Der Bericht des Marc Sheldon
Mein Name ist Marc Sheldon, und ich bin 40 Jahre alt. Vor den Dingen, die mein Leben veränderten, verlief dieses völlig normal. Ich wuchs als zweites von fünf Kindern auf. Unsere Eltern liebten uns so, wie Eltern ihre Kinder immer lieben sollten. Sie erzogen uns im christlichen Sinne. Beruflich habe ich mich selbstständig gemacht und einen Verlag gegründet, der christliche Literatur vertreibt.
In den letzten Stunden, in denen ich hier sitze und über alles nachdenke, habe ich mich öfters gefragt, wann mein "Abstieg" angefangen hat. Nun, es begann in dem Moment, in dem ich die Frau zum ersten Mal sah.
Ich hatte an diesem Tag, einem strahlenden Sommertag im August, meine Mittagspause in dem Park verbracht, der nahe meines Verlages liegt und wo ich an schönen Tagen immer meine Pausen verbringe. Dort sah ich sie. Sie saß auf einer Bank und las in einem Buch. Ihr Anblick traf mich voll ins Herz. Sie war der Traum eines jeden Mannes; Blond, blauäugig und mit einem wunderschönen Lächeln versehen. Ich stand einfach nur da und sah sie an. Unsere Blicke bohrten sich ineinander, und ich wollte mich gerade der Bank nähern, um sie anzusprechen, als von der Seite her ein Mann auf die Bank zutrat, die Frau umarmte und küsste. Diskret wandte ich mich ab; Aber nicht, ohne zuvor den Mann erkannt zu haben, dem anscheinend die Liebe dieser Frau gehörte. Es War Gordon Stone, einer meiner Mitarbeiter. Ich spürte einen seltsamen Stich in meiner Brust, dass dieser Mann, der nicht einmal zu meinen fähigsten Angestellten gehörte, eine solch schöne Frau lieben durfte. Gleichzeitig verstand ich mich selbst nicht. Ja, ich befand mich in keiner Beziehung, und die Frau sah gut aus. Aber das war noch lange kein Grund, so zu fühlen, wie ich es tat. Dennoch empfand ich so.
In den nächsten Tagen folgte ich Gordon Stone unauffällig in seiner Pause, und immer führte unser Weg uns in den Park, wo er diesen blonden Engel traf. Je mehr Zeit auf diese Weise verging, desto mehr entwickelte sich mein Unglaube über Stones Liebe zunächst in Niedergeschlagenheit und dann in Wut. Es konnte nicht angehen, dass dieser Mann diese Frau liebte. Dann wieder wurde ich mir meiner christlichen Erziehung und Einstellung bewusst, und ich bereute meine Wut zutiefst.
Eines Tages beobachtete ich Stone und den für mich namenlosen Engel, wie sie von der Bank aufstanden und verschwanden. Ich wusste, dass Stones Mittagspause bendet war und er nun in den Verlag zurückkehren würde. Ich nahm auf der Bank platz, an der Stelle, wo die Schönheit zuvor gesessen hatte, und gab mich ganz meinen Gedanken hin, die sich alleine um die Frau drehten. Warum verging ich so vor Liebe zu einer Frau, mit der ich nie gesprochen hatte und die zudem in einer festen und glücklichen Beziehung steckte? "Entschuldigung, ist hier noch frei?" Erschrocken drehte ich meinen Kopf nach links. Da stand ein alter Mann, der mich freundlich anlächelte. Er war sommerlich gekleidet und hielt einen Spazierstock in der Hand, auf den er sich schwer stützte. Ich nickte kurz und bedeutete ihm, platz zu nehmen. Für eine Weile sagten wir nichts, zumal mir auch nicht der Sinn nach einer Unterhaltung stand. Irgendwann fühlte ich, dass der Alte mich musterte und schaute ihm ins Gesicht. "Sie tun mir leid, mein junger Herr", sagte er. "Ich beobachte Sie nun schon einige Zeit, und mir ist aufgefallen, dass Sie Ihrerseits das junge Paar beobachten, das immer auf dieser Bank sitzt." Eigentlich wollte ich ihn grob zurückweisen, aber sein freundlicher Blick und seine wohltönende Stimme brachten mich dazu, dem Fremden mein Herz auszuschütten. "Als ich diese Frau zum ersten Mal sah, war es um mich geschehen. Aber