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Smart, sozial, nachhaltig: Die Smart City ist mehr als Technik

In (Multi-)Medias Res - Die Multimedia-KolumneSmart, sozial, nachhaltig:
Die Smart City ist mehr als Technik

Smart City. Ein Wort, das viele, viele Definitionen haben kann. Eines der Wörter, die in der letzten Zeit en vogue sind. Es gibt kaum eine Großstadt, die sich das nicht auf die Fahnen geschrieben hat: Eine Smart City zu sein. Da hat, da sind sich alle einig, irgendwie was mit Technik zu tun. Schnelleres Internet. WLAN an Schulen. Sensoren an Ampeln, die den Feinstaub messen. Termine beim Amt elektronisch vereinbaren.

 Der Schluss steht also: Wir brauchen Technik für eine Smart City.

Es ist nun nicht so, dass eine technische Komponente keine Rolle spielen würde. Natürlich braucht man für gewisse Problemlösungen schnelle Internetzugänge. WLAN in Schulen ist sicherlich schick. Sensoren, die Feinstaub messen und dann eventuell Alarm schlagen? Cool. Da das Internet das Operationssystem der Gesellschaft geworden ist, wie Gunter Dueck das einmal formulierte, brauchen wir die Technik. Das Problem ist: Die meisten Ansätze für die Smart City fokussieren sich nur auf die Technik. Und da die Städte meistens diese Technik nicht haben, brauchen sie auf jeden Fall einen Partner, der das mit ihnen durchführt. Dass sie sich damit vom Partner abhängig machen, das sollte einleuchten. Egal ob es Huawei ist oder Siemens oder Cisco - wenn Städte hier unbedacht ans Werk gehen verkaufen sie ihre Kronjuwelen, ihre Daten. Es ist ja nicht auszuschließen, dass Huawei - der Partner Duisburgs - eines Tages sanften Druck auf die Politik ausüben wird, weil bestimmte Dinge ihnen nicht passen. Menschenrechte. Pressefreiheit. Die neue Seidenstrasse sollte man mit Skepsis und Vorsicht betrachten.

Grundsätzlich führt das Denken in Technik dazu, dass man von Projekt zu Projekt hüpft. Man erstellt einen Masterplan, man diskutiert eventuell mit den Bürger, man listet im Masterplan dann die Dinge auf, die unbedingt angegangen werden müssen - WLAN in Schulen, WLAN IN SCHULEN - und dann macht man diese Dinge. Haken dran. Fertig. Ein Flickenteppich von Projekten, die alle für sich stehen, nicht verbunden sind und bei denen man sich nicht die Gedanken gemacht hat, was eigentlich dahinter stehen sollte. Beim WLAN in Schulen muss man sich fragen: In welchem Fach kann und soll welche Hardware eingesetzt werden? Welche Programme und welche Apps sind pädagogisch eigentlich sinnvoll? Hat die Schule überhaupt genügend Hardware für jeden Schüler oder werkelt man mit Hardware aus der Steinzeit herum? Wie sichert man das WLAN dann eigentlich ab? Sind die Lehrer*innen eigentlich pädagogisch für sowas ausgebildet? Was für einen Mehrwert hat eigentlich ein Tablet in der Schule? Muss man eventuell vom Gruppenunterricht umstellen auf Agile Arbeitsweisen in der Klasse?

Dazu kommt: Wenn Innenstädte versuchen gegen Amazon und Uber zu bestehen, dann müssten sie sich Zeit und Ruhe dafür nehmen zu analysieren, wie diese Firmen arbeiten. Im Grunde ziehen sie Dinge, die für das Gemeinwohl in der Stadt verantwortlich sind aus ihnen heraus. Amazon zahlt so gut wie keine Steuern, weil die Firma in Luxemburg sitzt. Diese Steuern, die Amazon eigentlich entrichten müsste, fehlen der Stadt. Es wird nicht lange dauern bis Firmen wie Uber den öffentlichen Nahverkehr ersetzen. Dass die Uber-Fahrer*innen eine lächerlich geringe Summe erhalten, nicht unbedingt sozialversichert sind - weil die ähnlich wie einige Paketzulieferer*innen Selbstständige sind - ist uns längst allen bewusst, aber wir nutzen Uber weil es so einfach ist. Es könnte uns klar werden: Die Digitalisierung ist längst auch mit der sozialen Frage und der Frage nach der Umwelt verknüpft.

Wie kurzsichtig hier teilweise gedacht wird zeigt das Beispiel der Elektronik-Roller, die demnächst eine Zulassung für den Straßenverkehr bekommen. Gedacht sind die Dinger in der Vorstellung der Straßen- und Verkehrsplaner in erster Linie für die sogenannte letzte Meile von der Straßenbahn bis zur Haustür. Oder für kurze Wege. Dass sich dann auch schnell Firmen finden werden, die die Dinger vermieten sollte klar sein. Allerdings: Ein übergreifendes intelligentes Konzept gibt es nicht, dass die einzelnen Fahrzeuge so miteinander verbindet, dass sie wirklich eine Bereicherung und keine Behinderung des Verkehrs werden. Momentan ist wohl nicht so ganz sicher, ob die Elektronik-Roller auf Fahrradwegen fahren sollen oder dann doch auf der Straße, eine Helmpflicht gibts bestimmt nicht für die Dinger, aber andere Länder wie Österreich zeigen, dass es doch eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit an Unfällen für diese Dinger gibt.

