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Amazing Pulps – der optische Aspekt - Teil 1: Pulpcover – ein Überblick

Amazing PulpsDer optische Aspekt Teil 1
Pulpcover  – ein Überblick

Meist rede ich ja hier über Texte. Doch was ist eigentlich mit der reißerischen optischen Seite der Pulp-Hefte?

Die meisten waren illustriert - und das nicht nur außen.

Eine kleine Reihe über die Bilderwelt der Pulps

PulpcoverDass in Deutschland der Heftroman so populär ist und das Pulpheft es nie wurde, ist ein Rätsel, das sich wohl nie ganz lösen läßt. Und dass der deutsche Heftroman sich von 1905 bis 2005 so erfolgreich in seiner klassischen Form in Deutschland gehalten hat, ist erstaunlich. Letztendlich hat sich die Grundidee der ersten Jahrhundertwende – eine (halbwegs) abgeschossene Geschichte auf 64 doppelspaltigen Seiten, keine Illustrationen, ein grellbunter Umschlag drumherum, als Erfolgsmodel etabliert.

Deswegen hält sich hierzulande aber auch hartnäckig das Vorurteil, Pulp-Magazine und Heftromane hätten irgendwas gemeinsam. Natürlich sind sie beide Bestandteil der Unterhaltungsliteratur, aber das wars auch schon. Erst neulich sagte mir wieder ein Literaturexperte bei einem Essen: 

„Pulps, das sind doch diese amerikanischen Groschenhefte...“

Sind sie nicht. Amerikanische Groschenhefte heißen Dime Novels und sind tatsächlich genauso aufgebaut wie unsere Heftromane. Die Pulps stehen der Illustrierten und dem Comic näher.

Auf die inhaltlichen Unterschiede bin ich schon eingegangen (Pulps immer mindestens drei Geschichten, oft mehrere Fortsetzungsromane in einem Heft, meist mit Editorial und oft mit  Leserbriefspalten, es gibt Features wie Vorstellung der Autoren, etc.). Aber noch eklatanter als der inhaltliche Unterschied ist der optische. Pulps waren reich illustriert. Nicht so üppig wie ihre grellbunten und teureren Konkurrenten, die Slicks, doch immerhin so opulent, dass hierfür über 50 Jahre hinweg Legionen von Zeichnern tätig waren. Manche Pulps haben ihre Experimente mit der Illustration sehr weit getrieben, qualitativ und quantitativ. Sogar Versuche, Pulp und Comic zu verbinden, gab es.

In dieser kleinen Reihe will ich auf diese optischen Besonderheiten eingehen.

PulpcoverI
Die ersten Pulp-Hefte waren noch nicht illustriert und die Cover sehr unspektakulär. Das ist auch kein Wunder, denn zunächst verstand sich die Pulp-Bewegung ja auch als konzentrierte literarische Abgrenzung zu den leicht verdaulichen überbebildeterten Illus, die wohl damals genauso bei Zahnärzten und Frisören herumlagen wie heute und eher zum flüchtigen Durchblättern einluden. Um 1900 entstand das Bedürfnis, Zeitschriften zu gründen, die fast ausschließlich Stories brachten Ablenkung durch Bilder war nicht erwünscht (zumal man auch billig produzieren wollte.) Lustigerweise war man sich an den extremen Rändern der jungen Literatur-Bewegung um 1900 schon wieder einig. Elitäre Intelligenz und hemdsärmelige Spannungsliteraten präferierten  ähnliche Abgrenzungstragegien zum unverbindlichen Allerweltsmagazin. Ein berühmtes Beispiel ist das avantgardistische Literaturmagazin „The smart set“ , das in Distanz zu den üppigen Illustrierten mit ihren immer wechselnden Covern jeden Monat immer wieder dasselbe Liebespaar abbildete, jahrelang. Und damit der offensiven Un-Seriosität der Pulps in der Aufmachung sehr nahekam.

Die ersten Pulps, die beim Munsey-Konzern entstanden, der über das älteste illustrierte Massenblatt Amerikas verfügte (Munsey's Magazine) setzten sich noch radikaler vom Geist der Illustrierten ab. Argosy erschien zunächst ab Hebst 1896 in wenig ansprechendem Quittegelb ohne Bild. Bald kam ein roter Kreis oder ein rotes Quadrat im Hintergrund hinzu. Das wars.

Das erste echte Argosy-Pulp-Cover erschien erst im Oktober 1905 und war wenig spektakulär, es zeigte einen Indianer im Boot mit Flinte und unterschied sich überhaupt nicht von den üblichen Dime-Novel-Covern.

