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Pen and Paper: Die Youtube-Formate

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumnePen and Paper
Die Youtube-Formate

Ein einziges Mal habe ich in meinem Leben eine Pen-and-Paper-Runde als Gamemaster geleitet. Zu Zeiten als wir hier in Deutschland vorrangig Das Schwarze Auge kannten - und als Schüler nicht so ganz die Tolkien-Anspielungen verstanden hat, weil man Tolkien damals einfach noch nicht gelesen hatte, hur, hur - war die Geschichte damals die typische »Helden erobern einen Dungeon«-Sache.

Mittlerweile wissen wir ja alle, dass bei den Pen-and-Paper-Rollenspielen eine Fülle von Auswahl besteht - und einige der Systeme fanden auch ihre Umsetzung auf den PC. Was jetzt vermutlich nicht dazu geführt hat, dass PC-Spieler sich auf einmal mit der Frage herumwarfen, wie man jetzt am Besten einen W20 für die nächste "Ich muss die Tür öffnen"-Probe einsetzt. PC-Spieler drücken da einfach Knöpfe oder WASD-Tasten. Jedoch: Die Fülle der Pen-and-Paper-Rollenspiele ist unendlich. Ob es noch aktive Maddrax-Rollenspieler gibt - keine Ahnung. Aber sicherlich gibts eine Menge von Fans von Dungeon and Dragons, Cthulhu, Masquerade - in welcher Form jetzt auch immer - 7th Sea oder vielleicht auch gar Leute, die gerne mal ein Regelwerk namens "Have I Shoes on" benutzen. (Wie das funktioniert habe ich auch immer noch nicht so ganz verstanden, aber ja, das System gibt es wirklich.)

Jedoch: Pen-and-Paper-Rollenspiele sind nicht gerade Mainstream. Soweit ich mich erinnern kann ist noch nicht einmal in der "Big Bang Theory" wirklich ein reinrassige Pen-and-Paper ohne Spielfeld oder Figuren aufgetaucht. Kartenspiele a la Magic oder dann wirkliche Table-Top-Spiele sind in der Serie öfters zu sehen. Pen-and-Paper ist Nische. Was vermutlich daran liegt, dass man einerseits eine gewisse Kreativität und Vorstellungskraft dafür braucht - daran sollte es eigentlich meistens nicht scheitern - dann braucht man einen Hang für das Phantastische - obwohl es natürlich auch Systeme gibt, in denen man ein Mafioso sein kann - und man braucht einen guten Gamemaster. Und vielleicht muss man auch die Motivation haben sich durch ein ellenlanges Regelwerk durchzubeißen und zu verstehen, was jetzt Attacke- und Parade-Werte sind. Oder wie man seine Punkte am Besten auf den Charakter verteilt.

Was aber nicht im Mainstream zu finden ist, findet sich in der Nische wieder. Klingt platt, ist aber so. Und seit der Erfindung des Internets finden sich hier auch immer Reservoire der Nische. Da Pen-and-Paper auch zur Kultur des Nerds gehören - eventuell auch der des Geeks, aber den Unterschied drösle ich mal ein anderes Mal erneut auf - tauchen analog zu den Let's-Plays bei YouTube natürlich auch Aufzeichnungen von Pen-and-Paper-Runden auf. Oder es gibt einen Livestream. Es gibt dabei nun die reine Form - man sieht einfach als Zuschauer im Netz den Leuten zu und erfreut sich an ihren Entscheidungen und bekommt erstmal mit wie eine Runde funktioniert, was für Neueinsteiger sicherlich von Vorteil ist.

Spannender ist es natürlich, wenn die Möglichkeiten der Interaktion mitgenommen werden. So wie bei Youtube-Streams jederzeit der Chat zur Verfügung steht - ebenso wie bei Twitch - kann man auch Twitter oder andere Werkzeuge zur Interaktion nutzen. Wieweit dabei die Einbeziehung der Nutzer erfolgt ist immer die Sache des Veranstalters. Schaut man sich eine Runde von "Critical Roleplay" an oder von "Foreververse" ist man tatsächlich eher Zuschauer als Mitmacher. "Critical Roleplay" benutzt das Regelwerk von Dungeons and Dragons, "Foreververse" hat einen interessanten Twist - wie bei "Quantum Leap" springen die Spieler hier in Charaktere aus verschiedenen Regelsystemen. Was natürlich interessant ist, wenn man ein System sich erstmal anschauen möchte. Dabei sind auch durchaus obskurere Regelsysteme mit von der Partie. Währenddessen nutzen die Macher von PietSmiet das schon erwähnte DSA-Regelwerk. Es gibt durchaus auch den umgekehrten Weg: Aus einem PC-Spiel ein Pen-and-Paper machen. Fallout 4 eignet sich natürlich genauso dafür wie jedes andere schon als RPG angelegte Computerspiel wie die Macher der GameStar beweisen. Allerdings sind die auch bei StarWars mit dabei. Die Macher von Gametube sind ebenfalls in den Weiten des Weltraums unterwegs.

