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»Weihnachten, wie es früher einmal war« - Gruselige Weihnachten im analogen Zeitalter

Weihnachten, wie es früher einmal war - Gruselige Weihnachten im analogen Zeitalter»Weihnachten, wie es früher einmal war«
Gruselige Weihnachten im analogen Zeitalter

An eine Sternstunde, an die ich mich auch nach 34 Jahren noch gerne erinnere, das sind die Weihnachtsferien 1987/88. Da war ich gerade in der 10. Klasse und habe die mittlere Reife gemacht.

Viele Freizeitmöglichkeiten standen mir damals zwar nicht zur Verfügung, aber ich wusste mir durchaus zu helfen, um mich in den Ferien bei Laune zu halten.

Die Weihnachtsferien leitete ich damals mit einem Werwolf-Tag ein, und zwar war das der 23.12.1987. Die Vorfreude auf den Heilig Abend war ohnehin schon riesengroß, aber ich wollte aus dem ersten Ferientag etwas ganz Besonderes machen, und so habe ich mir einen "Thementag" auf meine ganz spezielle Art und Weise ausgedacht. An diesem Tag sollte es nur um Werwölfe gehen. Das war zwar nicht wirklich weihnachtlich, aber egal, ich fand es ein spannendes Thema nach all dem vielen Lernen in der Schule.

Für den 23.12.87 habe ich mir deshalb extra einen Werwolf-Roman aufgehoben, das war ein Heftroman, und damit habe ich gleich in der Früh eifrig zu lesen begonnen. Des weiteren hatte ich damals von einem Schulfreund die Videokassette "Der Werwolf von Tarker Mills" geliehen bekommen. Das war eine Stephen King-Verfilmung, und das Buch dazu hatte ich ein Jahr zuvor von meinem Taschengeld gekauft. Meine Freude war deshalb unbeschreiblich, dass mir der Freund diesen Film geliehen hat, denn man musste bedenken: Ich hatte in den 80er Jahren überhaupt keinen Zugriff auf Filme aller Art, bis auf das, was im Fernsehen lief, und das war nicht viel. Die geliehene Videokassette hatte ich mir ebenfalls für den 23.12. aufgehoben, und am Nachmittag sah ich mir schließlich "Der Werwolf von Tarker Mills" an und war total begeistert. Am Abend kam dann zu meiner Überraschung noch ein Werwolf-Fernsehfilm im TV. Ich dachte zuerst, ich sehe nicht richtig, aber der TV-Film wurde tatsächlich als Werwolf-Film angepriesen, und das kam mir natürlich gerade recht, denn das hat mir richtig gut in die Karten gespielt. Allerdings war der Film ein Schmarren, und Werwölfe kamen dort auch nicht vor. Das war natürlich eine Enttäuschung gewesen, aber ich hatte mir sowas schon gedacht. Negative Aspekte gab es halt auch an Thementagen, aber davon ließ ich mich nicht beirren. Mein Werwolftag war trotzdem ein voller Erfolg gewesen, denn jetzt befand ich mich erst so richtig in Ferienlaune!

Im Zeichen des BösenDirekt nach dem Werwolf-Roman habe ich in diesen Ferien meine allerliebste Heftromanserie Dämonenkiller zu lesen begonnen, und zwar erstmals von Anfang an. Das war für mich ein Novum, meine Lieblingsserie von Beginn an starten zu können, denn ursprünglich war ich erst zwei Jahre zuvor gegen Ende eingestiegen, als die Serie schon am Auslaufen war. Ein paar der älteren Hefte hatte ich deshalb bereits vorher fleißig gesammelt und extra für die Ferien aufgehoben, das heißt, ich konnte es kaum noch erwarten, mit dem Lesen zu beginnen und war so richtig enthusiastisch bei der Sache, denn Lesen war etwas, das mich schon immer leidenschaftlich ausgefüllt hat.

