Meyer, Kai: Schwert und Seide (Das Wolkenvolk 1)

CoverSchwert und Seide
(Das Wolkenvolk 1)
von Kai Meyer
erschienen: 2006 (Deutschland)
407 Seiten, 16,95 €
ISBN: 978-3-785-55741-9
Loewe-Verlag

Ich mag Fantasyromane aus einem ganz bestimmten Grund: Sie entführen den Leser in ferne, faszinierende Welten jenseits der Regeln und Beschränkungen, die uns von der Realität auferlegt werden. Drachen, Magie, unglaubliche Naturphänomene, exotische Völker, kein anderes Genre bietet eine derart breite und packende Mischung an Abenteuern und Wundern.

Ein Schriftsteller, der die Grenzenlosigkeit des Fantasygenres perfekt zu nutzen versteht und seine Leser dadurch immer wieder ins Staunen bringt, ist Kai Meyer. Mit Schwert und Seide, dem ersten Band seiner Trilogie um das Wolkenvolk, stellt er seine Fähigkeiten und seine Vorstellungskraft erneut eindrucksvoll unter Beweis.

Zum Inhalt des Buches: Als Baby wurde Nugua den Drachen geopfert, um sie gnädig zu stimmen und eine Gunst zu erbitten. Statt sie zu fressen, kümerten sich die Himmelsechsen um die Aufzucht und Erziehung des Mädchens. Nie hat Nugua eine Menschenseele zu Gesicht bekommen – bis zu dem Tag, an dem die Drachen spurlos verschwinden und sie sich auf die Suche nach ihrer „Pflegefamilie“ macht.

Der junge Niccolo hat unterdessen ganz andere Probleme: Seiner Heimat, der geheimnisvollen Wolkenstadt, droht der Untergang. Die Aetherpumpen, die für die Konsistenz der Wolken gesorgt haben, arbeiten nicht mehr. Ausgeschickt von den Herrschern des Wolkenvolks begibt sich Niccolo auf eine lange und gefahrvolle Suche nach einem Drachen, denn deren Atem besteht aus purem Aether und ist die letzte Hoffnung für ein sterbendes Volk.

Auch wenn Niccolo eigentlich nichts für die Wolkenstadt übrig hat und viel lieber am Erdboden bleiben möchte, führt er seinen Auftrag aus. Dabei stößt er auf unglaubliche Wunder und mörderische Gefahren, mit denen er nicht gerechnet hat...

Schwert und Seide erinnert nicht von ungefähr an einen der vielen Eastern-Fantasyfilme, die man in den letzten Jahren im Kino oder auf dem Bildschirm bewundern konnte. Kai Meyer entführt seine Leser ins (phantastische) China des 18. Jahrhunderts, Drachen, Martial-Arts-Kämpfe und sich bekriegende Unsterbliche inklusive. In einer rasanten, aber immer übersichtlichen Handlung mit einzigartigen Kampfeinlagen, wie man sie so aus westlicher Literatur eigentlich nicht kennt, lässt der Autor seine Charaktere von einem Abenteuer ins nächste stürzen und den Leser gebannt von Seite zu Seite blättern.

Im Vordergrund stehen dabei aber nicht die Actioneinlagen (von denen es aber glücklicherweise ausreichend zu lesen gibt). Zentral sind die Figuren, ihr Innenleben und eine ebenso komplizierte wie anrührend-traurige Liebesgeschichte, von der man sich kaum vorstellen kann, dass sie ein Happy-End nehmen wird, auch wenn man es noch so sehr hofft. Meyer setzt hier neben den obligatorischen 08/15-Protagonisten wie Niccolo, der den typischen rechtschaffenen, starken Außenseiter verkörpert, oder Alessia, die verwöhnte und hochnäsige Tochter des Fürsten des Wolkenvolks, hinter deren Arroganz sich mehr verbirgt, als man ihr auf den ersten Blick zugestehen möchte, auf liebevoll beschriebene, einzigartige Charaktere, die einem direkt ans Herz wachsen. Etwa Feiqing, der ein schreckliches Schicksal zu tragen hat, oder Mondkind, eine Figur, wie sie ambivalenter gar nicht ausfallen könnte. Hier hat Meyer wirkliche Kreativität bewiesen, die weit über die bloße Beschreibung einer phantastischen Welt hinausgeht.

Wo wir gerade dabei sind: Diese Welt ist wirklich faszinierend. Auch als versierter Leser der unterschiedlichsten Fantasyromane konnte ich immer wieder Neues entdecken. Das führt schnell dazu, dass man das Buch nur recht widerwillig aus der Hand legt, weil man einfach nicht voraussagen kann, was denn nun auf den nächsten Seiten geschehen könnte.

Meyer gelingt ein geschickter Balanceakt zwischen Action, Beschreibung einer phantastischen Welt und Charakterstudie. Schwert und Siede ist ein fesselnder Roman vor exotischer Kulisse, der Lust auf die beiden Nachfolgebände macht, diesen die Messlatte dadurch aber auch sehr hoch ansetzt.

Der erste Band der Wolkenvolk-Trilogie ist jedem zu empfehlen, der sich Fantasy einmal etwas anders zu Gemüte führen möchte, als man es vom Herrn der Ringe und ähnlichen Werken gewohnt ist. Fans von Eastern wie etwa Hero sollten auf alle Fälle zugreifen.

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