PulpcoverDas erste Pulp-Magazin mit wirklich typisch reißerischen Covern war All Story weekly, es kam auch vom  Munsey-Konzern, ein Argosy-Schwesterblatt, das ab 1905 erschien und für ein abenteuerlustigeres Publikum gedacht war. „All-Story“ ist heute extrem gesucht bei Sammlern, weil dieses Magazin, das bis 1920 existierte, eine Hochburg der phantastischen Erzählung war – hier wurde die frühe amerikanische SF ebenso aus der Taufe gehoben wie die frühe US-Fantasy. Die Cover waren entsprechend grell und phantasievoll, und hier, in diesem Magazin, entstanden auch die ersten ikonenhaften Kult-Umschlag-Illustrationen – etwa die vom Oktober 1912 mit dem ersten Tarzan-Cover. Die Popularität All Story war wohl ausschlaggebend für die weitere typische Entwicklung der Pulps.

In den 1910er Jahren sollten dann die ersten Genre-Pulps entstehen, die natürlich auch versuchten, sich auf dem Markt von anderen Heften abzugrenzen. Zwischen 1911 und 1920 hatte sich ein typischer Pulp-Cover-Stil herausgebildet, der richtungsweisend war für die nächsten „Goldenen Zwanzig Jahre“ der Pulp Fiktion 1922-42. Den Ton gaben vor allem die drei Genres an, die sich zuerst herausgebildet hatten: Die Krimis, die Abenteuer-Hefte und die Love-Pulps. Die Love-Pulps sind ein Kapitel für sich.

PulpcoverDoch grade bei den andern beiden Heften zeigte sich bald ein Hang zum Grellen, Unheimlichen, Phantastischen. So lockte das legendäre Heft „The black mask“ viele Leser schnell mit brutalen, gespenstischen und exotischen Motiven. Bezeichnenderweise zeigt schon eine der ersten Ausgaben von 1920 eins der später so beliebten schockierenden Torture-Cover – eine an den Händen gefesselte Frau wird im Gesicht gebrandmarkt.

Der grelle Torture-Look, den viele heute oft mit Pulps übelster Art gleichsetzen, war tatsächlich recht populär, sogar vergleichsweise edle und literarisch hochwertigere Magazine wie „Weird Tales“ waren sich für dezente BDSM-Szenarien hin und wieder nicht zu schade. Doch es ging auch anders. Zeitschriften wie „Adventure“ brachten in diesen Jahren oft einfalls- abwechslungsreiche Cover auf den Markt, die erfreulich variierten. Von reinen Schattenrissen und zweifarbigen Schemen-Zeichnungen bis zu wilden Action-Szenen war alles möglich. Manchmal gabs auch gar kein Cover, sondern nur Schriftzüge, wie einst in frühen Tagen bei Argosy.

PulpcoverII
Doch der wilde Konkurrenzkampf, der in den 30ern um den Markt ausbrach, beendete bald alle solche Zurückhaltung. Bis zum Ende der Pulps in den 50ern gab es nur wenige Magazine, die nicht auf Grelles, Groteskes, Reißerisches setzen. Wie wir heute aus diversen Interviews mit Pulp-Herausgebern wissen, steckten die meisten Verlage einen gewaltigen Etat in die Cover, der auch gern mal den Autoren-Etat übertreffen konnte. Ziel war, mit dem Deckblatt sofort ins Auge zu fallen am „Newsstand“. Dabei ergab sich ein interessanter Effekt – grade die grellsten und beunruhigendsten dieser Cover, oft zu sehen auf den populären Hero-Pulps Mitte der Dreißiger, sollten in ihrer Ikonogaphie zu unmittelbaren Vorbildern für die Comics werden, besonders für die mit Superhero-Themen.

Das berühmteste Bespiel ist Spiderman. Der Erfinder Stan Lee ließ sich umittelbar von den Covern zur Pulp-Heftserie „The Spider“ beeinflussen, obwohl beide Figuren außer dem Namen nichts gemeinsam haben. Der junge Stan Lee war hingerissen von den luriden Bildern vom Rächer mit dem „Spider-Ring“: „It send goose pimpels up and down my ten-year-old spine“ [es jagte mir eine Gänsehaut über mein zehnjähriges Rückgrat], bekannte er.  Auch der Name gefiel ihm, und so verwendete er ihn noch einmal.

PulpcoverDie Cover der apokalyptischen Serie „Operator # 5“ (1934-39, nach Beginn des 2. Weltkriegs verständlicherweise abgebrochen) über ein Amerika im Zukunftskrieg gegen Außerirdische, irre Superhirne und vor allem den ominösen „scharlachroten Kaiser“, eine schwachsinnige Mischung aus Hitler, dem japanischen Monarchen und Stalin, prägte die optische Sicht auf dystopische Phantasien für Jahrzehnte. Und die Umschlagbilder zum Hero-Magazin „The Shadow“ prägen bis heute unsere Vorstellungen vom Hard-boiled-Crime-Adventure; vermischt mit diversen Humphrey-Bogart-Filmen ergeben sie ein typisches ikonenhaftes Bild der 30er Jahre, das wir heute mit dieser Literatur assoziieren, und das natürlich auch die aufkommenden Comics prägte. Vor allem waren es die kantigen Kinne der Helden und die oft frappierend genialen Licht-Schatten-Wirkungen, die die Comics später übernahmen.