Zu Weihnachten hatte ich mir damals von meinem Onkel einen Stapel Stephen King-Romane gewünscht, und zwar habe ich diesen Wunsch deshalb an meinen Onkel gerichtet, weil ich schon gewusst hatte, dass meine Eltern diese Forderung samt und sonders abgelehnt hätten, hätte ich mir die Bücher von ihnen gewünscht. Mein Onkel Melchior (einer der Heiligen Drei Könige!) hat zu Weihnachten immer 150,- DEM springen lassen, und dafür durfte ich mir kaufen, was ich wollte, egal was. Da ich zu diesem Zeitpunkt gerade meine Leidenschaft für Stephen King entdeckt hatte und mir die Taschenbücher bzw. Hardcover damals als Schüler zu teuer gewesen waren, hatte ich mir diese zu Weihnachten gewünscht. Ich habe mir die Bücher vorher über mehrere Wochen hinweg alle selber gekauft, entweder im Buchhandel zusammengesucht oder direkt dort bestellt, und die ungelesenen Bücher habe ich dann alle bei meinem Onkel abgeliefert. Er hat sie aufgehoben bis zum Heilig Abend, und da habe ich dann die Bücher alle auf einmal überreicht bekommen. Das war ein Traum, denn für 150,- DEM konnte man damals ziemlich viele King-Romane kaufen, aber ich glaube, ich habe nicht das ganze Geld verbraucht.

Das HenkersschwertFür den 24.12. hatte ich mir in der Schulzeit immer ein ganz besonders Ritual zurechtgelegt: Damals gab es im Dezember jedesmal eine Sonderausgabe der Micky Maus, und zwar war das eine Art Weihnachtsausgabe zusammen mit einem alten Nachdruck von früher. Es waren also zwei Hefte in einem: Die aktuelle Micky Maus und ein Nachdruck von einer ziemlich alten Ausgabe, beide eingeschweisst in Plastikfolie. Diese Hefte habe ich im Zeitschriftenhandel ganz gezielt abgewartet und mir nur diese Sonderausgabe gekauft. Natürlich habe ich mir diese Comics dann immer aufgehoben und erst am 24.12. gleich in der Früh nach dem Aufwachen im Bett gelesen. Das war mega spannend! Fix & Foxi hat damals schließlich nachgezogen und ebenfalls ein Doppelheft im Dezember herausgebracht. Das habe ich mir dann auch gekauft und natürlich für den 24.12. aufgehoben. Manchmal hatte ich in der Früh gleich vier Comics zu lesen. Das war wirklich genial, denn das war für mich der perfekte Auftakt der Weihnachtsfeiertage: Ich habe mich in der Früh mit neuen Comics erstmal selbst beschenkt - und das noch VOR der offiziellen Bescherung. Dieses Ritual habe ich während meiner späteren Schulzeit geradezu geliebt. Dafür musste ich aber schon Ende November Ausschau nach den Sonderausgaben halten, denn ich wollte ja nur diese eine Ausgabe haben. Im Laufe des 24.12. habe ich dann immer wieder mal ein paar von den Geschichten nochmal gelesen. Aus heutiger Sicht unbegreiflich, wie ich mich damals für Comics so dermaßen begeistern konnte, aber als Teenie war das ein echter Hit.

Der PuppenmacherAn den Weihnachtsbaum, den meine Eltern im Wohnzimmer aufgebaut hatten, wollte ich jedes Jahr immer ein paar Ostereier hängen, um dem Ganzen eine frühlingshafte Note zu verleihen, aber meine Mutter hatte stets vehement abgelehnt, mit den Worten: "Am Weihnachtsbaum haben Ostereier nichts verloren!"

Als der Baum dann stand und ich alleine im Wohnzimmer war, habe ich meistens klammheimlich ein kleines, einzelnes Osterei in die Zweige gehängt, in der Regel gut versteckt, damit es einem nicht sofort auffiel, und über dieses Osterei habe ich mich dann während der ganzen Feiertage immer tierisch gefreut, denn das sah wirklich sehr gut aus, und ein ganzer Weihnachtsbaum, nur mit Osterschmuck behangen, das hätte noch viel besser ausgesehen, vor allem wäre es mal eine tolle Abwechslung gewesen, aber ich konnte meine Eltern seltsamerweise nie davon überzeugen. Schade, denn Weihnachtssterne sah man zu dieser Zeit schließlich überall, da wären mir die Ostereier gerade recht gekommen, doch mit konservativen Eltern war so eine Innovation halt leider nicht machbar.