Das sind bisher alles Runden, in denen der Zuschauer wenig oder kaum Interaktion hat. Das scheint angesichts der Möglichkeiten des Internets eher seltsam anzumuten, andererseits hat man auch manchmal nur das Bedürfnis sich einfach unterhalten zu lassen. Weswegen das lineare Fernsehen nun auch nicht unbedingt aussterben wird, obwohl alle das mehr oder weniger prognostizieren. Zukunft, Vorhersagen, schwierig, ich weiß. Allerdings ist das auch durchaus normal, wenn der Gamemaster ein sehr lineares Abenteuer geplant hat, bei dem die Stationen aufeinander folgen. Für die Interaktion der Zuschauer bleibt da kaum Raum. Allerdings zeigen die RocketBeans auch, dass man selbst bei "Abenteuern auf Schienen" die Community bei einem Livestream beteiligen kann. TEARS arbeitet mit Umfragen und dem Twitterstream - Nutzer können die Karten für die Beteiligten gestalten und es gibt sogar ein eigenes Wiki für die gesamte Welt online. Wobei zu bemerken ist, dass die Rocketbeans als "TV-Sender bei YouTube" ein komplettes Streaming-Programm rund um die Uhr online haben, die einzelnen Sendungen können dann später noch nachgeschaut werden. Das geht bei YouTube ja problemlos.

Interessant ist dabei, dass die RocketBeans eigene Regelwerke benutzen und man im Verlauf der Runden auch mitbekommt, was an diesen Regelwerken nun funktioniert und was eher nicht so. Und was dann im Laufe der Zeit auch etwas korrigiert wird. Permanentes Betastadium kann man das zwar nicht unbedingt nennen, aber durch das Feedback der Nutzer bekommt der Entwickler hier im Spiel selbst Anregungen und Korrekturen. Es gibt bei den Rocketbeans mehrere Pen-and-Paper-Runden  - das Team spielt von Tiercharakteren über Wikinger bis hin zu viktorianischen Schnöseln nun wirklich alles einmal an. Empfehlenswert wegen des "How to be a Hero"-Regelwerks - für One-Shots oder einfache Abenteuer geeignet - ist "Was geschah auf Morrington Manor?" und "Dysnomia". Wobei hier die interaktiven Elemente etwas zurückgenommen wurden, sie sind aber immer noch in Form von Umfragen etwa vorhanden. Vorteil bei den Rocketbeans: Man kann sich in der Regel eine Preview-Runde anschauen, in der das System erklärt wird und in der die Charaktere vorgestellt werden. Fernerhin gibts auch ein "Was wäre wenn" - wenn die Spieler etwa einen anderen Weg gingen als sie hätten gehen können.

Dass es wirklich absurde Rollenspielsysteme gibt, das ist glaube ich unbestritten. Aber wenn ich ein Highlight nennen sollte, so würde es wohl auf "Paranoia" fallen - und dazu gibt es eine Runde mit Wil Wheaton und Felicia Day! Yay. Muss man sich anschauen, weil "Paranoia" zu erklären wohl länger dauert als mal eben die Einleitungsworte der eigentliche Runde. Es ist sehr sarkastisch. Und spielt in der Zukunft. Und ist sehr sarkastisch. Vielleicht finde ich mal eine Runde, der ich beitreten kann. Bis dahin schaue ich mit Vergnügen zu wie die Crew versucht durch die Level zu kommen. Wie, das dauert vier Stunden? Ja, aber bedenket den Spaß!

Kommentare  

#1 Pen and Paper Guy 2018-03-02 09:57
Moin moin,

einen interessanten Artikel habt ihr hier geschrieben. Im Grunde war ich auf der Suche nach neuen Pen and Paper Informationen, denn wie ihr auch so schön geschrieben habt, das Internet ist groß und dort findet man immer gute neue Ideen.
Und gute neue Ideen habt ihr hier gut eingebracht, sämtliche RB Pen and Paper Runden habe ich selbstverständlich schon rauf und runter geschaut, und da kommen mir die anderen YouTuber bzw. Pen and Paper Spieler gerade recht, um das nächste Abenteuer zu planen.
Also vielen Dank nochmal für diese kleine Zusammenfassung, macht weiter so.
Viele Grüße
Der Pen and Paper Guy
(oder einfach Dustin) :D

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