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Ein Dämonenjäger packt aus

StoryEin Dämonenjäger packt aus
 
Hallo, Sie! Ja, genau Sie! Ich habe da einige Fragen an Sie. Es wird Sie bestimmt nicht lange auf­­halten. Haben Sie schon mal einen Dämon oder ein sonstiges Höllenwesen getötet oder er­legt? Nein? Aber ich!

Das ist Teil meines Jobs. Ich gehöre nämlich einem exklusiven Zir­k­e­l an, dem der Geister- und Dämonenjäger. In unserem Gewerbe ist das Überleben nicht un­be­­dingt leicht. Das können Sie mir glauben.

Nicht nur, dass Dämonen einem das Leben so sch­wer wie möglich machen; nicht nur, dass Vampire versuchen, ihre (zumeist nicht von Ka­ri­es befallenen) Zähne in meine Halsschlagader zu schlagen; nicht nur, dass Werwölfe mich ro­h zu verspeisen gedenken; nicht nur, dass mich verrückte Wissenschaftler zu (meiner Ge­sun­d­heit sehr abträglichen) Experimenten zu benutzen gedenken; nicht nur, dass Ghouls mich als Mitternachtsimbiss zu verzehren gedenken (bei meinem muskulösen und nicht verfetteten Corpus kein Wunder, da dieser Imbiss aufgrund weniger Kalorien recht bekömmlich sein dürfte); nicht nur, dass bleiche (mit einem mörderisch dümmlichen Blick ausgestattete) Zombies mich ins Jenseits zu schicken hoffen, nein – vielmehr sind es die unglaublichen Arbeitsbedingungen, die uns Dämonenjägern das Leben so schwer machen.

Überlegen Sie mal! Was ist das für ein Risiko für Bänder, Sehnen und Knochen, wenn Sie des Nachts über einen Friedhof hetzen müssen und in dieser stockdunklen Nacht nicht die Hand vor Augen sehen. Sie brauchen bloß in ein Loch zu treten und sechs oder mehr Wochen in Gips sind Ihnen gewiss. Auch ist es nachts – zumindest in unserem Job – häufig nebelig. Bei dieser Luftfeuchtigkeit können Sie sich den Tod in Form einer Lungenentzündung holen. Oder auch der ungeheure Stress, unter dem wir stehen. Das kann Magengeschwüre geben oder auch einen wunderschönen Herzinfarkt (da braucht man keinen zu hohen Cholesterinspiegel mehr).

Gegen die Dämonen gibt es Waffen. Dagegen (gemeint sind die Risiken unserer Arbeit) ist kein Kraut gewachsen.

Haben Sie schon mal vier Tage ohne Schlaf verbracht und in diesen an und für sich lächerlichen sechsundneunzig Stunden ständig sportliche und geistige Höchstleistungen vollbracht?
Ich habe das fast in jedem meiner Fälle gemacht. Ich bin gegen Monster angetreten, bin von Hausdächern gesprungen, habe dann kombiniert (Machen Sie das mal, wenn Sie Ihr Auto mit einhundertfünfzig Sachen über eine kurvige und noch dazu enge Landstraße jagen), dann wieder vierhundert Meter im Spurt (natürlich mit einigen Hindernissen durchsetzt) und schließlich noch gezielt schießen und treffen (und damit haben selbst die Biathleten sehr große Schwierigkeiten, denn schließlich muss der Puls beruhigt werden).

Das sind unmögliche Arbeitsbedingungen! Zweimal war ich verheiratet, aber welche Frau macht das mit? Ständig im Einsatz, noch dazu in allen Teilen der Welt. Es gibt keinen Kontinent, den ich noch nicht bereist habe. Manchmal musste ich sogar an zwei aufeinander folgenden Tagen von Grönland in den tropischen Regenwald. Und ich musste fit sein. Selbst von Hochleistungssportlern erwartet man das nicht, aber von uns Dämonenjägern!

Es ist ungerecht! Schlichtweg eine Schinderei. Haben Sie sich schon mal überlegt, wer uns noch versichert? Sicherlich, einige meiner Kollegen sind Beamte, aber nehmen Sie mich. Ich bin Freiberufler. Selbst die berühmte englische Versicherung, die Fußballerbeine und Schiffe und Sängerstimmen versichert, nimmt mich nicht. Bei Arbeitsunfähigkeit bin ich aufgeschmissen.