Das WachsfigurenkabinettDen Heilig Abend haben wir damals immer bei meiner Oma verbracht, das waren die schönsten Weihnachtsfeste meines Lebens: Meine Eltern, mein Onkel mit Tante, meine Großmutter, meine Lieblingskatze und ich. Das war herrlich unbeschwert! Diese Abende waren jedesmal phantastisch, und ich hatte den Heilig Abend jedes Jahr geradezu herbeigesehnt. Ich habe damals natürlich auch selbst kleine Geschenke verteilt, die von mir im Vorfeld alle sorgfältig ausgesucht und in Weihnachtspapier eingewickelt worden waren, aber am meisten bin natürlich ich beschenkt worden. So musste das sein! Meine Eltern waren allerdings überhaupt nicht glücklich darüber, dass ich mir zu Weihnachten soviele Bücher gewünscht hatte, und erst recht nicht, dass ich diese vom Onkel auch erhalten habe, und dann auch noch alles Gruselromane, also fast die ganzen King-Klassiker der 70er und 80er Jahre. Das waren Meisterwerke der modernen Horror-Literatur, bis heute unerreicht, darunter Feuerkind, Shining, Christine, Das letzte Gefecht, ES, Carrie, Nachtschicht und noch ein paar andere, deren Titel ich jetzt aber nicht mehr weiß. Meine Eltern hatten nie viel für Bücher übrig gehabt, von daher war ihnen meine Bücherleidenschaft auch nie so ganz geheuer gewesen, und darum habe ich mir die Romane auch ganz bewusst über einen Umweg beschafft, denn sonst wäre ich in jungen Jahren doch nie in den Genuß von Stephen Kings Weltliteratur gekommen!

Gelesen habe ich in den damaligen Weihnachtsferien allerdings noch keinen von diesen Romanen, sondern meine Lieblingsserie Dämonenkiller, die ich, wie gesagt, endlich mal von Anfang an lesen wollte. Gerade zu Beginn ist diese Serie einfach phänomenal. An Silvester waren wir dann in der gleichen Besetzung wieder bei meiner Großmutter versammelt und haben den Jahreswechsel gefeiert. Auch diese Abende waren so richtig klasse. Ich habe damals, am Silvesterabend, zwischendurch in der Küche eine Ruhepause eingelegt und dort den Dämonenkiller-Roman "Duell mit den Ratten" gelesen, der einfach unglaublich spannend war.

Der TeufelskreisIn Omas Küche habe ich mich übrigens immer wieder mal gerne für eine Weile zurückgezogen, denn dort schlief nicht nur eine Katze, der ich mit Vorliebe Gesellschaft geleistet habe, sondern dort hatte meine Oma auch eine Krippe aufgebaut. Diese war von meinem Großvater in der Nachkriegszeit durch Handarbeit mühsam zusammengebaut worden, aus Holz und Farbe. Das Holz stammte komplett aus dem Wald, denn in den 50er Jahren hatte man für sowas kein Geld übrig, nur die Figuren waren zugekauft. Die Krippe war ein Unikat und der ganze Stolz meines Großvaters gewesen, denn er hatte damals viel Zeit und Ehrgeiz in den Bau der Krippe gesteckt. Diese bestand aus mehreren "Stockwerken", und es waren verschiedene kleine Gänge und Kammern in der Vorderseite eingebaut, die zum Teil mit Spiegeln versehen waren, was mir persönlich immer am besten gefallen hat. In diesen Gängen und Kammern standen die unterschiedlichsten Figuren, die mein Großvater damals gesammelt hatte.

