Y. S. Lee
288 Seiten, 8,99
Erstausgabe 6. April 2009
ISBN: 978-1406315165
Verlag: Walker Books
August 1853 - Napoléon III. ist Kaiser von Frankreich, in Österreich herrscht Kaiser Franz Joseph I., und in Preußen ist Friedrich Wilhelm IV. König, verheiratet mit Elisabeth Ludovika von Bayern, einer Tante der späteren Kaiserin Elisabeth (Sisi) von Österreich. Im Vereinigtes Königreich herrscht die legendäre Queen Victoria (18371901). Und während Victoria 1853 vermutlich mit Sorgen um den Krimkrieg beschäftigt war, steht im "Old Bailey", dem zentralen Staatsgerichtshof, in London ein Mädchen vor Gericht, dem die Todesstrafe droht.
Mary, die irgendwie gar nicht so recht wie ihr geschieht, wird sie wegen Hauseinbruch zum Tod durch den Strang verurteilt. Man bringt sie in ihre Zelle ...
... und als sie erwacht, findet sie sich in einem sauberen Bett, in einem sauberen Zimmer wieder, eine freundlich besorgte Dame an ihrer Seite. Mary Lang glaubt, sie sei im Himmel. Sie befindet sich jedoch in "Miss Scrimshaw's Academy for Girls". Die Schulleiterin, Anne Treleaven, hat sich durch Gewährsleute in den Wochen vor und während der Verhandlung von Marys Intelligenz überzeugt und davon, dass Mary etwas "Besonderes" sein muss. Sie bietet Mary an, als Schülerin in die Academy einzutreten, dort eine normale schulische Laufbahn zu durchlaufen und so die Chance zu einem Neuanfang ohne Kriminalität und Gewalt zu haben.
Mary nimmt an, und so wächst die 12jährige in der Obhut des Hauses heran.
Einige Jahre später hat Mary einen besonderen Termin bei Miß Treleaven. Sie hat um eine Unterredung mit der Schulleiterin gebeten. Bei aller Dankbarkeit, die sie empfindet, ist sie doch unzufrieden mit der Tatsache, als Hilfslehrerin im Institut zu arbeiten.
In der Tat hat Miß Treleaven ein besonderes Angebot für Mary, von dem diese noch nicht einmal etwas ahnt ...
Charlies Angels - dieser Gedanke kam mir unwillkürlich, als ich mich in dieses Buch vertiefte, das der erste von insgesamt drei Bänden sein soll.
In der Tat tritt Mary als Agentin in eine Agentur ein, die für unterschiedlichste Auftraggeber geheime Ermittlungen durchführt. Frauen, das ist die Grundidee, können häufig weniger auffällig forschen, da sie in der Regel ohnehin weniger/kaum wahrgenommen werden.
Natürlich nimmt das Unheil seinen Lauf, alles ist bei Weitem nicht so einfach, wie Mary es sich vorgestellt hat. Das wird ihr spätestens dann klar, als sie sich in dem Kleiderschrank verstecken muss um nicht ertappt zu werden, und dabei zu ihrem Schrecken feststellt, dass sie nicht allein ist: Ein Mann hat sich ebenfalls für dieses Versteckt entschieden - und er war zuerst da.
Agency ist ein wunderschönes Abenteuer im viktorianischen Setting, nichts außergewöhnlich Dramatisches, kein Geniestreich, kein Flop. Das Buch zu lesen macht einfach nur Spaß, und ich gebe zu, man muss ein Faible für Viktorianik haben, um diesem Buch etwas abzugewinnen. Steampunk-Elemente wird man vergebens suchen, aber Y. Lee hat es gespickt mit Beschreibungen und sozialen Systemen, die historisch durchaus authentisch sind und den damaligen Gegebenheiten entsprechen.
Die Handlung ist etwas leicht zu durchschauen, zumindest wenn man genug Romane in dieser Richtung gelesen hat, das macht unter anderem auch den Charme dieser Geschichten aus. Die verschiedenen Geheimnisse, die Y. Lee eingebaut hat - und es gibt Andeutungen, dass da noch mehr ist - lassen darauf hoffen, dass es in Band 2 und 3 ähnlich weitergehen wird. Und ich hoffe sehr, dass die angedeuteten zarten Liebesbande sich nicht groß weiter entwickeln, irgendwie fände ich es doch sehr schade, wenn sie sich "kriegen" würde, dann wäre es doch zu "cheesy".