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Amazing Pulps – der optische Aspekt - Teil 2: Pulpcover II – Die großen Zeichner

Amazing PulpsDer optische Aspekt Teil 2
Pulpcover II – Die großen Zeichner

Meist rede ich ja hier über Texte. Doch was ist eigentlich mit der reißerischen optischen Seite der Pulp-Hefte?

Die meisten waren illustriert - und das nicht nur außen.

Eine kleine Reihe über die Bilderwelt der Pulps

St. John Anders als beim Comic sind die Zeichner der Pulp-Magazine selten zu Star-Ruhm aufgestiegen – obwohl ihr Stil oft den Comic entscheidend mitgeprägt hat. Aber auch die erotische Zeichnung und der Pin-up-Girl-Style wurde von den Pulp-Künstlern nachhaltig beeinflußt.  

Beeinflußt wird das Bild vom typischen Pulp-Zeichner heute natürlich dadurch, dass nur eine bestimmte Sorte Pulps im kollektiven Gedächtnis geblieben ist – die Pulps mit phantastischen Themen  (Horror, Fantasy & Science fiction), Hero-Pulps und Erotik-Pulps.

Das bedeutet, das etwa die vielen Zeichner, die für All-Story-Pulps wie Argosy oder Short Stories gearbeitet haben, heute fast alle vergessen sind, obwohl grade in diesen beiden Magazinen eine Menge abwechslungsreicher und höchst origineller Cover zu sehen waren.

FinlayEine erstaunliche Ausnahme bildet unser erster Prominenter Allen St. John, der „Rubens“ und Klassizist unter den Cover-Malern. Seine oft muskulösen Figuren und ausgezeichnet getroffenen Tierdarstellungen ließen ihn zum ersten legendären Tarzan-Illustrator werden. Hierin liegt sein Ruhm begründet, er wird heute vor allem wegen der Innenillustrationen zu den Tarzan-Geschichten geschätzt. Doch einst war er auch vielumworbener und äußerst beliebter Pulp-Zeichner, der einige der schönsten Cover für  Weird Tales und Fantastic Adventure geliefert hat.

BrundageÄhnlich verhält es sich auch mit dem berühmtesten aller Pulp-Zeichner, quasi dem Will Eisner des Pulps – Virgin Finlay. Finlays Werk orientiert sich oberflächlich gesehen an Traditionen des Jugenstils, viele seiner Zeichnungen erinnern am Klimt oder Mucha – mit einem starken Hang zu surrealen Kompositionen. Das machte ihn bald zum gefragten Phantastik-Zeichner. Obwohl Finlay einige sehr einprägsame Cover gezeichnet hat, bleiben die meisten doch eher blass und unoriginell, verglichen mit seinen legendären Innenzeichnungen. Deswegen sei er hier auch nur des Ruhmes wegen mit aufgezählt – wir werden ihm im Artikel über die Innenzeichnungen der Pulps wiederbegegnen und dort mehr Platz widmen.

ZimmermannWas den Ruhm betrifft, folgt Finlay eine Frau dicht auf den Fersen: Margaret Brundage. Sie hat interessanterweise als Frau die berühmt-berüchtige BDSM-Szene der Pulp-Art entscheidend mitgeprägt; viele Bilder zeigen gefesselte oder bedrängte halbnackte Frauen, oft pikanterweise in Interaktion mit anderen Frauen, was den Bildern oft einen leicht lesbischen Touch verleiht. Merkwürdigerweise belieferte sie mit ihrem Talent aber nicht die Erotik-Pulps, sondern vor allem das Magazin Weird Tales. Viele ihrer Bilder sind analysiert worden – und die Amibavalenz ihrer Figuren wird heute sehr bewundert. Oft ist man nicht sicher, ob die Figuren, die sich den gefesselten (oder anderweitig bedrängten) Opfern nähern, ihre Retter oder ihre Peiniger sind. Das macht die Bilder in den Augen vieler Bewunderer besonders interessant.

Gloria StollAber Margaret Brundage hatte auch ein Talent zur Ikonisierung. Nicht zufällig schuf sie das wohl berühmteste Pulp-Cover aller Zeiten, das symbolisch die gesamte Gattung in einem Bild repräsentiert – ein Mischwesen aus Fledermaus und Frau, die Arme seltsam angewinkelt, damit sie mit den Flügeln ihres Kopfschmucks eine Linie bilden – unheimlich und verführerisch zugleich. (Weird Tales, Oktober 1933)

Wenn wir hier schon bei den Damen sind, dann sollten wir gleich zwei weitere sehr gute Zeichnerinnen erwähnen. Ein ähnliches Faible für Erotik hatte Irene Zimmermann. Zimmermann begann in den frühen 30ern mit äußerst eleganten Frauengestalten für Story-Illustrierte an der Grenze zum Pulp, die das amerikanische Art-Deko-Frauenbild stark mitbestimmten.

de SotoSpäter zeichnete sie viel für Krimi- und Lovepulps, doch auch sie wird schließlich vor allem verführerische Innen-Illustrationen für die Erotik-Pulps (wie La Paree) liefern.

