Körper - Eine Kurzgeschichte
„Das ist logisch“, sagt der Angestellte, „wir sprechen ja nicht mit dem Körperträger, sondern mit seiner Familie. Häufig ist es so, dass sich seine Ehefrau über die Aussicht freut, Millionärin zu werden. Vielleicht will sie auch ohnehin ihren Ehemann loswerden.“ „Sie können all das in die Wege leiten?“, fragt der Milliardär. „Ja“, sagt der Angestellte, in bestimmten Fällen ist bereits alles erledigt.“ „Kann ich mir einen dieser Körper aussuchen?“, fragt der Milliardär. „Selbstverständlich“, sagt der Angestellte, „ich kann Ihnen diese Körper zeigen“, sagt der Angestellte. „Sie meinen Menschen?“, sagt der Milliardär. „Ja klar, Menschen“, sagt der Angestellte. Er blickt auf den Bildschirm seines Computers. „Gut, es sind dreizehn männliche Menschen“, sagt er. „Wollen Sie eine holografische Projektion?“ „Gern, machen Sie nur!“, sagt der Milliardär. Der Angestellte drückt auf eine Taste. Das räumliche Bild von dreizehn Männern erscheint im Raum wie im Teleportationsraum der Raumschiff Enterprise. „Sie sind in ihrer natürlichen Größe dargestellt“, sagt der Angestellte. Der Milliardär betrachtet die Hologramme eingehend von allen Seiten. Er zeigt auf das Bild des größten Mannes, der auch sehr muskulös ist. Er stellt das Gegenteil des Milliardärs dar. „Ich hätte gern diesen Körper“, sagt er. „Das lässt sich machen“, sagt der Angestellte. „Ist alles mit diesem Mann geregelt?“, fragt der Milliardär „Ja“, sagt der Angestellte, „sein Körper ist sofort verfügbar.“ „Ich möchte dieses Gebäude mit diesem Körper verlassen“, sagt der Milliardär. „Ist das möglich?“ „Sobald der Betrag für die Bewusstseinsübertragung auf einem unserer Konten eingegangen ist, können wir unverzüglich mit den Eingriffen beginnen“, sagt der Angestellte. „Wie hoch ist der Betrag?“, fragt der Milliardär. „25 Millionen US-Dollar“, sagt der Angestellte. „In Ordnung‘“, sagt der Milliardär, „ich lasse den Betrag anweisen.“ Er ruft seinen Assistenten an und trägt ihm auf, sich sofort mit der Buchhaltung der Firma Real Life in Verbindung zu setzten. „Ein sehr schöner Körper, ich bin beeindruckt!“, sagt der Milliardär zum Angestellten. Sehr bald ruft sein Assistent an. „Der Betrag ist überwiesen“, sagt er. Ein paar Minuten später läutet das Tischtelefon des Angestellten. „Der Betrag ist angekommen“, sagt er. „Sind Sie sich sicher? Sollen wir anfangen?“, fragt er. „Ja, ich bin mir sicher“, sagt der Angestellte. „Es gibt kein Zurück, haben Sie erst einmal den neuen Körper bewohnt. Ihr alter Körper wird vernichtet werden“, sagt der Angestellte. „Habe ich eine Wahl?“, fragt der Milliardär rhetorisch. „Nein, ich habe keine. Beginnen wir!“ Der Angestellte tätigt einen internen Anruf. „Der Patient ist abzuholen“, sagt er. Nach nicht viel länger als einer Minute erscheinen zwei Sanitäter mit einer Trage auf Rollen. Einer der beiden bedeutet den Milliardär, sich auf die Trage zu legen. Die Sanitäter sprechen nicht. Sie führen den Milliardär in einen OP-Raum. Ein Arzt verabreicht dem Milliardär eine Injektion, die angstlösend wirkt. Kurz später wird die Vollnarkose eingeleitet.
Zsolt Hörmann erwacht. Der Angestellte sitzt auf einem Stuhl im Aufwachzimmer. Er blickt auf die Muskeln in seinen Armen, die auf der Decke liegen. Er schnauft. „Ich kriege kaum Luft!“, sagt er. Der Arzt und die Krankenschwester stehen da und blicken auf ihn, sagen aber nichts. „Ja leider“, sagt der Angestellte, „es hat sich herausgestellt, dass die Lunge von Zsolt Hörmann stark defekt ist, aber unglücklicherweise konnten wir den Bewusstseinsübertragungsprozess nicht mehr abbrechen.“ „Ich will einen anderen Körper, augenblicklich!“, sagt Zsolt Hörmann. „Wie stellen Sie sich das vor?“, sagt der Angestellte, „Sie sind nicht mehr der reiche Joseph Mullenhauser, sondern der mittellose Zsolt Hörmann, dessen Frau sich gestern von ihm scheiden ließ.“
Zum Autor
- Gedichte in „Driesch“, Nr. 5 im Jahr 2011.
- Kurzgeschichte in „Brückenschlag“, Band 27 im Jahr 2011.
- Kurzgeschichte in „TrokkenPresse“, Nr. 5 im Jahr 2011.
- Prosatext in „TrokkenPresse“, Nr. 2 im Jahr 2012.
- Gedichte in und Gedicht auf „Brückenschlag“, Band 28 im Jahr 2012.
- Miniaturen in „WORTSCHAU“, Nr. 17 im November des Jahres 2012.
- Gedichte in „Spring ins Feld“, 13. Ausgabe, Dezember des Jahres 2012.
- Kurzgeschichte in „Brückenschlag“, Band 29 im Jahr 2013.
- Prosatext in „TrokkenPresse“, Nr. 3 im Jahr 2013.
- Gedicht in „DATT IS IRRE !“, Ausgabe 59, 09/2013.
- Kurzgeschichte in der Anthologie „Mein heimliches Auge, Das Jahrbuch der Erotik XXVIII“ vom konkursbuch Verlag
- Claudia Gehrke im Jahr 2013.
- Gedichte in „DATT IS IRRE !“, Ausgabe 60, 12/2013.
- Gedichte in „DATT IS IRRE !“, Ausgabe 61, 04/2014.
- Gedichte in „DATT IS IRRE !“, Ausgabe 62, 08/2014.
- Kurzgeschichte und Gedicht in „DATT IS IRRE !“, Ausgabe 63, 11/2014.
- Gedichte in „DATT IS IRRE !“, Ausgabe 64, 04/2015.
- Kurzgeschichte und Gedicht in „DATT IS IRRE !“, Ausgabe 67, 04/2016.