Meinen Großvater durfte ich nie persönlich kennenlernen, von daher war diese Krippe das einzige, was mir von ihm geblieben war, und die ganze Kindheit über habe ich jedes Jahr fasziniert die zahlreichen Facetten der Krippe studiert, die mit viel Liebe zum Detail gebaut worden war. Dabei war ich in der Lage, immer wieder neue Einzelheiten zu entdecken, die mir zuvor entweder nicht aufgefallen waren, oder die ich schon wieder vergessen hatte, und die Figuren waren jedes Jahr größtenteils anders angeordnet, so dass mich immer wieder eine neue Variante der Krippe zu Weihnachten erwartete. Ich habe dann in späteren Jahren selbst ein paar der Figuren umgebaut, zum Beispiel war ich der Meinung, dass die Heiligen Drei Könige kein adäquater Schutz für das Jesuskind waren, darum habe ich eine etwas größere Katzenfigur, die aus Metall gegossen war und dementsprechend schwer gewesen ist, direkt neben das Bett des Jesuskindes gestellt, damit es einen Leibwächter hatte. Unmittelbar darunter auf dem Sofa schlief dann meist noch eine echte Katze, und dadurch war die Sicherheit von Jesus auf jeden Fall gesichert!

Duell mit den RattenDas selbstgeschnitzte Holzgebäude der Weihnachtskrippe besaß auch einen ganz unverwechselbaren Geruch, der jedes Jahr einen Wiedererkennungswert zur Folge hatte, welcher mich ganz automatisch in die richtige Weihnachtsstimmung gebracht hat. Dieser Krippenduft war für mich unverwechselbar mit Weihnachtsferien verbunden, denn das Holzkonstrukt mit all seinen Figuren war nur zwischen den Feiertagen aufgebaut, und danach war es wieder für ein Jahr lang komplett aus meinem Blickfeld verschwunden.

Aber ich musste damals trotz allem Enthusiasmus auch Abstriche machen: An Silvester kam der Film "Schlag 12 in London", eine "Dr. Jekyll & Mr. Hyde"-Verfilmung von 1960, die ich mit dem Videorekorder aufgenommen hatte. Am Neujahrstag habe ich mir diesen Film zusammen mit meinem Vater angesehen, und ich war sowas von enttäuscht von diesem Schrott. Der Film war überhaupt nicht gruselig, zudem furchtbar schlecht gemacht und langweilig, ich war wirklich maßlos enttäuscht. Zu allem Übel habe ich an diesem Tag auch noch einen langweiligen Dämonenkiller gelesen, nämlich "Labyrinth des Todes". Nach dem "Duell mit den Ratten" war das ein echter Flop. Der Neujahrstag 1988 war deshalb komplett zum Vergessen: Miserabler Film und miserabler Roman. Dass nach jedem Hoch oft ein Tiefpunkt kam, das musste ich damals schon erfahren, aber so ist halt das Leben.

Lanbyrinth des TodesDie Weihnachtsferien vergingen wie im Flug, und ehe ich mich versah, war es auch schon Heilig Drei König, also der 06.01.1988, und damit wurde praktisch so langsam aber sicher das Ende der Ferien eingeleitet. Interessant dabei ist, dass es 1987/88 von den Tagen her die gleiche Konstellation gab wie 2020/21, darum ist mir das auch an Weihnachten 2020 gleich wieder eingefallen. Heilig Drei König war nämlich ein Mittwoch, und da waren wir damals bei meiner anderen Oma zum Mittagessen eingeladen. Als ich ihr mein Leid geklagt hatte, dass meine Ferien zur Neige gingen, hat sie mir spontan vorgeschlagen, dass wir am 07.01.88 zusammen mit dem Bus nach Augsburg fahren könnten. Ich war natürlich begeistert und habe mich riesig darüber gefreut. "Aber Bücher werden keine gekauft", hat mich meine Oma mit erhobenem Zeigefinger ermahnt, und meine Eltern waren einstimmig einverstanden, dass keine Bücher mehr gekauft werden durften, immerhin hatte ich zu Weihnachten schon genug bekommen. Naja, einen Wermutstropfen gab es eben überall.

