Artist of the Day: Syntese aus Material und Technik - Patrick Woodroffe
Syntese aus Material und Technik
Patrick Woodroffe
Leben und Werdegang:
Patrick Woodroffe wurde am 27.10.1940 in Halifax, Großbritannien geboren. Er studierte Sprachen an der Universität in Leeds und machte seinen Abschluß im Jahre 1964 (Deutsch und Französisch). In diesem Jahr heiratete er auch seine große Jugendliebe Jean. Seit seiner Kindheit war er schon künstlerisch tätig, zeichnete und malte gerne. Eine erste kleine Ausstellung mit Zeichnungen von ihm gab es im Jahre 1966 im Institute of contemporary Arts in London. Die Kunst übte der begabte Woodroffe nur in seiner Freizeit aus, hauptberuflich war er als Lehrer tätig. Das sollte sich erst 1972 ändern. Evan Anthony, ein Kunstkritiker organisierte eine Ausstellung mit Woodroffes Arbeiten in seiner Covent Garden-Galerie, die ein großer Erfolg war: der Künstler verkaufte eine große Anzahl an Gemälden, sowie mehrere hundert Radierungen!
Woodroffe machte sich einen Namen und bekam schließlich seine ersten Aufträge für Buchumschläge. Sein erstes Cover war für Frederik Pohl´s Day Million, erschienen im Pan-Verlag. Viele weitere Aufträge folgten, und Woodroffe konnte schließlich seinen Lehrer-Beruf an den Nagel hängen. Kurze Zeit später wurde auch die Musikindustrie auf den vielseitigen Künstler aufmerksam: Ian Murray von Polydor gab ihm den Auftrag, ein Cover für die inzwischen völlig vergessene Band Ross zu malen. Zeit dafür hatte er satte 3 Tage! Weitere Plattencover folgten, unter anderem für Judas Priest, Budgie, Mike Batt, etc.
1979 schließlich schuf er sein Meisterwerk: The Pentateuch of the Cosmogony, ein reich bebildertes, 50-seitiges Werk, dem 2 Vinyl-Schallplatten des britischen Musikers Dave Greenslade beigefügt waren. Mit diesem Werk werde ich mich ausführlich in einem eigenen Artikel beschäftigen.
Weitere Kunstprojekte folgten, z.B. Skulpturen und Objekte. In den Neunzigern gestaltete er die Fassade eines Turms des Chateau de Gruyères, einem früheren Gefängnis in der Schweiz. Das Gebäude beherbergt auch eine Dauer-Ausstellung mit Woodroffes Werken.
Der Künstler verstarb 2014 überraschend nach „kurzer, schwerer Krankheit“, wie es hieß. Bereits 7 Jahre vorher wurde bei ihm die Krankheit Morbus Pick, eine Art Demenz, diagnostiziert. Er hinterließ seine Frau Jane, die beiden erwachsenen Kinder Dan und Rosie, sowie 2 Enkelkinder.
Technik:
In der Anfangszeit arbeitete der Künstler ganz bescheiden mit Bleistift und Tuschfeder, erweiterte seine Technik aber beständig und probierte alles aus, was für seine Zwecke geeignet schien. Nach diesen graphischen Übungen mit Bleistift und Feder versuchte er sich in der Öltechnik. Sehr beeinflusst war er laut eigenen Angaben von Salvador Dali, „dessen Stil ich vergeblich versuchte zu kopieren“. Lange dauerte es jedoch nicht, bis er seinen ureigenen Stil zu entwickeln begann. Und genau das unterscheidet einen Maler, der lediglich Talent hat, von einem Künstler.
Der Künstler besitzt neben dem Talent auch noch etwas ganz besonderes und ureigenes, das sich nicht erlernen lässt, nämlich etwas sehr schwer in Worte zu kleidendes, das aber letztlich den eigenen Stil ausmacht.
Viele vermeintliche Künstler, die zwar Talent haben, verzweifeln darüber. Das Talent ist ihnen nur eine seelenlose Begabung, die zwar zur größtmöglichen Finesse und Fertigkeit führen kann; letztlich aber scheitern sie an einem Mangel an Phantasie und persönlichem Ausdruck, also der Fähigkeit, innere Strukturen bildhaft zu erschaffen. Ein Maler der nur über Talent (im Sinne von technischem Können) verfügt, kann zwar ein sehr guter Auftragsmaler oder Kopist werden, aber niemals ein wahrer Künstler. Zu sehr sind ihm die schaffenden Hände gebunden, die zwar – im übertragenen Sinne – ein Auto zu fahren verstehen, es aber nicht vermögen zu bauen.
