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Brett und die alten Monster

Schrott auf DVD und BluRayBrett und die alten Monster

Was ist ein schlechter Film? Nun, diese Betrachtung ist sehr subjektiv, denn es liegt immer im Empfinden des Zuschauers.

Filme die ich schlecht finde muss ein anderer nicht zwangsläufig auch so ansehen. Für mich sind zum Beispiel die weitaus meisten der heutigen A-Filme schlecht. Da wird es manch einen Leser geben, der nun die Stirn runzelt und ein Fragezeichen über dem Kopf trägt.

Leider gibt es nur noch wenige Enthusiasten wie Brett Piper, der sich von einem Fan über den Amateurfilm zum Billigfilm hochgearbeitet hat. Man merkt seinen Filmen einfach die Liebe zu jenem Kino an mit dem er aufgewachsen ist. Ich befinde mit ihm auf einer Wellenlänge, doch sein Wille war/ist stärker, denn seinen Weg habe ich nie eingeschlagen. Die wenigen Filme von ihm, die den Weg über den großen Teich zu uns gefunden haben, schaue ich immer wieder gerne an.

Die Filme des Mannes sind schlecht und niemand sollte glauben, dass jemand von der Kraft der Bilder überzeugt werden kann. Diese Kraft existiert nur für einige Wenige, die man gerne als "Ewig Gestrige" tituliert und/oder die sich einfach eine naive Kindlichkeit bewahrt haben.

All Girls WeekendQueen Crab (2015)
(Queen Crab)
Regie: Brett Piper, mit Michelle Simone Miller, Kathryn Metz, Richard Lounello, A.J. DeLucia, Steve Diasparra, Ken Van Sant
Stolz verkündet der Co-Produzent Mark Polonia, dass es in dem Film keine CGI-Effekte gibt. Er darf stolz darauf sein, denn in einer Zeit, da der Computer billig und zeitsparend alle Aufgaben übernehmen kann, sind handgemachte Effekte zur Seltenheit geworden. Doch nimmt es jemand zur Kenntnis? Nö, warum auch. Ganz im Gegenteil. Viele Leute werden den Film nicht ob seiner mäßigen Darsteller oder des sonstigen filmischen Handwerks verdammen, sondern wegen der Effekte, die für heutige Sehgewohnheiten einfach schlecht sind.

Mir ging das Herz auf, als ich im Vorspann den Namen Brett Piper las (das Cover sagt nichts über Stab und Besetzung aus). Er wird kaum jemandem etwas sagen. Der Mann begann bereits in den frühen 80'ern phantastische Monsterfilme zu drehen, von denen der eine oder andere sogar den Weg zu uns fand. Sie erschienen bei billigen VHS-Labels und wurden kaum jemandem bekannt. Und wer sie gesehen hatte, der gab seinen Mageninhalt her ohne dafür den Finger in den Hals stecken zu müssen. Das wird vielen Leuten auch heute noch so gehen. Man muss schon ein Freak sein um das Zeug mögen zu können.

Brett Piper ist ein Anhänger klassischer Stop-Motion-Animation. Seine frühen Filme sind haarsträubend anzusehen, aber sie sind von der Liebe für diese Arbeit gezeichnet. Doch man muss diese Hingabe zu würdigen wissen, will man mit seinen Filmen etwas anfangen können. Und so sind die hübschen kleinen Effekte die Attraktionen seiner schlechten Filme. Einst perfektionierten Leute wie Willis O'Brien, Ray Harryhausen oder Jim Danforth diese inzwischen total überholte Art Kreaturen im Film lebendig zu machen, heute gibt es sie nicht mehr. Nun, der gute Brett kann jenen alten Meistern nicht das Wasser reichen, aber zumindest für mich spielt das keine Rolle. Als ich den Film sah fühlte ich mich zuhause, ungeachtet der naiven, eigentlich dummen Handlung, der wirklich blöden Schauspieler und des Settings, das fast ausschließlich bei Nacht gefilmt wurde. Letzteres war sicherlich eine Entscheidung, die aus finanziellen und mangelnden Möglichkeiten fiel. Man wollte dem Zuschauer nicht zu deutlich die Schwächen bei den Tricks vor Augen führen.