Am 07.01.88 bin ich mit dem Fahrrad in der Früh zur Oma gefahren, dann sind wir zur Bushaltestelle gelaufen und in den Bus nach Augsburg eingestiegen. Allein das fand ich damals schon aufregend, und zwar wegen der Vorfreude. Ich hatte allerdings auch eine unheimliche Lektüre dabei. Wenn ich schon nichts kaufen durfte, dann musste ich doch was Gruseliges zum Lesen mitnehmen, und zwar hatte ich mir den Dämonenkiller-Roman "Die Todesengel" mitgenommen und während der Busfahrt ein wenig darin gelesen. Der war wieder mal echt spannend gewesen. Während der Busfahrt habe ich auch zwei Frauen, die vor mir saßen, bei ihrer Unterhaltung belauscht. Sie haben sich über den Fernsehfilm vom Vortag unterhalten, und den hatte ich auch gesehen. Darin war es um ein kinderloses Ehepaar gegangen, die ein Kind adoptiert hatten, aber das Kind konnte sich mit den Ersatzeltern nicht so recht anfreunden, am allerwenigsten mit der Mutter, und am Schluss hat das Kind darum gebeten, wieder ins Kinderheim zurückkehren zu dürfen.

Lanbyrinth des TodesIch habe mich zunächst darüber gewundert, dass die Frauen vor mir das Gleiche gesehen hatten wie ich, aber früher gab es halt nur eine Handvoll Fernsehsender, da hatten wir bei weitem nicht soviel Auswahl wie heute. Kurze Zeit später hat eine der beiden Frauen lautstark erzählt, so dass es gleich der ganze Bus mithören konnte: "Meine Tochter wollte die mittlere Reife machen, aber sie will Verkäuferin in einer Bäckerei werden. Da habe ich ihr gesagt, die mittlere Reife kann sie sich schenken, denn Brötchen kann sie auch ohne mittlere Reife verkaufen!"

Ganz schön hartherzig, diese Mutter, da waren meine Eltern zum Glück einsichtiger gewesen, denn sie haben mich nach dem Hauptschulabschluss noch auf die Realschule geschickt, um die mittlere Reife in einem Jahr nachzuholen. Ich war zu diesem Zeitpunkt richtig glücklich darüber, dass ich auf die Realschule gehen durfte, denn dieses Privileg hatten damals nur die wenigsten Hauptschulabgänger.

Der Ausflug nach Augsburg war eine tolle Abwechslung gewesen, auch wenn ich dort keine Bücher kaufen durfte, aber es gab dort für mich auch nicht wirklich viel Einkaufsmöglichkeiten. Verglichen mit den Kaufhäusern in München war es in Augsburg echt mager bestellt. Egal, dabei sein war alles. Diesen Ausflug habe ich bis heute gut in Erinnerung behalten, auch wenn er völlig unspektakulär gewesen ist. Immerhin konnte ich auf Omas Kosten Bus fahren und leckere Sachen essen, die es nur in der Großstadt gab. Für mich war das damals ein wundervoller Abschluss meiner Ferien gewesen. Für die Kids von heute wäre es dagegen der vermutlich sterbenslangweiligste Ausflug aller Zeiten geworden. Ich hatte damals nicht mal ein Smartphone dabei. Aber genau deswegen war es ja auch so klasse, denn ich hatte damals noch viel Zeit, mich mit der realen Welt zu beschäftigen (wenn ich nicht gerade Gruselromane gelesen habe, versteht sich).

Schließlich waren die Weihnachtsferien vorbei, und ich stand am Montag, den 11.01.1988, in der Früh wieder an der Bushaltestelle. Diesmal war ich ganz besonders motiviert, denn ich wusste ja jetzt: Es war ein Privileg, auf die Realschule gehen zu dürfen, jedenfalls war es das für mich.

Neben mir stand ein drei Jahre jüngeres Mädchen, das in meiner Nachbarschaft wohnte und ebenfalls auf die Realschule ging. Ich weiß noch, was sie damals an der Bushaltestelle erzählt hat, als wir auf den Schulbus gewartet haben: "Mir war es in den Ferien ja sooooo langweilig, ich wäre am liebsten wieder in die Schule gegangen!" hat sie uns vorgejammert.

