Sieben Schweine - Eine Kurzgeschichte
Sieben Schweine
Eine Kurzgeschichte
Natürlich sind Xenotransplantationen nicht immer erfolgsversprechend, doch „Eurotransplant“ gibt es aufgrund kapitalistischer Gründe nicht mehr. Heute werden menschliche Organe versteigert. Schweine bieten da eine preisgünstige Alternative. Was wie der perfekte Werbespruch klingt, hält der Wahrheit stand: Besser ein Herz von Mr Pork als gar keines.
Besonders wenn man eine Niere transplantiert bekommen hat, gleichgültig ob die eines Menschen oder eines Schweines, entwickelt man sehr oft Krebs, noch dazu häufig Tumoren, die besonders schnell wachsen. Überdies hält die erste fremde Niere nicht lange, drei Jahre sind illusorisch. Gut daher, dass ein Schwein zwei Nieren besitzt.
Die genetisch an die Menschen angepassten Schweine sind bei der Gesundheitskasse des jeweiligen Bundeslandes registriert, ebenso natürlich auch für welchen Menschen sie Organe liefern müssten. Idealerweise leben die Schweine in einem Stall, wenn aber jemand oder eine Familie sich in einer prekären Situation befindet, können diese Schweine auch in einem Zimmer leben. In diesem Fall ist es wünschenswert, wenn von diesem Zimmer ein Balkon zugänglich ist. Die Schweine tragen eine Ohrmarke, keine gelbe, sondern eine leuchtend rote mit schwarzer Schrift.
Es gibt kaum valide Zahlen über die Überschreitung der Höchstzahl von sieben Schweinen pro Familie. Oder werden sie nur nicht bekanntgegeben, um beispielsweise Nachahmungstätern keinen Vorschub zu leisten? Allerdings ist die Geburtenrate mittlerweile so gering, dass in diesem reichen Land kaum eine Familie mehr als fünf Kinder hat.
Bis auf Familie Steinbeißer, Vater Anton und Mutter Grete, fünf Töchter und drei Söhne, insgesamt also zehn Personen. Die zweitjüngste Tochter Babsi, vier Jahre, der jüngste Sohn, Christian, zwei Jahre, und die jüngste Tochter, Sophie, haben kein genetisch an sie angepasstes Schwein.
Die Familie ist ein Vertreter der Unterschicht. Sie lebt in einem baufälligen Haus auf dem Land, das Grete von ihrer Mutter geerbt hat. Sie baut viele Feldfrüchte an, nicht weil dies für gesündere Nahrung sorgt, sondern weil es billiger ist, als sie zu kaufen.
Grete hat Angst vor Krankheiten. „Spüre ich da nicht einen Knoten in meiner Brust?“, fragt sie sich. Oder: „Ist jetzt nicht eine Lungenentzündung bei mir im Anzug?“, wenn sie mit nassen Haaren im Winter kurz ins Freie gegangen ist.
Ihre Sorge ist unbegründet, denn die ganze Familie ist kerngesund, was gut ist, denn zu dieser Zeit muss man einen Eigenmittelanteil von bis zu 80 % leisten, wenn man einen Arzt aufsucht. Im Fall der Familie Steinbeißer wären es nur 20 %, doch wenn man nur sehr wenig Geld hat, ist das viel, denn Ärzte sind teuer.
Dennoch oder gerade wegen ihrer speziellen Furcht bestürmte Grete ihren Mann: „Anton, mein Lieber, hör doch, die Babsi, der Christian und das Sopherl sind nicht versorgt. Mir raubt das den Schlaf. Du merkst doch sicher, wie schlecht ich schlafe. Wir müssen etwas unternehmen!“
Anton dachte nach. „Du weißt, wie streng die Gesetze sind und wie genau die Kontrollen, Gretchen“, sagte er am nächsten Tag. „Ja, natürlich“, sagte Grete. „Wir wandern alle in die Leibeigenschaft, wie vor zweihundert Jahren und davor“, fuhr Anton fort. Grete nickte. „Gut, dann ist das klar ausgesprochen“, sagte Anton. „Andererseits haben wir drei Eber und vier Sauen. Was wäre, wenn wir nicht, wie verlangt, den ganzen Nachwuchs abgeben, wie wir es bisher stets getan haben?“ „Das klingt nach einer guten Idee, red weiter, Anton!“, sagte Grete. „Wir könnten drei Stück des Nachwuchses behalten“, schilderte Anton seinen Plan. „Die Ferkel, die darüber hinausgehen, geben wir ab, wie gehabt. Die drei nachgekommenen Schweinchen müssten genetisch auch sehr gut für die drei Kinderchen geeignet sein, wir sind ja schließlich eine Familie.“ „Mir gefällt sehr gut, was du da sagst, mein lieber Anton“, sagte Grete. „Die Geschichte geht noch weiter. Jeweils drei Schweine verstecken wir in einer Grube, über der wir eine getarnte Falltür anbringen. Die Schweine rotieren am besten täglich. Daher muss ich oder Georg dann die Ohrmarken umstecken. Sollte eine Kontrolle stattfinden, laufen sieben vergnügte Schweinchen mit Ohrmarken auf dem Grundstück umher. Und wenn sie rasten wollen, machen sie es sich unter ihrem Unterstand bequem. Wie gefällt dir diese Idee, Gretchen?“ „Wunderbar, mein lieber Anton“, sagte Grete, „besser kann sie gar nicht mehr sein!“
Anton und Georg, der älteste Sohn, hoben die Grube aus, deckten sie mit einer Falltür ab, die sie mit Gras, Gänseblümchen, Hölzchen und einem scheinbaren Maulwurfshügel verhüllten. Die sieben Schweinchen an der Oberfläche hatten für Schweine ein sehr schönes Leben, mit maximalem Auslauf, hätte man früher gesagt. Die drei Schweinchen in der Grube bekamen als Ausgleich für den Mangel an Licht mehr Futter. Meist blieben nur einen Tag darin.
Sicherlich war es einige Mühe, die Schweinchen zu transferieren, drei Male die Ohrmarken umzustecken. Anton und Georg durften auch keinen Fehler dabei machen, beispielsweise die Ohrmarke einer Sau an dem Ohr eines Ebers zu befestigen.
Für jedes gestorbene Schweinchen erhielt das Familienmitglied, mit dessen Genen das Schweinchen gekreuzt war, ein neues Schweinchen, das wieder seine Gene trug.
Anton und Grete verfolgten sogar den Gedanken an ein neues Familienmitglied. In der Grube hätten auch leicht vier Schweinchen Platz. Doch aus finanziellen Gründen begnügten sie sich mit acht Kindern, was ja schon sehr viel ist.
Bei der Familie Steinbeißer traten bis auf Erkältungen und Darmgrippen keine Krankheiten auf, wohl auch weil ihre Mitglieder viel an der frischen Luft waren und wenig außen.
Es gab einige Kontrollen der Schweinepopulation, wo nie etwas beanstandet wurde. Dann aber kam Schwester Agnes. Sie war wahrscheinlich keine wirkliche Ordensschwester, doch sie kleidet sich wie eine. Sie blieb lange auf dem Grundstück. Plötzlich hörte sie ein Grunzen, das von unter der Oberfläche kam, dann noch eines. Sie lokalisierte es.
Anton stand mit einer Axt in der Hand drei Meter hinter ihr. Schwester Agnes drehte sich um. „Herr Steinbeißer, was tun Sie hier?“, fragte sie. „Baumpflege“, sagte Anton, ging auf sie zu und schwang die Axt über seinem Kopf.
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