ich begreife nicht, wie das kommt." "Vorallem begreifen Sie nicht, dass dieser Mann die Liebe dieser Frau besitzt, richtig?" Bei dieser Frage brach es aus mir heraus: "Es ist ungerecht. Dieser Mann arbeitet für mich, ist aber nicht gerade eine "Leuchte" und sieht vorallem nicht so aus, als dass eine Frau, wie sie es ist, sich für ihn interessieren würde." "Aber sie tut es", erwiderte der Fremde. "Gesetzt den Fall, Sie hätten die Chance, dies zu ändern, würden Sie sie nutzen?" "Ja", entgegnete ich, ohne mir dieser Antwort zunächst Bewusst zu sein. Der Mann griff in seine Hosentasche und zog ein Portmonaie heraus, dem er eine Karte entnahm. Diese reichte er mir. "Kommen Sie heute Abend zu dieser Adresse", sagte er, stand auf und verschwand, bevor ich noch etwas darauf entgegnen konnte. Mein Verstand sagte mir zwar, dass ich die Beziehung zwischen Stone und der Frau akzeptieren musste, zumal ich nicht das Recht hatte, mich einzumischen. Ausserdem konnte man sowieso nichts gegen diese Liebe unternehmen. Aber weshalb sollte der Mann mich dann zu einem abendlichen Termin bitten? Dabei fiel mir ein, dass ich gar nicht wusste, zu welcher Uhrzeit ich dort erscheinen sollte; Vorausgesetzt, ich würde hingehen. Nach einigem Hin und Her entschloss ich mich, diesen seltsamen Termin bei Einbruch der Dunkelheit wahrzunehmen, wobei ich nicht verstand, weshalb ich überhaupt dazu bereit war.
Abends fuhr ich also zu der angegebenen Adresse. Es war ein Haus am Rande Londons. Ich kenne mich in meiner Geburtsstadt recht gut aus und war deshalb überrascht, dass hier ein Haus stand. Ich hatte angenommen, das Grundstück wäre unbebaut. Als ich klingelte, öffnete mir der alte Mann und führte mich in ein Wohnzimmer, das für meinen Geschmack etwas zu altmodisch eingerichtet war. Wir nahmen in zwei doch ziemlich wurmstichigen Sesseln platz. Auf dem Tisch standen zwei Gläser und eine Flasche edlen Weines, aus der uns der Alte einschenkte. Er prostete mir zu. Aber ich lies das Glas unberührt, weil ich nun endlich wissen wollte, was er von mir wollte, was ich ihm auch sagte. "Ich will Ihnen helfen, wie ich schon vielen geholfen habe", entgegnete der Mann, dessen Namen ich nicht kannte. Während unserer Unterhaltung im Park hatte er ihn mir nicht genannt, und auf seiner Karte stand auch nur seine Hausadresse. "Wie heißen Sie eigentlich?" Er lächelte. "Namen sind Schall und Rauch. Aber ich kann Ihnen verraten, was ich bin, ein Geschäftsmann."Ein weitgestreuter Begriff", meinte ich, woraufhin mein Gegenüber herzhaft lachte. "Nun gut", meinte er schließlich. "Ich möchte Sie nicht im Unklaren lassen, wer ich bin. Ich bin die negative Seite Ihres Glaubens." Ich verstand nicht, was er meinte und fragte noch einmal nach. "Mr. Sheldon", sagte er leutselig, "ich bin das Pondon Ihres Herren. Er steht für Ihren Glauben, und ich stehe für die Kehrseite Ihres Glaubens." Ich fragte mich, ob der Kerl ein Verrückter sei und bereute es, mich auf diese Sache eingelassen zu haben. "Wie meinen Sie das", erkundigte ich mich. "Sie begehren eine Frau, die zu begehren Sünde ist, nach Ihrem Glauben. Mein Glaube ist anders. Er verkündet den Menschen, dass sie tun dürfen, was Sie wollen. Im Gegensatz zu Ihrem Herren gibt es bei mir keine Gebote, die Menschen hemmen und ihnen geistige Fesseln auferlegen. Ich kann mir vorstellen, dass Sie jetzt an meinem Verstand zweifeln, oder an Ihrem, da Sie zu mir gekommen sind, aber ich versichere Ihnen, dass alles, was Ihr Leben zukünftig bestimmen wird, real ist." "Sie wollen mir doch nicht einreden, dass Sie der Teufel sind?" "Ich brauche Ihnen nichts einreden, da ich genau weiß, dass Sie die Wahrheit zumindest erahnen. Sie sind ein Mann