Der FolterknechtNa, Glückwunsch, oder wie einfallslos musste man sein, damit es einem in den Weihnachtsferien langweilig wird? Ich dagegen hätte die Ferien noch ewig fortsetzen können, um meine Lieblingsserie Dämonenkiller weiterzulesen, und Stephen King hatte ich ja auch noch. Aber dieses Mädchen konnte sich anscheinend nicht wirklich gut beschäftigen. Die hätte damals schon ein Smartphone und WhatsApp gebraucht! Aber das gab es da zum Glück noch nicht. Dann hat das Mädchen witzigerweise von einem schrecklichen Film erzählt: "Ich habe 'Der Hund von Baskerville' gesehen", fuhr sie fort, "und der war soooooooooo gruselig, der war so unheimlich, ich habe es vor Spannung schier nicht mehr ausgehalten. Ich dachte immer, das sei ein Werwolf!"

Ich musste bis über beide Ohren grinsen. "Der Hund von Baskerville" ist doch kein Werwolf, da hätte sie schon "Der Werwolf von Tarker Mills" sehen müssen. DAS war ein Werwolf-Film, wie er im Buche steht. Dieser Film gefällt mir übrigens heute noch. Den verbinde ich nach wie vor mit den Weihnachtsferien von damals, und für mich ist das ein richtiges Feel-Good-Movie geworden.

Ich glaube, die Weihnachtsferien von 1987/88 waren die besten meines Lebens. Ein Jahr später, Ende 1988, war es auch noch super, da war ich in der 11. Klasse und habe wieder ausschließlich Comics am Heilig Abend und den Dämonenkiller in den Ferien gelesen. 1989 war ebenfalls noch OK. Damals ging ich bereits in die 12. Klasse, aber da war es dann schon nicht mehr ganz so toll wie sonst, doch das Comic-Ritual in der Früh des 24.12. habe ich bis in dieses Jahr beibehalten. Streng genommen war ich da mit 17 Jahren eigentlich schon zu alt für sowas, aber ich war zu diesem Zeitpunkt noch in der Schule, und Schüler dürfen eben Comics lesen. Punkt!

Ab 1990 war ich dann berufstätig, hatte keinen Weihnachtsurlaub mehr, sondern musste zwischen den Feiertagen arbeiten und Inventuren abschließen. Das Thema Comics war seit diesem Zeitpunkt endgültig gestorben. Comics waren plötzlich sowas von gestern und mega-out. Die habe ich an der Schwelle zum Erwachsenwerden praktisch über Nacht aussortiert. Da bin ich stattdessen lieber in die Videotheken gefahren und habe mir Filme ausgeliehen. Da brauchte man dann wirklich keine Comics mehr.

Die TodesengelAb diesem Zeitpunkt hatte Weihnachten seinen Zauber endgültig verloren. Das weihnachtliche Lesen des Dämonenkillers habe ich zwar noch zwei oder drei Jahre fortgeführt, danach aber auch ad acta gelegt.

Als dann die Oma, bei der wir Weihnachten immer gefeiert haben, krank geworden ist, sind diese Feiern ebenfalls weggefallen, und dann war Heilig Abend und Silvester ein Urlaubstag wie jeder andere auch: Kurze Unterbrechungen von einer stressigen Arbeit, mehr aber auch nicht. In großem Stile gefeiert haben wir kaum noch, und die negativen Facetten des Lebens sind damals auch schon immer länger und länger geworden und haben die einst so heiligen Weihnachtsfeiertage mit der Zeit immer mehr überschattet. Und ganz egal, was man auch unternimmt, um das Weihnachtsgefühl von früher zurückzuholen, man wird garantiert daran scheitern. Als Erwachsener kann man den kindlichen Zauber des Weihnachtsfestes nicht mehr wiederherstellen.

