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Hörspiel oder Hörbuch? - Das ist hier gar keine Frage

Zauberwind - Der ZwischenrufHörspiel oder Hörbuch?
Das ist hier gar keine Frage

Immer häufiger trifft man bei Hörgeschichten heute auf die Bezeichnung "inszenierte Lesung" oder "Hörbuch mit verteilten Rollen". Besonders die Remscheider Hörspielschmiede Winterzeit tut sich in letzter Zeit mit diesem Begriff hervor. Aber auch HighscoreMusic springt auf dieses Pferd auf und verkauft seine Captain Future-Hörspiele als Hörbücher bzw. inszenierte Lesungen.


Wer die Produkte hört - und ich tue das hin und wieder, der merkt, dass dies nicht so ganz richtig sein kann.

Aus rechtlichen Gründen ist die Bezeichnung Hörspiel nicht möglich. Das habe ich verstanden und HighscoreMusic hat es auch so kommuniziert als es die Captain Future-Hörspiele herausbrachte. Schmeichelei war es beinahe, als man in Rezensionen von waschechten Hörspielen sprach. Doch das ist eine Tatsache.

Es sind Hörspiele.

Ob man die Bezeichnung nun rechtlich braucht oder nicht spielt keine Rolle. Jedenfalls nicht für das Hörgefühl. Ein Hörspiel ist ein Hörspiel. Und es die Freiheit des Autoren und der Regisseure wie sie dieses Hörspiel gestalten. Ob mit drei oder vier Sprechern, ob mit viel Erzähleranteil oder wenig. Und es ist auch egal wenn gar kein Erzähler dabei ist. Wichtige Faktoren für ein Hörspiel sind Musik und Geräusche. Aber selbst Musik benötigt ein Hörspiel nicht unbedingt. Die Geräusche sind auch keine Pflicht. Wichtig ist, das mehrere Sprecher in verteilten Rollen auftreten. Und das ist bei Captain Future und den Larry Brent-Hörspielen der Winterzeit-Schmiede der Fall. Und die haben sogar noch Musik und Geräusche. Also alle Faktoren, die ein Hörspiel haben kann, kommen hier zusammen. Mehr braucht es gar nicht um dieser Bezeichnung zu gebühren. Es hätte auch gereicht wenn nur Geräusche oder nur Musik dabei sind. Hier gibt es alles.


Eine inszenierte Lesung ist etwas völlig anderes. Ein oder zwei Sprecher lesen einen Text herunter. Sie lesen und spielen ihn nicht. Oder sie spielen bedingt und geben den verschiedenen Rollen eine andere Stimmfarbe. Gelegentlich kann es Musik geben, die einzelne Kapitel unterteilt. Doch der Hintergrund bleibt kalt und ruhig. Man hört nur die Stimme, die nicht einfach herunterliest, sondern etwas Leben in die Lesung bringt. Als Beispiel nenne ich hier gern die Larry Brent-Hörbücher von EUROPA. Rainer Schmitt sprach mal mit hohen und mal mit tiefen Tönen und als Iwan hatte er einen russischen Akzent. Aber: eine inszenierte Lesung gibt es im Hörspiel sowieso nicht. Dies ist eher eine Kunstform vom Theater. Doch selbst wenn man es auf das Hörspiel überträgt müsste es ganz anders sein, als beispielsweise bei Captain Future oder Larry Brent-Classic. Bei Wikipedia steht nähmlich:

Zitat:

Die Texte werden szenisch aufgearbeitet, wobei das Lesen mit all seinen Techniken – Artikulation, Stimmvolumen, Tempo, Sprecheinsatz, Stimmfärbung, Atmung – im Vordergrund steht. Dabei wird eine Mischung aus klassischem Lesevortrag und darstellendem Spiel angewandt. (1)

Zitat:

Die Lesung kann auch multimedial mit Musik und Bildmaterial unterstützt werden. Die zu lesenden Texte (Gedichte und Kurzgeschichten/Kurzprosa bis bin zu Romanen) werden dabei oft als sogenannte Rollenlesung von mehreren Akteuren vorgetragen ohne ins „Schauspielern“ zu verfallen. (2)

Wie gesagt. Das Ganze bezieht sich auf das Theater wo szenische Lesungen z.B. auf Kleinkunstbühnen Anwendung finden. Bei den genannten Hörspielen wird eindeutig ›geschauspielert‹.