des falschen Glaubens, aber in Ihrem Inneren leugnen Sie auch nicht die Existenz des richtigen Glaubens. Wir können hier nun einige Stunden über Gott und Satan diskutieren, oder wir kommen zum Geschäft. Ist Ihnen Ihr Glaube, der Sie einsam und verzweifelt zurücklassen wird, wenn Sie ihm weiterhin anhängen, wirklich wichtiger als Ihre Liebe?" "Wenn Sie wirklich der Teufel sind", warf ich ein, "dann frage ich mich, wieso Sie das so offen eingestehen. Der Teufel würde sich doch nicht so einfach zu erkennen geben." "Warum nicht? Zeit bedeutet Seelen, und spätestens wenn ich Ihnen den Vertrag vorlege, wissen Sie sowieso, wer ich bin und was ich von Ihnen will, bzw. was ich bereit bin, für Sie zu tun." Ich weiß, dass das verrück klingt, aber ich glaubte dem Mann. Das war wieder so ein Umstand, den ich mir nicht erklären konnte. Der Mann griff nach einem Blatt Papier, das neben ihm auf dem Tisch lag, mir jedoch erst jetzt aufgefallen war. Er schob es mir hin. Mit bebenden Fingern griff ich danach und las die Folgenden Worte:
Ich, der viele Namen hat und den einzig wahren Glauben verkörpere, verpflichte mich durch dieses Schreiben, den sehnlichsten Wunsch des Mr. Marc Sheldon, London, Birmingham Street 236, zu erfüllen und ihn nicht zu betrügen.
Im Gegenzug verpflichtet sich besagter Marc Sheldon, mir, dem Herrn des einzig wahren Glaubens, seine Seele zu überschreiben.
Gez. Herr des einzig wahren Glaubens
Der Herr des einzig wahren Glaubens, den man u. a. auch Teufel oder Satan nennt, reichte mir einen Stift. "Sie brauchen übrigens nicht mit Blut unterschreiben", sagte er mit einem süffisanten Lächeln. "Der mit Blut unterschriebene Vertrag ist nur eine von vielen Unsinnigkeiten, die man sich über mich erzählt." Ich wollte etwas sagen, einem inneren Impuls folgen und den Vertrag zerreissen, aber da tauchte vor meinem geistigen Auge diese wunderschöne Frau auf, deren Namen ich noch immer nicht kannte, nach der ich aber so verlangte. Also nahm ich den Stift und unterschrieb den von Satan aufgesetzten Vertrag mit meinem Namen. "Auf ein gutes Geschäft", sagte der Teufel und prostete mir zu, und nun kostete auch ich den Wein.
Tage vergingen, in denen ich mir die unterschiedlichsten Gedanken machte. Ich dachte an den Pakt und fragte mich, ob ich wirklich richtig gehandelt hatte, als ich ihn einging. Aber eine innere Stimme, die immer mehr die Oberhand gewann, machte mir klar, dass ich den für mich einzig möglichen Weg gewählt hatte, wobei ich nicht verstand, weshalb ich diesen Pakt so bereitwillig gutheißen wollte. Schließlich entschied ich mich dazu, diesen Umstand einfach zu akzeptieren.
Einige tage nach diesem Entschluss, starb Gordon Stone. Er wurde Opfer eines Autounfalls. Ich kann nicht beschreiben, wie groß mein Entsetzen darüber war. Aber, ich will ehrlich sein, ganz tief in mir drin ergriff auch ein Gefühl des Triumpfes, welches mich zugleich tief beschämte, von mir Besitz.
Ein paar Tage später wurde Gordon Stone beerdigt. In der Kirchesah ich die schöne Frau, die ich so begehrte. Ich fühlte mich verpflichtet, ihr mein Beileid auszudrücken, obgleich eine innere Stimme immer wieder dafür sorgte, dass sich dieses in Grenzen hielt. Ich sprach sie an und erfuhr, dass sie Karen Miller hieß und als Verkäuferin bei Harrods arbeitete.
Monate vergingen. Ich machte nun keinen Hehl mehr daraus, wie sehr Karen Miller mir gefiel, und allmälich entwickelte sie auch Zuneigung zu mir. Lag es daran, dass sich der Vertrag mit dem Satan zu meinen Gunsten erfüllte, oder einfach nur daran, dass Karens Liebe zu Stone doch nicht so groß war? Ich hatte übrigens seltsamerweise nie infrage gestellt, dass Stones Tod mit meinem Vertrag zu tun hatte.
