Artist of the Day: Man mochte oder man hasste ihn - Nikolai Lutohin
Man mochte oder man hasste ihn
Nikolai Lutohin
Leben und Werdegang:
Geboren und aufgewachsen wurde der Künstler als Sohn russischer Emigranten im ehemaligen Jugoslawien, ausgebildet wurde er an der Kunsthochschule in Budapest. Danach verbrachte er 2 Jahrzehnte in Moskau, wo er zahlreiche Bücher, darunter auch Kinderbücher, Klassiker illustrierte. Irgendwann verschlug es ihn dann nach Deutschland, genauer gesagt nach München. Trotz seiner bescheidenen Deutschkenntnisse fand er bald Anstellung beim Pabel-Verlag. Für diesen wurde er bald Hauptmaler für die Vampir Horror Roman-Serie, nachdem der bisherige Künstler Thole ausschied.
Lutohin malte überdies auch die Titelbilder für Sun Koh, Plutonium Police, Utopia Classics, Dämonenkiller und schließlich auch für die zuerst vielversprechende Fantasy-Serie Mythor. Nach Ende dieser Serie sollte er auch Hauptgestalter der Titelbilder für die Neuauflage des Dämonenkillers werden, allerdings war aufgrund schlechter Verkaufszahlen bald Schluß damit. Von Pabel bekam er mangels passender Serien keine Aufträge mehr, und so wechselte er zum Bastei-Verlag, für den er unter anderem die Covers von Professor Zamorra malte. Lutohin verstarb im Jahre 2000 an den Folgen einer Rauchvergiftung eines Wohnungsbrandes, den er mutmaßlich wohl selbst gelegt hatte.
Lutohin polarisierte die Heftromanleser wie kaum ein anderer: entweder man mochte ihn, oder man hasste seine Bilder.
Technik:
Lutohin malte seine Bilder vermutlich mit Acrylfarben auf Karton. Acrylfarben sind nach der Trocknung leicht glänzend, und dies ist bei den mir vorliegenden Originalen der Fall. Vermutlich hat er aber auch Mischtechniken eingesetzt, etwa mit Plaka- oder Wasserfarben. Vor allem bei den Hintergründen liegt diese Vermutung nahe.
Acrylfarben sind ähnlich wie Ölfarben, weisen aber 2 grundlegende Unterschiede zu diesen auf:
- Sie sind wasserbasierend, lassen sich bequem mit Wasser verdünnen und vermalen.
- Sie trocknen wesentlich schneller als Ölfarben und sind sehr alterungs- und lichtbeständig
Acrylfarben sind leicht vermalbar und lassen sich auch gut untereinander mischen. Weiche Übergänge, z.B. bei Licht und Schatten sind genauso wie bei Ölfarben möglich. Sie lassen sich pastös/deckend aber auch wässrig/transparent auftragen.
Als Malgrund sind Leinwände, Karton, Holz sowie auch eigentlich alle anderen Materialien verwendbar. Im Bereich des Modellbaus erfreuen sich Acrylfarben übrigens seit vielen Jahren steigender Beliebtheit.
Lutohin gestaltete größere Flachen - wie z.B. Hintergründe - anfangs gerne mittels einer sehr simplen Technik: Die Farbe wurde mit einer Zahnbürste oder einem Sieb auf den Malgrund aufgespritzt. Auf diese Weise entstand der Effekt einer sehr groben Airbrushmalerei. Lutohin setzte später auch eine derartige „Luftpistole“ ein. Billig waren die Geräte damals nicht gerade. Ein weiteres Markenzeichen war die Collage. So schnitt er Fotos aus Zeitschriften aus, meistens Gesichter, und klebte sie in seine Bilder. Die Fotos wurden von ihm dann sehr geschickt malerisch bearbeitet und in das Gemälde eingebettet. Ein sehr schönes Beispiel dafür ist das Titelbild zum Dämonenkiller Nr. 102: die am Boden liegende Frauengestalt ist ein bearbeitetes Foto, sehr geschickt in das Bild eingefügt. Die Textur der Gottesanbeterin entstand wohl auch durch Aufspritzen mittels einer Zahnbürste.
Im Falle des Covers zu Dämonenkiller Nr. 123 verwendete er ein Szenenfoto aus dem Film „Der weiße Hai“. Nicht etwa Bruce, nein, Chrissie musste dafür herhalten. Man erinnere sich: Chrissie ist das erste Opfer des Filmhais.
Eine sehr große Foto-Collage zierte das Titelbild von Vampir Horror Roman Nr. 216: das bronzefarbene Statuengesicht im Hintergrund beansprucht ca. ein Viertel der gesamten Fläche! Was in Anbetracht dessen aber kaum auffällt: die Frau ist ebenfalls ausgeschnitten und eingeklebt
Aber er schnitt nicht nur Fotos aus und experimentierte damit. Teilweise bastelte er sich seine Bilder auch aus eigenem Material zusammen. Im Falle des mir vorliegenden Bildes zum Dämonenkiller Nr. 109 wurden Teile des Werwolfs und der ghulischen Frauengestalt im Hintergrund separat gemalt und dann auf das Bild geklebt. Interessanterweise ist auch der Knochenhaufen vorne rechts auf dem Cover fast nicht mehr wahrnehmbar.
