Michael Ende und seine Bücher - Momo
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oder die seltsame Geschichte von den Zeit- Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurück brachte
Ich sollte im Auftrag eines Fernsehsenders eine Story für einen etwa einstündigen Film entwerfen- aber mir wollte einfach nichts einfallen. Da schenkte mir eine Bekannte, ich weiß nicht mehr wieso, eines Tages eine alte Taschenuhr ohne Zeiger, die wirklich zu nichts mehr zu gebrauchen war. Ich betrachtete sie eine Weile und plötzlich stellten sich die ersten Ideen ein. Allerdings dauerte es von da an noch sechs Jahre, bis das Buch wirklich fertig war.(2)
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Im ersten Teil der Geschichte lernen wir Momo und vor allem ihre Freunde kennen. Den alten Beppo Straßenkehrer, der geruhsam Schritt für Schritt durchs Leben geht. Den jungen Gigi Fremdenführer, der sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält und der für die Touristen ganz wunderbare Geschichten erfindet. Und den Maurer Nicola, den Restaurantbesitzer Nino und die Kinder, die am liebsten zu Momo zum Spielen gehen, denn Momo fällt immer etwas Tolles ein.
Im zweiten Teil stellt uns Ende die Grauen Herren von der Zeitsparkasse vor, die langsam, zunächst unauffällig den Lebensrhythmus der Menschen ändern. Der erste ist Herr Fusi, der Friseur, der nach einem Besuch der Grauen Herren Zeit spart, in dem er seiner Mutter kaum mehr Aufmerksamkeit widmet, seine behinderte Freundin aufgibt und abends nicht mehr über den Tag nachdenkt. So verfällt die ganze Stadt dem Wahn des Zeitsparens. Nur noch Momo ist den Grauen Herren im Weg.Sie wollen sie beseitigen. Meister Hora, der Verwalter der Zeit, rettet sie und holt sie in sein Nirgendhaus in der Niemalsgasse.
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Michael Ende war 1970 aus Deutschland vor den ständigen Anfeindungen der Kultur Schaffenden, die ihm Weltflucht und Realitätsblindheit vorwarfen, nach Italien geflohen. Hier in Genzano di Roma in seinem Haus Liocorno konnte er die Arbeit an Momo wieder aufnehmen, die er 1967 begonnen hatte. Ende freute sich über die künstlerische Freiheit in Italien: Du kannst sozialkritisch sein, aber du kannst genauso gut phantastisch sein. Wichtig ist, dass es überhaupt etwas ist, was du schreibst.(3) Der Märchenroman erschien schließlich 1973 im Thienemann Verlag. Der Erfolg sollte sich nur langsam einstellen.
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1974 erhielt Momo mit nur einer Stimme Mehrheit in der Jury den Deutschen Jugendbuchpreis.
Michael Ende erinnerte sich, welche Probleme er mit seinem Märchenroman hatte: "Ich hatte fast alle einzelnen Szenen aus der Momo schon fertig. Ich hatte die Figuren, ich hatte auch schon einzelne Kapitel geschrieben, konnte das Buch aber sechs Jahre nicht fertig schreiben, weil mir eine einzige Regel noch fehlte. Die Frage hieß ganz einfach: Wenn die Zeitdiebe, die Grauen Herren, allen Menschen ihre Zeit stehlen können, warum können sie sie der Momo nicht stehlen? Man kann sich nun natürlich helfen, und schlechte Schriftsteller tun das auch, indem man Momo einfach irgendeine charismatische Eigenschaft gibt, die das verhindert. Sie hat z.B. einen Lichtpanzer oder sonst irgendetwas. Damit bin ich aber nie zufrieden, sondern es muss eine ganz konkrete Spielregel sein, die in der Sache selbst liegt. Eines Morgens beim Frühstück sagte ich plötzlich zu meiner Frau: Jetzt hab ich es! Ganz einfach: Zeit stehlen kann man nur demjenigen, der Zeit spart, denn jemand, durch den die Zeit sozusagen immer hindurch fließt, der seine Zeit nicht festzuhalten versucht, der hat ja gar keine, die man ihm stehlen kann, da ist nichts zu stehlen. Damit war die Idee der Zeitsparkasse geboren und auf einmal funktionierte die ganze Geschichte von vorn bis hinten.(5)
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Nach Michael Endes Wunsch sollte Maurice Sendak (Wo die Wilden Kerle wohnen) die Geschichte von Momo illustrieren. Aber der Verlag lehnte ab. Also machte sich Ende selbst an die Arbeit und zeichnete die Bilder für seinen Märchenroman.
Biblio- und Mediographie:
1973: Momo oder die seltsame Geschichte von den Zeit- Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurück brachte, ein Märchenroman, illustriert von Michael Ende, Thienemann Verlag
1994: Momo, Lehrerbegleitheft, Thienemann Verlag
2001: Michaelis: Michael Ende Momo, Modelle für den Literaturunterricht, Oldenbourg Verlag
2005: Momo, Schulausgabe mit Materialien, Thienemann Verlag
2009: Momo, ein Märchenroman, Taschenbuch, Piper Verlag
2009: Momo, ein Märchenroman, illustriert von Friedrich Hechelmann
1984: Momo und ihre Freunde, Momo und die grauen Herren, Momo und die Stundenblumen, dreiteiliges Hörspiel, Drehbuch: Michael Ende, Regie: Anke Beckert, Musik: Frank Duvall, Sprecher: Harald Leipnitz. Karussell
1991: Momo, Hörspiel des WDR, Sprecher: Rufus Beck, Karin Anselm u.a., Der Audio Verlag
2008: Momo, Lesung mit Rufus Beck, Der Audio Verlag
1986: Momo, Regie: Johannes Schaaf,
1986: Momo in der phantastischen Welt des Meister Hora, Videofilm aus Gemälden von Angerer der Ältere zum Buch
2001: Momo, italienischer Animationsfilm
2002: Momo, Zeichentrickfilm, Ufa
2004: Momo, Zeichentrick- Serie
2009: Michael Endes Momo, DVD Oetinger Verlag, neben dem Film von 1986 findet sich ein Fernsehporträt und -interview von 1982
1975: Momo und die Zeitdiebe, Oper, Libretto: Michael Ende, Musik: Mark Lothar
1981: Theaterstück
1974: Deutscher Jugendbuchpreis
1974: Europäischer Jugendbuchpreis, Ehrenliste
1988: IBBY- Ehrenliste für die beste Übersetzung ins Iranische
(1) Michael Ende: Momo, Thienemann Verlag
(2) Hocke / Neumahr: Michael Ende, magische Welten, Henschel Verlag 2007, Seite 81
(3) Hocke / Kraft: Michael Ende und seine phantastische Welt, Weitbrecht Verlag 1997, Seite 99
(4) ebenda Seite 100
(5) ebenda Seite 102
(6) Fantasy & Comic, ein Cinema- Filmbuch 1990, Seite 112