Ein halbes Jahr später verlobten wir uns, und noch ein halbes Jahr später heirateten wir in einer der Kirchen, die zu meinen Verlagskunden zählen. Unsere Ehe verlief sehr glücklich, obwohl sich manchmal ein schlechtes Gewissen in mir regte, das mir vor Augen führte, welchem Umstand ich dieses Glück zu verdanken hatte. Aber immer wieder unterdrückte ich dieses schlechte Gewissen.
Eines Tages wurde Karen krank. Die Ärzte diagnostizierten Krebs. Er gehörte zu den Arten, die unheilbar sind. Meine Frau brach in Tränen aus und sagte mir immer wieder, dass sie nicht sterben wollte, und ich wollte natürlich auch nicht, das sie starb.
Eines Abends fuhr ich mit meinem Wagen ziellos durch London. Irgendwann hielt ich an, um in Ruhe über alles nachdenken zu können. Als ich aus dem Fenster sah, stutzte ich. Ich stand vor dem Haus, in dem es damals zum Vertragsabschluß mit ... ihm ... gekommen war. Ich stieg aus dem Wagen und läutete an der Tür. Nach kurzer Zeit öffnete mir wieder der alte Mann und lächelte. Es schien mir, als hätte er mich erwartet. wortlos folgte ich ihm ins Wohnzimmer, nahm aber nicht platz. "Nun", fragte er, "weshalb sind Sie gekommen, mein Freund?" "Das müssten Sie doch eigentlich wissen", antwortete ich, fügte dann aber hinzu: "Meine Frau! Sie wird sterben. Sie hat Krebs, und es gibt keine Hoffnung auf Heilung." "Und was erwarten Sie nun von mir?" Da geriet ich in Wut, packte den Alten und schüttelte ihn durch. "Sie müssen es richten! Sie haben mich in diese Lage gebracht, und es ist Ihre verdammte Pflicht ..." Sein Lachen unterbrach mich, und mit einer schnellen Bewegung wandt er sich aus meinem Griff. "Sie irren sich, mein Freund. Es waren ganz allein Sie, der den Pakt mit mir geschlossen hat, den ich, wie ich anmerken möchte, für meinen Teil voll und ganz erfüllt habe. Wenn ich das Leben Ihrer Frau retten soll, dann müssen Sie zunächst eine Gegenleistung erbringen." "Als Gegenleistung bekommen Sie meine Seele", erwiderte ich. Mein Gegenüber seufzte. "Das ist auch so ein Irrglaube. Wer mit mir einen Pakt eingeht, geht immer davon aus, dass seine Seele bis zu seinem Tode nach wie vor ihm gehört, aber das ist falsch. Wer mit mir einen Vertrag abschließt, dessen Seele gehört mir von dem moment, da dieser unterzeichnet wurde. Wenn Sie mehr von mir wollen, als durch ihn vereinbart wurde, müssen Sie Ihren Teil dazu beitragen. Haben Sie denn nicht das Kleingedruckte gelesen?" Ich stutzte. "Das Kleingedruckte?" fragte ich. "Aber mein lieber Junge", entgegnete mein Gegenüber amüsiert. "jeder Vertrag hat doch das gewisse Kleingedruckte." Jetzt griff er in die Aussentasche seines Anzugs und zog unseren Vertrag hervor, den er mir lächelnd reichte. Erstaunt las ich mir den Text durch und erstarrte. Unter dem bekannten Passus stand folgender Zusatz, der, ich hätte schwören können, zuvor nicht dort gestanden hatte:
Des Weiteren verpflichtet besagter Marc Sheldon sich, sein zukünftiges Streben in den Dienst des einzig wahren Glaubens und dessen Herrn zu stellen.
Dann folgte unsere Unterschrift.
"Das hat letztens nicht dort gestanden", sagte ich erbost. "Ich sagte doch, das Kleingedruckte. Sie waren so auf die Erfüllung unseres Vertrages fixiert, dass Sie diesen Passus nicht gelesen haben. Und wenn ich für die Heilung Ihrer Frau sorgen soll, müssen Sie mir zuvor etwas bieten, da Sie nun in meinen Diensten stehen." "Und was soll ich tun?" Aus meiner Stimme war die Resignation herauszuhören, da ich annahm, dass es nichts Gutes sein konnte, was der andere von mir verlangte. Aber ich wusste, dass ich es tun würde, um meine Frau zu retten. "Töten Sie wenigstens einen Menschen."