Und was dieser Job alles an Ausgaben erfordert. Rechnen Sie nur mal meinen hohen Verschleiß an geweihten Silberkugeln, also ich kann Ihnen sagen, billig sind sie nicht, diese Dinger, aber ohne Silberkugeln wird man heute nichts mehr als Geisterjäger. Oder nehmen Sie die Reise- und Hotelkosten. Hinzu kommen die vielen Leihwagen, die Kleidung (was ich so an Anzügen verschleiße, ist nicht mehr schön; ich bin schon zu Ware von der Stange übergegangen), mein privates Auto (wie alle meine Kollegen fahre ich natürlich ein sehr großes und sehr teures Auto), den Unterhalt meiner beiden Ex-Frauen und last not least die Schadenersatzzahlungen für Wohnungen, Burgen und Autos, die ich so während meiner Einsätze zertrümmere.

Glauben Sie, dass ich es schaffe, mich regelmäßig und gesund zu ernähren? Ha, Sie glauben es! Da kann ich nur sehr laut und sehr vernehmlich lachen. Überlegen Sie doch mal, was ich während der Arbeit so zu mir nehmen kann. Das ist doch lächerlich! Zumeist langt es gerade für einen von diesen undefinierbaren Hamburgern oder einer höchst unappetitlichen Currywurst im Stehimbiss. Da dreht sich einem doch der Magen um, oder?

Kommen Sie mir jetzt ja nicht mit dem Argument, dass ich in meinem Job immer viele schöne Frauen treffe! Meinen Sie denn, es ist befriedigend, sich immer auf die Schnelle mit einer Frau einzulassen, die Beziehung nicht vertiefen zu können und häufig sogar zusehen zu müssen, wie ein anderer die Frau abschleppt? Meinen Sie, das ist befriedigend? Mit Sicherheit nicht!

Kommen  Sie mir nicht mit dem Argument, dass es doch so schön ist, Menschen vor dem unschönen Tod (oder dem Übergang in ein anderes unseliges Leben) zu bewahren. Zwar ist es schön, den persönlichen Dank derjenigen entgegenzunehmen, aber das öffentliche Lob bleibt aus. Warum? Ist doch klar, weil einem das Leben dann schwergemacht wird. Im schlimmsten Fall landet der Betreffende in der Klapsmühle. Seien Sie doch ruhig mit Ihren Bemerkungen über den einsamen Helden. Dem das alles nichts ausmachen darf, da er sich in seinem grenzenlosen Edelmut und seiner schwer unendlichen Bescheidenheit erfreut. Ich bin doch kein Masochist. Ein bisschen öffentliches Lob und ein wenig mehr Anerkennung in Form eines Schecks täten mir und vor allem meinem Bankkonto mehr als gut.

Und überhaupt. Wo soll denn Ihrer Ansicht nach der Nachwuchs herkommen? Denn Ihnen muss doch wohl klar sein, dass ein derartiges Leben, wie ich es führe, einen Mann mit der Zeit zermürbt. Mit spätestens fünfundvierzig kommt man an eine Grenze. Dann wird man zu alt für die ganz harten Sachen. Da kann  man nicht mehr eine Burgmauer entlang hangeln, während man seine Pistole ziehen und dann auch noch auf ein paar Fledermausvampire schießen muss, während sich zu allem Überfluss noch eine Jungfrau an Ihren Nacken klammert und fast hysterisch wird. Dieser Beruf muss eine Aufwertung erhalten, zumal die Hölle ihre Anstrengungen und uns Geister- und Dämonenjägern immer härtere Kaliber entgegenschickt, die immer resistenter gegen bewährte Abwehrmittel werden.

Aber ich muss nun weiter. Der nächste Fall harrt meiner. Irgendein verrückter Wissenschaftler soll ein paar Monster kreiert haben, die sich selbstständig gemacht haben… Aber das wissen Sie ja alles selbst. Sie lesen ja Horrorheftromane...

 

E N D E

 

Erstdruck in John Sinclair 2. Auflage Bd. 200

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