Waldbaden - Das Abenteuer
Ein Autogramm? Kein Thema! Mit persönlicher Widmung? Klardoch. WAT?! UND mit Selfie?! (Baucheinziehen, Bedenken: Von oben fotografiert, sieht das Gesicht immer schlanker aus!)
Auch der Verfasser dieser Zeilen (VdZ) gerät ab und an in diesen wundersamen Sog, wiewohl er es liebt, inkognito vor Ort zu sein und die Kollegen in ihrem Buhlen um Aufmerksamkeit (und Buchkäufer) zu beobachten und ob ihres coolen Standings hemmungslos zu bewundern. Ergo gilt für ihn zu beachten: Sonnenbrille Marke "Leon - der Profi" kaufen (via mey-edlich.de). Berücksichtigen, dass gewisse Stände von Agenten, Kollegen, Redakteuren umschwärmt sind, die dich von früher noch kennen könnten (unwahrscheinlich, da rund 40 Kilo weniger seither). Sinnvollerweise sollte man vor dem genannten Frankfurter Event noch zusehen, dass man insgesamt "downshiftet" - um die ganzen Bussis, das ganze Business-Blabla, die ganzen seriösen Schlipsträger gut ausbalanciert verkraften zu können.
Tja. Und da gibt`s spätestens nach Peter Wohllebens Superbestseller "Das geheime Leben der Bäume" und der in letzter Zeit verdächtig häufig in den Medien lancierten Info, dass zu viel Sitzen am Stück (= länger als eine Stunde ununterbrochen) "mindestens so gefährlich lebensbedrohend ist wie Rauchen" (Für Interessierte: Hat, laut "Men`s Health", irgendwas mit der Verfettung der im Unterbauch untergebrachten lebenswichtigen Organe zu tun) nur eines: Das Nutzen, was man heutzutage - auch - über den WALD weiß. Wer sich im Wald aufhält, der entspannt sozusagen ganz zwangsläufig. (Für Interessierte: Wellness-Profis nennen das Waldbaden. Hat, laut unzähliger Studien, einfach ausgedrückt, mit den chemischen Ausscheidungen der Bäume zu tun, dem durch das Blattgrün sanft gefilterten Sonnenlicht und vielem mehr. Bei hyperaktiven und ADS-Kids wurden wahnwitzig gute Erfolge erzielt, ganz ohne ruhigstellende Medikamente, was Bayer-Manager definitiv not amused zur Kenntnis nahmen.)
Logische Konsequenz also für den VdZ, nach dem Motto: entspannter is besser: Genau heute - gepflegter Waldbaden-Spaziergang in strammem Tempo. Mal für einen Tag niemand sehen, kein Alltagsgeplapper hören ("Du, ist Dein Frühjahrstitel noch immer nicht in den Top-Ten der SPIEGEL-Bestsellerliste?!"), sondern, mehr noch: gar nix hören. Höchstens den eigenen Atem (Bauchatmung), die eigenen Schritte. Dazu die eine oder andere Brombeere mampfen, frisch vom Brombeergestrüpp am Waldrand. Für einen Montag nicht der schlechteste Plan.
Und los geht`s. Mit dem, was der gemeine einigermaßen erfolgreiche Schreiberling heutzutage für ein IN-Wägelchen hält (Für Interessierte: Ein rotes 2004er Mustang V Coupé, Vierliter-V6-Motor mit 213 PS) auf den Parkplatz "Hundedressurplatz" gecruist, ausgestiegen, den Sitz der Kopfhörer überprüft und ob die richtige Powersound-Musi auch parat ist und entschieden, dass das nun echt kein bisschen passt zu dem ursprünglich Vorgenommenen (Höchstens den eigenen Atem hören). Das Ganze also ins Wägelchen zurück verfrachtet. Paar Lockerungsübungen. Und schon ist der VdZ zu Fuß unterwegs.