"Sind Sie von Sinnen?" würgte ich hervor. "Wie soll ich denn ..." "Das soll nun wirklich nicht meine Sorge sein, mein Freund. Den Tod von Gordon Stone habe ich Ihnen quasi geschenkt, als Teil meiner Vertragserfüllung sozusagen. Jetzt müssen Sie zunächst Ihr Streben in meine Dienste stellen, bevor ich bereit bin, Ihnen erneut zu Helfen. Übrigens finde ich Ihre Reaktion auf den Umstand, dass Sie töten sollen, sehr interessant." Bevor ich nachfragen konnte, was er damit meinte, schob er mich in den Gang hinaus und schloss die Tür.
Wenn ich jetzt, da ich dies alles zu Papier bringe, darüber nachdenke, dass ich in den nächsten Tagen jedes Aufbäumen meines Inneren gegen den Umstand, einen Mord zu begehen, niederrang, schäme ich mich nun dafür, aber wie gesagt, würde ich alles tun, um meine grosse Liebe zu retten. Zudem war mir klar, dass ich sowieso keine Chance gegen den Alten hatte. Zwar hätte ich zur Polizei gehen können, aber was sollte ich ihr sagen? Niemand hätte mir geglaubt, dass ich einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte. Nach wie vor war dieses Wissen in mir gefestigt, dass wirklich der Teufel selbst mein grausamer Vertragspartner war. Und ich konnte mir weiterhin nicht erklären, weshalb ich dies wusste. ausserdem tat es mir in der Seele weh, meine Frau so leiden zu sehen. Sie machte eine Chemo-Therapie. In einem längeren Gespräch sagte sie mir, dass sie zu unserem Herrn beten würde, dass es doch noch einen Ausweg gab damit sie weiterleben könne. In ihrem Klagen und Beten sah ich letztendlich meine Rechtfertigung dazu, den Vertrag mit dem Teufel zu erfüllen, und in einer kalten Nacht machte ich mich also auf den Weg, um zu tun, was ich tun musste ...
Ich hockte auf der Autobahnbrücke. Neben mir lag ein grosser Stein. Seitdem ich hier quasi auf der Lauer lag, kam mir immer öfter ein schlechtes Gewissen. Hatte ich wirklich das Recht, einen Mord zu begehen, um meine Frau zu retten? Mir kamen die Werte in den Sinn, die meine Eltern mir und meinen Geschwistern mit auf den Weg gegeben hatten. So verstrich einige Zeit, während unter mir viele Wagen vorüberfuhren. Es waren aber nicht nur mein schlechtes Gewissen und der Gedanke an meine Eltern, die sich in meinem Inneren ausbreiteten, sondern auch das leidende Gesicht meiner Frau und das Wissen, Karen durch die Vertragserfüllung meinerseits retten zu können. Urplötzlich drückte ich mich hoch, und meine Arme flogen nach vorn. Erst jetzt wurde mir klar, dass ich inzwischen den Stein mit beiden Händen umklammert hielt, der jetzt über das Gelender in die Tiefe fiel. Bremsen kreischten, ein aufprall, das Splittern von Glas, Schreie ... Ich warf mich herum und rannte davon.
Am nächsten Tag kaufte ich mir eine Zeitung, und nach kurzem suchen fand ich den entsprechenden Artikel. Der Verfasser war sehr erbost. Er schrieb von einem feigen Steinewerfer, der einen mit fünf Personen besetzten Wagen getroffen hatte. Zwei Menschen starben, zwei weitere wurden schwer verletzt und lagen auf der Intensivstation. Eine Person hatte Glück im Unglück, da sie nur leicht verletzt wurde. Wieder überschlugen sich die widersprüchlisten Gefühle in mir; Einerseits regte sich nun tiefster Selbstekel, aber andererseits redete ich mir ein, dass ich so handeln musste, aufgrund meiner Liebe zu Karen und dem Pakt mit dem Teufel.
Am folgenden Tag musste meine Frau zur Untersuchung. Ich begleitete sie. Die Ärzte reagierten ungläubig, da die Untersuchungen ergaben, dass die Tumore sich etwas zurückgebildet hatten. Karen habe ich an diesem Tage wieder einmal Lachen sehen, und auch mir wurde es leichter ums Herz. Kurz dachte ich an meine schreckliche Untat, wischte den Gedanken daran aber sofort zur Seite.
In den nächsten Wochen gingen die Tumore immer weiter zurück, und schließlich verschwanden sie ganz, sodass meine Frau offiziell als geheilt betrachtet wurde. Sie und die Ärzte sprachen von einem Wunder, aber ich wusste es natürlich besser. Dies geschaah vor einem Monat.