Eine kraftvolle, luride Ader  hatte Gloria Stoll, die zwar auch für die Lovepulps zeichnete, aber heute vor allem für ihre Krimi- und Horror-Cover bekannt ist. Anders als ihre männlichen Kollegen zeigte sie fast nie Gewalt in Aktion, sondern legte das Bedrohlich-Düstere in witzigen Andeutungen bloß. Ihre Bilder waren grotesk, ohne den guten Geschmack zu verletzen. Ihr vielleicht bestes Cover ist das zum Dime Mystery Magazine vom September 1944, wo eine magische Kugel einen Teil eines schönen Frauenkopfes in skelettierter Form zeigt.

GreinerDiese Bilder waren Hommage und gleichzeitig ironische Unterwanderung der legendären Cover von Rafael de Soto. Er war nicht der einzige große Hero-Pulp- und Horror-Maler, aber doch wohl einer der berüchtigsten und einprägsamsten. Er ist der klassische Damsel-in-Distress-Zeichner der Pulp-Ära – seine Bilder zeigen grell und in Aktion die Bedrohung schöner Damen durch böse Finsterlinge oder Monster – doch auch deSoto konnte wunderbar ikonographisch malen und schuf einige der schönsten Cover für das Hero-Pulp-Magazin „The Spider“.

Einen ganz anderen Blick auf die Weiblichkeit (wenn auch einen ebenso machistischen) hatte Oscar Greiner, einer der großen Erotik-Zeichner der Pulp-Ära – er hat vor allem für die beiden großen Erotik-Richtungen der Pulps gezeichnet (Spicies und Risques) und mit seinen Covern schon früh das spätere typische Pin-Up-Girl geprägt, wie es in den 40ern und 50ern weltweit populär wurde.

McCauleyAn dieser Stelle eine kurze Nebenbemerkung zum erotischen Pulp-Cover: Natürlich war diese Erotik zunächst nur Blick- und Kundenfang, genau wie heute, oft lösten die Geschichten die verführerischen Versprechungen der Verpackung nicht ein. Auch Western- , SF- und Krimihefte zeigten nicht selten attraktive, leicht bekleidete junge Damen. Eine Ausnahme bilden die expliziten Erotik-Pulps und die Shudder-Pulps, wo es wirklich auch im Text zur Sache ging, doch hier müssen wir natürlich die Standards der 30er und 40er Jahre anlegen, in der beispielsweise Genitalien völlig tabu waren.  Interessanterweise sind die vielen Love-Pulps (nicht zu verwechseln mit Erotik-Pulps!) besonders puritanisch – mehr als vorsichtig geküßt wird da in den Liebesgeschichten in der Regel nicht.

BokDennoch – oder vielleicht grade deswegen gab es diverse Versuche in der Pulp-Szene, eine von den Stories losgelöste Cover-Kultur zu schaffen, in denen man mit Erotik spielerisch umging und sich von den üblichen „Frau-schaut-lüstern auf-den-Betrachter“  und „Frau-kreischt-in-den-Fängen-des-Schurken“ zu lösen. Berühmt ist heute der Kreis der erotischen SF-Zeichner, die Magazinen wie Planet Stories oder Amazing Stories ein witzig-erotisches Faible jenseits der üblichen Masche gaben – allen voran Jerome Rozen und vor allem Harold McCauley. Dessen erotische SF- und Fantasy-Zeichnungen waren bei den Lesern sehr beliebt, die Heldinnen und wurden liebevoll „McGirls“ genannt. Als Will Hamling in den 1950er Jahren sein erotisch angehauchtes SF& Fantasy-Magazin „Imaginative Stories“ (Das unter SF-Hardlinern meistgehaßte SF-Magazin aller Zeiten) gründete, schlug McCauleys große Stunde, und er zeichnete mit bemerkenswerter Freizügigkeit fast Playboy-reife Cover.

SchomburgWomit wir bei den SF-Zeichnern angekommen wären.

Ein großer Name mit gutem Klang ist Hannes Bok, ein Multitalent und ein ebenso kreativer Autor wie Grafiker – ich mag seine Cover nicht so gern, muß aber anerkennen, dass sein Stil, der sich von der hyperrealistischen Art der meisten Pulp-Zeichner abhebt, höchst individuell ist. Nicht selten nutzt Bok einfarbige Hintergründe und reduziert seine Cover auf wenige Farben – oder aber übertreibt die Farben und kreiert eine Art grellbunten Surrealismus. Seine vielleicht besten Arbeiten sind die für die kurzlebigen SF-Pulp.Magazine der Gruppe Cosmic / Stirring Science Stories.