Über Stock und Stein geht`s einen schmalen Weg bergan, sehr langgezogen. Rechts, nach Osten hin, hinter hohen wild wuchernden Hecken, senken sich Wiesen (abgeerntet) in sanften Wellen zum dunkel schimmernden Waldrand ab. Der VdZ weiß, dass der alte Jäger-Hochsitz dort unten nur noch in Trümmern existiert, leider. Früher hat er da drauf gern mal ein Buch gelesen. In westlicher Richtung, hinter ebenso hohen Hecken (darunter Brombeerhecken, abgeerntet) eine ehemalige Apfelplantage, die Hälfte der Bäume, die es hier zu Kinderzeiten des VdZ noch heimzusuchen gab, musste einer Kuhweide weichen. Die Kühe stehen um eine Tränke versammelt. Möglicherweise unterhalten sie sich telepathisch. Der VdZ macht sich Gedanken, worüber. Vor einem gemauerten Gebäude steht ein riesengroßer Traktor (Für Interessierte: Das Mustang V Coupé würde locker drunter passen). Kein Traktor-Driver in Sicht, ergo kein Gülle-Alarm.
Es geht wirklich sehr langgzogen bergan. Der VdZ gibt sich also bewusst neben der Bauchatmung auch der Übung der Achtsamkeit hin (nicht zuletzt derjenigen: nicht über einen der übel scharfkantigen Steine zu stolpern und der Länge nach zu stürzen). Er weiß, hat er den höchsten Punkt dieses Weges erreicht, wird er schon mal mit einem Wahnsinnsblick belohnt - auf die knapp acht Kilometer entfernte Burg "Staufeneck" (googeln lohnt, aus vielerlei Gründen - der VdZ verrät hier nur: Event Steakkultur - Summer Special, Location Burgbistro, Nur auf Voranmeldung/Vorbestellung). Voller Vorfreude beeilt er sich also ein bisschen. (Bauchatmung nicht vergessen!) Und er genießt die Stille.
Plötzlich: AUFRUHR!
Zwar bestimmt ein, zwei Kilometer weit hinter ihm - in süd-westlicher Richtung, über einem weiten, malerischen Talkessel voller Obstbaum-Wiesen, Waldstücken, schmalen Bächen und dem alten Flugplatz plus Golfanlage der einstigen US-Enklave Cooke Barracks, die heutzutage den nicht minder malerischen Namen Stauferpark trägt - aber sehr deutlich hörbar, saust ein Hubschrauber im Tiefflug über`s Land. Das Geknatter stört nicht nur den VdZ, sondern auch die Kühe, die ihren telepathischen Diskurs darüber aufgeben, dass es im Grunde Scheiße ist, von Menschen nur unter dem Label "Steakkultur" verzückt wahrgenommen zu werden. Und in wilder Jagd hierhin und dorthin geloppieren.
Der VdZ erreicht den höchsten Punkt seines Weges, kann den Fernblick Richtung "Burg Staufeneck" jedoch nur in Maßen genießen. Der Hubschrauber knattert in weiten, bald darauf in engeren Kreisen über`s Land. Immer noch im Tiefflug. Was etwa ab dem Moment ungemütlich zu werden verspricht, ab dem er genau auf den VdZ zuhält. Weshalb selbiger eher halbherzig winkt, Motto: Peace, ich wandle in Frieden!
Der Hubschrauber fegt über ihn weg, Presswinde zerstrubbeln seine Haare ziemlich. Der VdZ sieht zu, dass er die letzten 400 Meter zum Wald hinter sich bringt. Der Weg führt, pudrig-weiß, von Schlaglöchern gestanzt und steinig kerzengerade darauf zu. Schon schimmern links die noch vor wenigen Jahren maroden Villen der Chefs der hier stationierten US-Streitkräfte ... von betuchten schwäbischen Cleverles erworben und prächtig renoviert. Die alten Stacheldrahtzäune an ihren Betonpfosten ließ man sicherheitshalber stehen; hier zumindest. Außerdem fallen Flutlichtanlagen auf, und, dass auch hier die Brombeeren abgeerntet wurden. Der Hubschrauber kreiselt direkt über dem VdZ und stört sämtliche wohligen Erinnerungen an die Zeit, als dies hier Niemandsland war und in diesem Zaun große Löcher klafften, durch die gewisse Angehörige einer gewissen schwäbischen Jugendbande (bestehend aus zwei, drei Schwaben, Jugoslawen, Italienern, Türken) mit den - oft, aber nicht immer, farbigen - Adjutanten - eingingen auf amerikanisches Territorium und auch ausgingen von amerikanischem Territorium und ganz locker Comics tauschten.
