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Im Schatten...

StoryIm Schatten ...

... ist es finster. Das können Sie mir glauben.

Woher ist das weiß? Nehmen Sie sich ein paar Minuten und hören mir zu. Ich schreibe auch langsam, falls Sie nicht so schnell lesen können.

Mein Name tut nichts zur Sache. Hat er nie. Wird er auch nie. Ich bin der zweite Mann an der Spritze, der Side-Kick, der Heldenassi, der Wasserträger. Ich bin der, der den Helden anhimmelt und fast immer die Prügel einsteckt (Nasenbein- und Jochbeinbrüche. Dicke Lippen. Blaue Augen. Rippenbrüche). Ich bin der Olympische. Ich bin dabei. Das ist auch alles
.

Ich bin überzeugt, sie haben die wehleidige Heldenbeichte* gelesen. Dieses Herumgenörgele an seinen Arbeitsbedingungen, an seinem Essen, an allem. Dabei ist er es (verzeihen sie bitte den Ausdruck), dem die Sonne aus dem Hintern scheint. Er bekommt die Orden, das Lob, das Geld und die Frauen. Ihm fliegen Glück und Ruhm nur so zu. Wie heißt es im Englischen so schön: Fame, Fortune, Fornication.

Er ist der Held, er ist der erfolgreiche Dämonenjäger (oder wie immer man das nennen kann, was er tut). Er ist der umjubelte Star. Ich bin der Roadie.

Und was bleibt mir?

Ja, was bleibt mir. Ich bin der Trostspender, der Mann, der ihm hilft. Mir hilft keiner.

Ich bin der Mann, der ihm getreulich in jedes noch so idiotische Abenteuer folgt. Wenn er einen Bänderriß riskiert, wenn er nachts über Friedhöfe rennt, dann bin ich hinter ihm und stolpere garantiert, weil er mir die Sicht nimmt.

Schon mal mit dem Kopf an einen Grabstein geschlagen? Das sind Schmerzen sage ich ihnen. Und wenn dann das Blut in die Augen läuft, furchtbar. Außerdem ist jedesmal der Anzug völlig versaut. Blut und Matsch – eine echte Herausforderung für die Reinigung und/oder meine Kreditkarte (ja man kann aus repräsentativen Erwägungen nicht mal eben die Jeans und Shirt aus dem Sonderpostenmarkt tragen. Nee, Designerjeans und Kashmirpulli (sind die Dinger empfindlich) braucht man schon. Und mit diesen teuren Klamotten turnt man durch Grüfte, über Fiedhöfe, in Mooren und weiß der Teufel wo noch rum.

Auch was das Essen angeht. Immerhin hat er seinen Hamburger, Currywurst oder was auch immer runtergeschlungen, bevor das Telefon klingelt und zu neuen tollkühnen Aktionen ruft, während ich bestenfalls gerade mal abgebissen habe. Er beklagt sich über Fehlernährung. Ich hingegen bin der personifizierte Mangel. Warum ich immer noch Fleisch auf den Rippen habe, das mag unser Erzfeind in der Hölle wissen. Ich kanns mir kaum erklären. Eigentlich sollte ich schon tot sein.

Wenn unser Held in die Hölle stürmen will, muß ich mit. Ich schleppe die Ausrüstung, decke ihm seinen schmucken Hintern, werde fast vom Höllenfeuer eingeäschert und er rettet ohne einen Schweißtropfen zu vergießen die Welt, das Universum und die umliegenden Gemeinden und Marktflecken.

Etwas weniger dramatisches. Er ist in Staatsdiensten. Seine Wumme und die silbernen Kugeln werden aus Ihren und meinen Steuergeldern bezahlt. Ich, der Mann in seinem Schatten, mußte mir meine Knarre kaufen und renne inzwischen jede Woche vom Büchsenmacher in die nächste Kirche, um meine Kugeln weihen zu lassen. Der Büchsenmacher will bezahlt werden, der Priester erwartet eine Spende für den Opferstock. Die Kosten hierfür kann ich nicht mal von der Steuer absetzen. Gehören nicht zu meinem Beruf, heißt es.

Nun gut, ich sollte meine Brötchen mit Journalismus verdienen, aber wie denn. Kaum bin ich einem Korruptionsskandal auf den Fersen, da stellt es sich schon als dämonische Aktivität heraus. Und dann ist auch schon unser Held da und rettet den Tag, während ich wieder nix verdiene. Es ist zum Haare ausraufen und macht bald keine Spaß mehr. Der beste Freund von Leuten mit übersinnlichen Feinden zu sein, ist manchmal die Hölle schlechthin.

Ich schreibe für Geld. Tue ich auch.

Aber die Revolverblätter, die meine Berichte seiner Abenteuer abdrucken, zahlen ein lausiges Honorar. Davon muß ich alles bezahlen. Familie (meine Frau droht mit Scheidung, die beiden Kinder haben Angst vor mir, weil ich immer so ach Schwefel stinken – oh, was wünsche ich mir ein Dämon, der mal in einer Wolke aus Rosenduft erscheint oder verschwindet; nur so zur Abwechslung), Auto, die Reisen und eben auch meine Kugeln.

Ich kann ihnen sagen, so'n Wagon voll Ghouls, der zerrt am Geldbeutel. All die Kugeln. Und es stinkt wie die Pest. Das haben diese Höllenwesen so an sich.

Und: Meine Frau war schon vier Mal von Dämonen entführt. Meine Kinder je zweimal. Kein Wunder, daß sie all bald mich nicht mehr bei sich haben wollen und von Trennung faseln. Aber Dämonen sind anhänglich und ausgesprochen nachtragend. Erledigt man sie nicht gleich beim ersten Mal, nehmen sie das persönlich und wollen einen immer gleich an die Wäsche und sich rächen. Die können einfach nicht verlieren.

Kommt mein Freund der Held mich besuchen, zittern schon alle, daß mitten im gemütlichen Barbecue irgendwelche Vampire im Vorgarten auftauchen, Werwölfe die Sandkiste markieren, Dämonen mit Höllenfeuer den Rasen und/oder das Fleisch verbrennen oder Zombies durch die Rosen trampeln (ist alles schon passiert).

Und das soll Spaß machen, eine sinnvolle Aufgabe sein? Vielleicht sollte ich alles hinwerfen und mich mit meiner Familie am besten einen Kontinent von meinem Freund entfernen. Aber das ist leichter gesagt als getan.

Und bitte!

Da klingelte wieder das Telefon. Eine Horde Vampire greift London an. Ich soll kommen, um ...

Aber das wissen sie ja alle selbst. Sie lesen ja Horrorheftromane ...


 

* siehe John Sinclair Bd. 200, 2. Auflage

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