Letztlich bedeute dies, dass ein Kunstwerk zwar technisch scheinbar dilettantisch sein mag, dennoch aber künstlerisch durchaus wertvoll. Woodroffe – wie jedes Genie – besitzt beides: er ist technisch versiert und strebt stetig nach Meisterschaft, und ist gleichzeitig ein wahrer Künstler, wenngleich auch grundlegend idiosynkratisch. Das Streben nach Vollkommenheit und einem ureigenen Stil ist Ausdruck seines künstlerischen Empfindens, ja, steht sogar ganz oben auf seiner Agenda. Seine Entwicklung lässt sich auch rückblickend sehr schön beobachten, nimmt man sich die Zeit um sein Werk, das untrennbar mit seiner nahezu unauslotbaren künstlerischen Seele verbunden ist, einer intensiven Beobachtung zu unterziehen.
Woodroffe ist ganz der Renaissance-Mensch: Nicht das Schaffen von gefälligen, kleingeistigen Kunstwerken interessiert ihn, sondern die Synthese von Material und Technik, das Zusammenspiel der unterschiedlichsten Werkstoffe, das Verknüpfen der unterschiedlichsten und scheinbar nicht vereinbarenden Genres. Musik, Skulptur, Malerei und Graphik sind eins: Wachs und Ton in den Händen dessen, der es zu formen versteht!
Ein gutes Beispiel hierfür sind seine frühen Versuche, dreidimensionale Kunstwerke zu schaffen, so etwa der zaghafte, frühe Versuche Ode an die Freude: Das Bild verbindet verschiedenste Materialien wie etwa Reißnägel, Kupferdraht, selbst gefertigte Glasperlen und Ölmalerei.
Weitere Versuche dieser Art folgten, sowie Experimente mit dem Radiographen, mit dem ihn der Maler und Graphiker Richard Humphrey bekannt machte. Unermüdlich war Woodroffe in seinen Bemühungen, etwas ganz eigenes zu schaffen, und so versuchte er sich auch in dieser Technik.
Radiographie und Federzeichnung liegen graphisch eng beieinander, und so wandte sich der Künstler, waren die Grenzen bald ausgelotet, sehr bald einer neuen Technik zu: der Intaglio. Bekanntestes Beispiel für diese Technik ist die Radierung. Neben all diesen rein graphischen Versuchen blieb der Künstler der Malerei jedoch immer treu. So entstanden breit angelegte und großflächige Gemälde in klassischer Öltradition, wenngleich das Format eher ungewöhnlich war. Kreisrunde, detailverliebte Bilder waren keine Seltenheit bei ihm. Wo er die Zeit für sein immenses Schaffen hernahm, bleibt rätselhaft.
Fast scheint es, dass er genau wusste, dass die ihm zur Verfügung stehende Zeit nur sehr begrenzt ist.
Besonderes Können zeigte er, als er sich dem Intagliodruck zuwandte, einer Technik, die die Methoden der Radierung und des Stichs umfasst. Hier wird das Bild spiegelverkehrt in eine meist beschichtete Platte eingraviert, alles was im fertigen Druck schwarz ist, ist vertieft. Meist erfolgt dies auf einer speziell beschichteten Oberfläche, anschließend geht die Platte in ein Ätzbad, das die frei gelegten Metallpartien vertieft. Ist die Beschichtung anschließend abgewaschen, wird die Farbe aufgewalzt und wieder abgewischt, so dass sie nur noch in den Vertiefungen verbleibt. Für den Druck wird das Papier feucht verwendet, das meistens schon am Vortag vorbereitet wird. Beim eigentlichen Druckvorgang wird.
Das leicht feuchte Papier in die Vertiefungen gedrückt, wo es die Farbe aufnimmt. Das Resultat ist mit den Fingerkuppen tastbar: die Druckfarbe ist leicht erhaben. Woodroffe begnügte sich nicht mit lediglich einfarbigen Drucken, sondern experimentierte lange herum um farbige Resultate zu erzielen. Entweder kolorierte er die Drucke nachträglich mit den verschiedensten Materialien (teilweise wurden sogar Ölfarben verwendet), oder er verwendete spezielle Druckmethoden mit verschiedenen Farben. Im Laufe der Zeit entstanden auf diese Weise Hunderte von Drucken.