10 Fix & Foxi gegen einen BATMAN.
15 F&F gegen einen SPIDER MAN.
Mit AKIM, SIGURD, TIBOR oder NICK - unseren Heroes bis dahin! - anzukommen, sorgte für Heiterkeitsausbrüche - "Ouh, Man, what the FUCK!" Was zu putzigen Diskussionen Türkisch-Italienisch-Jugoslawisch-Schwäbisch-Amerikanisch und umgekehrt führte, und zum internationalen Austausch landestypischer Flüche. Vor allem aber zu nicht wenigen Freundschaften, die bis heute bestehen.
Dann stört nicht mehr nur der Hubschrauber. Aus dem Wald heraus kommt ein orangerot lackierter Wagen des Ordnungsamtes angerast, mit Staubwolke, zur Seite spritzenden Steinen, sehr laut rasselnem Motor und überhaupt mit allem drum und dran.
Der Wagen wird vor dem VdZ abgebremst, mehliger Staub senkt sich. Und wird von den Hubschrauber-Rotoren gleich wieder durchgequirlt.
Einer der beiden im Cockpit des Ordnungsamt-Mobils, der Fahrer, sehr bullig, sehr muskulös, lässt die Scheibe runter. "Auch schon aufgefallen?"
"Der Hubschrauber?"
"Welcher Hubschrauber?" Auch die Stimme von Driver ist irgendwie bullig und muskulös.
Der VdZ deutet mit dem Daumen vielsagend nach oben. "Direkt der da."
Kopfschütteln. "Ok. Nö, das mein` ich nicht, sondern die Bänke."
"Fragezeichen."
Eine riesige Hand (Für Interessierte: G-man Jerry Cotton hätte jetzt PRANKE geschrieben) rammt ins Freie. "Na, da unten, am Marienwäldchen! Direkt am Weg! Haben Sie sich da nie hingesetzt und den Ausblick genossen?!"
"Es gab eine Zeit, bevor dort Kühe ...", hebt der VdZ wehmütig an.
"Ge-KLAUT!", wird er barsch unterbrochen. "Einfach so. Bankräuber, sozusagen. Sind hier doch so Arschlöcher nachts mit Kleinlastern unterwegs und haben gleich mehrere Bänke aufgeladen und geklaut."
"Wer ist denn sooo blöd?", wundert sich der VdZ.
"Nö-nö! Sooo blöd is das gar nicht! Die schmelzen die eisernen Gestelle ein, gibt pro Bank locker 150 Euro, bei zehn Bänken ..."
Der VdZ rechnet. "Knapp zwei Heftromanhonorare ..."
"Wat? Sie müssen lauter reden, Mann!", ermutigt Driver den VdZ, und der Beifahrer (Für 320-PS-Jim-Fans: der Shotgun, sozusagen) erklärt: "Unser Motor ist ziemlich laut! Seit der Otto letzte Woche den Ölwechsel gemacht hat, klingeln mir nach jeder Fahrt die Ohren ..."
Seltsamerweise ergibt sich daraus eine muntere Unterhaltung, als der Hubschrauber endlich abdreht und Richtung Westen davon schwirrt. Im etwa halbstündigen Verlauf dieses Gesprächs erfährt der VdZ einiges Wissenswerte. Nämlich, dass ein Jäger die "vermutlichen" Diebe mal so um Mitternacht herum gesehen habe, "in einem von diesen riesigen Scheiß-Jeeps mit Ladefläche", aber nichts unternommen hat, "weil, schließlich wollte der nicht umgelegt werden!" Auch, was die Einsatzkräfte des Ordnungsamtes so alles aus den Schründen tiefer im Wald, jedoch nicht zu weit entfernt von Waldwegen, bergen müssen (Für Interessierte: es sind kaputte Kühlschränke, Mikrowellen-Geräte, Hausmüll, Farbkübel), wird ausgiebig und unter Verwendung von nicht wenigen "Diese-Arschlöcher"-Kommentaren mitgeteilt.