Dabei kann sich Winterzeit bei seinen Larry Brents gar nicht mal entscheiden, ob es sich nun um inszenierte Lesungen oder Hörbücher handelt. Beide Begriffe stehen auf dem Cover.

Bei einem Hörbuch handelt es sich im engeren Sinne um eine reine Lesung. Ihren Ursprung haben Hörbücher im Wesen der Blindenbüchereien. Im weitesten Sinne ist ein Hörbuch aber auch ein Hörspiel. Nämlich dann wenn gestalterische Elemente wie Musik und Geräusche dazu kommen. Das Hörspiel ist und war seit jeher immer eine Unterform des Hörbuchs. Deshalb sollte man auch bei Winterzeit das Kind beim Namen nennen und Hörspiel drauf schreiben. Aber das kann man nicht, weil es rechtliche Gründe dafür gibt.

Die R&B Company veröffentlicht seit 2012 Larry Brent-Hörspiele und hat diesbezüglich die Vertonungsrechte an den Vorlagen von Dan Shocker. Und zwar die Alleinigen, wenn man den allgemeinen Aussagen glauben kann. Niemand darf also angeblich eigene Larry Brent-Hörspiele nach den Shocker-Vorlagen produzieren. Deshalb schreibt Winterzeit Hörbuch drauf und glaubt damit in reinen Gewässern zu schwimmen. Doch unter Beachtung der Tatsache, das ein Hörspiel nichts weiter als eine andere Gestaltung eines Hörbuches ist, führt man sich mit dem Begriff ad absurdum. Und wer wie gesagt reinhört, der weiß auch, dass der Begriff Hörbuch (selbst wenn man ihn im engeren Sinne betrachtet) für diese Produktionen ganz und gar nicht zutrifft. Ganz zu schweigen von einer inszenierten Lesung, was etwas ganz und gar anderes ist, wie wir gelernt haben.

Ein Hörbuch wird bestimmt durch die SprecherInnen (fast immer im Monolog), es gibt nahezu keine Geräusche oder Musik. (3)

Das Hörspiel wird bestimmt durch die SprecherInnen (oftmals im Dialog), aber auch gleichberechtigt Geräusche, Musik. (4)

Ziatat 4 beweist es ebenfalls. Mehr Beispiele benötigt man nicht. Karussell brachte in den 80er Jahren Karl May-Hörspiele heraus. 20 an der Zahl. Alle kamen ohne Musik aus. Dennoch waren sie von den Sprechern gespielt und aufgrund dessen Hörspiele.

 Larry Brent Classics (1) Das Grauen schleicht durch BonnardsWenn man sich das Cover von Larry Brent Classics (1) Das Grauen schleicht durch Bonnards Haus ansieht und Hörbuch liest, dann ist erstmal nichts falsches daran (im engeren Sinn). Es ist aber falsch wenn man sich damit vom Hörspiel abgrenzen möchte. Der Begriff "inszenierte Lesung" ist total falsch.