Als ich heute nach Hause kam, rief Karen mich zu sich. Ich betrat unser Wohnzimmer. Meine Frau schaute mich aus traurigen Augen an. Ich dachte, dass sie sich wieder schlechter fühlte und der Krebs zurückgekommen sei, aber ihre Worte stellten alles auf den Kopf: "Ich bin sehr traurig, weil Du die Prüfung nicht bestanden hast."
Verblüfft sah ich sie an. "Was meinst Du?" fragte ich. "Du hast einen Pakt geschlossen, dessen Ziel es war, Dein Inneres zu prüfen." Ich wusste nicht, was ich erwidern sollte, sondern fragte mich nur, wie sie von dem Pakt wissen konnte. In diesem Moment, ich schwöre, dass es so war, legte sich ein grau schimmernder Schleier über den Körper meiner frau, unter dem ich schemenhafte Bewegungen ausmachen konnte. Dann lichtete sich dieser seltsame Schleier, und vor mir stand ... er.
Nein, ich schwöre, dass ich keiner Täuschung erlegen war und dass ich nicht die Unwahrheit schreibe. Für einen Moment stand ich einfach nur da und fragte mich, weshalb ich nicht einfach losschrie und den Verstand verlor. "Du wirst Deinen Verstand nicht verlieren", sagte der mann, als hätte er meine Gedanken gelesen, und ich glaube, dass es auch so war. "ich will, dass Du alles begreifst. Aus diesem Grund sorge ich mit meiner Macht dafür, dass Du nicht wahnsinnig wirst. Alles, was Du seit unserer ersten Begegnung erlebtest, geschah nur, um Dich zu prüfen." "Seit wann prüft der Teufel diejenigen, deren Seelen er will?" "Ich bin nicht der Teufel", entgegnete er.
Nach dieser Antwort schwiegen wir, und in meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Wenn er nicht der Teufel war, konnte es dann möglich sein, dass er Gott war? Jedenfalls war er ein überirdisches Wesen. "Ich bin weder Gott, noch Teufel, und dennoch bin ich beides", sagte der alte Mann. "was ... wie ..." "Ich kann mir vorstellen, dass das für Dich ein grosser Schock sein wird, aber ich will, dass Du die Wahrheit erfährst. Ich wandele seit Anbeginn der Zeiten auf dieser Welt, die vor Äonen ganz anders war, als Du sie kennst. Je länger ich hier wandelte, desto trauriger wurde ich, da mein Herz voller Einsamkeit war, und so leitete ich das ein, was ihr Menschen die Entstehungsgeschichte nennt. Ich wollte den Menschen ein Paradies geben, in dem sie sich wohlfühlen konnten. Ich erschuf die ersten Menschen und beobachtete sie in ihrem Paradies. Ich gab ihnen die Voraussetzung, sich vermehren zu können. Die Menschen waren glücklich, aber irgendwann schlich sich Monotonie in ihr Leben, und auch in meines. So entschloss ich mich, den Menschen Entscheidungsmöglichkeiten zu präsentieren, um ihre Spiritualität zu stärken. Das Gute gab es bereits, aber durch mich bekamen sie die Möglichkeit, sich auch für das Böse entscheiden zu können." "Ich verstehe das nicht", brachte ich hervor. "Es gibt keinen Gott und keinen Teufel", sagte der Alte schlicht. "Es gibt nur mich. Alle Religionen, das Christentum, Buddhismus, Hinduismus, der Islam, sowie alle anderen Religionen, beruhen auf mir, und ebenso alle Anti-Religionen. Ich verkörpere Gut und Böse. Und wenn Du Dich jetzt fragst, warum das so ist, zu Beginn waren die Menschen, von denen es zunächst nur zwei gab, ausschließlich gut. Da sich diese beiden Menschen vermehren würden, war mir klar, dass sich daran etwas ändern musste. Wenn man den Menschen keine Möglichkeiten einräumt, an sich selbst oder ihren Aufgaben zu wachsen, stellt sich Müssiggang ein. Also trat ich, der Schöpfer, als Schlange auf, und einer der beiden Menschen verfiel den falschen Worten, die ich ihm einflüsterte. Es war die Frau, die in Eurer Bibel als Eva bezeichnet wird. Eur Buch der Bücher erklärt, dass Gott die Menschen daraufhin aus dem Paradies verstieß. Aber das stimmt so nicht. Ich wandelte die Welt lediglich immer wieder um, sorgte aber dafür, dass Menschen, Tiere und Pflanzen stets auf ihr existieren konnten. Und ich lenke