Schlussendlich bekommt der VdZ, vermutlich, weil er nun doch etwas ungeduldig wirkt, noch eine aus tiefstem Driver-Herzen emporkollernde Warnung zu hören. "Seien Sie mal vorsichtig, so allein hier draußen."
"Also, wenn Sie den Hubschrauber meinen, der is ja nun weg ..."
"Nö-nö-nö! Da lief uns erst letzte Woche so ein sehr dunkler Typ vor den Wegen ..."
Der Shotgun assistiert: "... springt da so mir nix, dir nix aus dem Gehölz und wollte einfach so mitgenommen werden."
Driver nickt; Muskelstränge lassen seinen Nacken schwellen. "Stellt sich uns SELBSTMÖRDERISCH in den Weg und winkt ..."
Shotgun beugt sich an Driver vorbei, Richtung Wagenfenster: "Blockierte den Weg. Den WALDweg. DAS war vielleicht unheimlich."
VdZ: "Tja. Unsere Stadt ist nicht umsonst eine, die stolz ist darauf, dass sie eine Stadt der Vielfalt ist."
Shotgun: "Eben. Unheimlich war`s trotzdem."
Driver: "Zigaretten wollte der! Arme Sau!"
Shotgun: "Aber wir rauchen nicht mehr. Beide. Haben wir ihm gesagt, und ihn mit in die Stadt genommen."
Der VdZ, der ganz-ganz kurz eine Emigranten-Bashing-Debatte befürchtet hat, atmet tief aus und danach die Luft des nahen Waldes ein und spürt sogleich die beruhigende Wirkung der chemischen Botenstoffe der Baumriesen. Waldbaden, denkt er. Entspannt echt.
Man verabschiedet sich herzlich mit Handschlag. "Trotzdem!", brüllt der Fahrer beim Gasgeben raus. "Seien Sei mal besser achtsam. Schließlich sind Sie ohne Auto unterwegs und eher so ein Hering-Typ."
Der VdZ lacht und beeilt sich, ins Dämmerlicht des Waldes einzutauchen.
Endlich allein. Endlich Stille.
Weiter. Denkt er. Über Stock und Stein. Fast zu spät sieht er die Frau ... die JOGGERIN. Sie rennt ihn ihrerseits fast über den Haufen.
"Ah! Hallo Martin!", entfährt es ihr. Mit Grazie schiebt sie dabei eine riesengroße Superstar-Sonnenbrille (definitiv nicht via mey-edlich.de) hoch und lange blonde Haare aus dem Gesicht.
Upps. SCHLUCK!
Es ist eine Freundin aus Kindertagen, die in den seither vergangenen Jahren einen ziemlich irre religiösen Typen geheiratet, ein Kind bekommen und selbst zur ziemlich krassen religiösen Fanatikerin (Für Interessierte: nicht katholisch) geworden ist. Der VdZ erinnert sich, dass sie dereinst mit einem Höllenspaß dabei war, als eine gewisse schwäbische Jugendbande (bestehend aus zwei, drei Schwaben, Jugoslawen, Italienern, Türken) das gerade im Rohbau fertiggestellte, künftige katholische Altenzentrum besichtigt hat, etwa gegen 23.30 Uhr. Nach einem wilden Tanz-Event im Pfadfinder-Keller (Bee Gees! Barry Ryan!)
In genau diesem Moment wird ihm die Warnung des Drivers von Ordnungsamt-Mobil weitergegeben, mit vor Hysterie bebender Stimme: "Du, sei bloß vorsichtig, so allein hier draußen ..."
"Er hat`s mir auch erzählt ..." Der VdZ winkt ab; die Botenstoffe der Bäume wirken.
Aber nur bei ihm.