PulpcoverEine interessante Rolle spielten Frauen auf  den Covern. Zunächst vor allem zum Opfer stilisiert, das sich in tausenderlei Variationen in rasselnden Ketten, Krallen von Monstern, räudigen Mexikanern oder fiesen Gangstern windet, kommt parallel dazu die Femme Fatale auf, die sich allmählich mit rasanter Geschwindigkeit zur positiven Heroine wandelt.

Es ist der Pulp-Kultur zu verdanken, dass sich hier erstmals in der Zeitschriftenlandschaft, unter dem Jammergeschrei des „gehobenen“ Feuilletons und der Moralwächter, eine optische Emanzipation der Frau im Cover-Bild vollzieht, dem die restliche Magazin-Welt dann mühsam hinterherklappert, wie die Büchsen an einem Auto mit frisch Vermählten. Besonders ein Magazin lieferte hier Bemerkenswertes: Planet Stories. Zu den legendärsten und damals verhaßtesten, heute geliebtesten Covern gehört das vom März 1951, wo eine schwarze Amazone scheinbar den Leser direkt mit einer Streitaxt zu enthaupten droht, während der Held - mickrig im Hintergrund - eher unspektakulär in einem Monster herumstochert. Die Verkehrung der Rollen ist hier radikal vollzogen. (kein Wunder, das Cover  illustriert ja auch eine Geschichte der wunderbaren Autorin Leigh Brackett.)

PulpcoverAuch das erfolgreichste Pulp-Magazin der amerikanischen Geschichte, eine Western-Story-Zeitschrift für Frauen, „Ranch Romances“ brachte nicht immer, aber regelmäßig selbstbewußte weibliche Cowboys auf die Titelseite, die wilde Pferde zähmten oder kühn das Lasso schwangen.

PulpcoverIII
Während des langen Todeskampfs der Pulps ab 1953 verlor sich der einstige grelle Charme, die Bilder wurden wieder zahmer, konventioneller, und vor allem mussten die Magazine jetzt mit den Comics konkurrieren, deren Cover sich im Grunde kaum von denen der Pulps unterschieden. Bis heute ist es schwer, rein äußerlich einen Krimi-Pulp der 50er von einem Krimi-Comic dieser Zeit zu unterscheiden.

Dennoch gab es späte Versuche, den Appeal des Pulp-Covers zu reanimieren – das Blatt „Imagination“ habe ich letzten Teil der Amazing-Reihe schon erwähnt, und dann ist da ein erfreulich trashiges Magazin, das noch einmal herrlich bescheuerte Cover fabriziert, die fast schon eine Parodie aufs Genre sind: Super Science Fiction (1956-59).
Pulpcover
SSF präsentiert in seiner kurzen Lebenszeit noch einmal in voller Pracht den umstrittensten und wohl auch bekanntesten Helden des Pulp-Covers: The Bug-eyed Monster (das glubschäugige Monster), von Pulp-Fans in den 30er und 40er Jahren auch liebevoll (oder hasserfüllt) als THE BEM tituliert. Irgendein SF-Leser hatte die Bezeichnung in einem Leserbrief aufgebracht, und seitdem wurde das BEM zum stehenden Begriff und zum Symbol für eine bestimmte Art des trashigen Pulps-Horrors.

Der Begriff steht für die vielen, vielen, meist großäugigen Abscheulichkeiten, die seit etwa 1925 oft die Cover der SF- und Horrormagazine zierten. Meistens haben sie auch Tentakel. Ich behaupte mal – auch diese Viecher haben sich erfolgreich zu den Nachbarn, den Comics, durchgewunden und durchgefressen.

Nächste Folgen:
Teil 2: Pulpcover II – Die großen Zeichner
Teil 3: Interior Art – die Innen-Illustrationen
Teil 4: Zwischen Pulp und Hochglanz - Die Sonderform der Slicks
Teil 5: Experimente. Blue book, Spicies, True-Story-Pulps
Teil 6: Fußpilz und gesunde Zigaretten. Die bizarre Welt der Pulp-Werbung

Kommentare  

#1 Heiko Langhans 2017-07-24 09:52
Dass die Pulps und die Comics Ähnlichkeiten in der äußeren Aufmachung aufwiesen, liegt vielleicht auch daran, dass einige der bekannteren Coverzeichner (zB Norm Saunders) für beide Formen tätig waren.
#2 Matzekaether 2017-07-25 15:45
Ja, stimmt. Und auch bei den Autoren war es ja so - Pulp-Writer wie Frank Belknap Long entwarfen später Comic-Storys.

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