Die Handlung ist schnell erzählt. Die kleine Melissa findet eines Tages eine ungewöhnlich große Krabbe, welche sie Pirie nennt und füttert. Dass sie dabei Früchte verwendet, die von ihrem Vater im Labor behandelt wurden, spielt für sie keine Rolle. Zwanzig Jahre später ist das Vieh zu einem Monster heran gewachsen, so groß wie ein LKW mit Anhänger. Es haust in dem See auf dem Grundstück von Melissa (Michelle Simone Miller). Als ihre Nachkommen getötet werden läuft Pirie Amok. Die Dorfbewohner und zwei herbeigerufene Flugzeuge beschießen den See und machen die Krabbe platt. Pustekuchen, denn durch einen Trick konnte Pirie gerettet werden.

Toll, die Handlung ist wirklich doof. Melissa liebt ihr überdimensionales Haustier und ist sogar bereit sich dafür zu opfern. Ich finde die Schlusseinstellung wunderbar, wenn die junge Frau am Strand sitzt und sich voller Liebe gegen eine der Scheren lehnt. Das ist so dämlich und kitschig, dass ich dem Film einfach nicht böse dafür sein kann.

Dass der Film überhaupt zu uns gekommen ist kann man wohl als Zufall betrachten, denn immerhin vergingen zwei Jahre seit der Herstellung. Ich bin vermutlich der einzige Mensch der dankbar dafür ist. Der Film sieht aus wie ein B-Monsterheuler aus den 50'ern, in exakt gleicher Bildsprache und in den Effekten. Man muss wirklich einen Hang zu diesem klassischen Trash haben, will man ihn genießen können. Etwas unverfroren ist das Cover, auf dem eine haushohe Krabbe zu sehen ist, die effektvoll von Düsenjägern beschossen wird. Man könnte eine TheAsylum oder CineTel Produktion dahinter vermuten, doch im Vergleich zu diesem Film sind jene geradezu Blockbusterproduktionen.

Dass Brett Piper dieses alte Kino liebt merkt man vielen Sequenzen an. Etwa jene Einstellungen, in denen Pirie eher wie eine Inkarnation von TARANTULA (1955 - ja ich weiß, war kein Stop Motion Film) wirkt. Am bemerkenswertesten wohl jener Moment, da Melissa auf ihrem Liebling reitet. Niemand kann ermessen wie ich mich über diesen Augenblick gefreut habe, auch wenn es technisch, ähem, fragwürdig aussieht.

Trotz meiner Lobeshymne, diesen Film kann ich niemandem empfehlen. Er ist schlecht gespielt, viel zu dunkel, zu statisch gefilmt und besitzt eben Tricks, die schon vor fast vierzig Jahren ausgestorben sind.

Danke, Brett, für einen wunderschönen Retro-Filmabend.

ArachniaArachnia (2003)
(Arachnia)
Regie: Brett Piper, mit Rob Monkiewicz, Irene Joseph, David Bunce, Bevin McGraw, Alexxus Young, James Aspden, Dari Merriman.
Ein Brett Piper-Film, der bei Anolis erschien und für den sogar ein kleines Booklet geschrieben wurde. Welch eine Ehre für einen Billigfilmer. Der Film wie sein Macher werden dadurch aufgewertet und vermutlich wird es trotzdem niemand zu schätzen wissen.

