Leichte Zeiten in der Hölle!
Mit Knebelverträgen war er gebunden worden und musste unmögliche Konditionen bedienen, nur um letztlich ein kleines Seelchen ernten zu können.Heute war das anders. Er war Großindustieller geworden. In Afrika und Asien liefen sie ihm in Scharen nach, um ihre Seelen an ihn zu verkaufen für eine Handvoll Reis, um ihre Lebensumstände zu verbessern. Eine Handvoll Reis hatte er immer in seiner Tasche; das machte ihm nichts aus.Man muss dem Affen eben Zucker geben! Freiwillig und ohne spezielle Bedingungen folgten sie ihm dort, nur um ihre Armut in diesem Leben etwas auszubessern.Dafür konnte er sie dann später als Sklaven halten, wie er wollte.Vorbei mit Europa. Abgeschrieben hatte er diese individualistischen Seelen, die ihm soviel Arbeit machten. Hier in Afrika hingegen, konnte er ernten, soviel er wollte.
Der Teufel überlegte: vielleicht sollte er Fließbänder einrichten, wie Ford beim Autobau, um die Seelen besser und schneller transportieren zu können. Das hätte dem Teufel nicht ausgemacht, diese Idee nachzuahmen. Er lernte von den Besten und nichts war ihm zu wenig, um die Abläufe in der Hölle zu optimieren. Vielleicht als Automatismen mit Roboterarmen an den Seiten der Bänder, die dann die Seelen leichter voranschieben konnten, bis er sie endgültig eingetütet hatte. Ja, das Leben war eine Freude heutzutage als Unternehmer .Modern sein und mit der Zeit gehen. Moderne Zeiten anstatt modernde Zeiten! Vielleicht sollte er Aktien auf die Hölle und ihre Bewohner ausgeben, das klang doch gut. Unternehmen im Eigentum der Beschäftigten! Vielleicht konnte er sogar den einen oder anderen niederen Engel überreden, ein paar Aktien zu kaufen und so für die Zukunft vorzusorgen.
Man wusste ja nie!
Selbst in die Hölle war der Sozialismus vorgedrungen; der Teufel hatte ihn einst erfunden einer Minute der Langeweile ,als Experiment in die Welt der Menschen gebracht (als Dämon Marax getarnt) und musste zu seiner Verblüffung feststellen, dass diese Idee nicht nur nicht totzukriegen war, sondern sogar seinen eignen Höllenarbeitsplatz als Bumerang überfallen hatte. Was hatte er gelacht! Zum Glück hatten die unteren Teufel noch keine Gewerkschaft gebildet. Da sah er rechtzeitig vor! Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, als er das nächste Papier unterschrieb. Die schnellen Verträge mit dem für ihn so wichtigen Kleingedruckten und den juristisch spitzfindigen Spezialklauseln stapelten sich auf seinem Schreibtisch; er musste endlich die papierlose Datenverarbeitung einführen (und dann die Leitungen und Funksender von Störteufeln säubern, die sich einen Spaß daraus machten, die Transportwege der Information zu blockieren).Der Teufel kratzte sich am Kopf, zwischen den Hörnern. Eine Sauarbeit, die er zu tun hatte, heutzutage. Dauernd wollte irgendein kleinkarierter Elender ihm seine nutzlose Seele verscherbeln.
Er überlegte. Vielleicht sollte er doch wieder auf Luxusware umsteigen. Weniger und teurer, mehr Mühe bei der Herstellung … aber die Qualität war eben auch besser. Er überlegte, seinen Marktanteil in Europa und Nordamerika wieder zu vergrößern. Immerhin: was hält, das hält. Und gute Qualität war doch immer besser als dieser afrikanisch-asiatische Mist! Er überlegte: sollte er zur höheren Ware zurückkehren … oder mal wieder einen kleinen Genozid anzetteln, um eine weitere Massenernte abzuhalten? Dann aber verschob er diese Idee auf später, konzentrierte sich und widmete sich wieder seinen Pflichten als Unternehmer. Ja, ja, dem Millionär ist nix zu schwer! Nach diesem Motto hatte er ja von je her gehandelt. Und so arbeite er weiter an seiner Ernte …
© 2022 by Holger Döring