Stil:
Lutohins Bilder waren schreiend bunt, so dass man den Eindruck hatte, er verwendete die Farben direkt aus der Tube, ohne sie untereinander zu mischen und abzustimmen. Insgesamt wirkten seine Gemälde flach, hatten keine Tiefe und waren auch unrealistisch gemalt.
In der Anfangszeit wirkten seine Bilder auch sehr dilettantisch und naiv. Für Horror-Romane waren sie absolut unpassend, besaßen sie doch keinerlei Grusel-Effekt. Vor allem, wenn man betrachtete, dass er der direkte Nachfolger des genialen und beeindruckenden Thole war. Lutohins Bilder verursachten seinerzeit bei mir Kopfschmerzen und schreckten mich vom Kauf der Vampir Horror Roman-Serie ab.
Für meine damalige Lieblingsserie Dämonenkiller war er glücklicherweise nur kurz tätig. Seine frühen graphischen Arbeiten für Galaksija, ein jugoslawisches Magazin dagegen waren von ganz anderem Kaliber. Zwar technisch auch nicht sehr versiert, waren sie aber durchaus ansprechend.
Der Fairness halber muss man aber anmerken, dass Lutohins Bilder im Original wesentlich besser wirken, als die Reproduktionen auf den Titelbildern. In meiner bescheidenen Sammlung hängen übrigens zwei seiner Bilder, die ich sehr schätze. Lutohin-Originale können sehr günstig (zum Teil schon unter 200€) im Netz erworben werden.
Für die Fantasy-Serie Mythor war er als Maler dann ganz passend, wobei er auch hier anfangs zu tief in den Farbtopf langte. Die Gestaltung der Covers, was die Motive betraf, war auch eher primitiv. Der Held – Mythor - war bei ihm eher ein grimmiger Barbar ohne Hirn, der reihenweise bezaubernde Jungfrauen vor den Klauen zahlloser Ungeheuer retten musste. Das besserte sich aber im Laufe der Zeit, genauso wie sein Können. Für Mythor schuf er einige sehr schöne Bilder, auch waren die Gemälde eher dezent, was die Farbwahl betraf. Vergleicht man die beiden Covers in der Abbildung, ist eine deutliche, positive Entwicklung erkennbar.
Ein Kuriosum ist sein Titelbild für den Perry Rhodan Ableger Atlan: sein abgeliefertes Bild für den Mythor Roman Nr. 170 wurde in der Redaktion verwechselt und landete stattdessen auf Atlan Nr. 702. So kam es dann, dass Johnny Brucks geplantes Bild für diese Ausgabe Mythor Nr. 170 zierte.
Ein wenig zum Bildaufbau. Anhand des mir vorliegenden Bildes zum Dämonenkiller Nr. 109 ist bemerkenswert, dass die Rechtsneigung des Werwolfs fast parallel zur gedachten Bilddiagonalen liegt. Das zähnefletschende Maul liegt fast im Zentrum, also im Schnittpunkt beider Diagonalen. Blitz, sowie Blickrichtung der Ghulin folgen auch in etwa der von rechts oben kommenden Diagonalen. Schleier und Blitz liegen auch parallel zu dieser. Während der Werwolf den Leser anzustarren scheint, wird er selbst zum Objekt der Begierde der leichenhaften Betrachterin hinter ihm. Eine sehr einfache, aber wirkungsvolle Methode, um ein Bild aufzubauen und ihm Dynamik zu verleihen.
Inspirationen:
Auch Lutohin ließ sich gerne von Werken anderer inspirieren. Er schnitt nicht nur Fotos aus und verbastelte sie, sondern malte ganz offensichtlich auch ab. Ein sehr deutliches Beispiel hierfür ist sein Titelbild für Vampir Horror Roman Nr. 196. Seinen „Magischen Helm“ trug bereits ein anderer auf dem Cover von Famous Monsters of Filmland Nr. 123
Das eindrucksvolle Bild für Vampir Horror Roman Nr. 195 ist ebenfalls nicht auf Lutohins Mist gewachsen. Der Biker stammt aus dem 1972er Streifen Tales from the Crypt. Legt man das Filmfoto skaliert auf Lutohins Bild, stellt man fest, dass Scheinwerfer und Armaturen absolut identisch sind.
Der Fahrer selbst hat allerdings andere Ausmaße. Leider liegt mir Lutohins Bild nicht im Original vor, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass auch hier ein Foto aufgeklebt und eingearbeitet wurde. Der Scheinwerfer sieht irgendwie zu realistisch aus…
Bekannte Werke (Auswahl):
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