Titellisten: Kommissar Allan Wilton in der »Serie 69«
Kommissar Allan Wilton in der
»Serie 69«
»Serie 69«
Wer also z. B. ein paar überschüssige John Sinclair-Romane gegen Horror-Preziosen aus dem Jahre 1969 auswechseln möchte, sollte beim nächsten Österreichbesuch an den entsprechenden Schmuddelläden nicht vorüber gehen... Vierundzwanzig "Serie 69"-Romane sind derzeit nachgewiesen. Ein mysteriöser 25. Band soll einer urbanen Heftsammler-Legende nach ebenfalls erschienen sein: Ein flüchtiger Bekannter eines flüchtig Bekannten hat diesen Band 25 irgendwann mal irgendwo leibhaftig auf einem Flohmarkt gesehen...
Tatsächlich aufgetaucht ist dieser Phantomroman bisher nicht.
Serie 69 war eine Reihe mit 18 Gruselkrimis, die eigens für diese Publikation von bislang unbekannt gebliebenen Autoren geschrieben wurden: Inhaltlich nicht zusammengehörende Einzelromane, die ein gewisser "Jules Charpentier" ausgewählt hat.
Sechs weitere Geschichten konnten mit einem wiederkehrenden Subserienhelden aufwarten: In jeder vierten Nummer ab Band Nr. 4 mit dem Interpol-Kommissar Allan Wilton.
Die Originalabenteuer des Kommissars aus Marseille wurden in der österreichischen Heftserie "Der Kriminalroman der Woche - Kommissar Wiltons Kriminalberichte" erstveröffentlicht.
Die 1949 vom Verleger HIRsch Otto in dessen HIRO-Verlag gestartete Serie war die erfolgreichste österreichische Pulppublikation überhaupt: Gut 1550 Heftromannummern mit dem in Südfrankreich agierenden Polizeidetektiv sind bis zum Verkauf der Serie an Viktor Biricz auf den Markt gekommen.
Allerdings wurde die letzte neu verfasste Wilton-Story bereits als Nummer 1082 herausgegeben - die weiteren Titel waren Nachdrucke aus dem niedrigen Nummernbereich.
Derzeit führt ein gewisser Kommerzialrat Ingenieur Viktor Biricz aus Mattersburg (Burgenland) die Kriminalromane der Woche mit Wiederveröffentlichungen der alten Hiro-Geschichten in seinem "Allan-Wilton-Krimi-Verlag" fort.
Die Romane erscheinen 14-tägig; der betagten StammleserInnen wegen in "großer Schrift", kosten 1,70 Euro und sind optisch gleich gestaltet wie alle Serienheftcover davor seit 1949 (!).
Die Nummerierung der Bände schloss dabei nahtlos an die der Hiro-Romane an und liegt aktuell bei ungefähr Nr. 1800.
Zur Hauptserie kamen bei Hiro ab den 1950er-Jahren noch Taschenbücher mit Allan Wilton, Sonderhefte, Reprints in weiteren Reihen, Auswahlbände, Bücher, Neuauflagen, ja selbst lachhafte Plagiate durch andere Verlage wurden aufgeboten: So gab's z. B. 1960 kurzfristig auch den "Kriminal-Roman des Monats" vom Wiener Verlag AHV-Zeitschriften mit ähnlicher Heftaufmachung zu kaufen.
Wilton-Sonderheft Nr. 29 "Das Haus auf dem Hügel" wurde im Jahre 1964 in der Regie von Werner Klingler mit Ron Randell als Kommissar Wilton fürs Kino verfilmt.
Auch der deutsche Cora-Verlag hat 1990 einige der "Kriminalromane der Woche" nachgedruckt.
Dass die Geschichten auf Tatsachen beruhen und aus den Tagebüchern eines real existierenden Polizisten stammen, hat zu diesem Zeitpunkt wohl keiner mehr glauben können...
Die wichtigsten Zielgruppen für die "Kriminalromane der Woche" waren Leserinnen und ältere Leser, die mit actionorientierten Krimis à la Jerry Cotton oder Kommissar X nichts anzufangen vermochten.
Bei den Allan Wilton-Romanen standen die Ermittlungsarbeiten und das "Whodunit" im Vordergrund des Geschehens. Auf harte, brutale Passagen wurde von den drei Hauptautoren "Jules Charpentier", "Roland Berry" und "Fred Martens" (= angeblich ein Franzose, ein Belgier und ein Deutscher) verzichtet.
Fans und Kritiker der Wilton-Storys lobten die professionell aufgezogene Dramaturgie der Krimis, die gewitzten Interaktionen glaubwürdiger Charaktere und die (aus heutiger Sicht recht antiquiert anmutenden) realistisch geschilderten Erhebungsmethoden der Polizei.