seither die Geschicke der Menschen, indem ich ihnen Entscheidungen abverlange, wie sie ihr leben führen und woran sie glauben wollen; Egal, ob es sich dabei um den Bereich Religion oder Wissenschaft handelt, ob sie sich für ein ehrliches oder für ein verruchtes Leben entscheiden. Seitdem ich die Geschicke der Menschheit lenke, ist meine Existenz viel spannender geworden. Menschen, die behaupten, dass Ausserirdische alles Leben aus einer Laune heraus erschaffen haben, liegen also gar nicht mal so falsch; Nur, dass ich kein Ausserirdischer bin. Allenfalls kann man mich als Urwesen oder Entität bezeichnen." "Aber was ist mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen?" platzte es aus mir heraus. "Was ist beispielsweise mit Darwins Thesen, oder mit den Dinosauriern, die schon vor uns gelebt haben?" "Wie gesagt, alles mein Werk", verkündete mein Gegenüber. "Ich gab den Menschen die Möglichkeit, an dieses Wissen heranzukommen und es anhand von Funden als Wissenschaft anzuerkennen. Die Wahrheit ist, dass eure geliebten Dinos erst kurz nach eurer Entstehung untergingen, wobei dass Wort "kurz" einige Jahrtausende umfasst. 1944 lies ich einen Hobby-Archäologen aus Deutschland, Waldemar Julsrud, Tonfiguren in Acámbaro, Mexiko, finden. In einschlägigen Kreisen werden diese Figuren als Acámbaro-Objekte bezeichnet, eben nach dem mexikanischen Ort Acámbaro benannt, wo ich Julsrud sie finden lies. Diese Tonfiguren bestätigen, dass Menschen und Dinosaurier eine weile nebeneinander auf der Erde existiert haben. Aber eure Gelehrten streuben sich grösstenteils, diese Wahrheit anzuerkennen, da sie vieles auf den Kopf stellt, was eure Gelehrten bislang als erwiesen betrachten." Er oder soll ich besser sagen, Es seufzte. "Aber so sehr wollte ich nicht ins Detail gehen. Hier geht es um Dich und Deine Entscheidungen. Die Fehlentscheidungen, die Du seit unserer ersten Begegnung getroffen hast, offenbaren Deinen wahren Charakter. Deine Eltern haben Dich und Deine Geschwister zu rechtschaffenden Menschen erzogen, aber ihr Menschen unterliegt immer wieder anderen Einflüssen und macht deshalb sehr oft charakterliche Veränderungen durch. Als Dein Leben normal verlief, war alles klar. Du konntest die Maskerade des Gutmenschen sogar als Geschäftsmann aufrecht erhalten, obwohl das Verlagsgeschäft auch nicht immer ganz "sauber" ist, wenn man es drauf anlegt. Dann trat ich in Gestalt dieser wunderschönen Frau in Dein Leben, und alles wurde anders. Manchmal lassen sich Männer von einer schönen Frau den Kopf verdrehen, aber die wenigsten wären bereit, dass zu tun, was Du getan hast. Als Du diese Frau gesehen hast, überkam Dich die Gier. Du wolltest sie besitzen und warst sogar bereit, einen Pakt mit dem Teufel einzugehen. Hast Du Dich nie gefragt, weshalb Du all diese Entscheidungen getroffen oder an mich als Teufel geglaubt hast? Weil Du es wolltest. Du wolltest diese Frau, die eigentlich für jemand anderen bestimmt war; Nebenbei bemerkt, hätte ich Stone in kurzer Zeit wieder verlassen und ihm eine richtige Frau an die Seite gestellt, die ihn so geliebt hätte, wie er es verdient hätte. Er war nämlich wirklich ein guter Mensch. Zwar hatte er auch seine Fehler, aber die hat jeder Mensch, da niemand perfekt ist. Aber was Dich betrifft, erinnerst Du Dich noch, was ich zu Dir sagte, nachdem ich Deine Reaktion auf den Umstand erlebte, dass Du für die Heilung Deiner Frau töten müsstest?" "Du fandest meine Reaktion darauf interessant", erwiderte ich. "Richtig. Du sagtest nämlich nicht "Das kann ich doch nicht tun", sondern meintest nur, "Wie soll ich denn ..." Mit dieser Aussage hast Du gezeigt, dass Du durchaus zum Mord bereit wärst, um Deine Ziele zu erreichen. Zwar wäre jeder Mensch zu einem Mord fähig, aber nicht jeder lässt es zu, dass die Bereitschaft zu töten in ihm die Oberhand gewinnt." "Und", erkundigte ich mich, "wie soll es