SCHIENE DER VERDAMMNIS - Die tödliche Linie
SCHIENE DER VERDAMMNIS - Die tödliche Linie
Leseprobe
1. Die Startstation: Dead End
Hinter den Betonteilen konnte er den rostzerfressenen Wagen noch sehen. Der Major würde ihn abholen lassen, denn jedes Fahrzeug, das es noch gab, war wichtig. Kretz stieg vorsichtig über einige Trümmer, Bretter mit langen Nägeln, Müll, alte Stoffetzen, zerfetzte Plakate und diverse zerquetschte oder umgeworfene ehemalige Mülltonnen. Ab und zu fand er einen Kadaver. Einen Menschlichen. Aber auch verendete Hunde und Katzen. Die Seuche hatte auch die erwischt. Überhaupt alle sogenannten höheren Säugetiere. Wenigstens war die Stadt ansonsten sauber hier draußen. Keine Zombies oder Untote anderen Kalibers. Unten würde das anders werden, wusste Kretz. Wieder hob er die Lederstiefel und bemühte sich, über einige Trümmerteile zu klettern, die zackig in die Luft ragten. Stählerne Spitzen türmten sich empor, von Stein-und Mörtelbrocken durchsetzt, alles verdreckt, bereits bis zur Unkenntlichkeit zerfallen.
Kretz näherte sich dem Eingang der ehemaligen U-Bahn. Wuchtig ragten die Reste des grauen Betonklotzes hoch, die Eingangstür hing noch schief in den Angeln.
Kretz umrundete den Bau, bevor er ihn betrat, aber alles war sauber. Dann zog er die Glock und trat durch die Tür ...
»Mit der Wumme in der Hand – komm' ich durch das ganze Land!«, murmelte er und grinste freudlos.
Drinnen sah er sich um, die Waffe in der Hand. Vor ihm die Reste der Rolltreppe zum Zwischengeschoss. Hier war alles klar, bis auf den Müll. Leere Flaschen lagen zersplittert herum, alte Stoffreste in den Ecken, es roch nach Urin, ein kaputter Stuhl stand ohne Sitzfläche an einer Wand.
Seltsamerweise war der Fahrplan an der Wand noch halbwegs intakt. Zwar bekritzelt und kunstvoll getaggt, aber noch lesbar. Es war die Red Line. Die Linie 1. Den Tag konnte Kretz entziffern ... aber der Tagger war längst tot ... oder ein Zombie.
Kretz las die Stationen. Er befand sich am südlichen Rand, in Dead End und musste nach Horror-Station, bis zur nördlichen Endstation. Zwischendurch machte die Linie einige Knicke, aber das störte ihn nicht besonders. Wenigstens war es trocken hier unten, recht warm und es regnete nicht. Kein Fall-Out. Nur heller könnte es sein. Kretz hob die Waffe, sah hinter den Schalter für die Fahrkarten, fand aber nichts als Trümmer und Scherben. Nutzlos. Er ging weiter, zum ehemaligen Kiosk. Dessen Tür stand halb offen, innen natürlich alles geplündert, der Rest bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Kretz sah sich dennoch um. Er fand einen angesengten Schokoriegel und eine in der Ecke verstaubte Packung Patronen für die Mossberg. Das freute ihn, denn Ammo war immer nützlich. Diese hier sah noch verwendbar aus. Auch der Riegel schien essbar zu sein. Kretz steckte beides ein. Mehr gab es hier nicht. Hier hatte es einst eine kleine Ladenzeile gegeben. Er durchsuchte jeden der vier Räume, vom Imbiss bis zum Blumenladen, fand aber nur ein rostiges Messer, das er mitnahm. Ansonsten lagen nur schmutzige Trümmerteile in den brackigen Pfützen, über die er vorsichtig stieg.