"Was da alles hätte passieren können", haucht Joggerin. "So ein TYP!!! Will bei DER HITZE im Wald RAUCHEN! Und vielleicht noch Übleres machen! Wenn der eine Frau getroffen hätte ..." Ihr Stimmchen bricht.
Der VdZ will eigentlich nur in Ruhe seines Weges gehen, über Stock und Stein, im herrlichen Duft des Waldes (Brombeeren und tausend moosig-erdige Aromen), aber er widerspricht: "Hey, die Leute vom Ordnungsamt waren beide Nichtraucher, und du bist heute schließlich auch hier draußen allein unterwegs und noch am Leben - also ..."
Der Konter kommt unerwartet, aber heftig. "Leute wie du, die alles verharmlosen, was diese ... diese Emigranten hier anrichten, sind es, die ..."
BLA. Dröhn. Tinnitus.
Es folgt ein Monolog über Flüchtlingswellen, Millionen von dunklen Gesellen, die allesamt sehr fruchtbar sind, den Deutschen Arbeitsplätze und Sozialleistungen wegnehmen; über Mutti-Merkel, diesen Staat ohne Meinungsfreiheit, Thilo Sarrazin, einen Prediger, der Joggerin immer die neuesten YouTube-Videos rüberschickt und, natürlich, Überraschung, die AfD.
Woraufhin es den VdZ drängt, seiner Ex-Freundin aus Kindertagen einiges ziemlich schonungslos ins kaum gealterte Joggerinnen-Gesicht zu sagen. Er gibt diesem Drang nach, und es folgt nun seinerseits ein Monolog darüber, dass sie sich mal in Erinnerung rufen könnte, dass sie abgesehen von ihrer Mutterschaft (die sie mucho übertreibt, auch heute noch, bei einem mittlerweile knapp 30jährigen Sohn, der ihre kruden Ansichten ungeprüft übernommen hat, wie der VdZ aus leider sicherer Quelle weiß) bis zum heutigen Tag lediglich an Halbtagsjobs, Fahrradfahren, Religion, Bekehrung Anderer, Sportive Living, der genervten Schwiegertochter Kinder-Erziehungstyps-Aufdrängen Interesse hatte. Und ansonsten mal froh sein könnte, dass sie in diesem Staat leben darf, und nicht, beispielsweise, in Syrien. In diesem Deutschland also, in dem "besorgte Bürger" während eines angeblichen Trauermarsches ihre blanken und wenig ansehnlichen Hinterteile sozusagen als MEGA-Kommentar in die Kameras der Öffentlich-Rechtlichen halten dürfen, und das ohne strafrechtliche Folgen.
Woraufhin sie dem VdZ ankündigt, sich per Mail zu melden, und "das noch mit ihm zu diskutieren" (Für Interessierte: Eine Drohung, die sie, nebenbei bemerkt, bis heute nicht wahrgemacht hat). Und so sieht der VdZ einigermaßen verdattert zu, wie sie ihre Super-Sonnenbrille wieder an Ort und Stelle rückt und lostrabt, an ihm vorbei, gen Süden und Wald-Ausgang, sich dort, von Helligkeit umwabert, nochmal umdreht und frohgemut ruft: "Wahrscheinlich magst du mich jetzt nicht mehr leiden, gell?"
Die Antwort des VdZ wird übertönt von nicht minder frohgemutem Gewieher.
Neben und seitlich hinte ihm ragen die Läufe zweier stattlicher Pferde empor. Darauf sitzt ein Mann in der Uniform berittener Polizisten und eine Frau in einer ebensolchen. Derlei kennt der VdZ noch vom sogenannten schwarzen Donnerstag in Stuttgart, als Demonstranten gegen den phantastischen Super-Bahnhof "Stuttgart 21" gewisse Erfahrungen mit Berittenen, aber auch einigen panzerähnlichen Wasserwerfern, machen durften. Einer erblindete - sozusagen - im Zuge dieser Erfahrung (Für Interessierte: Der damals zuständige - und alsbald abgewählte - Ministerpräsident von Baden-Würtemberg, Herr Mappus, erwägt zur Zeit eine Rückkehr in die Politik).