Fazit: Als Schüler war Weihnachten schlichtweg am besten. Herrlich unbeschwert und fernab jeglicher Verantwortung. Ich konnte zwei Wochen lang einfach nur genießen. Jetzt geht das irgendwie nicht mehr, selbst wenn ich Urlaub habe, holt mich immer irgendeine lästige Verpflichtung ein. Deshalb sollte man sich seine Sternstunden von damals gut in Erinnerung behalten. Als Kind war man noch naiver und deshalb mit vielen kleinen Dingen zufrieden, die einem heute kein müdes Lächeln mehr hervorlocken würden.

Und noch ein paar Worte an die Kritiker: Manche Leute werden sich beim Lesen vermutlich denken: "Wenn der Typ in seiner Freizeit nicht viel mehr auf die Reihe gekriegt hat als ein paar triviale Hefte zu lesen, dann hat er nicht wirklich was Großartiges geleistet!"

Das Mädchen in der PeestgrubeMag sein, aber darum geht es ja auch gar nicht. Man muss als Schüler in seinen Ferien nichts Großartiges leisten, sondern man muss großartige Glücksmomente schaffen, die für den Rest seines Lebens Bestand haben, und GENAU DAS habe ich in meiner Kindheit auch hinbekommen! Das Mädchen von der Bushaltestelle hat das anscheinend nicht geschafft, ansonsten hätte sie in den Ferien ja wohl kaum aus Langeweile wieder in die Schule zurückgehen wollen. Ich dagegen habe meine Sternstunden im voraus von langer Hand geplant und regelrecht zelebriert. Der Werwolf-Thementag, das Comic-Ritual und das Vorhandensein meiner Lieblingsserie zur rechten Zeit am rechten Ort, das waren keine Zufallsprodukte gewesen, die vom Himmel gefallen sind. Diese kleinen "Projekte" habe ich in den Wochen vor Weihnachten immer akribisch genau vorbereitet, und sogar das hat Spaß gemacht. Die ersten Ausgaben der Dämonenkiller-Serie hatte ich das ganze Jahr über gesucht & gesammelt und extra für die Ferien aufgehoben, und auch die in Plastikfolie verpackten Weihnachtscomics habe ich nicht etwa schon Anfang Dezember aufgerissen und gelesen, sondern verwahrt und für den 24.12. zurückgelegt, denn dann konnte ich mich jeden Tag umso mehr auf die Weihnachtsferien freuen. Aber das muss man sich halt im Vorfeld erstmal ausdenken und dann auch genau so durchziehen, sonst wird das nichts. Das war zwar mit Arbeit und Verzicht verbunden, dafür war die Vorfreude umso größer, und auch das war eines der unvergesslichen Glücksgefühle meiner Kindheit, nämlich dass ich mir für die nahenden Ferien kleine, geheime Rituale ausgedacht habe, auf die ich mich jeden Tag freuen konnte. Es macht nämlich einen großen Unterschied, ob man sich spontan für irgendeine Lektüre entscheidet, oder ob man diese Lektüre bewusst aufhebt und an einem ganz besonderen Tag in der Zukunft platziert. Nur dann kann man sich gezielt jeden Tag darauf freuen. In diesem Fall ist die Begeisterung auf die Lektüre, wenn der besondere Tag denn endlich gekommen ist, viel viel größer, als wenn man das Buch gleich konsumiert hätte, denn dann wäre schließlich die ganze Vorfreude weggefallen. Dieses Vorgehen klappt aber am besten in jungen Jahren, wenn man noch etwas Naivität und kindliche Neugier mitbringt. Als Erwachsener ist sowas wesentlich schwieriger zu realisieren, vor allem dann, wenn man viele Verpflichtungen hat.

Ich habe mir damals mit meinen bescheidenen Mitteln und Ressourcen so gut beholfen, wie ich konnte, denn man bedenke: Ich hatte kein Streaming, kein Internet, noch nicht mal einen Computer, und das Fernsehangebot war in den 80er Jahren wirklich mehr als mager, aber dafür hatte ich Kreativität und die große Leidenschaft für gut erzählte Geschichten, und das habe ich mir eben zunutze gemacht, um bleibende Sternstunden zu erschaffen, an die ich mich selbst heute noch gerne erinnere, wenn auch etwas wehmütig. Vielleicht sollte ich ja doch mal wieder den Dämonenkiller lesen. Das war immerhin die beste Serie meines Lebens!