Eine Smart City würde mir als Bürger eine Stadt-App anbieten, in der alle möglichen öffentlichen - nehmen wir mal an, die Stadt würde auch Elektronik-Roller ankaufen - Fahrzeuge aufgelistet sind. Neben Bus und Bahn auch Fahrradverleihe. Lastenfahrräder. Und dann müsste ich als Bürger in der Lage sein, um halt das Klima zu schützen, ein Ticket für alle Fahrzeuge zu erwerben. Eine Monatskarte für alles. Immer. So wie Studenten das schon implementiert bekommen, wenn die ihren Beitrag bezahlen. Momentan wurstele ich mich durch drölfzig Apps oder muss kommerzielle Angebote nutzen, wenn ich von der Bushaltestelle ein Rad leihen möchte. Gleichzeitig würde die App mir dann auch noch als Gamification-Ansatz anzeigen, wieviel ich dem Klima jetzt Gutes tue. Das wäre ein Beispiel für Technik und Nachhaltigkeit. Sozial käme noch dazu, wenn ich die Mitfahrzentrale ebenfalls direkt in der App eingebaut hätte ... Macht aber momentan keiner. Es ist nämlich zu kompliziert, man hat das noch nie gemacht, es kostet. Und man vergesse nicht die internen Machtverteilungen in Verwaltungen, die sich auf einmal bedroht fühlen werden ...

Nachhaltig und sozial müssen bei der Smart City keine Gegensätze sein. Im Gegenteil, wenn man eine übergeordnete Definition - siehe Wikipedia - abruft, dann sind diese beiden Grundsätze schon verankert. Sie werden aber übersehen. Und vielleicht werden sie übersehen, weil wir uns von der Technik blenden lassen. Weil wir nicht darüber nachdenken, ob Technik nur um der Technik willen eingesetzt nicht eigentlich sinnlos ist. Es ist wie zu Zeit der Industriellen Revolution: Ja, wir wissen, dass es da Dampfmaschinen gibt. Wir wissen auch, dass die eine Menge von Arbeiten übernehmen, die sonst von Hand gemacht werden. Wir sehen aber noch nicht welche Folgen der enorme Abbau von Kohle haben wird, die nötig ist um Dampf zu erzeugen. Dass heute ganze Stadtteile absinken, weil wir eine Menge von Schächten in die Erde gegraben haben. Dummerweise haben wir nicht die ganzen hundert Jahre Zeit, um uns darüber zu vergewissern, dass wir hinter die Dinge blicken müssen, dass wir verstehen müssen, wie Amazon und Uber funktionieren, sondern dass wir allenfalls nur einige Jahre haben. Und wenn wir dann demnächst auf Quantencomputer und Künstliche Intelligenzen im Alltag stoßen - wobei wir Künstliche Intelligenzen heute schon haben, ich bin gespannt, wann die erste Superintelligenz entsteht und wir uns dann sorgenfrei ins Qualityland verabschieden können - haben wir keine Ethik, keine Idee und keine Vorgehensweise für diese moderne Technik. Was ironisch ist, weil wir ja nur dauernd an die Technik denken. Noch wäre es an der Zeit sich wirklich Gedanken zu machen. Und das müssen wir wohl leider alle selbst tun, denn die Politik wird das mit Sicherheit erstmal nicht tun. Sonst wäre ein Pakt wie in Duisburg mit Huawei nun wirklich nicht entstanden - wenn die nachgedacht hätten.

Kommentare  

#1 Des Romero 2019-05-10 10:29
Zitat:
Die neue Seidenstrasse sollte man mit Skepsis und Vorsicht betrachten.
Warum? Weil unsere transatlantischen Gönner das sagen?

Zitat:
WLAN in Schulen ist sicherlich schick.
Aber nur unter Kommunikationsaspekten. Die gesundheitlichen Risiken sprechen deutlich dagegen. Und mit 5G wird das Problem erheblich verschärft.

Zitat:
Es ist ja nicht auszuschließen, dass Huawei - der Partner Duisburgs - eines Tages sanften Druck auf die Politik ausüben wird, weil bestimmte Dinge ihnen nicht passen.
Einflussnahme auf die Politik ist gängige Praxis bei Großkonzernen (e.g. Automobilindustrie und Energieversorger). Huawei würde sich also nur einreihen.

Zitat:
Noch wäre es an der Zeit sich wirklich Gedanken zu machen. Und das müssen wir wohl leider alle selbst tun, denn die Politik wird das mit Sicherheit erstmal nicht tun. Sonst wäre ein Pakt wie in Duisburg mit Huawei nun wirklich nicht entstanden - wenn die nachgedacht hätten.
Was wird eigentlich an dem Pakt kritisiert? Es hat eine Ausschreibung stattgefunden, die Huawei für sich entscheiden konnte. Außerdem sollen längst nicht alle technischen Innovationen, wie etwa Gesichtserkennung, übernommen werden.
By the way: Von Politikern darf man nicht erwarten, dass sie nachdenken. Deren Berater und "Experten" sitzen in den Lobbyverbänden der Industrie. Womit der Kreis zum vorhergehenden Punkt geschlossen wäre.

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