Dann nahm er die letzte Treppe nach unten in Angriff. Jetzt kam der Bahnsteig. Er steckte die Glock weg und griff an den Rücken, holte die Mossberg heran. Eine Schrotflinte war hier unten im weiten Raum besser, die Reichweite höher, der Schussdruck stärker. Er entsicherte die Waffe und zog den Kolben zurück, spannte den Hahn an. So musste er im Notfall nur noch den Abzug betätigen und die zwei Schrotpatronen würden brausend aus dem Lauf fahren und ihr gutes Werk tun.
Leise ging er die Treppe herunter, mit federnden Schritten. Er musterte den Raum vor sich. Hier gab es nur einen Mittelbahnsteig. Links und rechts die Tunnel der Schienen, der einst abfahrenden und ankommenden Bahn. Doch das war lange her. Die U-Bahn fuhr schon lange nicht mehr. Überhaupt hatte die Zombie-Seuche nach dem Krieg viele dahingerafft, den möglichen Wiederaufbau weiter zerstört. Sie vegetierten nur noch dahin, die wenigen Menschen, die es noch gab. Aber Kretz würde alles für sie tun. Für Menschen wie Jenny. Für Kinder, die eine bessere Welt verdient hatten.Vor ihm bewegten sich Schatten. Er trat näher, sah aber dann, dass es nur ein abgelöstes Wandplakat war, das zerrissen über dem Schalterautomaten hing, vom Luftzug bewegt.
Kretz ging tiefer in den dunklen Bahnsteig hinein. Er passierte eine alte, zerbrochene Sitzbank, umging einen dicken Betonpfeiler – und da waren sie dann: Zombies! Vier Stück. Zwei hatten schon ihre Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet und er blies ihnen die Köpfe weg. Knackend lud er nach, als die Matschreste der Zombieschädel zu Boden klatschten, und die Kadaver der Untoten polternd folgten.
Das war erledigt. Kretz ging weiter. Der dritte Zombie hielt sich wohl für schlau, denn er stand verdeckt hinter dem zweiten dicken Pfeiler, aber Kretz wusste genau, wo er war. Er ging zwei Schritte zur Seite, bis er freies Schussfeld hatte und erledigte die Sache. Einer weniger. Kretz ging weiter und blieb wachsam. Eine alte Benzintonne stand neben dem nächsten Pfeiler. Sie sollte wohl als Vorrat für Notbeleuchtungen dienen oder der Inhalt einst als Reinigungsmittel. Verlorene Mühe. Wahrscheinlich als Nachfüllvorrat für die leeren aber flackernden Benzinfässer, die er oben gesehen hatte. Draußen. Oder auf anderen Bahnsteigen als letztes Notmittel damals ... Kretz reckte den Kopf und suche den letzten Zombie. Den erwischte er etwas weiter hinten auf dem alten Bahnsteig. Der vierte. Der Zombie kam auf ihn zu, der Körper rotbraun verfärbt, mit irrer Fratze. Kretz zielte auf die alte Tonne mit Benzin, die am Rand des Bahnsteigs stand und das Fass explodierte krachend und erlegte den Zombie sauber. In mehrere Stücke zersprengt, klatschten die Teile zu Boden.
Kretz hatte Glück gehabt; diese Untoten hier waren von dumpfester Sorte, weder schnell noch aktionsaktiv. Man konnte sie fast nach Belieben abservieren. Sie konnten noch nicht lange untot sein. Aber das galt nicht für alle. Die fieseren Kreaturen würde er weiter drinnen finden, tiefer in den Tunneln. Doch da musste er eben durch.
Kretz ging den Rest des Bahnsteiges ab, die Waffe in der Armbeuge, doch er fand hier nichts weiter. Also schwang er sich vom Rand des Bahnsteigs auf die Schienen hinab und ging zum Tunneleingang voran ... Strom gab es hier schon lange nicht mehr ... die hohe Gestalt des Mannes verschwand in der Dunkelheit des Tunnels.
SCHIENE DER VERDAMMNIS