Kommentare  

#1 OliverRied 2021-12-25 18:55
Ja, die Geschmäcker sind immer wieder verschieden. ;-)

Für Kids, die Horrorfilme mit Monstern sehen wollen, ist "Schlag 12 in London" nicht das Richtige. Somit war das eher ein Erwachsenenfilm, der sich an einer neue Variante von Dr. Jekyll und Mr. Hyde versucht. Vielleicht sollte ich mir den heute nochmal aus Erwachsenensicht ansehen.

Ich mag Mr. Hyde allerdings auch heute noch lieber als Monster. Ich habe halt ein Herz für Monster! :lol:

Heftromane sind sprachlich meist nicht besonders anspruchsvoll, aber cool, und der Dämonenkiller war supercool, auch heute noch. Das Lektorat hat mich da nie gestört, denn die Figuren und die Story an sich fand und finde ich immer noch genial. Dorian Hunter rules! Professor Zamorra, too! :-)

Das sind für mich die zwei besten Serienhelden, die es je gegeben hat.
#2 matthias 2021-12-26 05:16
Warum aber 150 DM für Romane von King? Klar, King ist schon OK, aber warum neue Bücher?
Als die Grenze aufging, sah ich im Westen die Flohmärkte voll mit den herrlichsten Büchern z.T. für 50 Pfennig!
Und in den Jahren danach baute ich mir so eine riesige Sammlung auf ...
#3 OliverRied 2021-12-26 10:24
Ich wohne im tiefsten ländlichen Gebiet, da sind Flohmärkte rar gesät. Früher gab es nur im Sommer einen kleinen Flohmarkt am Ort, und da gab es in Sachen Horror nicht sehr viel. In der Großstadt wäre das vielleicht anders gewesen, aber bei uns gab es rein gar nichts. Wir waren damals irgendwie ein weißer Fleck auf der Landkarte. Darum neue Bücher. Die habe ich dafür über 20 Jahre lang in Ehren gehalten!
#4 OliverRied 2021-12-27 17:47
Wenn man Bücher viele Jahre aufhebt, dann rentiert sich ein Neukauf auf jeden Fall.

Ich habe Ende der 80er Jahre einige alte Horror-Heftromane in gebrauchtem Zustand gekauft, und die sahen nicht mehr sehr gut aus. Verbuckelt, verknittert und vergammelt kamen die meisten gebrauchten Hefte daher. Sowas will man eigentlich nicht in seiner Sammlung haben, aber es war besser als nichts.

Am schlimmsten betroffen waren die Hefte der Dämonenkiller 1. Auflage und des Vampir-Horror-Romans. Vor allem der VHR war nahezu immer in einem schlechten Zustand, wenn ich denn mal ein Heft ergattern konnte.

Den Vampir-Horror-Roman 47 - Amoklauf habe ich Anfang der 90er Jahre für über 50 Mark gekauft. Der war extrem selten und fast nicht zu kriegen. Aber ich wollte den unbedingt haben, also habe ich in den sauren Apfel gebissen und ein kleines Vermögen von 50 Mark dafür ausgegeben. Der Roman war aber auch echt klasse. Der war jeden Pfennig wert! :D

Ewig schade, dass die Vampir-Horror-Serie nie neu aufgelegt worden ist. An diese Hefte kommt man heute ja gar nicht mehr ran, und da waren viele Perlen dabei. Auch die Titelbilder waren genial. Ein Jammer, dass es diese Serie nicht als Nachdruck gibt.
#5 matthias 2021-12-27 19:59
zitiere OliverRied:

Ewig schade, dass die Vampir-Horror-Serie nie neu aufgelegt worden ist. An diese Hefte kommt man heute ja gar nicht mehr ran, und da waren viele Perlen dabei. Auch die Titelbilder waren genial. Ein Jammer, dass es diese Serie nicht als Nachdruck gibt.


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