Einer der vielseitigsten SF-Cover-Zeichner war Alex Schomburg, dessen Raumschiffe und Monster man auch heute noch gern betrachtet. Schomburg passte sich jeder Mode an, er war später sogar ein recht erfolgreicher Comic-Zeichner, doch bei aller camäleonhaften Angepasstheit blieb doch eine gewisse Individualität spürbar und auch ein gewisser galliger Witz in seinen Zeichnungen erhalten.

Frank PaulDer originellste, aber auch umstrittenste SF-Zeichner war wohl Frank Paul. Ein Genie im Erfinden von fremden Stadtwelten, Raumschiffen und utopisch-technischen Visionen, war er Gernsbacks Lieblingsmaler. In der SF-Fanszene sorgten seine Cover aber immer wieder für heftige Debatten, weil er andererseits einer der wenigen Pulp-Maler war, dem keine Personen gelangen – Pauls Figuren wirken immer schablonenhaft wie Computeranimationen in Architekturentwürfen, und wirklich ist an ihm offensichtlich ein hochbegabter Architektur-Zeichner verloren gegangen. (Oder sollte man umgekehrt sagen: ein Architekturzeichner mit Phantasie hat sich glücklicherweise in die Pulp-Szene verirrt? Kommt ganz auf den Blickpunkt an.) Amazing-Herausgeber Palmer löste den Konflikt der Fangemeinde dann sehr salomonisch, indem der oft für ein Heft zwei Cover zeichnen ließ: Auf der Vorderseite war McCauleys McGirl, auf der Rückseite eins von Pauls Raumschiffen oder Zukunfts-Flugzeugen.

Ed EmshwillerZum Schluss muss unbedingt der wichtigste SF-Cover-Zeichner der 50er Jahre erwähnt werden – Ed Emshwiller. Emshwiller hat nur wenige echte Pulp-Cover gestaltet, aber prägte die Magazinlandschaft der SF-Ära wie kein anderer Künstler. Er hat unsere optische Sicht auf die SF dieser Jahre entscheidend beeinflusst mit seinen glänzenden Städten und Raketen und vor allem mit seinen vielen künstlichen Wesen:  Roboter, Androiden, Aliens. Eins meiner Lieblingscover von ihm zeigt die Montage einer künstlichen Frau (Galaxy, September 1954). Sie wirkt wie eine eindringliche Illustration zu einer der schönsten (und seltenen) Liebesgeschichten in der SF, Lester del Reys Roboterromanze „Helen O'Loy“. Die ist allerdings schon 1938 in Astounding Stories (Dezemberausgabe) erschienen, ein Heft mit einem ausgesprochen langweiligen Cover von Charles Schneeman.

Wer sich in die Kunst des Pulp-Illustration weiter vertiefen möchte, kann das auf der extrem informativen Seite Pulpartists.com. Hier sind alle wichtigen Zeichner mit Biographie und markanten Arbeiten abrufbar.

Nächste Folgen:
Teil 3: Interior Art – die Innen-Illustrationen
Teil 4: Zwischen Pulp und Hochglanz - Die Sonderform der Slicks
Teil 5: Experimente. Blue book, Spicies, True-Story-Pulps
Teil 6: Fußpilz und gesunde Zigaretten. Die bizarre Welt der Pulp-Werbung

Kommentare  

#1 Heiko Langhans 2017-08-21 09:21
Eisner. Der Mann hieß Eisner. 8)

Mort Weisinger hatte allerdings auch mit Pulps zu tun. Und mit Comics. :roll:
#2 Matzekaether 2017-08-21 12:58
Danke, korrigiert! Deine Vermutung ist richtig - ich habs tatsächlich mit Weisinger vermengt...
#3 Toni 2017-08-21 20:00
Wieder mal sehr interessant zu lesen. Wenn du bei Pulpartists durch die Seiten blätterst, erschlägt dich die Werbung schon fast. Ich stehe auf solche Zeitzeugen... und was die alles verkloppt haben. Wahnsinn, sogar Sofas und Kühlschränke.
#4 Matzekaether 2017-08-21 21:02
Ja, wer über heutige Werbung stöhnt, kann sich glücklich schätzen, nicht um 1900 gelebt zu haben, wo die Außen- und Zeitschriftenwerbung einen grotesken Höhepunkt erreichte. Wer eine typische Illstrierte der zeit aufschlägt, muß sich durch ca. 60-100 Werbe-Seiten blättern... Dagegen waren die Pulps noch harmlos.
library.brown.edu/cds/repository2/repoman.php?verb=render&id=1257323184203125&view=pageturner&pageno=1

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