So lässt sich sagen, dass ich weder etwas gegen Hörbücher noch gegen inszenierte Lesungen habe. Man sollte die Dinge nur danach benennen was sie sind. Das Rechtliche mal beiseite gelassen. Das interessiert doch keinen Hörer. Vielleicht ist es auch eine Empfindungssache. Ich jedenfalls verstehe es als Kunst ein Hörspiel so zu gestalten, wie es die Macher und Erfinder sich vorgestellt haben. Und wenn die Rollen dabei gespielt sind, ist es ein Hörspiel für mich. Die Macher der besagten Produkte wettern dagegen. Patrick Holtheuer, der an den Produkten von Captain Future beteiligt war besteht auf den Begriff "inszenierte Lesung". Ich verstehe warum. Und er und auch die anderen müssen das wohl sagen - aus rechtlichen Gründen. Nur ganz nachvollziehen kann ich es nicht.
Wahrscheinlich entscheidet heute jeder Verlag selbst was ein Hörbuch oder sonstwas ist. Auch eine Form der freien Kunst und da es hier keine geschützeten Begriffe gibt ein Leichtes.

Ob es sich nun rechtlich um Hörbücher handelt oder Hörspiele ist eine ganz andere Frage. In den Gesetzestexten liest man zur Umsatzsteuer von Hörbüchern:

Zitat:

...Weitere Voraussetzung ist, dass auf dem Medium ausschließlich die Tonaufzeichnung der Lesung eines Buches gespeichert ist. Der dabei zugrundeliegende Buchbegriff ist funktional zu verstehen, d. h. die Lesung muss einen Text wiedergeben, der dem herkömmlichen Verständnis vom Inhalt eines Buches entspricht. Die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes ist deshalb nicht davon abhängig, dass der Inhalt eines Hörbuchs als gedruckte Fassung verlegt wurde oder verlegt werden soll. Für Lesungen, die dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen, ist die Verwendung von Musik und Geräuschen, die der Illustration des Textes dienen, zulässig. Auch eine mehrstimmige Lesung schließt die Einordnung als begünstigtes Hörbuch nicht aus, soweit sich dies aus dem Buch, z. B. durch Dialoge in wörtlicher Rede ergibt. Hat ein Verlag ausschließlich das Recht durch den Lizenzgeber eingeräumt bekommen, eine Lesung zu produzieren, ohne dass ihm auch die Hörspielrechte eingeräumt werden, ist das Erzeugnis aus Vereinfachungsgründen als Lesung anzuerkennen... (5)

Das erklärt vielleicht warum Hörbuchmacher auf die Bezeichnung "Hörbuch" pochen. Auf Kosten der Hörer sich so etwas hinreißen zu lassen finde ich bedenklich. Der Anpruch Unterhaltung zu machen sollte im Vordergrund stehen. Leider ist das heutzutage auf dem Hörspielsektor nicht ganz einfach. Neu entwickelte Serien laufen schlecht. Man greift da lieber auf alt bekanntes zurück: "Edgar Wallace", "Sherlock Holmes", "Captain Future" und eben Heftserien die einst beliebt waren wie "Larry Brent". Wenn die Rechte nicht frei sind, sucht man sich neue Bezeichnungen und druckt diese auf die CD´s um den Rechten und den Gesetzen gerecht zu werden. Macht man Hörspiele und Hörbücher für das Gesetz oder für die Menschen? Sind wir schon soweit. Mich erinnert das schmerzlich an meinen Berufsstand. Wir arbeiten zum Großteil auch nicht mehr für die Menschen, sondern für die Krankenkassen und Gesetzeshüter die jeden Schritt, den wir machen überwachen.

Eine Definition für ein Hörspiel/Hörbuch an einer juristischen Klausel festzumachen, halte ich jedenfalls für bedenklich.

Da möchte ich eigentlich nicht mehr mitmachen. Meinetwegen nennt Eure Hörspiele Hörbücher (wenn es doch im engeren Sinne sogar noch stimmt). Meinetwegen nennt es Mix aus Hörbuch und Hörspiel (wenn der Erzähleranteil sehr hoch ist), aber bitte pocht nicht auf die Bezeichnung "Hörbuch" und tut so als sei es eine Lesung. Und bitte druckt nicht "inszeneirte Lesung" drauf. Der Unterhaltung zuliebe. Danke.


(1)-(2)= Wikipedia
(3)-(4)= hörspiel.com
(5)= IHK Köln

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