"Hallo!" rufen die beiden berittenen Polizisten aus lichter Höhe zum VdZ herab. Ziemlich freundlich, weshalb sogleich die Botenstoffe der allgegenwärtigen Bäume ihrem Job wieder nachkommen können.
"Suchen Sie etwa die Bankräuber?", ruft der VdZ zu den Berittenen hinauf.
Der männliche Berittene zügelt seinen Vollblüter, und ermahnt ihn mit einem Tätscheln, nicht allzu ungestüm zu tänzeln.
Der VdZ fühlt sich gedrängt, sich zu erklären: "Die Typen, die hier die Bänke klauen, auf denen im Bedarfsfall müde alte Wanderer ausruhen sollten."
"Hahaha, nein." Behutsam lässt die weibliche Berittene ihr edles Tier heranstaksen. "Unser Einsatz hat einen viel ernsteren Hintergrund ..."
Und der VdZ, der den Wald aufsuchte, um kein Alltagsgeplapper zu hören, um einfach mal so downzushiften, an einem Montag, dieser VdZ muss nun hören, dass mit sehr großem Aufgebot ein männlicher Jogger gesucht wird, 82 Jahre alt, der am vergangenen Freitagabend (Zu diesem Zeitpunkt also vor mehr als 48 Stunden) an einem Waldsport-Treff zu seiner üblichen Laufrunde aufgebrochen war. Seinen Wagen hatte man dort noch stehend vorgefunden. Die Tochter des Joggers hatte die Polizei verständigt, tja, und nun hoffe man sehr, ihn zu finden, befürchte aber Schlimmes.
Als sei das noch nötig, blitzt im Dämmerlicht des Waldes kurz Blaulicht auf, irgendwo hinter den beiden berittenen Polizisten. Ein blau-silberner Polizei-Daimler bremst ab, stößt rückwärts in einen Waldweg, biegt ab und fährt in die entgegengesetzte Richtung davon.
In genau die Richtung, in die der VdZ in strammem Tempo und absoluter Waldes-Stille und Entspannung hatte gehen wollen, umwogt von den ätherischen, wohltuenden Düften und der Wellness-Wirksamkeiten des Waldes.
Abermals werden noch einige Worte gewechselt. Der VdZ verpasst seiner Meinung über berittene männliche und weibliche Polizisten ein Update. Die hier waren sehr um das Wohl und Wehe eines Menschen besorgt. Ein weiterer Beweis dafür, dass Verallgemeinerung dämlich ist. Dann geht beziehungsweise trabt jeder seines Weges, der VdZ nicht, ohne vorher noch zu versprechen, die Augen ebenfalls offen zu halten.
Das tut er wirklich, wie er ab jetzt querwaldein wandert und alle öffentlichen Wege meidet. Den Hubschrauber hört der VdZ noch einige Male über sich im Tiefflug über den Wald donnern. Einmal kreuzt ein verschrecktes Reh den Weg des VdZ.
Den verschollenen 82 Jahre alten Jogger aber findet er nicht.
Den findet, noch am gleichen Tag, einer vom Ordnungsamt. In einem Entwässerungsgraben liegend, etwa drei Kilometer von seinem Auto entfernt. Völlig entkräftet. Aber lebend.
FREUDE!
Der alte Herr wird in die nahegelegene Klinik eingeliefert. Die Kreiszeitung berichtet am nächsten Tag, dass er vor mehr als dreißig Jahren mit dem Lauftraining begonnen und seine Leukämie-Heilung stets auch auf das konsequente Laufen zurückgeführt habe.
Der VdZ, der solche TYPEN sehr mag, dachte so bei sich, dass diese gute Nachricht das ganze Tamtam bei seinem Versuch WALDBADEN am Montag absolut aufwog. Auch solche guten Nachrichten sind - erst recht in heutiger Zeit mit allen ihren Scheiß-Nachrichten - eine Labsal.
Am nächsten Tag stand in der Zeitung, dass der 82-jährige Jogger an den Folgen seiner Entkräftung gestorben ist.
Schon klar.
Niemand hat uns je garantiert, dass das Leben fair ist.
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