriert. Teils wirken diese frühen Aufnahmen psychedelischer als die endgültigen, manchmal auch kitschiger, etwa durch Möwenkreischen bei den Grauen Anfurten. Anderes wie etwa geisterhafte Elfenstimmen in Lothlorien klingt so wunderbar, dass man sich das auch in der Endversion gewünscht hätte.

Größter Vorwurf, den man diesem Akkustikalbum machen kann, ist sicherlich die enttäuschende Laufzeit von 38:43 (ohne Bonustrack). Zwar muss man hierbei die Gegebenheiten eines kleinen schwedischen Plattenlabels 1970 berücksichtigen, dennoch kann somit jegliche Selektion bezüglich welche Passagen man nun vertonen möchte und welche nicht nichts anderes sein als Wilkür. Somit auch Ansichts- und Geschmacksache.

Bo Hansson entschied sich dafür, etwa die Hälfte der Laufzeit auf Themen des ersten Bands der Trilogie zu beschränken, wodurch beim Hören im Vergleich die Themen der anderen beiden Bände viel zu lückenhaft abgehandelt erscheinen.

Die Instrumentation ist Kind ihrer Zeit. Da gibt es ansatzweise psychedelische (Hammond)Orgeln all überall, galoppierende Bässe, zweckentfremdete elektrische Gitarren, teils auch Flöten und äußerst vielfältig ausgestattete Perkussion. Hansson und Kollegen legten hiermit ein Konzeptalbum vor, dass deren Wurzeln im Progressiv Rock nicht Verleugnen kann.

Programmatisch am gelungensten finde ich neben dem düster-unheimlichen Track 6 (A Journey in the Dark) auch Gandalfs Ritt um Verstärkung in Track 8 (Shadowfax), der aber leider mit nur 0:50 auch kürzester Track des Albums ist und sich eigentlich nur als Einleitung für den nächsten Track versteht.

Auch Track 4 (Frodos Flucht zur Furt) ist hervorragend panisch-peitschend umgesetzt.

Der Rest versteht es sehr gut, atmosphärisch passend Musik zur Handlung zu machen.

Einzig mit Track 7 (Lothlorien) bin ich persönlich nicht zufrieden, da ich mit Lothlorien offenbar ganz andere Eindrücke und Atmosphäre verbinde, als Hansson das getan hat.

Mit dem abschließenden und längsten Track des Albums, The Grey Havens, verlässt der Zuhörer das Albums und Tolkiens Welt. Das Thema und die Meeresbrandung am Abschluss entwickeln eine befriedende, hypnotische Wirkung auf den Zuhörer, womit auch dieser letzte Track ein weiteres Highlight darstellt.

Persönlich habe ich die Platte (noch auf LP) irgendwann 1988 oder 1989 für mich entdeckt, und vielleicht auch deshalb bin ich mit der Musik in Jacksons Filmen überhaupt nicht zufrieden gewesen, so gekonnt jene eigentlich komponiert gewesen sein mochte.

Auf Amazon lässt sich in alle Tracks zumindest kurz reinhören, wenn auch in grottiger Soundqualität. Auf der Seite des Komponisten, die weiter unten verlinkt ist, gibt es zwei ganze Tracks (1 & 7) zum Anhören.    

Fazit:
Für HdR-Fans, Freunde der Programmmusik und jeden Liebhaber von Konzeptalben ein Pflichtkauf. Andere sollten vorher reinhören.

38:43 (LP-Version)
47:33 (CD-Version inklusive Bonustrack)

Weiterführende Links:

http://www.silence.se/bohansson/
http://de.wikipedia.org/wiki/Bo_Hansson
http://www.amazon.de/Lord-Rings-Bo-Hansson/dp/B00005YUBE/
http://sv.wikipedia.org/wiki/Sagan_om_Ringen_%28musikalbum%29

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