ARACHNIA ist einer dieser wundervollen kleinen Filme, die das Rad der Zeit zurückdrehen können in eine Welt, in der Perfektion noch relativ war. Aus heutiger Sicht sind alle Kreaturen, die in den Monsterfilmen bis in die 90'er das Licht der Filmwelt erblickten, schlecht realisiert. Das Zauberwort CGI haucht den Wesen heutzutage realistisches Leben ein. Ich teile die Leidenschaft von Brett, der seinen Traum bis heute nicht verwässert hat. Es ist mir gleichgültig, ob diese Spinnen realistisch wirken oder nicht, sie sind einfach toll!!! In mühevoller Kleinarbeit und einem enormen Zeitaufwand huldigt der Mann seinen Idolen der Stop Motion Animation - da ist es mir beinahe egal was sich an Handlung drumherum abspielt.

Auch ARACHNIA ist eine so tiefe Verbeugung vor den trashigen Monsterheulern der 50'er bis 70'er Jahre, dass Brett sicherlich den Staub des Bodens einatmen konnte, auf dem er vor diesen Filmen niederkniete. Diese Gurke gehört zum Besten was das Trashkino bieten kann, doch nur für jene die den Gedanken dahinter erfassen können. In naiver Begeisterung findet man die Monsterfilmer hier alle wieder, O'Brien, Harryhausen, Danforth, aber auch Jack Arnold oder Bert I. Gordon.

Der Film ist so simpel wie die meisten seiner Vorbilder. Ein Professor und vier seiner Studenten stürzen mit dem Flugzeug fernab einer Stadt ab, weil ein Meteorit direkt neben ihnen auf die Erde knallt. Sie überleben alle und können sich in ein einsames Haus flüchten, dessen Besitzer sich als knurrig aber gastfreundlich erweist. Der Meteor hat durch die Druckwelle eine Höhle freigelegt, aus der eine Horde monströser Spinnen entweicht und die Leute in dem Haus terrorisiert. Mit allem was ihnen zur Verfügung steht setzen jene sich zur Wehr, bis das herbei gerufene Militär dem Spuk ein Ende bereitet.

So simpel wie effektiv. Für einen Film dieser Kategorie überrascht er mit einer bemerkenswerten Differenzierung der Charaktere. Okay, sie entsprechen irgendwelchen Klischees aus irgendwelchen alten Filmen, aber sie sind konsequent durchgezogen und gut gespielt. Die beiden fleischgewordenen Blondinenwitze haben mir dabei am besten gefallen. Es ist verdammt schwer so etwas zu spielen.

Es wird zitiert, dass der Film zu platzen droht und doch wird der Pfad der flachen schlüssigen Handlung nicht verlassen. Dabei sind es nicht nur Monsterfilme, die man entdecken kann. Putzig ist der Pilot des Flugzeugs, der zumindest eine entfernte Ähnlichkeit mit dem jungen Bruce Campbell aufweist und deshalb mit einer Kettensäge den Spinnen den Garaus macht, dabei über und über mit dem Glibberblut vollgesaut wird. Die Filmvorlage brauche ich wohl nicht zu erwähnen.

Ja, der Film strotzt vor Anschlussfehlern, er wirkt manchmal unbeholfen inszeniert. Damit entspricht er aber ganz seinen Vorbildern. Da Brett Piper nun einmal kein begnadeter Autor und Regisseur ist macht er aus der Not eine Tugend und stellt seine Filme so her wie es die Leute einst auch taten. Das auf der Disc enthaltene "Behind the scenes" zeigt einen fröhlichen Haufen von Menschen, die sichtlich Spaß bei den Dreharbeiten hatten. Dieser überträgt sich während des Films auch auf den Zuschauer. Zu keiner Zeit nimmt sich das Ding ernst und so manche Gags funktionieren sogar richtig gut (die Handyszene ist zum Schreien geil, zumal sie gleichzeitig die Veräppelung des modernen Horrorfilms darstellt, in denen alle immer kein Netz haben).

Bitte versteht mich nicht falsch, gegenwärtigen Sehgewohnheiten entsprechend ist der Film schlecht. Man muss ein Freund dieser alten Heuler sein, will man seinen Spaß daran haben, denn in beinahe jeder Szene steckt Liebe zum Detail, die aber nicht jeder erkennen kann und mag.

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