In seinen späteren Bildern, die hauptsächlich Vorlagen für Bücher waren, kombinierte er ebenfalls verschiedene Techniken. Zum Einsatz kamen Mischtechniken aus Gouache, Kreide, Stiften und Tusche. Oft wurden Farbeffekte erzielt, indem er Farben lasierend auftrug. Bemerkenswert ist die Methode der Marmorierung, die der für einige Bilder als Hintergrund anwandte. Hierfür werden Farben auf Ölbasis auf einer wässrigen Oberfläche, die auch aus Leim bestehen kann aufgetragen und leicht mit einem Stäbchen vermischt. Darauf wird nun das Papier gelegt und leicht angedrückt. Woodroffe deckte die Bereiche die frei bleiben sollten mit einem speziellen Abdeckmittel ab. Eine ähnliche Methode kann auch im Werk von Roger Dean in seiner Anfangszeit bewundert werden.
Stil:
Stil
Woodroffes Stil ist grundlegend vom Surrealismus und dem Phantastischen Realismus (z.B. der Wiener Schule)geprägt, aber genauso von mittelalterlichen Meistern wie Hieronymus Bosch, Giuseppe Arcimboldo und Pieter Brueghel. Er selbst spricht, wie zuvor bereits erwähnt, von Salvador Dali als großem Einfluss; allerdings ist dieser in Woodroffes Werk schwerlich auszumachen. Seine komplexen und vielschichtigen Bilder sind voller Symbolik und bizarren Schöpfungen. Wiederkehrende Elemente sind erotische Motive, Mischwesen, Kindfrauen (deren Darstellung aus heutiger Sicht teilweise schon grenzwertig ist), Spielzeug, Stofftiere, Tiermenschen und vieles andere mehr. Insgesamt betrachtet weist sein Schaffen auch deutliche, naive Bezüge auf. Anscheinend fühlte er sich auch der Kinderwelt recht zugezogen. So sind einige seiner Werke Darstellungen für Kinderbücher, z.B. Mickeys neues Heim. Mickey ist ein liebenswerter kleiner Stoffelefant mit geblümter Haut.
Sein Stil ist so eigen, dass ihm ein Mitarbeiter eines Verlages gar empfahl, „Die Bücher für die eingereichten Illustrationen selbst zu schreiben“.
Ein wesentliches Merkmal seines Stils ist das Bild selbst: es handelt sich nicht um eine bloße Darstellung eines Themas oder einer Situation, sondern Woodroffe erzählt immer eine Geschichte mit seinen Bildern. Er machte sich Gedanken und fasste diese in Farben zusammen, bzw. beeinflußten seine Gedanken ganz primär den Entstehungsprozess.
Woodroffes Motive ab 1972 waren von den Auftraggebern, bzw. dem Verwendungszweck geprägt; schließlich gab es hierzu immer ganz konkrete Vorgaben. Diese schränkten den Künstler einerseits zwar scheinbar ein, hinderten ihn aber dennoch nicht daran seine Ideen und seinen Stil mit einfließen zu lassen.
Waren die von den Auftraggebern gewünschten Darstellungen nun auch noch so brutal, technisch kalt oder grausam, Woodroffe machte daraus immer dennoch etwas sehr ästhetisches und irgendwie … unschuldiges.
Selbst Bilder mit expliziten Inhalten wirken bei ihm seltsam harmlos. Woodroffe konnte da wohl einfach nicht über seinen eigenen Schatten springen: zu sehr war er einfach nur ein liebevoller, friedfertiger und eigentlich sehr scheuer Mensch.
Gäbe es mehr Menschen seines Schlages, hätten Kriege keine Chance.
Bekannte Werke:
Buchumschläge (Auswahl):
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Das Bild verwendete der Heyne-Verlag für Marc Agapit´s Buch Die Agentur
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In Deutschland verwendet vom Heyne-Verlag für David Gerrold´s Roman Die Bestie
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Vom Heyne-Verlag für die deutsche Ausgabe des Buches mit dem Titel Der graue Prinz verwendet.
Plattencover (Auswahl):
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Dieses Bild entstand ursprünglich für Billion Year´s Spree von Brian W. Aldiss. Das Original ist unter anderem in der Dauerausstellung im Chateau de Gruyères zu sehen. Das Bild zierte auch das Cover von Dämonenkiller Taschenbuch Nr. 62
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Sonstiges:
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