jetzt mit mir weitergehen?" "Ich werde Dich verlassen. Du musst nun mit dem Wissen leben, was für ein schlechter Mensch Du bist. Du kannst zwar versuchen, Dich jemandem anzuvertrauen, aber wer würde Dir glauben? Man würde Dich für einen total durchgedrehten Verschwörungsfanatiker halten und Dich einweisen. Ich werde in meinem Tun fortfahren, die Spiritualität der Menschen zu prüfen." Er bzw. Es seufzte abermals. "Mittlerweile nimmt die Schlechtigkeit unter den Menschen zu. Ich werde mir das nicht mehr lange ansehen. Wenn bei euch nicht langsam ein Umdenken stattfindet, werde ich die gesamte Menschheit auslöschen. Andererseits brauche ich das vielleicht nicht, da ihr selbst mit eurem Tun auf dem besten Weg dazu seit. Mit eurer Technik und eurer Gier nach Macht und erfolg überholt ihr euch selbst und schafft für den Untergang die besten Voraussetzungen. Aber Du brauchst Dich davor nicht zu fürchten. Für Deine Begriffe habt ihr noch Zeit." "Du könntest uns helfen!" rief ich. "Aber das tust Du nicht, weil wir Dein Spielzeug sind." "Ich gebe zu, dass mein Handeln euch gegenüber für mich einen gewissen Reiz hat. Aber ich will, dass ihr an euren Entscheidungen wachst oder daran zugrunde geht." Nach diesen Worten wurde die Gestalt durchscheinend und verschwand, sodass ich allein zurückblieb.
Auch Stunden später, als ich hier saß, wurde ich nicht wahnsinnig. In diesem Punkt hatte diese ... Entität ... die Wahrheit gesagt. Ich fasste einen Entschluss, verließ mein Haus, stieg in den Wagen und fuhr los. Es wunderte mich keineswegs, dass ich mich so einwandfrei auf den Verkehr konzentrieren konnte. Als ich mein Ziel am Rande Londons erreicht hatte, machte ich eine Entdeckung. Das Grundstück, auf dem das Haus gestanden hatte, indem ich zweimal gewesen war, war leer. Von dem Haus war nichts zu sehen. Ich fragte einen vorübereilenden Jogger, wo denn das Haus sei, das auf diesem Grundstück stand. Der Mann sah mich nur an und meinte, dass dort nie ein Haus gestanden hätte. Wortlos stieg ich wieder ein und fuhr nach Hause.
Nun bin ich am Ende meines Berichtes angelangt. Ich weiß nicht, ob all das, was mir dieses Urwesen gesagt hat, wirklich der Wahrheit entspricht. Vielleicht ist es am Ende doch "bloß" der Teufel, dem ich auf den Leim gegangen bin, und unser Glaube und Aberglaube entspricht der Wahrheit. Aber was ist, wenn dieses Urwesen nicht gelogen hat? Was, wenn es wirklich der Ursprung aller Dinge ist, die uns Menschen prägen und bestimmen? Wie dem auch sei, in einem Punkt irrt sich dieses Wesen. Ich werde mit meinem Wissen nicht mehr weiterleben. Das wird mir in dem Moment klar, da ich dies schreibe. Ich möchte nicht miterleben, wie die Entität, falls sie die Wahrheit sagte, letztendlich doch die Regeln ihres Tuns ändert und uns in nächster Zeit vernichtet, wenn wir ihr zu böse oder zu langweilig geworden sind. Ich werde von der selben Brücke springen, von der ich den Stein geworfen habe, der zwei Menschen das Leben kostete. Hierzu möchte ich nachträglich noch anmerken, dass die anderen Beiden, die auf der Intensivstation gelegen hatten, letztendlich überlebten, was einige Wochen nach meiner Untat öffentlich bekannt wurde.
Zuguterletzt kann ich nur hoffen, dass dieser Bericht einer Person in die Hände fällt, die geistig stark genug ist, das Gelesene ertragen zu können. Am besten wäre es, Sie verbrennen diese Seiten. Falls Sie meinen Bericht jedoch der Öffentlichkeit zugänglich machen wollen, sollten Sie sich der Verantwortung über die eventuellen Folgen bewusst sein. Ich habe ja zu Beginn geschrieben, dass ich diesen Bericht verfassen würde, um auf diese Weise meinen Kopf frei zu bekommen, und falls Sie sich fragen, weshalb ich ihn nicht einfach selbst verbrenne, nachdem ich den Bericht beendet habe, dann möchte ich anmerken, dass er mein Vermächtnis an die Welt sein soll.
gez. Marc Sheldon, London, 22.10.2018