Jüngere Leser (offenbar nicht die bevorzugte Wilton-Zielgruppe) hielten die Abenteuer mit dem später als Interpolbeamter auch in London Kriminalfälle lösenden Kommissar Wilton kurz gesagt für langweilig. Wer aber an Derrick oder "Der Alte" im TV Freude gefunden hat, dem sagten wahrscheinlich auch die ähnlich gestrickten Kriminalromane der Woche zu.
Weshalb dann ausgerechnet in der gruselorientierten "Serie 69" auch die biederen Wilton-Storys (und dabei nicht mal die unheimlichsten Geschichten der Serie) nachgedruckt wurden, ist heute nicht mehr nachzuvollziehen.
Die sechs Reprints dienten entweder als Füllromane bzw. der versuchten Werbung für die langlebige Hiro-Schwesterpublikation.
Serie 69
Nr. / Romantitel / Autor / "Subgenre" (am Cover ausgewiesen) / Kommentare (ND = Nachdruck)
Man beachte den Unterschied zwischen den Serie 69-Farbfoto-Titelbildern mit Fotocollagen, die z. T. Heftvorder- wie -rückseite bedeckten, und den braven Schwarz-Weiß-Schauspielerporträt-Coverbildern der "Kriminalromane der Woche".
Hiro/Typopress hat auch Sammelbände mit jeweils sechs zusammengeleimten Serie 69-Heften herausgegeben: Sammelband 1 enthielt die Romane Nr. 1 bis 6, Band Nr. 2 die Hefte 7 bis 12 und Band Nr. 3 die Geschichten 13 bis 18. Ein vierter Band wurde angekündigt, konnte bisher aber nicht nachgewiesen werden.
In diesen Paperback-Büchern waren nur die jeweiligen Textblöcke der Hefte versammelt - die recht ansprechend gestalteten Umschlagbilder der Originalromane fehlten in den Sammelbänden.
Meine wichtigste Quelle zum Thema Allan Wilton und zur Serie 69 sowie generell für die Artikelreihe über die österreichischen Groschenromane ist der "Katalog der österreichischen Romanhefte - 1876 bis heute. Ausgabe 2000" von Manfred Pilz, erschienen 1999 beim Pollischansky-Verlag, Wien.
Der ursprüngliche Verkaufspreis: 35 Euro.
Das Werk ist die letzte eigenständige österreichische Katalogausgabe mit vollständig abgedruckten Titellisten fast aller jemals in Österreich erschienenen (Spannungs-)Romanheftreihen.
Vor allem Westernfans sei dieses Buch anempfohlen - fast ein Drittel des gesamten Kataloginhaltes beschreibt ausführlich Westernheftromane aus der Alpenrepublik.
Das Paperback ist natürlich in erster Linie als Preiskatalog konzipiert, was freilich auch bedeutet, dass von Sammlern nicht gehandelte Heftprodukte hier nicht erwähnt wurden. Das betrifft vor allem den Bereich der österreichischen Frauenromane in sämtlichen Spielarten. Auch Kuriositäten wie z. B. Österreichs Bauernheftreihen wurden im Buch nicht aufbereitet.
Weitergehende Informationen zu den Spannungsromanen oder detaillierte Angaben zu den Autoren bzw. zu den Schriftstellern hinter den Pseudonymen fehlen (von einigen Ausnahmen abgesehen) ebenso.
Die eine oder andere ältere Romanheftpublikation aus Österreich war Manfred Pilz 1999 offenbar noch unbekannt, da so manche Minireihe, manche Koproduktion mit deutschen Verlagen oder gewisse Einzelhefte im Katalog nicht vorkommen.
So weit zu den Mängeln des hier vorgestellten Pollischansky-Paperbacks.
Positiv zu vermerken sind die vielen (Farb-)Coverbilder zu beinahe allen präsentierten Heftserien. Auch an nützlichen Querverweisen zum Auffinden uneinheitlich betitelter Romanreihen mangelt es nicht. Bemerkenswert ist zudem, dass sämtliche ehemaligen österreichischen Kinder-Abenteuerheftreihen in diesem Katalog vollständig aufgelistet sind.
Bei Pollischansky.at oder bei einschlägigen Anbietern, z. B. einem Comic- und Romangeschäft in Esslingen, kann das 320-Seiten-Buch - derzeit zum Abverkaufspreis von 5 Euro - geordert werden.
Solange der Vorrat reicht ...
Kommentare
Alle im Internet kursierenden Daten zum Thema sind leider nicht wirklich abgesichert und selbst die Serie 69-Herausgeberschaft des Autorenpaares unter dem Pseudonym Jules Charpentier kann nicht als verbürgt gelten. Daher habe ich hier auf jegliche Spekulation und auf Angaben zu den möglichen Schriftstellern bzw. Herausgebern verzichtet. Weitere Recherchen zu Allan Wilton sind gerade am Laufen.
wieviele taschenbücher gibt es? 20? 40? wieviele hatte der Cora Verlag 1990 veröffentlicht? waren es nachdrucke der bücher oder der taschenhefte?
die über 1000 romane, sind die alle auf deutsch erschienen?
gruß
Martin Boisen